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Calvin, Jean - Psalm 132.

Calvin, Jean - Psalm 132.

Inhaltsangabe:

Der prophetische Verfasser des Psalms, wer es auch sein mag, hält im Namen der Gläubigen dem Herrn seine Verheißung vor, dass er das Königtum und den Tempel niemals zugrunde gehen lassen, sondern dem einen wie dem anderen festen Bestand geben und Schutz gewähren wolle.

Ein Stufenlied.

1 Gedenke, Herr, an David mit all seinem Leiden. 2 Der dem Herrn schwur und gelobte dem Mächtigen Jakobs: 3 „Ich will nicht in die Hütte meines Hauses gehen, noch mich aufs Lager meines Bettes legen, 4 ich will meine Augen nicht schlafen lassen, noch meine Augenlider schlummern, 5 bis ich eine Stätte finde für den Herrn, zur Wohnung dem Mächtigen Jakobs.“

V. 1. Gedenke, Herr, an David. Über den Verfasser des Psalms sind sich die Ausleger nicht einig. Ohne Zweifel ist es entweder David oder Salomo. In dem Bericht über die feierliche Einweihung des Tempels kommen nämlich bei dem Gebet Salomos einige Verse aus diesem Psalm vor (2. Chron. 6, 41 f.). Man darf hieraus mit Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass er damals schon unter dem Volk bekannt gewesen ist, oder dass Salomo ihn für diesen Anlass verfasst und etliche Worte daraus für die Feier selbst verwandt hat. Nun war es aber David, der die Verheißung von dem ewigen Bestand des Königtums und des Tempels erhalten hatte. Darum beruft sich der Beter auf David; denn wenn dieser auch gestorben war, so blieb doch die Wahrheit Gottes in Kraft. Insofern hatte die Gemeinde ein Recht, so zu beten: Gott wolle halten, was er seinem Knechte David versprochen hatte; denn es galt nicht seiner Person allein, sondern allen Gläubigen. Wir leiten also nicht, wie die Römischen, aus unserer Stelle die alberne Lehre ab, dass die Verstorbenen mit ihrer Fürsprache uns helfen müssen; wir finden lediglich in den Worten eine Berufung auf den Bund, den Gott mit David geschlossen hatte, und zwar zu dem Zweck geschlossen, damit er allen Gläubigen übermittelt würde.

Nicht umsonst werden Davids Leiden erwähnt. In der Stelle 2. Chron. 6, 42 heißt es stattdessen: die Gnaden Davids. Das ist etwas anderes, das sind nach meiner Auffassung die ihm erwiesenen Wohltaten. Unter den Leiden Davids sind ohne Zweifel die bangen Sorgen zu verstehen und all die Schwierigkeiten und Kämpfe, mit denen er zu tun hatte, solange Gott ihn in der Schwebe hielt. Es soll also heißen: Gedenke, Gott, wie viel Angst David ausgestanden hat, durch wie viel Beschwerlichkeiten er sich hat durchkämpfen müssen, bevor er zum Königtum gelangte, und wie dann sein heißes Verlangen danach gestanden hat, dir einen Tempel zu bauen, wozu er doch zeitlebens nicht gekommen ist. Für die Gläubigen galten mit Recht die Gefahren, Mühen und Seufzer Davids als eine Versiegelung des göttlichen Spruches; denn er hat es dadurch vollauf bezeugt, wie fest und sicher er auf das baute, was aus dem Munde Gottes gegangen war. – Ich möchte nicht übersetzen: David „und“ seine Leiden. Es wird vielmehr angedeutet, in welcher besonderen Beziehung Gott an David gedenken soll: er möge mit seinen Leiden vor Gottes Auge hintreten, und so möge er ihm endlich die Erfüllung seines Wunsches gewähren.

