Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 14.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 14.

V. 1. Dies ist es aber, das die Kinder Israel eingenommen haben usw. Jetzt geht der Bericht zur Verlosung des Landes Kanaan unter neunundeinhalb Stämme über. Doch bald bricht, wie wir sehen, der Faden der Erzählung ab. Josua und Eleasar verteilen im Vertrauen auf Gottes Verheißung nicht nur das bereits eroberte Land, sondern verlosten auch das Gebiet, das sie noch nicht in Besitz hatten. Zwar sehen wir, dass die Teilung nicht gleich vollständig vorgenommen wurde. Als erstes Los fiel das des Stammes Juda heraus, die übrigen mussten auf die Zukunft hoffen. Bei alledem erhebt sich nun die schwierige Frage, auf welche Weise Josua, Eleasar und die obersten Väter die Teilung vollzogen, wenn die Lose geworfen waren. Der Ausfall des Losens richtet sich ja nicht nach Meinungen und Wünschen der Menschen. Man muss bedenken, dass diese Männer nicht nur gewählt waren, um durchs Los das Land zu verteilen, sondern um dabei nach gerechtem Maßstab die Grenzen für jeden einzelnen Stamm weit oder eng abzustecken; das geschieht ja nicht durch einfaches Losen. Denn da ja nach der Meinung der Menschen nichts so sehr dem Zufall ausgesetzt ist, als das Resultat des Losens, so wussten sie nicht, ob Gott etwa dem halben Stamm Manasse dort ansiedeln wollte, wo der Stamm Juda seinen Anteil bekam, oder ob an Stelle von Ephraim Sebulon treten sollte. So konnten sie also nichts anderes tun, als das Land in zehn Provinzen verteilen, doch ohne genaue Begrenzung der einzelnen Gebiete. Hätte jeder einzelne seine Wünsche äußern dürfen, so hätten einige gewünscht, im Mittelpunkt des Landes zu wohnen, andere hätten eine ungestörte Ecke, andere fruchtbares Ackerland gewählt oder mildes Klima und schöne Gegend zu erlangen gesucht. Während nun das Los dem Stamm Juda sozusagen an die Spitze stellt, weist es dem Stamm Sebulon an die fernen Küsten des Meeres. Benjamin bringt es in die Nähe von Juda, Ephraim wird weit davon getrennt. Das Los bestimmte, wer ein Nachbar der Ägypter werden, wer am Meere wohnen, wer die Höhen in Besitz nehmen, und wer in den Tälern sich ansiedeln sollte. Nachdem das einmal festgelegt war, blieb es den Obersten des Volkes überlassen, die Grenzen jedes Gebietes entsprechend zu bestimmen. Sie hatten also zu berechnen, wie viel Tausende jeder Stamm zählte, und nach der größeren oder geringeren Kopfzahl mehr oder weniger Raum ihnen zuzuweisen. Den Obersten des Volkes war es gestattet, nach ihrem Urteil die Grenzen in Länge und Breite unter Berücksichtigung der Zahlen- und Raumverhältnisse zu verschieben. Auch muss man daran denken, dass diese zehn Männer, die nun als Stammhäupter genannt werden, durch Gottes Stimme erwählt worden sind. So hatte jeder Stamm einen sachkundigen Vertreter, der Betrügerei und Übervorteilung abwehren konnte. Es wäre ungerecht gewesen, ihnen mit einem Verdacht zu begegnen.

V. 4. Darum gaben sie den Leviten kein Teil. Zum dritten Male wird wiederholt, dass die Leviten nicht berücksichtigt wurden; der Stamm Josephs erhielt für die zwei Stämme der Söhne Josephs einen doppelten Anteil. So hatte es Jakob vorausgesagt (1. Mo. 48, 13 ff.). Als ein von Gott bestellter Schiedsrichter hatte er seinen Sohn Josef den anderen vorgezogen. Die Leviten nimmt Gott als sein besonderes Eigentum in Besitz und setzt an ihre Stelle die zwei Familien aus dem Stamme Joseph.

V. 6. Da traten herzu die Kinder Juda usw. Die hier eingefügte Erzählung unterbricht den Bericht über die Landesverteilung. Kaleb bittet um den Berg Hebron, wie Mose ihm versprochen hatte. Das geschah lange vor Beendigung der Eroberung und Verlosung des Landes. Das fünfte Jahr nach dem Einzug ins Land wird erwähnt. Er verlangt kein Gebiet, das schon von den Feinden gesäubert ist, er wünscht noch mitten im Waffenlärm das Versprechen, dass er diesen Teil des Landes nach Niederwerfung und Ausrottung der Riesen zum Besitz bekommen werde. Er fürchtet, dieses Gebiet werde, nachdem er durch seine Tapferkeit die Riesen überwältigt habe, mit verteilt und er so um den Lohn seiner Anstrengung betrogen werde. Und er vertritt seine Sache nicht allein: die Kinder Judas schließen sich ihm an. Das außerordentliche Geschenk, welches einer einzelnen Familie zugeteilt werden sollte, war für ihren Stamm ein großer Zuwachs, an dem ihnen viel lag. Das Versprechen war aber nicht schriftlich festgehalten worden, auch lebte außer Josua kein Zeuge mehr; darum wendet sich Kaleb an diesen. Wahrscheinlich verhält es sich damit so: Als die zehn Kundschafter durch die Schilderung der Enakssöhne das Volk zu erschrecken suchten, hat jedenfalls Kaleb ihre Unwahrhaftigkeit schildern wollen und deshalb erzählt, dass er selbst sie auf dem Gebirge Hebron gesehen habe und dass sie durchaus nicht so schrecklich gewesen wären; er würde sie allein anzugreifen wagen, wenn er nach ihrer Vertilgung ihr Land als Besitztum erhielte. Damals wird ihm Mose wohl zugestanden haben, dass er an diesem Orte wohnen solle, wenn er ihn durch seine Tapferkeit erobert habe.

