Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 18.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 18.

V. 1. Und es versammelte sich usw. Es wird hier berichtet von einer wichtigen Zusammenkunft in Silo, bei der über die Verlosung der übrigen Anteile beraten wurde. Die mit heiligem Eifer begonnene Verteilung war gar bald unterbrochen worden. Es schien, als wollten die Israeliten erst den völligen Sieg abwarten, den Gottes Mund doch sicher verheißen hatte. Sicherlich wollte Josua durch diese Zusammenkunft in Silo sie aus ihrer Trägheit aufrütteln. Darum tadelt er sie, weil sie das von Gott geschenkte Erbteil noch immer nicht erobert haben. Nach dem ersten Anfang hat die Beharrlichkeit zur Durchführung gefehlt. Der erste Gehorsam war lobenswert gewesen, jetzt verdient das Volk den Tadel, weil es das dargebotene Erbe noch nicht in Besitz genommen hat. Die Auslosung des Landes war ein Zeichen von Vertrauen auf Gott gewesen: und dass dabei jedem Stamme sein Gebiet zufiel, war ein gewisses und verlässiges Unterpfand auf den künftigen Besitz; denn Gottes Verheißungen sind kein Spiel. Jetzt aber, da die Zeit zur Vertreibung der Feinde gekommen wäre, bringen die Kinder Israel mit ihrem gleichgültigen Zögern die Wohltat Gottes um ihre Frucht. Sie hätten, zufrieden mit der bloßen Auslosung, im Glauben ihren Anteil ergreifen sollen: dann wären sie ohne Zweifel zum Krieg bereit und gerüstet gewesen, ja sie hätten siegreich zu baldigem Triumph eilen dürfen. – Die Bundeslade wurde in Silo aufgestellt, nicht nur, damit die Beratungen im Angesichte Gottes heiliger und ernster sein sollten, sondern auch, weil dieser Ort bereits in Frieden sich befand und Sicherheit vor gewaltsamen Angriffen bot. Man musste ja dafür sorgen, das Heiligtum vor plötzlichen Überfällen zu bewahren. Gottes Hand war wohl überall ausgebreitet, um die Angriffe der Feinde abzuschlagen; und doch wollte der Herr in einer solchen Weise inmitten der Kinder Israel wohnen, dass sie gleichsam seine Hüter und Leibwächter würden. Der Standort, der damals für die Lade angegeben wurde, war noch nicht als ständiger Wohnsitz, sondern nur als vorübergehender Aufenthaltsort bestimmt. Es war ja nicht dem Gutdünken des Volkes überlassen, einen Wohnsitz für Gott auszusuchen. Man musste abwarten, an welchem Orte Gott ein Denkmal seines Namens aufrichtete, wie dies öfters im Gesetz eingeprägt wird (z. B. 2. Mo. 20, 24; 5. Mo. 12, 5). Das wurde erst anders, als für den Tempel der Berg Zion bestimmt wurde. Daher heißt es im Psalm (122, 2): „Unsere Füße sollen stehen bleiben in deinen Vorhöfen, Jerusalem.“ Darin liegt, dass die Lade Gottes bis dahin umhergewandert war. Bis zu Elis Tode hat Gott in Silo seinen heiligen Namen verehren lassen. Als aber dann die Gottlosigkeit der Priester die Ehre des Herrn schändlich entheiligte und das undankbare Volk vergaß, seinem Gott zu dienen, wurde jener Ort durch die Zerstörung ein deutlicher Beweis schrecklicher Rache Gottes für die Nachkommen. Daher weist Jeremia (7, 12) die Bürger von Jerusalem, die in frechem Stolz auf den Bestand ihres Tempels pochten, auf dieses Beispiel hin: Sehet, die Hütte Gottes war ehedem in Silo, wie jetzt bei euch. Nun seht ihr, in welche Schmach die frühere Herrlichkeit verwandelt worden ist.

V. 4. Schafft euch aus jeglichem Stamm drei Männer. Schon Kaleb und Josua hatten jene Gegend durchwandert, und das Volk hatte durch Erkundigungen schon vieles erfahren. Nun will Josua das Land nach eigener Anschauung verteilen lassen. Darum lässt er aus jedem der sieben Stämme je drei Kundschafter auswählen, damit durch die Aussagen von zwei oder drei Männern alle Streitigkeiten vermieden würden. Zwar schien es töricht, die einundzwanzig Männer abzusenden; sie sollten überall sich umschauen, sodass kein Winkelchen vor ihren Augen verborgen blieb, und sollten alles nach Länge und Breite berechnen und die Verschiedenheit der Landesstriche beobachten. Da mussten die Feinde doch merken, wer sie waren und warum sie kamen. Sehr leicht hätten sie ihnen den Rückzug abschneiden und sie töten können. Sicherlich aber haben sie sich solcher Gefahr nicht blind und tollkühn ausgesetzt, sicherlich hat auch Josua sie nicht in solche gefährliche Lage gebracht, ohne zu wissen, dass alle diese Völker den Frieden wünschten, weil sie von himmlischem Schrecken ergriffen waren. Trotz ihrer Feindseligkeit gegen Israel wagen sie doch keinen Finger zu rühren. So konnten die Kundschafter ungestört durch ihr Land ziehen unter dem Vorwand, Geschäfte zu treiben, oder als unschädliche Fremdlinge. Wahrscheinlich haben sie sich auch in einzelne Gruppen verteilt, um weniger aufzufallen. Den Mut und die Zuversicht dazu fanden sie nur im Vertrauen auf den Gott, unter dessen Flügeln sie sich geborgen wussten. Darum brauchten sie sich vor diesen erschreckten und verblendeten Feinden nicht zu fürchten. Ihre lobenswerte Bereitwilligkeit kam aus der Überzeugung, dass Gottes Macht jenen Völkern die Hände gebunden hatte; andernfalls wären sie berechtigt gewesen, sich zu weigern.

V. 9. Also gingen die Männer hin. Nicht nur der unbedingte Gehorsam der tapferen Männer, sondern auch Gottes außerordentliche Güte wird hier gepriesen. Er krönte den heiligen Eifer Josuas und des Volkes mit unerwartetem Erfolge. Selbst wenn sie durch unterirdische Gänge geschlichen wären, so hätten sie den zahllosen Schwierigkeiten kaum entrinnen können. Nun zeichnen sie die Städte und ihre Lage, die Felder, die Mannigfaltigkeit der einzelnen Gebiete auf und kehren zu den Ihrigen zurück; da darf keiner mehr daran zweifeln, dass ihr Leben nur durch die wunderbare Kraft Gottes in so viel Todesgefahr bewahrt worden ist. Darum wird zum Ruhm der göttlichen Gnade ausdrücklich vermerkt, dass sie zum Lager zurückkehrten. Gottes Hand hatte sie zurückgeleitet, sodass das Volk nun mit frischem Mut an die Auslosung gehen kann: so schnell wäre der träge Überdruss nicht aus dem Herzen gewichen, wenn man nicht in der Wanderung dieser Männer Gottes wunderbare Gnade erkannt hätte, die einen erwünschten Ausgang versprach. Darum heißt es, dass Josua das Land austeilte, als könnte er die betreffenden Stämme schon in ein sicher unterworfenes Gebiet schicken. Gottes Gegenwart verbürgte den Erfolg; den Israeliten musste es genügen, dass alles durch Gottes Hand geführt wurde, der die Seinen niemals betrügt.

V. 11. Beim Los des Stammes der Kinder Benjamin ist wenig anzumerken, es wäre denn, dass dieser wenig volkreiche und darum mit nur 26 Städten ausgestattete Stamm der erste in der Reihe ist; es soll ihm damit offenbar eine besondere Ehre vor den bedeutenderen Stämmen erwiesen werden. Auf diese Weise kamen die Benjaminiten auch in die Nähe der Kinder Josephs, mit denen sie am nächsten verwandt waren. Ihr Gebiet lag zwischen Ephraim und Manasse auf der einen, Juda auf der anderen Seite. Auch das war noch eine ganz besondere Ehre, dass unter anderen Städten auch Jerusalem ihnen zufiel, sodass später die Kinder Judas sie um diesen Königswohnsitz bitten mussten. Wunderbar ist jedoch, dass sie, die ein so friedliches Land erhielten, nachher mit ihren Nachbarn keinen Frieden halten konnten. Dabei denken wir an Jakobs Weissagung (1. Mo. 49, 27): „Benjamin ist ein reißender Wolf, früh raubt er Beute, abends verteilt er Erbeutetes.“ Also müssen sie wohl von Natur besonders habgierig und unruhig gewesen sein, oder es haben andere uns unbekannte Gründe sie zu solchen Beutezügen veranlasst.

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