V. 2. Der dem Herrn schwur usw. Unter die Leiden Davids wird dieses vornehmlich gezählt, dass er um einen festen Standort für die Bundeslade sich abgequält hat. Mose hatte ja seinerseits dem Volke geboten, Gott zu dienen an dem Ort, den er erwählen würde (5. Mos. 12, 5). Nun wusste David, die Zeit sei jetzt so weit gediehen, dass der Ort bekannt werden müsse. Und dennoch blieb er im Ungewissen und musste warten; das beunruhigte ihn. Brannte er doch vor Eifer um den Gottesdienst und machte sich auch Sorge wegen der bleibenden Gegenwart Gottes zur Beschützung und Regierung des Volks. Er sagt, er habe geschworen, dass er alles andere hintansetzen wolle, um sich die Erbauung des Tempels angelegen sein zu lassen. Nach dem Grundtext ist es eine ziemlich starke Beteuerung, als wolle er von Schlaf und von Speise, und was sonst zum Leben gehört, nichts wissen, bis der Ort für den Tempel bestimmt sei. Und doch war es ein unbedachter Eifer. Denn es lag nicht in seinem Belieben, Gott die Zeit vorzuschreiben; und viele Tage ohne Essen und viele Nächte ohne Schlaf zu bleiben, ging über sein Vermögen. Zudem fragt es sich: wann hat er das feierliche Gelübde abgelegt? Einige antworten: als er, durch den Anblick des Engels erschreckt, auf sein Antlitz fiel (1. Chron. 21, 16), habe er diesen Eid getan. Allerdings ist ihm kurz darauf die Tenne gezeigt worden. Aber die Annahme ist doch zu unwahrscheinlich und gezwungen. Wie ließe sich denn auf diesen einen Augenblick das beschränken, was vielmehr von langem Nachdenken verstanden werden muss? Nun wird es aber nicht unschicklich sein, eine Art dichterischer Übertreibung anzunehmen. Dann läge uns hier nicht der Wortlaut des Gelöbnisses vor, sondern die Worte wären in etwas abgeschwächtem Sinn so zu verstehen: nie will ich in mein Haus gehen und nie auf das Lager meines Bettes steigen, ohne diese Sorge und diesen Kummer mit mir zu nehmen. Das stand ihm fest, dass das Haus Gottes und das Königtum zusammengehörten. Darum kam er sich solange nicht als König vor und konnte sich auch keinen ruhigen Lebensgenuss versprechen, solange er nicht wusste, wo der Tempel seinen Platz finden sollte. Diese Auffassung ist nach meinem Urteil wenigstens die wahrscheinlichere und ergibt einen recht passenden Sinn: ob David zu Hause weile, ob er im Bette liege, er werde innerlich keine Ruhe haben, bis er wegen einer dauernden Wohnung für die Bundeslade sicheren Bescheid erhalten habe. – Was das Geloben betrifft, so schließen die Römischen mit Unrecht aus dieser und ähnlichen Stellen, dass Gott unterschiedslos alles gutheiße, was sie an Gelübden nur herausschwatzen. Denn so löblich es ist, dem Herrn das zu versprechen, was ihm nach seiner eigenen Aussage angenehm ist, so verkehrt und vermessen ist es, wenn man in fleischlichem Sinn herausfährt, um alles Mögliche zu geloben. Man sehe also darauf, was er gutheißt, und lasse ihm das Recht, allein hierüber zu bestimmen; bei ihm gilt Gehorsam mehr als Opfer.

6 Siehe, wir hörten von ihr in Ephrata; wir haben sie gefunden auf dem Felde des Waldes. 7 Wir wollen in seine Wohnung gehen und anbeten vor seinem Fußschemel. 8 Herr, mache dich auf zu deiner Ruhe, Du und die Lade deiner Macht! 9 Deine Priester lass sich kleiden mit Gerechtigkeit, und deine Frommen sich freuen.

V. 6. Siehe, wir hörten von ihr in Ephrata. Das sind dunkle Worte, die den Auslegern viel Not machen. Schwierig ist schon die Frage, worauf sich das Fürwort bezieht. Von wem hörten wir? Es bleibt nichts anderes übrig, als an die vorher erwähnte Wohnung zu denken, obwohl dort im Grundtext die Mehrzahl steht. Noch schwieriger ist das Wort Ephrata. Es ist ein anderer Name für Bethlehem; aber da ist die Bundeslade nie aufgestellt gewesen. Handelte es sich um die Vergangenheit, so musste vielmehr Silo genannt werden. Es ist indessen außer Frage, dass der Prophet nicht die alte, sondern die neue Wohnung besingen will. Warum setzt er denn für Zion Ephrata? Die Vermutung, der Ort habe zwei Namen gehabt, und die Tenne, die dem David gezeigt wurde, sei wegen der Fruchtbarkeit des Ortes aus Ephrata genannt worden, hat keinen Wert. Der Name ist freilich abgeleitet von einem Wort, welches Fruchtbringen bedeutet, gleichwie auch Bethlehem, das in der Gegend lag, wegen seiner Fruchtbarkeit Brothaus hieß. Aber mit einer Mutmaßung, die an den Namen des Ortes anknüpft, ist nichts anzufangen; wir müssen auf einem anderen Wege suchen, der Wahrscheinlichkeit näher zu kommen. – Die folgende Ausführung könnte schon etwas Ansprechendes haben. Es war das Gerücht verbreitet, die Bundeslade solle in Ephrata (Bethlehem) aufgestellt werden, wo David herkommen sollte; und sicherlich musste ein Platz in seinem Heimatort vorzugsweise geeignet für die Lade und das Heiligtum erscheinen, weshalb es zu begreifen ist, dass diese Vermutung allenthalben Anklang fand. Hören stände dann für Hörensagen, und es wäre zu übersetzen: Wir hatten von ihr gehört in Ephrata, gefunden aber haben wir sie im Walde, d. h. an einem nicht so gepflegten und freundlichen Orte. Jerusalem war bekanntlich von Bergen umgeben, und es war kein fruchtbarer Teil des Landes, so dass es nicht unpassend Waldland genannt werden konnte. –

