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Calvin, Jean - Psalm 101.

Calvin, Jean - Psalm 101.

Inhaltsangabe: In einem Zeitpunkt, als David noch nicht regierte, aber bereits von Gott zum König erwählt war, rüstet und bereitete er sich vor, in der möglichst besten Weise die Herrschaft zu führen. Er mahnt nicht bloß durch diese fromme Betrachtung sich selbst, die Pflichten eines Königs zu erfüllen; er bringt auch dem Herrn ein Gelübde dar und verspricht, sein treuer Diener sein zu wollen, damit er zu rechter Zeit das Regiment überkommen.

1Ein Psalm Davids.
Von Gnade und Recht will ich singen, und dir, Herr, lobsagen. 2Ich handle klüglich und redlich, bis du zu mir kommst, und wandle treulich in meinem Hause. 3Ich nehme mir keine böse Sache vor. Ich hasse das Tun der Abtrünnigen, es soll mir nicht anhängen. 4Ein verkehret Herz muss von mir weichen; vom Bösen weiß ich nichts. 5Der seinen Nächsten heimlich verleumdet, den vertilge ich. Ich mag des nicht, der stolze Gebärde und hohen Mut hat.

V. 1. Von Gnade und Recht will ich singen. Was David in diesem Psalm „singen“ will, haben wir so zu verstehen, dass er sich zu dem bekennt, was er bei sich bedacht hat, nämlich was für ein König er sein will, sobald er den verheißenen Thron bestiegen hat. Dass er von Gnade und Recht singt, bedeutet also, dass er feierlich verheißt, ein gerechter und unparteiischer König sein zu wollen. Wenn er hinzufügt: und dir, Herr, lobsagen, so erkennt er an, dass er durch Gottes Gnade zu solch hervorragendem und ehrenvollem Amt bestimmt war; denn sich selbst herbeizudrängen wäre ein Zeichen äußerster Verwegenheit gewesen. Mit gutem Grund fasst er die königlichen Tugenden in die zwei Stücke zusammen: Gnade und Recht. Denn einerseits ist es des Königs vornehmstes Amt, einem jedem das Seine zu geben; anderseits ist erforderlich, dass er mit Liebe und Menschenfreundlichkeit für seine Untertanen sorge. Mit gutem Grund sagt Salomo (Spr. 16, 12): „Durch Gerechtigkeit wird der Thron befestigt.“

V. 2. Ich handle klüglich usw. David will sagen, dass er ernstlich erwägt, welch schweres Amt ihm bei seiner Wahl zum König auferlegt wurde. Wir wissen, und die Erfahrung lehrt es, dass fast alle Könige von ihrem Glanz trunken sind. Ihre Würde blendet sie, so dass sie nicht glauben, ihren Untertanen etwas schuldig zu sein, sich maßlos überheben, in ihren Vergnügungen gedankenlos untergehen und sich vergessen. Darum will David klüglich handeln oder, anders ausgedrückt, sich aufs äußerste zusammennehmen; denn es ist eine seltene Tugend, dass ein Mensch, der alles vermag, sich derartig mäßigt, dass er sich durchaus nicht gehen lässt. Wer im Besitz der höchsten Gewalt nicht versucht, durch böse Taten zu zeigen, was er kann, wer sich selbst in bescheidenen Schranken hält, der ist wahrhaftig klug. Kurz, David bezeugt, dass er nicht anderen Königen gleichen will, die sich von ihrer Würde betören lassen; er will vielmehr, entsprechend der schweren Last, die ihm auferlegt wurde, auch dafür sorgen, dass er sein Amt klüglich ausrichte. Bemerkenswert ist, worin er diese Klugheit sucht: er will redlich handeln. Wir schließen daraus, dass es keine göttlichen Gedanken sind, wenn ein Gewaltherrscher seinen Geist einer verschlagenen Schlauheit zuwendet, wenn er täglich neue Künste ersinnt, seine Untertanen zu beschweren und zu belasten, kurz, wenn er seinen Scharfsinn nur gebraucht, Schaden zu tun. Wenn nun solche Schlauheit auch bei vielen missbilligt wird, so hält man es doch bei einem König für die rechte Klugheit, der man das höchste Lob spendet, dass er auf die Erweiterung seiner Grenzen bedacht ist und dafür ausgesuchte Kunstgriffe reichlich anzuwenden versteht. David aber streckt sich nur nach einer Klugheit aus, die ihn Rechtlichkeit lehrt.

