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Calvin, Jean – Hiob 42, 1-5.

Calvin, Jean – Hiob 42, 1-5.

1) Hiob antwortete dem Herrn also: 2) Ich weiß, dass du alles vermagst und dass keiner deiner Gedanken gehindert werden kann. 3) Wer ist es, der den Rat verdunkelt ohne Weisheit? Ich habe geredet, aber ohne Verständnis; die Dinge sind mir zu wunderbar, ich habe sie nicht verstanden. 4) So höre nun, ich will reden; ich will dich fragen, damit du mich belehrst. 5) Ich hatte mit meinem Ohr von dir gehört, jetzt hat mein Auge dich gesehen.

Wir haben schon zuvor davon gehört, was Gott mit seiner Vermahnung bei Hiob erreicht hat; jetzt, da sich Hiob erneut darüber ausspricht, sehen wir noch deutlicher, was für einen Gewinn ihm seine Strafe gebracht hat. Reue hat er schon vorher gefühlt, jetzt aber ist er noch viel tiefer im Innersten bewegt. Die Buße ist nicht mit einem Schlage fertig, nein, Gott muss uns erst abhobeln, und dann kann er uns glatt schleifen. Wenn man etwas aus Holz oder Stein herstellen will, so muss man lange daran arbeiten. So muss auch Gott anhaltend an uns schaffen, sonst kommt es nur zu einem geringen Anfang der Buße, und der würde schnell wieder verschwinden, oder es würde nur ein rohes, unvollkommenes Ding daraus. Darum müssen wir´s geduldig leiden, wenn Gott sich, hat er uns einmal gezüchtigt, nicht mit einem Rutenschlag zufrieden gibt, sondern seine Ruten verdoppelt. Das ist uns heilsam und gut. Wir wollen also der Lehre, die wir gehört, nicht überdrüssig werden, sondern mehr und mehr darin zu wachsen suchen; denn die ganze Lebenszeit hindurch gilt es, zu Gott zu nahen und sich befestigen zu lassen in seiner Furcht und Liebe. Sonst sind wir leichfertig und kehren wieder zu unserer natürlichen Art zurück, und wenn wir uns auch für bekehrt halten, es ist doch nichts damit, es ist nur ein Rauch, der alsbald verschwindet. Auch darin müssen wir dem Beispiel Hiobs folgen: Haben wir heute unsere Fehler eingesehen, so müssen wir uns morgen Mühe geben, sie noch besser zu erkennen und uns in unserem Herzen noch mehr dadurch verwunden zu lassen. Täglich mehr muss die Buße den Sieg gewinnen, und wenn sie ganz ehrlich ist, so müssen wir´s doppelt ernst damit nehmen.

Ich weiß, sagt Hiob nun, dass du alles vermagst und dass keiner deiner Gedanken gehindert werden kann. Das erklärt man wohl so: Ich weiß, dass du alles in deiner Hand hast und dass dir nichts verborgen ist: du weißt und erkennst alle Dinge. Aber dem Wortlaut des Textes entspricht mehr die andere Auslegung: Alles, was du geordnet und befohlen, ja auch nur gedacht hast, das muss alsbald geschehen; du brauchst dir gar keine Mühe zu geben, als könnte jemand dich behindern oder als könnte dir etwas misslingen. Es ist also einfach von der unendlichen Macht Gottes die Rede: Er vermag alles. Wieso? Er kann alles, was er in seinem Rat beschlossen hat, auch ausführen, ohne dass ihn jemand daran zu hindern vermag. Scheinbar sagt Hiob nicht alles, was er sagen müsste. Denn das hat er doch schon vorher gesagt, dass Gott die Welt regiert; aber gleichwohl murrte er wider ihn! Scheinbar also hat Hiob keinen Fortschritt gemacht; denn er kommt immer wieder darauf zurück: Gott vermag zwar alles, aber dabei geht er doch gegen seine armen Kreaturen bisweilen viel zu streng vor! Aber es ist zu beachten: Seine Erkenntnis Gottes ist jetzt anderer Art als zuvor. Er demütigt sich unter seine gewaltige Hand; er weiß, dass ein sterblicher Mensch Gott nicht widersprechen darf. Erst wenn wir Gottes Macht erkannt haben und uns gänzlich vor ihm demütigen und bekennen, dass er mit vollem Rechte über uns die Herrschaft führt, ja, dass er alle Autorität über uns hat, und wir ihm gehorsam werden nicht aus Zwang, sondern mit sanftmütigem Geist – so ist das ein wahres Bekenntnis zu Gottes Allmacht. Aber wenn wir über ihn herrschen wollen, ja ihn nach unseren Gelüsten behandeln wollen und wünschen, dass er uns gehorche und tue, was wir uns in den Kopf gesetzt haben – ach, das ist ein schlechtes Bekenntnis zu seiner Allmacht. Denn wir möchten dann am liebsten seine Geschäftsteilhaber sein, ja, ihn noch um einen Grad überragen. Es gebührt uns nicht, gegen ihn zu murren, wenn er uns züchtigt; und wenn es uns auch schwer und sauer ankommt, so müssen wir doch zu dem Bekenntnis gelangen: Gott ist gerecht, darum macht er keinen Fehler; uns geziemt es, ihm willfährig zu sein und uns gefangen zu geben, damit er mit uns umgehe nach seinem Gefallen.