Daneben mögen die Leser noch folgende Auslegung prüfen. Die Gläubigen sagen: sie hätten gehört in Ephrata, weil der Herr von Ephrata etwas Erhabeneres verhieß als von Zion. Denn wenn auch jene denkwürdige Weissagung Michas (5, 2) noch nicht ergangen war, so kann es doch sein, dass Gott schon etwas Großes und Herrliches von Bethlehem bezeugt hatte. Also: gehört haben von Bethlehem; aber weil über diesem Ort in Betreff der Hoffnung für uns noch ein Dunkel liegt, so werden wir einstweilen Gott in einer Waldgegend zu verehren haben, bis er die über Ephrata schwebende Verheißung in Erfüllung gehen lässt. Allein diese Auslegung ist gezwungen, und ich wage kaum, sie mir anzueignen, kann sie jedenfalls nicht als eine natürliche empfehlen. – Mir scheint es einfacher, den Namen Ephrata nicht sowohl vom Ort als vielmehr von der Person Davids selbst zu verstehen, wie wenn der Prophet sagte: jetzt endlich, seitdem Gott einen ephratischen König sich erwählt hat, sei zugleich die Stätte für die Bundeslade bestimmt worden. Das Hören steht voran, weil es nicht im Belieben der Menschen lag, das Heiligtum Gottes irgendwohin zu setzen; Gottes Wille musste erst geoffenbart sein. Und die Gläubigen konnten sich wohl Glück wünschen, dass endlich unter Davids Herrschaft der hochbedeutsame Gottesspruch über den bleibenden Standort des Tempels beigebracht worden war. Dabei geben sie zu verstehen, dass sie die Lade nicht in der ersten besten Herberge untergebracht haben, sondern von Gott selbst belehrt worden sind, wo sie ihm dienen sollen. So gibt beim rechten Gottesdienst immer der Glaube den Ausschlag, und der Glaube kommt aus dem Hören. Übrigens wenn auch der Berg Zion kaum hervorstechende Eigenschaften besitzt, so sehen die Gläubigen es doch für Sünde an, über die Wahl des Ortes zu streiten, weil sie nunmehr gehört haben, was Gott beschlossen hat.

V. 7. Wir wollen in seine Wohnung gehen. Hier spricht der Dichter allen Frommen Worte der Aufmunterung vor, mit denen sie sich gegenseitig einladen sollen zu dem Ort, der vom Engel gezeigt war. Und es ist gewiss recht und billig, dass wir zum Gehorsam uns umso munterer zeigen, je bestimmter uns der Wille Gottes kundgetan worden ist. Das Volk hat es jetzt begriffen, dass die Stätte von Gott erwählt ist. Nun mahnt der Prophet, es sein kein Verweilen mehr am Platz, sondern ein Eilen, weil Gott durch Erwählung des bestimmten Ruheorts so vertraulich zu sich einladet. Er straft mit diesen Worten die Trägheit aller derer, bei welchen der Eifer mit der Erkenntnis nicht Schritt hält. – „In seine Wohnungen“ lautet es im Grundtext. Man will die Mehrzahl damit erklären, dass im Tempel ein innerstes Heiligtum, ein mittlerer Teil und ein Vorhof war. Es kommt mir fast zu spitzfindig vor, als dass es vom Verfasser so gemeint sein sollte; aber ich will es gelten lassen.

Mehr hat es zu bedeuten, wenn der Prophet im Folgenden die Bundeslade den Fußschemel Gottes nennt. Er gibt damit zu verstehen, dass das unendliche Wesen Gottes nicht eingeschlossen werde im Heiligtum, wie sich das die Leute in ihrer plumpen Weise dachten. Denn wenn der sichtbare Tempel mit all seiner Herrlichkeit nicht mehr war als eine Fußbank, so mussten ja die Gläubigen notwendig zum Himmel sich aufschwingen, um Gott selbst ehrfurchtsvoll zu bewundern; jedenfalls waren keine irdischen Vorstellungen von Gott gestattet. Anderswo wird der Tempel zwar auch das Antlitz Gottes genannt (Ps. 27, 8), damit sich der feste Glaube an die Gegenwart Gottes mit der Betrachtung des von ihm gegebenen Wahrzeichens verbinde. Der Prophet will aber hier die beiden Dinge recht deutlich aussprechen: dass der Aberglaube ist, sich Gott im Tempel eingeschlossen zu denken, dass aber die Gemeinde doch nicht ohne Grund sich äußerer Symbole bedient. Wir sollen die Stützen für unseren Glauben nicht gering achten, sollen uns aber auch nicht zu fest an sie heften. Kurz: Gott wohnt wohl im Himmel und über allen Himmeln; aber wenn wir ihn suchen, sind wir doch nicht genötigt, uns ohne Beihilfe bis dahin aufzuschwingen. Denn er gibt uns ein Wahrzeichen seiner Gegenwart: seine Füße streckt er zur Erde und hält sie uns zum Küssen hin. Wie gut tut es uns, die wir so schwach sind von Begriff, wenn der heilige Geist in solcher Weise von solchen Dingen stammelt, um uns von den irdischen Elementen zum Himmel empor zu führen! Jetzt, wo die Formen des Gesetzes abgetan sind, ist es ein Anbeten zu dem Fußschemel Gottes, wenn wir uns in Ehrfurcht unter sein Wort beugen und uns an den Sakramenten üben zum geistlichen Gottesdienst, um so Schritt für Schritt zu ihm aufzusteigen. Und weil auf Christus nicht bloß die Füße Gottes ruhen, sondern die ganze Fülle der Gottheit und Herrlichkeit in ihm wohnt, haben wir in ihm den Vater zu suchen. Und wahrlich, deswegen ist er herabgekommen, damit er uns empor heben könne.

