Calvin, Jean – Hiob 34, 10 – 15.

Calvin, Jean – Hiob 34, 10 – 15.

10) Das sei ferne, dass in Gott Ungerechtigkeit sei oder Unbilligkeit in dem Allmächtigen. 11) Denn er vergilt dem Menschen nach seinem Werk und lässt jeden ernten nach seinen Wegen. 12) Gott verdammt niemand ohne Grund, und der Allmächtige kehrt das Recht nicht um. 13) Wer regiert die Erde außer ihm? Oder wen hat er über die Welt gesetzt? Oder wer hat sie gebaut? 14) Wenn er sein Herz zu ihm wendet und seinen Hauch und Odem zurücknimmt, 15) alsdann wird alles Fleisch miteinander vergehen, und der Mensch wird wieder zu Staub werden.

Das ist der Hauptinhalt der ganzen Elihurede: In Gott ist keine Ungerechtigkeit: wir sollen Gott ehren als den Gerechten. Das scheint selbstverständlich, und auf den ersten Blick wird das auch niemand leugnen wollen, aber dennoch findet man unter hundert kaum einen einzigen, der Gottes Gerechtigkeit gebührend anerkennt, ja, selbst die Gläubigen lassen´s daran fehlen. Was werden aber dann die Gottlosen machen, die gar nicht daran gewöhnt sind, Gott zu ehren? Wer wirklich bekennt, dass Gott gerecht ist, der hätte genug gelernt für hundert und tausend Jahre, wenn er so lange lebte in dieser Welt. Wie können wir denn erkennen, dass Gott gerecht ist? Nur so, dass sein schlichter Wille uns als einzige Begründung genügt und wir fest davon überzeugt sind, dass alles, was Gott tut, gut und recht ist, wenn wir auch jetzt den Grund noch nicht einsehen. Denn wenn einer von Gottes Gerechtigkeit nur so viel bekennen wollte, als davon in sein Hirn eingeht, was sollte dabei herauskommen? Wäre dann Gott nicht unser Knecht? Nein, es muss bei uns ganz feststehen: Gott ist gerecht! Sein Wille ist die Richtschnur aller Gerechtigkeit, und alles, was von ihm kommt, müssen wir anbeten, mag es uns noch so befremdlich und verkehrt vorkommen. Da soll uns eine heilige Furcht bewahren, und weil Gott der Brunnquell aller Gerechtigkeit ist, darum müssen wir alles, was er tut, für gut befinden. Und wenn alles unsern Wünschen entgegengeht, so sollen wir die Augen schließen und mit aller Entschlossenheit sagen: Herr, du bist gerecht, und mit dieser Gerechtigkeit will ich mich zufrieden geben, bis du mich eintreten lässest in dein Heiligtum und ich sehe, warum du so mit den Menschen umgehst.