Noch eine weitere Beschreibung gibt Hiob von Gottes Macht: er redet von Gottes Gedanken. Die Macht Gottes richtet sich nicht nach unseren Träumen, damit hat sie nichts gemein. Denn zwei Dinge können nicht voneinander getrennt werden: Gottes Macht und Gottes Wille. Gott ist allmächtig, aber soll er etwa seine Allmacht richten nach den Lustgebilden unseres Gehirns? O nein! Es muss alles erfüllt werden, was er in seinem Rat geordnet hat. Wenn wir diese beiden Dinge doch nur vereinigen wollten: Gottes Rat und Gottes Macht! Deshalb sagt Hiob: Keiner kann deine Gedanken hindern: er verwirklicht sie alle. Nicht das geschieht, was die Menschen erkennen und beschließen möchten, sondern was Gott anordnet und was er für gut befindet. Darin besteht seine Allmacht, dass er alles tut, was er beschlossen hat. Von uns borgt er keinen Rat, denn er ist der Brunnquell aller Weisheit; darum steht es ihm zu, anzuordnen, was gut ist. Alles ist derart in seiner Hand, dass nichts ihn hindern kann an der Erfüllung alles dessen, was er angeordnet hat.

Wenn man ohne Sinn und Verstand von der Allmacht Gottes schwatzt, so kommen ganz ungereimte Dinge dabei heraus: Warum tut Gott dies und das nicht, so fragt man, wenn er doch allmächtig ist? Aber heißt das nicht mit Gott sein Spiel treiben? Ihm steht es doch zu, alles anzuordnen, ihm steht es auch zu, seine Gedanken zu verwirklichen! Dabei denken die Menschen, die so sprechen, selbst nicht daran, ihm wirklich alle Kraft zuzutrauen, wenn sie einmal ihre Hoffnung auf ihn setzen sollen. Denn gerade dann sollten wir von der Allmacht Gottes den rechten Gebrauch machen: es ist überhaupt kein „Muss“, dass er uns seine Verheißung hält, sondern weil unser Heil in seiner Hand steht, darum sind wir sicher, dass uns nichts Böses geschehen kann. Hat er uns unter seinem Schutz, so gewinnen wir auch ganz gewiss den Sieg über alle Feinde. Über die Allmacht Gottes muss man denken gemäß dem Worte Christi: „Niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen; der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles“ (Joh 10, 28.29). Warum stellt uns Jesus Christus die unüberwindliche Macht seines Vaters vor Augen? Damit wir ruhig und ohne Sorge um unsere Rettung sind, mag auch der Teufel gegen uns ins Werk setzen, was er will; denn Gott ist allmächtig. Daran sieht man, dass man Gottes Macht mit seinem gnädigen Willen, den er uns in seinem Wort geoffenbart hat, verbinden muss.