V. 8. Herr, mache dich auf zu deiner Ruhe! Es ist etwas sinnlich ausgedrückt: Gott, der Himmel und Erde erfüllt, möge in seine neue Herberge kommen. Aber derartige Sprüche werden bei den äußeren Frömmigkeitsübungen, die Gott angeordnet hat, absichtlich verwendet, damit die Gläubigen mit umso mehr Lust ihnen obliegen. Denn wenn uns Gott ohne Vermittlung geradeswegs zu sich in den Himmel entbieten wollte, so würden wir erschrecken vor dem gewaltigen Abstand, und ein warmer Gebetstrieb käme nicht auf. Darum tritt Gott näher zu uns hin, wenn er auch bleibt, wo er ist. So hat er sich ehemals zu seinem Volke herabgeneigt in der Bundeslade als einem sichtbaren Zeichen, dass er mit seiner Gnade und Macht unter ihnen sei. Somit dienen die folgenden Worte zur Erklärung: Du und die Lade deiner Macht. Denn das Kommen Gottes war in keinem anderen Sinne gemeint, als sofern er in der Bundeslade seine Macht den Gläubigen versichtbarte. Auch in dem Sinne nämlich heißt sie Lade der Kraft, weil sie nicht ein bloßes Schaustück war, sondern mit ihrem Dasein anzeigte, dass Gott seiner Gemeinde nahe sei. – „Ruhe“ Gottes wird der Berg Zion genannt, weil Gott in Zukunft nirgends anders verehrt sein wollte. Hierauf werde ich soglich noch einmal zurückkommen.

V. 9. Deine Priester lass sich kleiden mit Gerechtigkeit. Jetzt bittet der Dichter für das Wohlergehen der Gemeinde im Allgemeinen, und diese Fürbitte beruht auf dem Vorhergehenden: denn das Wohnen Gottes unter uns hat nur den Zweck, dass es uns wohl gehen soll. Einige meinen, der Wunsch gehe mehr auf Reinheit des Gottesdienstes; es sei auch eine Anspielung auf die heiligen Kleider der Priester, wenn Heiligkeit von ihnen verlangt werde. Aber wenn ich alles zusammenhalte und näher erwäge, so neige ich vielmehr zu einer ganz anderen Ansicht: es liegt hier das Gebet vor, Gottes Gerechtigkeit möge an dem Volke hell erglänzen, sie möge der Priester Schmuck sein und dem ganzen Volk Freude bringen. „Gerechtigkeit“ nehme ich also für Frucht der Gerechtigkeit und verstehe darunter nicht die menschliche, sondern die göttliche. Dass die Priester voran stehen, kann uns nicht befremden; sie hatten nun einmal eine hervorragende Stellung in der israelitischen Gemeinde. Das schließt aber das Gebet für die ganze Gemeinde nicht aus. Es hat den Sinn: Gib, o Herr, dass der Glanz deiner Gerechtigkeit von den Priestern aus über das ganze Volk hinstrahle! Von Gott wird gesagt, er kleide uns mit Gerechtigkeit, wenn er sich als unseren Befreier zeigt, mit seiner Macht uns schützt und so regiert, dass man merkt, wir liegen ihm am Herzen. Jedenfalls weist die jubelnde Freude, von der wir im zweiten Versgliede lesen, auf glückliche Zustände hin. Aus der Verbindung beider Stücke folgt, dass das Wort Gerechtigkeit hier nicht anders als von der göttlichen Obhut und Leitung gefasst wird. In demselben Sinn heißt es hernach (V. 16): deine Priester will ich mit Heil kleiden. Und Salomo spricht in dem erwähnten Festgebet nicht von Gerechtigkeit, sondern nur von Heil.

10 Wende nicht weg das Antlitz deines Gesalbten um deines Knechts David willen. 11 Der Herr hat David einen wahren Eid geschworen, davon wird er sich nicht wenden: „Ich will dir auf deinen Stuhl setzen die Frucht deines Leibes. 12 Werden deine Kinder meinen Bund halten und mein Zeugnis, das ich sie lehren werde, so sollen auch ihre Kinder auf deinem Stuhl sitzen ewiglich.“

V. 10. Wende nicht weg das Antlitz deines Gesalbten. Es hieße nicht auslegen, sondern hineinlegen, wollte man hier einen Punkt machen und dem Satz den Sinn geben: Entziehe uns nicht den Anblick des Erlösers! Bei dem Gebet Salomos nämlich (2. Chron. 6, 42) ist es klar, dass derselbe mit diesen Worten Gott bittet, er möge sich dem Könige gnädig erzeigen. Auch Bathseba bedient sich bei der Bitte an ihren Sohn (1. Kön. 2, 20) desselben Ausdrucks in dem Sinne: verstoße mich nicht von deinem Angesicht. Ich wollte dies kurz berühren, weil der Gedanke: „Nimm den verheißenen Erlöser nicht weg!“ etwas Ansprechendes und deshalb für Laien etwas Bestechliches hat. Es ist aber einfach die Bitte, Gott wolle die Gebete des Königs, die er für das ganze Volk ausspricht, nicht verachten noch verwerfen. Die Schlussworte sind nicht davon zu trennen: um deines Knechts David willen. Auf David beruft sich der Beter lediglich aus dem Grunde, weil Gott mit ihm den Bund gemacht hatte. Denn mit Rücksicht auf diese Auszeichnung konnte er nicht wie ein Mensch von gewöhnlichem Schlag betrachtet werden. Der Hauptgedanke ist: Gott möge, eingedenk seiner Verheißung, an den Nachkommen Davids seine Huld erweisen. Auch jeder einzelne König konnte mit diesen Worten für die Gemeinde beten; aber der Grund für solches Gebet lag in der Person Davids. So sind denn die Gläubigen schon damals im Vorbilde darauf hingewiesen worden, dass Christus ein Vermittler des Segens sein werde für das ganze Volk. Aber Christus hatte noch nicht unser Fleisch angenommen und war noch nicht nach vollbrachtem Opfer in das himmlische Heiligtum eingegangen; darum war dem Volke einstweilen ein Schattenbild vom Mittler gegeben, das ihm die Erhörung seiner Gebete verbürgen sollte.