Bis du zu mir kommst. Manche Ausleger lesen den Satz als Frage: „Wann kommst du zu mir?“ Dann würde David den Herrn bitten, dass er ihn nicht länger möge warten lassen. Und gewiss hatte er guten Grund, zu seufzen und seine Wünsche dringend zu äußern, da er so lange sich von Mangel bedrückt und jämmerlich aus einer Verbannung in die andere gestoßen sehen musste. Hätte er es doch besser gehabt, wenn er wie vordem als unbekannter Hirt bei den Hürden seines Vaters hätte leben dürfen, als dass er zum König gesalbt, und dann aus dem Vaterland vertrieben wurde, um unter großer Schande und Hass sein Leben hinzubringen. Ich möchte den Satz doch lieber ohne Frage lesen: „bis du zu mir kommst.“ Obgleich David noch immer ein Privatmann bleiben muss und noch nicht in den Besitz des ihm verheißenen Königtums gelangen kann, will er inzwischen doch nicht aufhören, in den Bahnen der Redlichkeit zu wandeln. Der Sinn ist also: Herr, wenn du mich auch noch länger in der Schwebe hältst, will ich trotz allem mich ehrlich und redlich halten. Wenn er hinzufügt: und wandle treulich in meinem Hause, d. h. innerhalb meiner bescheidenen Hütte, so scheint dies im Gegensatz zum königlichen Palast gesagt zu sein.

V. 3. Ich nehme mir keine böse Sache vor. Nachdem David ausgesprochen, dass er im Privatleben auf Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit bedacht sein will, wie ja auch gute Fürsten eben darnach streben sollen, fügt er nun hinzu, dass er bei Ausübung seines fürstlichen Amts ein Feind der Ungerechtigkeit und verbrecherischen Treibens sein werde. Er selbst will auf nichts Böses bedacht sein, wie denn ohne Zweifel als ein gerechter Rächer über die Ungerechtigkeit nur auftreten kann, wer ihr gänzlich und von Herzen feind ist. Nur der erfüllt in Wahrheit die Pflichten eines Königs, der sich von jeglicher Gemeinschaft mit dem Bösen rein hält. An die Aussage, dass er persönlich mit Ungerechtigkeit nichts zu schaffen haben will, schließt David die Bekräftigung, dass er sich auch gegen alle Übeltaten feindlich stellen werde. Das letzte Satzglied übersetzt man vielfach: „er“, d. h. der Abtrünnige, soll mir nicht anhängen, wobei ein Übergang aus der Mehrzahl zur Einzahl stattfinden würde. Der Satz lässt sich aber recht wohl auf das üble Tun selbst beziehen: mit solch abtrünnigem Treiben will David nichts zu schaffen haben.

V. 4. Ein verkehret Herz muss von mir weichen. Dies deuten manche auf Leute mit verkehrtem Herzen. Doch ist dies gezwungen und gegen den Zusammenhang des Textes. Wird doch erklärend hinzugefügt: vom Bösen weiß ich nichts. So muss David auch im ersten Satzglied sagen wollen, dass er sich von Treulosigkeit und verkehrtem Wesen freihalten will. Alles in allem: Er will sich vor jeder Missetat hüten, dem Nächsten unrecht zu tun versteht er nicht.