Aber Gott kann es nicht leiden, dass die Menschen nach ihren Gelüsten mit seiner Allmacht spielen wie mit einem Ball. Was unser Heil und unsere Seligkeit betrifft, so hat er uns seinen Willen deutlich ausgesprochen: Er will uns bis ans Ende erhalten, will uns in allen Nöten beistehen, will uns aufrichten, wenn wir niedergeschlagen sind, und unserer Schwachheit zu Hilfe kommen. Nun, dann dürfen wir auch nicht daran zweifeln, dass er seine Hand immer ausgestreckt hat, um uns sein Wort zu halten. In dieser Weise also gehören Gottes Hand und Mund zusammen: Zuerst kommt sein Mund, also sein Rat, sein Wort, und dann führt seine Hand aus, was er verordnet hat. Einmal also müssen wir uns völlig den Anordnungen Gottes unterwerfen; denn sein Rat ist gut; sodann aber wissen wir auch: Ihm allein gebührt das Regiment, und es gehört sich, dass alle Kreaturen sich von ihm leiten lassen und nicht sich selbst die Freiheit nehmen, sich zu regieren, sondern sich ihm in allen Dingen völlig unterwerfen. Wenn wir diesen Gedanken festhalten, so haben wir in unserm Leben viel gewonnen.

Nun fährt Hiob fort: Wer ist es der den Rat verdunkelt ohne Weisheit? Er hat ja ehedem schon Meister sein wollen, ehe er noch in die Schule ging; jetzt aber weiß er, dass aller Rat und alle Weisheit Gott allein zusteht. Er verbirgt allerdings seinen Rat, aber er weiß, warum, er hat gute Gründe dafür. Wollen wir aber den Rat Gottes weiter aufdecken, als uns erlaubt ist, so verwirren wir ihn nur immer mehr. Wo wir es so machen, geschieht es ohne Weisheit: indem wir weise sein wollen, beweisen wir nur umso mehr unsere Torheit. Wenn Gott sieht, dass sein Rat unserem Verstande zu hoch ist, so behält er sich vor, ihn uns zu verhüllen und nicht zu offenbaren. Was uns gut und heilsam ist, das offenbart er uns, aber manche dunklen und verborgenen Dinge muss er sich vorbehalten; denn wir sind viel zu schwach, um so hoch zu steigen. So verdunkelt Gott seinen Rat, aber er tut es mit Weisheit; denn ihm selbst ist nichts unbewusst. Es ist nicht so, dass er uns nicht zeigen könnte, weshalb er dies und jenes tut, nein, wir sind nur zu ungeschickt, um zu fassen, was uns jetzt unbegreiflich ist. Wollen wir aber mehr wissen, als uns gestattet ist, so können wir natürlich allerlei spitzfindige Reden über manche Dinge halten, aber am Ende werden wir mit all unserm klugen Geschwätz doch zuschanden. Weil der sterbliche Mensch sich stark macht, weise zu sein, ohne Gottes Wort dabei zu folgen, so zeigt er damit nur, dass er eitel und sein Verstand leichtfertig ist und dass er bloß lügen kann. Wollen wir eine reine und klare Einsicht gewinnen in Gottes Werke, so müssen wir bei ihm in die Schule gehen, müssen seiner Rede zuhören und behalten, was er uns sagt, und vor allen Dingen nüchtern genug sein, um nicht mehr wissen zu wollen, als er uns offenbart. Dann können wir richtig über die Dinge reden, dann werden unsere Worte auch unserm Nächsten zur Erbauung dienen und zur Stärkung im Guten. Wenn wir jedoch die uns gesteckten Grenzen überschreiten, so kommt nur Eitelkeit und Lüge dabei heraus.