V. 11. Der Herr hat David einen wahren Eid geschworen. Jetzt wird es noch klarer, dass David für den Verfasser nur wegen der an seine Person geknüpften Gnadenverheißung Gottes in Betracht kommt. Um im Glauben an diese Verheißung nicht wankend zu werden, sagt er, sie sei feierlich beschworen: Gott habe Wahrheit geschworen, d. h. er habe nicht trügerisch, sondern treulich und redlich geschworen, darum sei nicht zu befürchten, dass er von seinem Versprechen abgehen werde. Er verheißt dem David einen Nachfolger aus seinem Samen, da dieser fast die Hoffnung auf eine ununterbrochene Nachfolge aufgegeben hatte, nicht weil er keine Kinder gehabt hätte, aber weil er sein Haus von bedenklichen Unordnungen durchwühlt und von innerem Zwiespalt zerrissen sah, wodurch leicht das ganze Geschlecht hätte zu Grunde gerichtet werden können. Zunächst war Salomo der Mann der Verheißung, aber sie geht ohne Zweifel auf eine ununterbrochen fortlaufende Reihe von Nachfolgern. Und weil Gott damit nicht dem David für sich, sondern der ganzen Gemeinde hat dienen wollen, so sollen jetziger Zeit die Gläubigen getrost und gutes Mutes sein: denn Gott hat unter ihnen ein Königreich aufgerichtet, das nicht vergeht und verfällt, sondern unverrückt und unverletzt bleiben soll. Und so war es gut, dass König und Volk an diese unvergleichlich feste Gründung erinnert wurden. Wir sehen, mit welcher Anmaßung irdische Könige auftreten, wie sie sich vor Stolz kaum zu lassen wissen, auch wenn sie sich Könige von Gottes Gnaden nennen. Dazu kommt, dass sie meistenteils durch Gewalt auf den Thron gelangen, dass selten eine ordentliche Berufung stattfindet. Mit Recht wird deshalb von den irdischen Reichen unterschieden das ehrwürdige Königreich Davids, das auf heiligem Prophetenspruch begründet war.