Womit beweist Elihu denn, dass in Gott keine Ungerechtigkeit sein kann? Er vergilt dem Menschen nach seinem Werk und lässt jeden ernten nach seinen Wegen. Wir müssen also nicht nur wissen, dass Gott an sich gerecht ist; seine Gerechtigkeit ist ja auch nicht in sein Wesen eingeschlossen, so dass sie uns unbekannt bliebe, sondern sie erstreckt sich über alles und muss vor allen Dingen an uns selbst erkennbar sein. Wollen wir nun wissen, wieso Gott gerecht ist? Wir mögen blicken, wohin wir wollen, überall schauen wir seine Gerechtigkeit: die Welt regiert er so gerecht und billig, dass nichts dawider zu sagen ist. Und wenn Gott uns alle vor sein Angesicht ruft, so kann keiner sich beklagen, nein, wir müssen alle bekennen: Gott hat uns getragen in seiner unendlichen Güte, und mit billiger Strenge hat er uns bestraft. Das ganze Weltall regiert er in Gerechtigkeit; alles, was wir sehen, beweist sie, weil es von ihm kommt. Die Sünden, die die Menschen begehen, verstehe ich nicht, aber das verstehe ich, dass Gott in seinem höchsten Rat alles so regiert, wie es gut ist. Deshalb braucht ein jeder nur sich selbst zu prüfen, so weiß er, dass es keinen Deckmantel gibt, unter dem man mit Gott rechten könnte; niemand kann ihn der Grausamkeit zeihen, niemand kann sagen, Gott habe ihn unbillig behandelt, sondern wir müssen in seiner Regierung und Führung seine Gerechtigkeit anerkennen. Und wenn wir so klug sind, unsere Fehler zu erkennen, so hört von selbst alles Widersprechen gegen Gott auf, und jeder wird in Demut sprechen: Herr, du bist immer so mit mir verfahren, dass ich deine Gerechtigkeit erkennen und preisen muss! Aber trotzdem möchten wir immer unsere Sünden verkleinern und zudecken, ob sie gleich bekannt genug sind. Hat uns nun die Heuchelei in unsern Sünden eingeschläfert, so ist kein weiter Schritt mehr bis zur Auflehnung gegen Gott. Dagegen aber gibt es kein besseres Mittel als die Anerkennung der Gerechtigkeit Gottes, und so kommt Gott zu seiner gebührenden Ehre. Dann machen wir zuerst einmal uns selber den Prozess und sind unsere eigenen Ankläger und Richter zugleich. Und dann erkennen wir leicht, dass Gott gerecht ist, dann wissen wir genau: Er hat uns nicht schlecht behandelt, er hat uns kein Unrecht getan.

Gott vergilt dem Menschen nach seinem Werk und lässt jeden ernten nach seinen Wegen. Er tut keinem Unrecht. Es kommt vor – und zwar alle Tage -, dass Gott eine Zeitlang die Gottlosen duldet; er tut, als sähe er sie nicht. Das ist auch der Grund, weshalb die Gottlosen sich verstocken und immer frecher werden. So meint es auch Elihu nicht, dass Gott die Übeltaten sofort bestraft; nein, wenn Gott den Gottlosen lange Zeit gelassen hat, so zeigt er ihnen, dass er auf ihre Buße wartet, dass er ihre Missetaten nicht vergessen, sondern alle in sein Buch eingeschrieben hat. So „häufen sie sich selbst den Zorn auf den Tag des Zorns“ (Röm 2, 5). Diese Frist also kommt ihnen teuer genug zu stehen, wenn sie Gottes Geduld also missbraucht haben. Was würde geschehen, wenn Gott die Sünden gleichmäßig strafte? Wir würden gar nicht mehr auf einen andern Gerichtstag warten; denn dann wäre ja alle Erfüllung in dieser Welt da. Und wo bliebe der Glaubensartikel von unserer Auferstehung und dem Gericht unseres Herrn Jesus Christus? Dann gäbe es keinen Lohn mehr für die Frommen und keine Angst mehr für die Gottlosen! Darum wird in der Schrift auch deutlich gesagt: „Er wird geben einem jeglichen nach seinen Werken“ (Röm 2, 6). Und wann? Nun, am Jüngsten Tage. Das deckt sich mit dem Wort des Elihu: Gott vergilt. Unser Glaube nur muss sich üben im geduldigen Warten auf das, was wir noch nicht sehen. Es ist genug, dass Gott uns einige Anzeichen seiner Gerechtigkeit gibt, dass er uns an auffallenden Beispielen zeigt, wie er noch auf die Menschen achtet, um sie in ihren Sünden zu bestrafen.

Elihu will auch nicht sagen, dass Gott denen, die er straft, keine Güte mehr erzeige. Gott will nur unsere Sünden nicht nach gleichem Maßstab strafen; denn was würde dabei herauskommen? Dann würde er uns nicht Krankheiten, Armut und dergleichen schicken, sondern uns sogleich in den Abgrund werfen und sein Wetter über uns einschlagen lassen, dann würde er nicht einfach irgendeine schreckliche Strafe über uns verhängen, sondern dann müsste er seine ganze gewaltige Majestät aufbieten, um uns zu verderben in Wetter und Abgrund. Nein, Gott lässt den Sündern noch Frist zur Buße. Nicht als käme das nun auch allen wirklich zugute; denn die Gottlosen sind bereits verdammt, sie sind unverbesserlich, und Gott macht ihnen nicht allein den Prozess, sondern stellt ihnen ihr Urteil sogar schriftlich zu, es braucht nur noch vollstreckt zu werden, und das geschieht, wann Gott will.