V. 5. Den vertilge ich. Dieser Vers redet deutlicher von der Pflicht des Königs, der mit dem Schwert gerüstet ist, die Frevler in Schranken zu halten. Gewiss haben alle Guten ein gerechtes Missfallen an Verleumdung, Stolz und anderen Lastern; aber es ist nicht eines jeden Sache, die Stolzen und die Verleumder auszurotten. Sie sind nicht mit der öffentlichen Gewalt betraut; so sind ihnen die Hände gebunden. Auf diesen Unterschied muss man wohl achten, damit die Kinder Gottes sich in der Bescheidenheit halten und niemand die Schranken seines Berufs überspringt. Denn so lange David als Privatmann lebte, hätte er sicherlich nicht versucht, derartiges zu unternehmen: als er aber auf dem Thron saß, ergriff er das Schwert, welches Gottes Hand ihm reichte, die Übeltäter zu strafen. Er hebt nun einige besondere Sünden heraus, womit er doch im Allgemeinen zu verstehen gibt, dass er ein Rächer wider alle Übeltäter sein will. Eine sehr böse Pest ist es, wenn jemand seinen Nächsten heimlich verleumdet, womit er ihm den guten Namen raubt. Das ist, als töte man einen Menschen aus dem Hinterhalt, oder als brächte ein Giftmischer unschuldige Leute um. Es ist auch das Zeichen einer ganz verkehrten und verräterischen Natur, wenn man den Ruf des Nächsten derartig verletzt, dass er sich nicht verteidigen kann. Gegen diese Bosheit, die nur zu allgemein um sich gegriffen hat und doch im Menschenleben ganz unerträglich ist, will David strafend auftreten. Sodann zeichnet er die Stolzen mit doppeltem Ausdruck. Ein solcher hat eine stolze Gebärde, buchstäblich „hohe Augen“, nicht als zöge er die Augenbrauen empor, sondern weil er gewöhnlich mit hoch erhobenem Haupte einhergeht und dadurch seinen Hochmut verrät. Zum andern hat ein solcher hohen Mut, buchstäblich: ein „erweitertes“, aufgeblasenes Herz. Leute, die nach hohen Dingen trachten, können ja nicht anders als geschwollen sein. Sie haben nicht genug, wenn sie nicht die ganze Welt herunter schlingen. Wir schließen daraus, dass ein rechte Ordnung nur bestehen kann, wenn die Fürsten eifrig darüber wachen, dass der Stolz unterdrückt werde, der notwendig Gewaltsamkeit und Grausamkeit im Gefolge hat, Schmähungen, Räubereien und jegliches Unrecht gebiert. Schlichte und ruhige Leute sind den Launen der Mächtigen preisgegeben, wenn nicht die Fürsten ihre Autorität wider sie setzen und ihrer Frechheit Schranken ziehen. Ist es nun Gottes Wille, dass frommen Königen der Stolz ein Abscheu sein soll, wie durchaus verhasst muss er dann ihm selbst sein! Er fordert von seinen Kindern nachgiebige Sanftmut: denn er hat sich als Feind aller der Leute bekannt, die höher hinaus wollen, als ihre Stellung erlaubt.

6Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, dass sie bei mir wohnen; und habe gerne fromme Diener. 7Falsche Leute halte ich nicht in meinem Hause; die Lügner gedeihen nicht bei mir. 8Jeden Morgen will ich vertilgen alle Gottlosen im Lande, dass ich alle Übeltäter ausrotte aus der Stadt des Herrn.

V. 6. Meine Augen sehen usw. Jetzt stellt uns David eine andere Tugend eines Fürsten vor, der das Herz auf dem rechten Fleck hat: er will die Treuen im Lande in seinen vertrauten Umgang ziehen, und dich ihrer als rechtschaffener Diener bedienen. Dass sie bei mir wohnen, - verstehen manche Ausleger einfach so: Ich will die guten und unschuldigen Leute nicht vernachlässigen, will sie gegen ungerechte Belästigungen schützen und will schaffen, dass sie sich mit mir ruhiger Zustände erfreuen dürfen. Die Meinung wird doch vielmehr sein, dass David eine Auswahl treffen will: er will nicht unterschiedslos diesen oder jenen annehmen, sondern klüglich unterscheiden, mit wem er es zu tun hat; seine nächsten Freunde sollen unbescholtene Männer werden, sie will er mit öffentlichen Ämtern bekleiden. Die „Treuen“ rückt er an die erste Stelle; denn auch sonst tüchtige Leute werden ein Gerichtsamt nicht wohl verwalten, wenn sie nicht Treue und Redlichkeit üben. Dies ist sehr bemerkenswert: denn der beste Fürst wird, wenn ihm nicht entsprechende Diener zur Verfügung stehen, mit aller seiner sittlichen Reinheit den Untertanen wenig helfen können. Da die Beamten die Hände der Fürsten sind, können sie, wie die Erfahrung genugsam zeigt, seine Anordnungen verbrecherisch verdrehen, wenn sie geizig, betrügerisch oder diebisch sind.