V. 12. Werden deine Kinder meinen Bund halten usw. Jetzt kommen wir auf die oben erwähnte Reihe der Nachfolger, mit welcher der Bestand des Reichs zusammenhängt. Königssöhne folgen ihren Eltern nach durch Erbrecht; so ist es in dieser Welt. Aber mit dem Königreich Davids hat es eine besondere Bewandtnis. Es steht nicht unter dieser allgemeinen Regel, denn Gott macht ausdrücklich bekannt, es werde jederzeit ein Sprössling aufstehen, der den königlichen Stuhl einnehmen solle, und das nicht durch ein oder zwei Jahrhunderte, sondern ohne Ende. Denn wenn das Reich auch zerstört wurde, so erfolgte doch in kurzem seine Wiederherstellung, und in Christus ist seine ewige Dauer festgestellt. Hier erhebt sich jedoch die Frage, ob der Fortbestand des Reiches von menschlichem Verdienst abhänge. Die Bedingung, unter der Gott den Bund schließt, lautet so, als werde er nur dann gültig sein, wenn die Menschen mit ihrer Treue demselben entsprechen; folglich hängt die Erfüllung der Verheißung vom menschlichen Gehorsam ab. Aber wir müssen doch in erster Linie festhalten: sofern Gott versprochen hat, einen Erlöser zu senden, der das erhoffte Heil bringen sollte, hat der Bund ganz und gar den Gnadencharakter gehabt. War doch schon Israels Annahme zum Volke Gottes, auf welche er zurückgeht, lauter Gnade. Und die Untreue des gottvergessenen Volkes hat den Herrn nicht gehindert, durch die Hingabe Christi vor aller Welt zu erklären, dass er ihren Verdiensten keinen Wert beilege. Daher sagt Paulus (Röm. 3, 3): „Wenn etliche von ihnen nicht geglaubt haben, ist deshalb die Wahrheit Gottes aufgehoben?“ Er deutet damit an, dass Gott den Juden seine Gnade allezeit bewahrt habe, weil er sie frei und umsonst erwählt hatte; es habe wohl manchmal den Anschein gehabt, als ob sie geflissentlich seine Verheißungen zunichte machen wollten, aber in unglaublicher Güte habe er gewetteifert mit ihrer Bosheit, und so sei es gekommen, dass seine Wahrheit die Oberhand behielt; denn er hat nicht darauf gesehen, was sie verdienten, sondern ist seinem Vorsatz treu geblieben. Jetzt begreifen wir, inwiefern der Bund kein bedingter war. Aber es hingen noch andere Umstände damit zusammen, deswegen musste die Bedingung beigefügt werden: wenn ihr meinen Geboten gehorcht, will ich euch segnen. Weil die Juden diesen Gehorsam verließen, wurden sie in die Gefangenschaft geführt. Damals schien es, als ob Gott seinen Bund ungültig mache und entweihe. Die Zerstreuung war sozusagen ein Brechen des Bundes, aber doch nur zum Teil und zum Schein. Auch das wird uns deutlicher werden, wenn wir in der heiligen Geschichte weiter zurückgehen auf die Ereignisse kurz nach Davids Tod. Durch den Abfall der zehn Stämme brach das Reich zusammen, so dass nur ein kleiner Teil übrig blieb. Dann wurde es wiederholt durch neue Erschütterungen hart mitgenommen, bis es endlich mit der Wurzel ausgerissen wurde und unterging. Die Rückkehr aus der Gefangenschaft brachte zwar etwas Hoffnung auf Wiederherstellung, aber den Königsnamen hatte man gar nicht und von der Königswürde nur einen Schatten an Serubabel, bis schließlich unechte und entartete Könige aufkamen. Wer würde nicht sagen, der Bund Gottes sei ganz und gar abgetan gewesen? Und doch liegt es jetzt tatsächlich vor Augen, dass er in Geltung geblieben ist, denn der Erlöser ist nicht von einer anderen Seite hergekommen. In diesem Sinne heißt es beim Propheten Hesekiel (21, 26) von dem königlichen Kopfschmuck: „Tu weg den Hut, und heb ab die Krone; ich will die Krone zunichte, zunichte, zunichte machen, bis der kommt, der sie haben soll.“ Da scheint doch der Prophet die Handschrift Gottes zu zerreißen und den Vertrag aufzukündigen. Denn des Volkes Heil war mit dem Königtum verknüpft, wie es in den Klageliedern Jeremias (4, 20) heißt: „Der Gesalbte des Herrn, der unser Trost ist.“ Aber wenn auch der Prophet mit dem Wegnehmen des Königshutes den Bund aufzuheben scheint, so gibt er doch alsbald, weil er nun einmal ein Gnadenbund war, zu verstehen, dass er ewig und unverletzlich sein werde; denn obwohl die Juden sich augenblicklich im Abfall befanden, verheißt er nichtsdestoweniger den Erlöser. Das undankbare Volk hat Gott gestraft und hat auf solche Weise gezeigt, dass es ihm mit der ausgesprochenen Bedingung ernst war. Und dann endlich ist Christus gekommen, und in ihm hat Gott aus Gnaden gegeben, was er aus Gnaden verheißen hatte, da er den Königshut auf Christi Haupt setzte. So weiß Gott dem, was er festgesetzt hat, Respekt zu verschaffen. Sollten wir darum nicht bei der reinen Lehre seines Wortes bleiben mit Verschmähung aller Menschenfündlein?

13 Denn der Herr hat Zion erwählet, und hat Lust, daselbst zu wohnen. 14 „Dies ist meine Ruhe ewiglich, hie will ich wohnen; denn es gefällt mir wohl. 15 Ich will ihre Speise segnen und ihren Armen Brots genug geben. 16 Ihre Priester will ich mit Heil kleiden, und ihre Frommen sollen fröhlich sein.

V. 13. Denn der Herr hat Zion erwählet. Hier wird es ganz ausdrücklich versichert, dass das Königtum, und zwar in Verbindung mit dem Priestertum und dem Gottesdienst, nicht auf menschlicher Wahl, sondern auf göttlichem Ratschluss begründet sei. Diese Verknüpfung also haben wir zu beachten, weil jenes Königtum nirgends anders als in Christus seine Beständigkeit finden sollte und das Königtum Christi vom Priestertum unzertrennlich ist. Von hier aus wird es uns klar, zu welchem Zweck der Erwählung Zions gedacht wird, nämlich weil Gott über das Königtum für sich allein nichts bestimmt hatte, sondern das Heiligtum gleich dazukommen sollte. So sollte es ein wahrhaftiges Abbild des zukünftigen Mittlers sein, der nach der Ordnung Melchisedeks nicht bloß König ist, sondern auch Priester. Aus diesem Grunde konnte vom Königtum und vom Heiligtum nur als von einer unteilbaren Einheit geredet werden. – Sodann wird der Grund der Erwählung bemerkt, dass nämlich der Berg Zion nicht wegen seiner Vortrefflichkeit erwählt worden ist, wie wir schon im 68. Psalm (V. 17) hörten, sondern weil es also dem Herrn wohl gefallen hat. Gottes Gnade oder Wohlgefallen wird dem Verdienst des Ortes entgegengestellt. Und so tritt auch hier wieder hervor, was wir soeben ausgeführt haben, dass der mit David geschlossene Bund lediglich der Güte Gottes seinen Ursprung verdankt.