Bei seinem Vergelten aber behält Gott sich vor, denen, auf die sich sein Wohlgefallen richtet¸ zu vergeben, wenn er sie wieder zu sich bringen will. Seine Auserwählten straft Gott nicht. Es gefällt ihm, sie zu Gnaden anzunehmen und in seiner unverdienten Güte mit sich zu versöhnen; damit aber begräbt er ihre Sünden und „geht nicht mit ihnen ins Gericht“ (Ps 143, 2). Gott hat also die Freiheit, unsere Sünden zu tilgen, ohne sie zu strafen, und das tut seiner Gerechtigkeit nicht den geringsten Abbruch. Wieso? Wenn Gott uns unsere Fehler vergeben will, so will er trotzdem dem Bösen in uns nicht Nahrung geben, sondern er rührt unsere Herzen an und zeigt uns das Böse mit warnender Hand; er lässt es uns merken, wie sehr wir ihn betrübt haben, und bringt uns innerlich dazu, Abscheu vor unsern Sünden zu empfinden und über sie zu seufzen. Wenn so die Buße uns berührt, dann sind wir Richter über unsere Fehler und verdammen sie, und auf diese Weise vollzieht Gott sein Amt. Denn es ist viel besser, wenn der Mensch sich selbst verdammt, als wenn er von Gott verdammt würde und dabei mit den Zähnen knirschte und unverbesserlich und halsstarrig bliebe in seiner Bosheit. Wenn uns also Gott in der Buße zu sich zieht, so vergisst er dabei seines Amtes nicht; denn er vergibt uns unsere Sünden nicht, um uns damit zu schmeicheln und zu streicheln, im Gegenteil, das Vergeben soll doppelte Strafe sein: auf der einen Seite soll man die begangenen Sünden fühlen, auf der andern soll die aufleuchtende Barmherzigkeit Gottes uns unsere Armseligkeit aufdecken, bis er uns davon befreit. Wenn Gott also seinen Auserwählten ihre Sünden vergibt, so bricht er damit von seiner Gerechtigkeit nichts ab, sondern es bleibt immer der Spruch wahr: Gott vergilt dem Menschen nach seinem Werk und lässt jeden ernten nach seinen Wegen. Wollen wir also Gott in seiner Gerechtigkeit verherrlichen, so müssen wir auch in unserer Trübsal davon überzeugt sein, dass wir nichts mit Unrecht leiden, dass er uns auch in seiner Strafe noch schont und dass auch seiner harten Strenge immer noch Güte beigemischt ist. Dabei bleibt er allezeit gerecht.

Gott verdammt niemand ohne Grund, und der Allmächtige kehrt das Recht nicht um. Die Leute können nicht sagen, Gott tue ihnen Unrecht und wolle sie nur glauben machen, sie hätten gefehlt. Vor dem irdischen Gericht unterdrückt man wohl einmal einen armen Unschuldigen: man hält ihm eine ganz geringfügige und harmlose Sache vor, aber er muss es sich gefallen lassen, und der beste Mensch von der Welt muss sich von falschen Zeugen ins Unrecht setzen lassen; da kommen also unbillige und unbegründete Bestrafungen vor. Aber etwas ganz anderes ist es mit Gottes Gerechtigkeit: er braucht keine Gründe anzugeben, er braucht nicht große Register aufzuschlagen, um Beweise beizubringen, er braucht sich nicht zu entschuldigen, wenn die Menschen ihn verleumden; denn ein jeder trägt seinen Prozess geschrieben und versiegelt bei sich. Wir bedürfen keines andern Richters als unseres eigenen Gewissens, und wenn einer von diesem Richter jetzt auch nichts weiß, wo wird Gott ihn wohl aufwecken, es sei ihm lieb oder leid; und wir mögen uns noch so lange selbst betrügen, endlich müssen wir doch dahin kommen, dass wir uns davon überzeugen müssen, Gott habe guten Grund zu seiner Strafe gehabt.