V. 7. Falsche Leute halte ich nicht in meinem Hause. Nachdem im vorigen von allen Beamten insgemein die Rede war, scheinen jetzt die nächsten Diener des königlichen Hauses gemeint zu sein. Hier pflegt alle Verderbnis zu entspringen: Wenn die nächsten Freunde des Königs und andere Vertraute, denen er das Ohr leiht, trügerisch und heimtückisch sind, gibt ihr Beispiel gleichsam das Signal zur Zügellosigkeit. Ein König, der sein Haus nicht in Maß und Zucht halten kann, wird unmöglich das ganze Volk zu zügeln wissen. Eine Autorität, die sich nicht einmal im Hause durchsetzen kann, wird in der großen Öffentlichkeit vollends zum Spott.

V. 8. Jeden Morgen will ich vertilgen alle Gottlosen. Endlich erklärt es David als seine vornehmste Sorge, das Land von gottlosen und verbrecherischen Menschen säubern zu wollen. Schon am Morgen will er es tun: will ein Fürst nicht lässig und träg sein, so muss er sich früh aufmachen, das Übel zu heilen. Es gilt dem ersten Anfang zu widerstehen: nur dass ein Richter sich nicht vom Jähzorn hinreißen lasse oder sich in Unbesonnenheit überstürze. Außerdem aber sagt David, dass er „jeden“ Morgen neue Strenge anwenden will: es wäre ja nicht genug, dass ein Richter ein- oder zweimal strenge und harte Strafen über die Frevler verhängte, - er muss darauf ohne Unterlass bedacht sein. In diesem Worte liegt ein Verdammungsurteil über die Lässigkeit von Fürsten, die aus Furcht oder Gleichgültigkeit das Einschreiten von Tag zu Tag aufschieben, obgleich sie die Frevler in ihrer Frechheit sich in immer neue Sünden stürzen sehen. Könige und Obrigkeiten mögen also bedenken, dass sie mit dem Schwert bewaffnet sind, um Gottes Gerichte ernstlich und rechtzeitig durchzuführen. Gewiss konnte David trotz alles Eifers das Land nicht von allen Befleckungen reinigen: aber er verspricht doch, dass er ohne Ansehen der Person ein strenger Richter sein und alle Gottlosen vertilgen wolle. Richter lassen sich oft durch Zaghaftigkeit hindern, die Bösen in ihrer Aufsässigkeit mit hinreichender Manneskraft zu dämpfen. Darum müssen sie mit dem Geist unbesiegter Seelengröße begabt sein, um im Vertrauen auf Gottes Hilfe das ihnen aufgetragene Amt zu führen. Auch durch Ehrgeiz oder Neigung lassen sie sich bestimmen, Vergehen nicht in gleichmäßiger Konsequenz gebührend zu strafen. Wir wollen nun hier den Schluss ziehen, dass dem Herrn eine Strenge, die nicht das Maß überschreitet, sehr wohlgefällig ist. Die grausame „Menschlichkeit“, welche den Frevlern die Zügel lockern lässt, billigt er durchaus nicht: denn wo Sünden ungestraft bleiben, gewinnen sie besondere Anziehungskraft. Darum wollen wir Salomos Wort festhalten (Spr. 17, 15): „Wer den Gottlosen gerecht spricht und den Gerechten verdammt, die sind beide dem Herrn ein Gräuel.“ Großen Nachdruck hat, was David hinzufügt, dass er die Übeltäter ausrotten will aus der Stadt des Herrn. Sind auch die heidnischen Könige insgesamt mit der Rache über die Verbrecher betraut, so fühlte David doch eine noch heiligere Verpflichtung auf sich liegen, da er der Regent der Gottesgemeinde war. Wer auf solch ehrenvollem Platze nicht alles aufwendet, den Schmutz auszuräumen, befleckt, so viel an ihm ist, Gottes Heiligtum. Er handelt nicht bloß treulos gegen die Menschen, deren Heil er zugrunde richtet, sondern begeht auch einen Frevel gegen Gott selbst. Da nun Davids Königtum nur ein schattenhaftes Abbild des Reiches Christi war, wollen wir uns Christus vor Augen stellen, der zwar viele Heuchler duldet, aber als künftiger Weltrichter alle zur Rechenschaft ziehen und die Schafe von den Böcken sondern wird. Scheint er zu lange zu verziehen, so wollen wir an jene Morgenröte denken, die plötzlich aufgeht, damit der Schmutz verschwinde und wahre Reinheit leuchte.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter

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