V. 14. Dies ist meine Ruhe ewiglich. Der Gedanke des letzten Verses wird in der Weise wiederholt, dass Gott selbst redend eingeführt wird, und er erhält dadurch noch mehr Gewicht. Gott kündigt an, dass ihm nicht vergeblich ein Tempel gebaut werden wird; er wird gleichsam seine Hand aus dem Himmel hervorstrecken und es in wirkungsvoller Weise zu erkennen geben, dass der von ihm angeordnete Dienst ihm angenehm sei. Denn Gottes Ruhen und Wohnen bedeutet für die Menschen, dass er mit seiner Allmacht gegenwärtig ist. So hat er auf Zion gewohnt, weil dort die Gläubigen auf rechte Weise, nach Vorschrift des Gesetzes, ihn angerufen haben; und ihre Mühe ist nicht vergeblich gewesen, denn er hat ihre Gebete erhört. Es ist wirklich offenbar geworden, dass solche Verheißung von Gott herrührte, der nicht trügen kann; denn obwohl der Tempel zerstört, der Altar gestürzt und der ganze, gesetzliche Gottesdienst eingestellt war, so kam doch bald kraft des Rückkehrrechtes die Herrlichkeit Gottes zu ihrer Stätte wieder und behielt bis zur Ankunft Christi daselbst ihren Sitz. Bei alledem haben bekanntlich die Juden diesen Gottesspruch schnöde und freventlich missbraucht, als ob Gott ihnen sklavisch verpflichtet wäre. Sie haben sich unter diesem Vorwand erdreistet, alle Propheten hochmütig zu verachten, ja grausam zu verfolgen. Treffend nennt deshalb Luther diese Verheißung eine blutige. Denn nach Art der Heuchler, die aus dem heiligen Namen Gottes einen Deckmantel für ihre Schandtaten machen, nahmen sie keinen Anstand, jedem Vorwurf, der ihnen über ihre Ruchlosigkeiten gemacht wurde, entgegen zu halten: es stehe doch nicht in der Macht der Propheten, das wegzunehmen, was Gott gegeben habe. Den Tempel der Herrlichkeit Gottes entkleiden hieß nämlich für sie so viel, wie Gott der Lüge beschuldigen oder zwischen ihm und seiner Wahrheit eine Scheidewand machen. Diese trunkene Zuversicht verleitete sie, unschuldiges Blut ohne Maß und Ziel zu vergießen. Und wenn heute der römische Satan mit seinem so ehrenvollen Aushängeschild ausgerüstet wäre, ja was würde er nicht wagen? Keine Silbe zur Beschönigung seiner Tyrannei enthält die Schrift. Und doch sehen wir, während er mit furchtbarer Rohheit und offener Verhöhnung Gottes alle Frömmigkeit zerstört, wie trotzig oder vielmehr protzig er mit dem Namen „Kirche“ daher fährt: „Was wollt ihr? Die Hierarchie kann doch nicht etwa abgeschafft werden? Solange nicht Christus treulos seine Braut verlässt, muss sie stehen bleiben!“ Aber wir haben die Einwendung zur Hand: Die Kirche ist nicht an einen Ort festgebunden, und seitdem die Majestät Gottes bis an die äußersten Enden der Erde bekannt geworden ist, ist die Ruhe Gottes bloß in Christus und seinen Gliedern. Und was die ewige Dauer des Tempels betrifft, von welcher der Prophet redet, so muss dieselbe nur recht verstanden werden. Weil nämlich in Christus alles neu geworden ist, so werden wir nicht sagen, es seien unwahre Vorbilder gewesen, deren Kraft und Erfüllung in ihm tatsächlich erschienen sind. Und wenn man uns vorhält, der Berg Zion werde doch als ewiger Wohnsitz Gottes genannt, so löst sich diese Schwierigkeit ebenso leicht. Die Weissagung behält ihre Wahrheit einfach dadurch, dass Christus jetzt durch sein Kommen den Berg Zion ausgedehnt hat bis an die Enden der Erde.

V. 15. Ich will ihre Speise segnen. Darin bestand vorzugsweise das verheißene Glück, dass Gott inmitten seines Volkes wohnte. Jetzt folgen auch die Zeichen seiner väterlichen Liebe: er will für das tägliche Brot sorgen und es seinem Volke darreichen, dem Mangel abhelfen, die Priester mit Heil kleiden und alle Frommen mit Freude umgeben. Es war nicht überflüssig, dies hinzuzufügen. Denn so geistlich sind wir nicht, dass wir die Höhen des Glaubens ersteigen könnten, ohne mit unseren Augen nur etwas von dem Segen Gottes zu sehen. Dieser ist aber in zwiefacher Weise an unserer täglichen Nahrung wahrzunehmen: Gott macht die Erde fruchtbar, dass sie uns Korn, Wein und Öl bringt, und er vermehrt durch eine verborgene Kraft ihren Ertrag, dass er zu unserer Ernährung ausreicht. Ja, hier zeigt Gott an, er werde um sein Volk eine sonderliche Sorge haben, damit nichts an seinem Unterhalt fehle; und wenn auch kein Überfluss sein werde, so sollen doch die Armen in der Not genug zu essen haben. – Zuletzt wird das, was vorher (V. 9) von den übrigen Segnungen Gottes gesagt war, noch einmal bestätigt, nur dass (V. 16) statt Gerechtigkeit Heil steht, aber, wie ich oben ausgeführt habe, in demselben Sinn. Die Meinung des Propheten ist auch hier: sie werden unter Gottes Schutz sicher und glücklich sein.