Deshalb fügt Elihu auch hinzu: Der Allmächtige kehrt das Recht nicht um. Denn wenn wir nichts mehr zu sagen wissen, so greifen wir zu der Ausflucht: Gott ist allmächtig, er tut, was ihn gut dünkt, und weil wir ihm nicht widerstehen können, darum geht denn alles quer und verkehrt. Und wenn wir´s nicht ausdrücklich sagen, so gehen doch unsere verkehrten Gedanken dahin, wir könnten ihn unter Berufung auf seine Allmacht und unsere Armseligkeit glauben machen, er plage uns zu sehr. Aber er kehrt das Recht nicht um! Auch bei seinem Strafen trägt er die Menschen noch in Geduld, wie ihnen das gut und heilsam ist, und wenn er noch mehr Grund hätte, sie zu schonen, so täte er es gewiss, denn er weiß ja, was ihnen frommt. Kurzum, wir müssen lernen, uns selber zu verdammen und einzusehen: Gott ist gerecht in seiner Strafe und zerstört nichts, was etwas in uns Gutes wäre; haben wir eine gute Sache, so ist sie bei ihm in guten Händen, er braucht weder Staatsanwalt noch Advokat; denn er führt unsere Sache selbst, er steht für uns ein und hat nur den einen Wunsch, uns freizusprechen. Verdammt er uns aber, so müssen wir uns das gefallen lassen und uns sagen: Wir haben´s wohl verschuldet und verdient. Gewiss, das kann man im Allgemeinen leicht sagen, aber es muss sich auch jeder für sich, für seine Person, gesagt sein lassen, besonders wenn Gottes Ruten uns schlagen. Woher das Übel auch kommen mag, wir müssen einsehen: Gottes Hand ist es, die uns heimsucht. Und er hat guten Grund dazu; denn wir sind arme Sünder, ja, wir sind schlimme Rebellen, und wir dürfen unsere Sünden nur ja nicht verkleinern wollen, um sagen zu können: Gottes Strafen gehen über´s Maß hinaus. Nein, auch wenn er noch viel härter strafte, selbst bis zu unserer völligen Vernichtung, so müssten wir doch bekennen: Es ist nicht zu viel, so groß ist der Berg unserer Sünden.

Nun fährt Elihu fort: Wer regiert die Erde außer ihm? Oder wen hat er über die Welt gesetzt? Gott regiert die Welt allein, er hat keinen Gesellen. Er ist ja der Schöpfer, und als solcher hat er die Welt nicht ein für allemal fertig gemacht, sondern er hat alles noch in seiner Hand, er leitet und regiert seine Kreaturen noch bis auf diesen Tag, und nichts geschieht ohne seinen Willen. Scheinbar kann man damit allerdings nicht Gottes Gerechtigkeit verteidigen; denn es handelt sich hier nicht um seine Allmacht. Es gibt ja manche, die sich auf Gottes Allmacht berufen, um seine Gerechtigkeit zu bestreiten. Demgegenüber sagt Elihu: Gott regiert die Welt allein! Damit beweist er, dass Gott gerecht ist. Gewiss, bisweilen können auch wohl die Gottlosen in der Welt regieren. Könige und Fürsten, Gewalthaber und Obrigkeiten gelangen wohl manchmal durch allerlei teuflische Mittel zu ihrem Amt, und so kommt es denn, dass die Gottlosen regieren. Aber bei Gott ist das nicht so. Er ist von Natur der oberste Gewalthaber der Welt, und das steht ihm zu; er hat sich nicht um sein Amt bewerben brauchen, er ist nicht in Wirtshäusern durch allerlei listige Ränke gewählt, nicht durch Menschengunst ist er in sein Amt berufen, er hat es auch nicht durch Erbschaft angetreten! Er hat das Weltregiment von Natur, und deshalb sind hier zwei Dinge nicht zu trennen: sein unsterbliches Wesen und seine Regierungsautorität. So meint es auch Abraham (Gen 18, 25): „Das sei ferne von dir, der du aller Welt Richter bist!“ Das meint er nicht so, als wollte Gott damit ermahnen, er solle vorsichtig sein, so wie wir etwa sterbliche Menschen ermahnen. Mose kann zu den Richtern sprechen: „Richtet recht zwischen jedermann und seinem Bruder“ (Deut 1, 16), und ebenso Josaphat: „Sehet zu, was ihr tut! denn ihr haltet das Gericht nicht den Menschen, sondern dem Herrn (so nach dem Grundtext: „in des Herrn Namen“ oder „für den Herrn“), und er ist mit euch im Gericht“ (2. Chron. 19, 6): ihr seid Gottes Stellvertreter! Abraham meint nun also: Gott kann sich nicht so verwandeln, dass er nicht allezeit gerecht wäre, wie er ja auch allezeit Gott ist. Gott ist nichts so eigen wie die Gerechtigkeit, und wenn wir ihn der Ungerechtigkeit zeihen, so vernichten wir sein Wesen. Als Gott ist er nicht ein Götze, ein totes, müßiges Ding, sondern als Gott regiert er die Welt, um seiner höchsten Majestät willen muss er Richter sein, und als Richter ist er untadelig gerecht.

Weltschöpfung und Weltregierung gehören untrennbar zusammen. Wenn wir meinen, Gott regiere nicht alles, sondern einiges geschehe zufällig, so machen wir den Zufall zu einer Göttin, die einen Teil der Welt erschaffen habe, und so käme das Lob der Schöpfung nicht Gott alleine zu. Auch das ist eine fluchwürdige Gotteslästerung, wenn wir denken, der Satan vermöge etwas ohne Gottes Erlaubnis; denn damit schrieben wir ihm ja einen Teil der Weltschöpfung zu. Nein, es besteht ein unzerreißbares Band zwischen diesen beiden Dingen: Gott hat alles gemacht, und er regiert auch alles. Deshalb sagt Elihu auch ausdrücklich: Wer hat die Welt gebaut? Meinen wir denn, er würde sich jetzt einen Gesellen berufen, der ihm bei der Regierung seiner Kreaturen helfen müsste? Gewiss, Gott bedient sich mancher Mittel untergeordneter Art, um die Welt zu regieren. aber das verhindert seine Autorität nicht, und er tut es nicht, um einen Gesellen zu haben, nein, er behält immer die Oberherrschaft. Was sind die großen Könige anders als Gottes Hände? Er bedient sich ihrer nach seinem Gutdünken, wie er denn durch Jesaja dem stolzen Sanherib, der alles durch seine Geschicklichkeit meinte ausgerichtet zu haben, den Vorwurf macht: „Mag sich auch eine Art rühmen wider den, so damit hauet? Oder eine Säge trotzen wider den, so sie zeucht? Als ob die Rute schwänge den, der sie hebt; als ob der Stecken hübe den, der kein Holz ist!“ (Jes 10, 15). Ein Mensch kann sich nicht allein mit seinen Händen und Armen behelfen, er muss auch andere Dinge gebrauchen, die nicht zu seinem Wesen gehören. Ist aber in den sterblichen Kreaturen eine Kraft, die sie nicht von dem lebendigen Gott hätten? Haben sie nicht alles von ihm? Ohne Verbindung mit Gott sind wir nichts, in ihm leben, weben und sind wir ja!