Deshalb fügt Hiob hinzu: Ich habe geredet, aber ohne Verständnis; die Dinge sind mir zu wunderbar, ich habe sie nicht verstanden. Gott gab Hiob seine Hand zu fühlen; aber Hiob konnte nicht begreifen, weshalb er so gezüchtigt werden musste; darum geriet er in so schwere Anfechtungen. „Weshalb muss gerade ich so maßlos geplagt werden?“ fragte er; „ist es Gott noch nicht genug, mich einfach umzubringen? Ich wollte, er hätte ein Ende mit mir gemacht, nun lässt er mich langsam verschmachten; er weiß doch, dass ich nur ein schwacher Mensch bin, eine armselige Kreatur, weshalb lässt er mich denn so lange in dieser Qual? Wäre ich der schlechteste Mensch in der Welt, so könnte er mich nicht schlimmer behandeln; aber er weiß doch, dass ich ihm treulich und aufrichtig gedient, er weiß doch, dass ich nicht so gelebt habe, dass die Menschen mich so verwerfen dürften!“ Das waren Hiobs Gedanken und Vorwürfe. Wie konnte er da hineingeraten? Er hat sich eben in den Rat Gottes viel zu tief hineingewagt.

Um nun diesen Fehler wiedergutzumachen, sagt er, die Dinge seien ihm zu hoch und wunderbar gewesen. Wenn wir zu Gott kommen und von seinen Werken reden wollen, so sollen wir immer davon ausgehen, dass solche Geheimnisse über unsern schwachen Verstand weit hinausgehen. Das gilt nicht allein von Gottes Vorsehung im Allgemeinen, sondern auch von allem, was seine geistliche Königsherrschaft angeht. Wir wissen ganz gut, dass Gott alles regiert; aber wenn wir uns sagen müssen, dass auch die scheinbar verworrenen Dinge durch Gottes heimlichen Rat regiert werden, dass er den Zügel in der Hand behält und sie zu dem von ihm gewollten Ziele führt, dann wissen wir nicht mehr, wie wir dran sind. Dann gilt es, mit Ehrfurcht zu erkennen, dass hier Geheimnisse vorliegen, die uns zu hoch sind, und über den uns unbekannten Dingen Gott anzubeten, bis er uns offenbart, was uns heute noch verborgen ist. Nun gibt es heute törichte und unverständige Leute, die sagen: „Wenn Gott alles regiert, so folgt daraus, dass die Menschen nicht mehr sündigen oder dass ihre Sünden ihnen wenigstens nicht mehr dürfen angerechnet werden.“ Solche Gotteslästerungen muss man hören! Diese Toren haben es noch nicht gelernt, dass die Lehre von Gottes Vorsehung und Weltregierung ihnen viel zu hoch ist. Sie lassen Gott nichts, sie wollen alles nach ihrem eigenen Sinne ordnen. Wo aber kommen sie dann hin? Von Gottes Weltregierung kann man nur mit Ehrerbietung reden. Diese Dinge gleichen einem tiefen Abgrund; den kann man nicht mit unserm Maß ergründen, man kann Gott nur in Einfalt anbeten und darf nicht zuviel wissen wollen.

Zum andern aber sollen wir wissen: Alles, was zum geistlichen Königreich Gottes gehört, ist uns viel zu hoch. So sagt der hl. Paulus (1. Kor 2, 14): „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes“, und es steht auch geschrieben, dass die Gaben, die Gott droben seinen Auserwählten bereitet hat, so herrlich sind, dass sie „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat“ (1. Kor 2, 9). Darum lasst uns Gott bitten, er wolle uns erleuchten durch seinen Heiligen Geist und uns durch die Kraft des Glaubens über alle Himmel erheben, weil unser natürlicher Verstand niemals dahin kommen kann; wenn wir das haben, dann haben wir auch die Bescheidenheit, die uns das Maß unseres Glaubens nicht überschreiten lässt.