V. 7. Ich war vierzig Jahre alt usw. Der Ruhm seiner Tapferkeit scheint einem frommen und bescheidenen Mann nicht zu geziemen. Doch sollte diese Hervorhebung bei der unangenehmen Frage, durch die leicht Zank und Streit entstehen konnte, jeden Neid unterdrücken. Kaleb erinnert nun daran, dass er über seine Erkundigungen im Lande nach seinem Gewissen berichtet habe. Diese Worte zeigen seine Ehrlichkeit, mit der sein Herz sich den Lügenberichten entgegenstellte. Ohne Betrug und Heuchelei hat er den ihm gegebenen Auftrag ausgeführt. Ein besonderes Lob für seine Unbestechlichkeit ergibt sich daraus, dass er trotz der entgegengesetzten Aussagen aller anderen Kundschafter – abgesehen von Josua – dennoch ihrer Bosheit nicht nachgab und der frevelhaften Verschwörung sich nicht fügte, sondern bei seinem Widerspruch beharrte (V. 8): Ich folgte dem Herrn, meinem Gott, treulich. Durch das schändliche Treiben der zehn Männer ließ er sich nicht vom Wege treuer Pflichterfüllung abbringen, obwohl das Beharren schwer war. Aber er folgte treulich seinem Gott, weil er davon überzeugt war, dass dieser der Führer auf dem Zuge war, während jene Treulosen das Volk von diesem Gott abwenden wollten. Nur die Beharrlichkeit ist lobenswert, mit der wir dem Herrn nachfolgen. Ein guter Anfang vergeht, wenn nicht das Ende demselben entspricht.

V. 9. Da schwur Mose usw. Zur Belohnung seiner Treue und Beharrlichkeit bei der Ausführung dieses Auftrags bekommt Kaleb auf Kosten des ganzen Volkes sein besonderes Erbteil. Er preist Gottes Treue, die ihm ein so langes Leben geschenkt hat und nicht nur das, sondern auch Kraft und Gesundheit, sodass er in seinem achtzigsten Lebensjahr nicht schwächer, sondern stärker war als in der Blüte der Jahre. Auch andere, obgleich sehr wenige, erleben wohl ein Greisenalter in voller Rüstigkeit. Doch kommt es dem des Kaleb in dem Stück nicht gleich, dass mit fünfundachtzig Jahren seine Manneskraft noch ganz und gar unerschüttert war. Er will nicht nur Erfahrung und Tapferkeit als Anführer besitzen, sondern auch Kraft zum Kämpfen. Durch die Tat will er das beweisen und bittet um das Gebiet der Riesen, um es zu erobern und sie zu vertreiben. Solche Siegeszuversicht entsprang nicht aus törichtem Hochmut: er erhoffte Erfolg durch Gottes Hilfe. Wenn er dieses Gebiet für sich erbittet, so übernimmt er für das Volk den gefahrvollen und schwierigen Kampf. Er wusste, wie die Kinder Israel vor den Riesen zitterten und bebten: darum (V. 12) redet er hier ihrer Meinung entsprechend von einer äußerst schwierigen und zweifelhaften Aufgabe. Er freilich war seiner Sache gewiss, und sein Herz schwankte nicht. Ich will sie austreiben, spricht er, wie der Herr geredet hat. Nur um seinen Wunsch zu erlangen, hebt er die Schwierigkeiten hervor. Wie schwer übrigens die Austreibung der Riesen aus jener Festung war, geht daraus hervor, dass Kaleb sie erst nach Josuas Tode anzugreifen wagte.

V. 13. Da segnete ihn Josua usw. So geschickt hatte er seine Bitte vorgebracht, dass er gleichzeitig den Segenswunsch empfing. Das Beispiel seiner Tapferkeit konnte die anderen von ihrer Furcht befreien. Der Segenswunsch enthält daher ein Lob des Kaleb, welches ermutigend auf das Volk wirken sollte. – Da übrigens Hebron auch den Leviten zugewiesen wurde und außerdem eine der Zufluchtsstädte war, so verdient Kalebs maßvolle Bescheidenheit großes Lob: er verweigerte nicht die Aufnahme der Leviten in das ihm durch außerordentliches Vorrecht übertragene Land.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/calvin/calvin-josua/calvin-josua_-_kapitel_14.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain