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Calvin, Jean - Psalm 12.

Calvin, Jean - Psalm 12.

Inhaltsangabe: David beklagt den traurigen Verfall des Volkes und die vollkommene Auflösung aller guten Ordnungen und bittet Gott, den Seinen bald zu Hilfe zu kommen. Dann führt er die Verheißungen Gottes an, dass er den Seinen helfen will, und preist Gottes Treue und Beständigkeit in der Erfüllung derselben, um damit sich selbst und alle Frommen zu trösten.

V. 1. Der Tiefton bezeichnet die Weise des Psalms. – Zu Anfang beklagt David sich darüber, dass das Land mit nichtsnutzigen Leuten, die zu jeder Schandtat fähig sind, erfüllt ist, so dass gar kein Eifer für Recht und Billigkeit mehr ist, keiner die Guten verteidigt und gar keine Biederkeit und Treue mehr sich findet. Es ist möglich, dass er hier die Zeit beschreibt, wo Saul ihn verfolgte. Denn damals hatten alle, hoch und niedrig, sich verbunden, um ihn den unschuldigen und unglücklichen Menschen, zu verderben. Es ist aber schrecklich, dass die Gerechtigkeit bei dem auserwählten Volke so geschwunden war, dass alle einmütig der guten Sache fein waren und zu Rohheit und Grausamkeit sich fortreißen ließen. Denn David klagt hier nicht über Ausländer, sondern bezeugt, dass diese Flut der Ungerechtigkeit in der Gemeinde wüte. Deshalb sollen die Gläubigen, damit sie heutzutage bei dem Anblick der Verderbtheit und gänzlichen Zerrüttung den Mut nicht verlieren, bedenken, dass sie dieses geduldig ertragen müssen, da sie sich in derselben Lage befinden wie einst David. Aber es ist auch zu beachten, dass David Gott um Hilfe anruft, weil keine Rechtschaffenheit mehr unter den Menschen vorhanden ist, damit auch wir es lernen, nach seinem Vorbilde uns in der größten Not zu Gott zu flüchten und uns dann daran zu halten, dass für Gott die gelegenste Zeit zum Helfen erst erscheint, wenn auf Erden alles in die größte Unordnung geraten ist.

V. 2. Die Frommen haben abgenommen. Einige meinen, dass dieses eine Klage über die unwürdige Ermordung der Gerechten sei, aus der sich entnehmen ließe, dass alle, die auf Billigkeit und Treue hielten, von Saul grausam getötet seien. Ich fasse den Satz jedoch einfach so, dass keine Rechtschaffenheit und Wahrheit mehr übrig sei unter den Menschen. Dabei deutet das doppelte Wort darauf hin, worin die wahre Frömmigkeit besteht. Denn so wie es zwei Arten von Ungerechtigkeit gibt, nämlich Gewalt und List, so lebt man anderseits nur dann recht, wenn die Menschen in guter Treue ohne Ungerechtigkeit miteinander verkehren und die Einigkeit in rechter Weise unter sich pflegen, wenn sie weder Löwen noch Füchse sind. Jedoch wenn wir unter einer solchen Zerrüttung, wie sie hier beschrieben wird, zu leiden haben, so müssen wir uns hüten, dass wir nicht mit den Wölfen heulen und von der allgemeinen Zuchtlosigkeit angesteckt werden, sondern wir sollen uns vielmehr nach dem Vorbilde richten, welches David hier gibt.

V. 3. Einer redet mit dem andern Lüge. Dieser Vers beschreibt das zweite Stück der Ungerechtigkeit, nämlich das Widerspiel der Wahrhaftigkeit. David sagt, dass in den Reden der Menschen nichts Aufrichtiges und Einfältiges sei, da sie darauf aus seien zu täuschen. Dann beschreibt er, wie sie dieses tun. Ein jeder sucht seinen Genossen mit Schmeicheleien zu umgarnen. Als Quelle und erste Ursache hierfür gibt er an, dass sie mit doppeltem Herzen sprechen. Die Doppelherzigkeit macht die Menschen doppelzüngig. Denn während Leute, deren Grundsatz es ist, gegen ihre Nächsten wahrhaftig zu sein, ihr ganzes Herz freimütig offenbaren, halten die Treulosen einen Teil ihrer Gesinnung verborgen und verdecken ihn mit dem Schleier der Heuchelei, so dass man aus ihrer Rede nichts Gewisses entnehmen kann. Es sei daher unsere Rede einfältig, ein wirklicher Ausdruck eines rechtschaffenen Sinnes.

V. 4 u. 5. An die Klage knüpft David die Verwünschung, dass Gott die treulosen Zungen vertilgen möge. Es ist zweifelhaft, ob er hier wünscht, dass die treulosen Menschen vertilgt werden, oder dass Gott ihnen die Gelegenheit nehme, zu schaden. Der Zusammenhang spricht jedoch für die erstere Auffassung, dass Gott diese Pest auf alle Weise zu Grunde richten soll. Wenn David dabei von boshafter Gewalttat schweigt und nur gegen die giftigen Zungen losfährt, so ist dies ein Zeugnis, dass diese ihm vor allem geschadet haben. Und sicherlich sind Trug und Verleumdung viel verderblicher als Schwerter und Geschosse. Übrigens geht aus dem zweiten Teile des Verses deutlicher hervor, was es für Schmeicheleien waren, von denen der vorhergehende Vers sprach. Einige schmeicheln nämlich in kriechender und widerwärtiger Weise. Sie stellen sich, als wären sie bereit, alles zu tun und zu leiden. Aber hier schildert uns David eine andere Klasse, nämlich solche, die sich bei ihren Schmeicheleien brüsten und Verlogenheit und Frechheit miteinander verbinden. Er redet hier nicht von der Horde der niederträchtigen und gemeinen Schmeichler, sondern geißelt die höfischen Verleumder, die sich nicht nur süß einschmeicheln, sondern auch mit einem Redeschwall von hochtönenden Lügen die unglücklichen Menschen überschütten. Dies wird durch den folgenden Vers vollends bestätigt: denn Leute, die sich durch bloßes Lügen hinlänglich schützen können, müssen eine hohe und angesehene Stellung einnehmen. Ihr zuversichtliches Auftreten bezeichnet die höchste Stufe des Frevels: sie werfen ungescheut mit erhabenen Lügenreden Recht und Gerechtigkeit über den Haufen. Es ist, als sagten sie dem Herrn selbst Krieg an: Unsere Zunge soll überhand haben. Solche Leute hoffen mit ihrer Zunge überall durchzukommen; denn diese Menschenklasse begeifert alles mit ihren Verleumdungen und kann aus weiß schwarz machen.

V. 6. Weil denn die Elenden verstört werden usw. Jetzt gibt David als Grund seines Trostes an, dass Gott es nicht zulassen wird, dass die Gottlosen länger so ohne Ende und Maß wüten. Um nun sich und andere noch mehr in dieser Wahrheit zu bestärken, führt er Gott selbst redend ein. Es macht nämlich mehr Eindruck, wenn Gott selbst eintritt und mit eigenem Munde verheißt, dass er den Elenden als Retter nahe sei. Von Bedeutung ist auch das Wörtchen „jetzt“. Denn damit gibt Gott zu erkennen, dass er unser Heil bei sich gleichsam verschließt, um es erst zu seiner Zeit hervorzuholen. Gott hat stillgelegen, bis ihn das Jammern und Klagen der Seinen aufweckte. Wenn daher die Ungerechtigkeiten der Feinde, ihre Räubereien und Verwüstungen uns nichts übrig lassen als Tränen und Seufzer, so müssen wir bedenken, dass jetzt für Gott die rechte Zeit ist, sich zum Gericht zu erheben. Diese Wahrheit muss auch unser Herz geduldig machen, dass wir es nicht als ein Unglück empfinden, zu den Elenden und Armen gezählt zu werden, da ja Gott verheißt, für sie ein Rächer zu sein: Ich will eine Hilfe schaffen. Das will nicht bloß allgemein verstanden sein, sondern sagt, dass dem, den sie verstricken und ungerecht bedrücken, eine Rückversetzung in seinen früheren glücklichen Stand zuteilwerden soll. Allerdings erfährt der letztere Ausdruck die verschiedensten Deutungen. Jedenfalls muss er aber so verstanden werden, dass er ganz anschaulich auf David deutet. Ihm will Gott sagen: Mag man hilflose und viel bedrängte Leute wie eine sichere Beute im Netz umstrickt halten, so will ich sie doch in Sicherheit bringen. Will man lieber übersetzen „den sie anhauchen“, so will ich nicht widersprechen: es käme dadurch die Überhebung der Gottlosen zum Ausdruck, die, wie es im 9. Psalm geschildert war, mit ihrem bloßen wutschnaubenden Hauch alles glauben ausrichten zu können.

V. 7. Die Rede des Herrn ist lauter. Nun verkündigt David, dass Gott in Bezug auf seine Verheißungen sicher, treu und beständig ist. Doch würde er hier umsonst Gottes Wort verherrlichen, wenn er nicht früher sich und andere aufgefordert hätte, im Unglück auf Gottes Verheißungen acht zu geben. Die Reihenfolge ist hier wohl zu beachten. Zuerst sagt er, dass Gott seinen Dienern, wenn diese in großer Not sind, Hoffnung auf baldige Hilfe mache; dann setzt er als Stütze des Glaubens und der Hoffnung hinzu, dass Gott nichts leichthin verheiße, noch etwas sage, um zu täuschen. Es scheint dieses selbstverständlich zu sein. Wenn man jedoch genau und aufmerksam bedenkt, wie sehr der Geist des Menschen zum Misstrauen und zu gottlosen Zweifeln geneigt ist, so wird man leicht erkennen, wie gut es ist, den Glauben durch dieses Zeugnis zu stützen, dass Gott nicht lügt, und dass er uns nicht mit leeren Worten speist, sondern uns in seinem Worte das anbietet, was er uns tatsächlich geben will. Es gibt vielleicht keinen, der nicht von Herzen bekennt, diese Ansicht Davids, dass die Rede des Herrn lauter sei, zu teilen. Aber Leute, die im Schatten und in der Ruhe die Zuverlässigkeit des Wortes Gottes freimütig loben und preisen, werfen ihm doch oft, wenn sie auf die Probe gestellt werden, Untreue vor, wenn sie es auch vielleicht nicht wagen, offene Lästerungen gegen ihn auszusprechen. Denn sobald er mit seiner Hilfe wartet, vermissen wir seine Treue und murren, als ob er uns getäuscht hätte. Wenn daher auch nichts so allgemein anerkannt wird, als dass Gott wahrhaftig ist, so geben ihm doch nur wenige auch dann standhaft dieses Lob, wenn sie im Unglück sind. Deshalb ist es von großem Wert, dass wir unserem Misstrauen zuvor kommen und jedes Mal, wenn Zweifel an die Sicherheit der göttlichen Verheißungen uns beschleichen, ihnen dieses als Schild entgegenhalten, dass Gottes Rede lauter ist. Der Vergleich mit dem Silber scheint hinter der Würde des unvergleichlichen Gegenstandes zurückzubleiben: aber er ist trefflich unserer Fassungskraft angepasst. Das Silber, wenn es gut geläutert ist, wird von uns nach seinem Wert geschätzt, wohingegen das Wort Gottes, obgleich es einen unschätzbaren Wert hat, bei uns nicht gleicher Ehre wert geachtet wird. Und auch seine Lauterkeit schätzen wir nicht so hoch wie die des vergänglichen Metalls. Ja, viele bilden sich in ihrem Gehirn selbst Schlacken, durch die sie den Glanz, in dem das Wort Gottes strahlt, entstellen und verdunkeln.

V. 8. Die beiden Sätze dieses Verses sagen dasselbe; es sei denn, dass in dem zweiten Satze deswegen die Einzahl gebraucht wird, um anzudeuten, dass die Zahl der Guten sehr klein ist. Der Sinn wäre dann etwa: Wenn auch nur ein Guter in der Welt übrig wäre, so würde er doch durch Gottes Schutz und Gnade erhalten bleiben. Da diese Erklärung jedoch nicht sicher ist, so überlasse ich es dem Leser, sie anzunehmen oder zu verwerfen. Aber ohne allen Zweifel steht es fest, dass mit dem Worte „Geschlecht“ ein großer Haufe von Gottlosen gemeint ist, ja fast die ganze Menge des Volkes. Sicherlich will David damit sagen, dass Gottes Diener nur dann erhalten bleiben können, wenn Gott sie gegen die Bosheit des ganzen Volkes schützt und sie von den schlechten und verkehrten Leuten seiner Zeit errettet. Wir schließen daraus auf das tiefe Verderben seiner Zeit: David brandmarkt seine Zeitgenossen dadurch, dass er sie fast alle in einen Haufen wirft. Wiederum müssen wir an das denken, was ich schon früher gesagt habe, dass David hier nicht von fremden Völkern redet, sondern von den Israeliten, dem auserwählten Volke Gottes. Darauf wollen auch wir wohl achten: dann macht uns die gewaltige Menge der Gottlosen nicht mutlos, selbst wenn einmal auf der Tenne Gottes nur ein großer Haufe von Spreu zu sehen ist, unter dem nur einige Körner verborgen liegen. Mag die Zahl der Guten auch noch so gering sein, so müssen wir doch in unserem Herzen fest bei der Überzeugung verharren, dass Gott ihr Wächter sein werde, und zwar „ewiglich“. Dieses Wort ist hinzugesetzt, damit wir auch für die Zukunft guter Hoffnung sein sollen, denn Gott befiehlt uns nicht nur für einen Tag oder nur für einmal auf seine Hilfe zu hoffen, sondern so lange als die Bosheit der Feinde auf Erden wütet. Freilich werden wir dadurch auch erinnert, dass wir nicht nur kurze Zeit zu kämpfen haben, sondern immer im Streite sein müssen. Wenn nun Gottes Schutz uns verborgen ist, so müssen die Gläubigen geduldig warten, bis Gott sich erhebt, und wenn auch eine starke Flut über sie hereinbricht, so müssen sie doch trotz Angst und Sorge mutig standhalten.

V. 9. Denn es wird allenthalben voll Gottloser. Sie breiten sich dermaßen über das ganze Land aus, dass man ihnen an allen Orten begegnet. Wohin das Auge blickt, - überall trifft es auf ihre Scharen. So muss es kommen, wenn „nichtswürdige Leute“, buchstäblich „der Auswurf der Menschheit“, zu Herrschaft und Ansehen gelangen. Denn wie eine Krankheit von dem Haupte auf die Glieder übergeht, so wird auch oft das ganze Volk von der Verderbtheit der Fürsten angesteckt.

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