Hiob gibt sich selbst die Schuld: Ich habe geredet, aber ohne Verständnis. Er zeiht sich der Leichtfertigkeit. Auch wir wollen uns nicht schämen, unsere Torheit zu bekennen, wenn wir unsern Unverstand bewiesen haben. Wir wollen mit Hiob unsern angeborenen Stolz und unsere maßlose Hoffart aufgeben. Erst glauben, dann reden – so lehrt es uns diese Stelle! Glauben können wir erst, wenn Gott uns gelehrt hat; unser Glaube muss auf Gottes Wort gegründet und die Heilige Schrift unsere ganze Weisheit sein. Haben wir das eingesehen, dann können wir auch reden, sogar von den Dingen, die über unser Verständnis hinausgehen: Gott erklärt sie uns im Glauben. Es ist ja nicht genug, dass wir unsere Fehler einsehen, wir müssen uns nach Hiobs Beispiel auch nach dem Heilmittel umsehen: So höre nun, ich will reden; ich will dich fragen, damit du mich belehrst. Hiob tritt in seine Schranken zurück; er hat sich benommen wie ein wild gewordenes Pferd, er hat sich nicht in seinen Grenzen gehalten. Darum begnügt er sich nicht mit dem Bekenntnis seiner Übertretung, um dann doch wieder aufs neue Böses zu tun, sondern er spricht: Herr, ich bin ein törichter und vermessener Mensch und habe mich viel zu weit verirrt; so frage du mich denn und belehre du mich in deiner Schule, ich möchte nur noch einfach das reden, was du mich lehrst, und nicht mehr mit Dingen herausfahren, von denen ich nichts verstehe.

Hiob spricht: So höre nun, ich will reden! Man muss auf zweierlei Weise mit Gott reden. Man kann Gott herausfordern, kann ihm seine Fragen stellen und seine Einreden machen und sich dabei noch für sehr weise halten – das ist eine üble Art zu reden, und wir mögen uns wohl davor hüten. Lieber sollten wir uns die Zunge aus dem Munde reißen lassen. Aber nicht nur unsere Zunge müssen wir im Zaum halten, sondern auch das vorwitzige Mehrwissen-Wollen. Von dem Verlangen freilich, immer mehr wissen und gegen Gott streiten zu wollen, werden wir nie ganz frei werden; aber wir müssen dagegen ankämpfen, um es unter die Füße zu bekommen. Zu solcher Nüchternheit müssen alle Gläubigen durch das Evangelium sich bringen lassen, damit sie Gott ganz einfältig die Ehre geben und ihr Nichtwissen bekennen. Aber es gibt auch noch eine andere Art, mit Gott zu reden, die ist gut und heilig, und die müssen wir fleißig üben: sie besteht darin, dass wir Gott um Unterweisung bitten. Manche wollen freiwillig in ihrem Unverstand stecken bleiben, und wenn man sie zur Wahrheit führen will, so wollen sie nicht. Sie verstocken sich in ihrer Unwissenheit und werden immer stumpfer. Reden müssen wir, müssen Gott fragen, ihn bitten um Unterweisung! Zuvor aber müssen wir bekennen, dass wir nichts wissen. Dann erst dürfen wir Gott bitten, er wolle uns offenbaren, was uns zu wissen gut ist. Dabei möchten wir am liebsten Gott immer noch mehr fragen, als nötig ist. Honig gibt wohl einen süßen Geschmack, aber oft genug müssen wir sehen, wie einer, der zuviel davon isst, geradezu daran zerplatzt. So ist es auch, wenn wir nach zuviel Weisheit verlangen: sie wird dann bitter in unserm Munde. Anfangs lassen wir uns täuschen, weil die Sache uns so schön dünkt und es aussieht, als könnten wir so wirklich zur Erkenntnis gelangen. Gewiss, aber lasst uns bedenken, wie es unserm Vater Adam ergangen ist! Er wollte über die Gott gegebene Gabe hinaus unterscheiden, was gut und böse sei; darüber stürzte er in den Abgrund, in dem wir noch heute stecken. Wir dürfen nicht zuviel Ruhm begehren; denn am Ende ist es uns kein Ruhm, sondern es geht uns nach dem Worte Salomos: „Wer zuviel Honig isset, das ist nicht gut, und wer schwere Dinge forschet, dem wird´s zu schwer“ (Spr 25, 27).

Wollen wir aber zu Gott kommen und von ihm belehrt werden, so müssen wir auch wirklich von ihm lernen wollen. Der Anfang alles Lernens aber ist die Erkenntnis, dass er der Herr ist, und ihm müssen wir die Wahl dessen, was er uns lehren will, überlassen. Würde es einem Knaben, der eben in die Schule kommt, wohl anstehen, wollte er sich die Lehrbücher nach seinem Gefallen auswählen und dies und das lernen wollen, noch ehe er das ABC gelernt hat? So dürfen wir auch Gott nicht zwingen wollen, uns zu lehren, was wir zu lernen uns in den Kopf gesetzt haben, sondern es ist genug, wenn er uns lehrt, was uns von Nutzen ist, und das kann er wohl unterscheiden.

Deshalb schließt Hiob mit den Worten: Ich hatte mit meinem Ohr von dir gehört, jetzt hat mein Auge dich gesehen. Hiob stellt hier einen Vergleich an zwischen seiner vormaligen Gotteserkenntnis und der Offenbarung, in der Gott sich ihm so zu erkennen gab, dass er darüber zuschanden wurde und von einer solchen Angst erschüttert ward, dass ihm nichts blieb, als Gott die Ehre zu geben – wie er denn auch wirklich tut. Gewiss, es muss uns genügen, dass wir von Gott reden hören; denn daraus geht die Erkenntnis hervor. „Der Glaube kommt aus dem Hören“, sagt Paulus (Röm 10, 17). Nun bringt uns aber der Glaube „Weisheit bei den Vollkommenen“, wie es 1. Kor 2, 6 heißt. Was können wir uns auch mehr wünschen, als zu wissen, dass wir Gottes Kinder sind? Das aber erkennen wir im Glauben! „Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“ (1. Kor 2, 10); denn er wohnt in uns und gibt uns Zeugnis von dem, was in unseren fleischlichen Sinn nicht eingeht. Darum führt uns der Glaube, der aus dem Hören kommt, zu einer wahrhaft vollkommenen Weisheit, und deshalb mögen wir uns wohl genügen lassen, dass wir Gott reden gehört haben. Hiob aber meint hier, seine bisherige Erkenntnis sei derart gewesen, wie wenn einer von etwas reden hört, was er nicht gesehen hat. Sehen wir´s aber mit Augen, so wird die Gewissheit noch größer! Damit will Hiob die Lehre, die wir in der Predigt zu unserer Unterweisung hören, nicht verwerfen; aber er weist darauf hin, dass die Lehre, die wir nur mit dem äußeren Ohr aufgenommen haben, so lange ein totes Ding ist, bis sich Gott uns so deutlich offenbart, als sähen wir ihn mit Augen. Und wie geschieht das? Das geschieht alle Tage, wenn das Evangelium gepredigt wird! Denn Gott muss auf zweierlei Weise zu uns sprechen. Einmal redet er mit uns durch einen Menschen, der zum Diener bestellt ist, um uns zu unterweisen; außerdem aber redet er mit uns durch die Kraft seines Heiligen Geistes, wenn wir im innersten Herzen so getroffen sind, dass die Verkündigung uns „durchs Herz geht“ und Nutzen bei uns schafft. Ohne das verschwindet auch die Stimme wieder, sie verhallt wie ein verwehender Ton. Manche hören das Evangelium täglich, aber sie werden nur verstockter dadurch. So ist es auch Jesaja 6, 9.10 gemeint: „Gehe hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet´s nicht! Verstocke das Herz dieses Volkes und lass ihre Ohren hart sein und blende ihre Augen, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen!“ Wenn Gott nicht Hand anlegt durch seine Gnade, so bleiben die Menschen allezeit in ihrer Verstockung. Wenn deshalb Gott mit uns redet, so muss er sich uns zu erkennen geben, dann sehen wir ihn. Und wie sehen wir ihn? Nicht mit den leiblichen Augen, sondern wir bekommen ein derartiges Gefühl für seine Majestät, dass wir es lernen, ihm Ehre zu geben und uns ganz und gar in seine Hände zu befehlen, damit er allein Gewalt und Herrschaft über uns bekommt.

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