17 Daselbst will ich dem David ein Horn aufsprossen lassen; ich habe meinem Gesalbten eine Leuchte zugerichtet. 18 Seine Feinde will ich mit Schande kleiden; aber über ihm soll blühen seine Krone.

V. 17. Daselbst will ich dem David ein Horn aufsprossen lassen. Der Psalmist kommt zum Schluss wieder auf das Königtum zurück, dem Gott Schutz und Schirm zu sein verheißen hatte. Wir müssen uns aber die eigentümliche Ausdrucksweise näher ansehen: ich will machen, dass dem David ein Horn hervorsprosst. Das Horn bedeutet dem Hebräer soviel wie Stärke und Kraft oder auch Schutz. Das Wort „aufsprossen“ aber weist hin einmal auf den verächtlichen Anfang des Reichs und dann auf die mehrfache, wunderbare Wiederherstellung desselben. David, der von den Schafhürden weg als der kleinste unter den Söhnen eines Landmannes auf den Thron erhoben wurde, nahm immer mehr zu und wurde über Erwarten groß. Nun wurde das Reich unter Jerobeam so beschnitten, dass es bei unablässigem Sprossen sich nur auf einer mäßigen Höhe halten konnte. Und wie manches Ausreißen geschah dann noch, und ebenso oft konnte man den Untergang erwarten, wenn nicht gleich wieder ein neuer Spross aufgekeimt wäre! Was wäre vollends aus dem Volk in der Gefangenschaft und der Zerstreuung geworden, wenn Gott nicht das zerbrochene und zertretene Horn zum Keimen gebracht hätte? Daher wird Christus (Jes. 11, 1) mit einem Reis verglichen, welches nicht aus einem schönen Stamm, sondern aus einem Wurzelstumpf hervor wächst; und beim Propheten Sacharja (6, 12) wird wohl auf diese Weissagung angespielt sein: „Siehe, es ist ein Mann, der heißt Zemach“, d. i. Spross. Nach jener gräulichen Verheerung konnte ja die königliche Gewalt auf gar keine andere Weise wiederhergestellt werden. Das ist also der Sinn unserer Stelle: wenn das Horn Davids mitunter auch noch so verdorrt oder zerbrochen sein mag, so wird Gott doch auf wunderbare Weise bewirken, dass neues Leben nachwächst. – Das Bild von der Leuchte kommt auf dasselbe hinaus. Wir finden es auch sonst häufig, denn dieses war ein berühmter Gottesspruch. Der Sinn ist: wenn der Glanz des Königtums zuzeiten auch noch so sehr verdunkelt und verfinstert wäre, so könnte es doch niemals geschehen, dass irgendein Unglück ihn ganz auslöschte. Denn daselbst brannte allezeit die Leuchte Gottes; und wenn ihr Licht auch nicht weithin sichtbar war, so zeigte es doch den Gläubigen, wo das Heil sicher zu finden sei. Nur Funken von der Leuchte konnte man damals in Jerusalem schimmern sehen, jetzt ist Christus da, die Sonne der Gerechtigkeit, und erleuchtet die Welt mit vollem Glanz.

V. 18. Seine Feinde will ich mit Schande kleiden. Oben wurden die Priester mit Gerechtigkeit und Heil bekleidet, jetzt wird den Feinden Davids auch die Schande wie ein Kleid angezogen. Bloß nach innen glücklich zu leben, wäre doch nicht genug, wenn Gott uns nicht nach außen vor Gewalt und Unrecht schützen wollte. Daher diese zweite Verheißung, in der uns die Gnade Gottes sogar noch heller entgegen strahlt, als wenn er uns zur Friedenszeit mit Gütern aller Art segnet. Denn je mehr es uns weh tut, wenn die Feine drohen und schrecken, umso mehr werden auch unsere Sinne aufgeweckt, dass sie nach der Hilfe Gottes greifen. Doch werden wir hier erinnert, dass die Gemeinde sich hienieden niemals einer völligen Ruhe erfreuen wird. Immer wieder wird sie von mancherlei Feinden beunruhigt werden, die der Satan unaufhörlich anreizt, sie zu verderben. Aber wir hören aus Gottes Munde, dass sie endlich mit Schimpf und Schande abziehen müssen, nachdem alle ihre Anschläge erfolglos geblieben sind; und das ist gut.

Über ihm soll blühen seine Krone. Andere übersetzen, dass sie „glänzen“ soll. Aber in demselben Sinn, wie oben von dem Spross, wird hier von der Krone gesagt, sie werde in frischer Blüte stehen. Das Gegenteil finden wir bei Jesaja (28, 1), der die Krone der Trunkenen von Ephraim mit einer welken Blume vergleicht. Hiernach wird dies der Gedanke sein: wenn auch die Krone bei Davids Nachkommen oft unscheinbar sein wird hinsichtlich des äußeren Ansehens, so wird sie dennoch durch eine geheime Lebenskraft erneuert werden, damit sie ewiglich blühe.

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