Nun aber müssen wir über Gottes Vorsehung nachdenken. Er trägt Sorge um die Welt, er wacht über alle Kreaturen. Doch nicht so, als sähe er nur voraus, was kommen wird, wie etliche unnüchterne Menschen meinen: erst sähe Gott die Dinge hienieden von weitem kommen, und dann erst kümmere er sich hinterher darum. Nein, es ist mehr dahinter: es kann nichts geschehen, als was er bestimmt hat, sein Wille ist aller Dinge Richtschnur. Stößt uns ein Unglück zu, so liegt die erste Ursache in seinem Willen. Hiob hat nicht an die Räuber gedacht, die ihn ausgeplündert hatten, sondern er hat gesagt: „Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen“ (1, 21). Gewiss ist der Teufel die Veranlassung dazu gewesen, Hiob aber weiß: Gott hat die Welt gebaut, er wacht auch allezeit über sie, um sie zu regieren, sie steht unter seiner Leitung. Auch wenn die Gottlosen hienieden das Regiment haben, so ist das nur ein Stück der Gerechtigkeit Gottes. Warum gehen die Dinge hier so verwirrt durcheinander? Gott sieht, dass wir es nicht wert sind, von ihm regiert zu werden, darum lässt er dem Satan den Zügel locker. Alle Ungerechtigkeiten hier auf Erden sind ebenso viele Gottesgeißeln um unserer Sünden willen. Wenn Fürsten und Richter auf Erden als gottlose Buben handeln, so will Gott damit in unsern Augen seiner eigenen Gerechtigkeit den höchsten Glanz verleihen und will sie uns gerade darin erkennen lassen, dass er uns plagt und damit unsere Sünden straft; er will uns damit zu verstehen geben: Wir sind es nicht wert, dass er zu uns kommt, deshalb muss er weit von uns abrücken, und wenn wir in unserer Vermessenheit sein Joch abgeworfen haben, so sind wir zu wilden Tieren geworden und haben´s verdient, dass der Teufel über uns herrscht und mit ihm die Gottlosen, die seine Stellvertreter sind und die er erweckt hat. In allen Dingen steht Gott die Ehre zu, wie verworren es auch in dieser Welt hergehen mag, und wir müssen immer daran festhalten: Als der allmächtige Gott kann er nichts Unrechtes tun; ist er Gott, so ist er auch gerecht; denn seine Gerechtigkeit und seine Macht sind nicht voneinander zu trennen.

Noch eins fügt Elihu hinzu: Wenn Gott sein Herz zu ihm wendet und seinen Hauch und Odem zurücknimmt, alsdann wird alles Fleisch miteinander vergehen, und der Mensch wird wieder zu Staub werden. In diesen Worten fasst er Gottes Macht mit seiner Güte zusammen. Wenn wir uns durch Gottes Hand regieren lassen, so können wir ganz gut merken, dass Gott gut und barmherzig gegen uns ist, weil wir nicht jeden Augenblick zugrunde gehen. Denn es bedürfte nur eines einzigen Blickes von Gott, und wir lägen im Staube, und es wäre mit uns vorbei. Was sagt Jesaja von der Menschen Kraft? „Das Gras verdorret, die Blume verwelkt, denn des Herrn Geist bläst darein“ (Jes 40, 7)! Und ebenso heißt es im Liede Moses: „Gleichwie ein Gras, das bald welk wird“ (Ps 90, 5). Da liegt freilich ein anderes Bild vor, aber es kommt auf dasselbe hinaus: „Du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub“ (Psalm 104, 29). Und das entspricht dem Worte des Paulus: „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg 17, 28). Die Kreaturen bleiben nur so lange in ihrem Bestand und Wesen, wie es Gott gefällt, sie darin zu erhalten; nimmt er seine Kraft wieder an sich, so wird alles wieder zu nichts. Also es bleibt dabei: Gottes Macht ist derart mit seiner Güte verbunden, dass wir uns sagen müssen: Niemals behandelt uns Gott so streng, dass er uns dabei nicht Schonung angedeihen lässt, sonst würden wir jeden Augenblick umkommen, er brauchte nur seinen Odem von uns zu nehmen. Denn wir können uns doch nicht selbst bewahren! Wer bringt aber unsern Gott dahin, uns zu erhalten? Oder sind wir es etwa wert, all das Gute zu genießen, das er an uns tut? Nichts von alledem! Und welche Verpflichtung sollte er gegen uns haben? Und was ist es mit unserer Macht? Was haben wir für Mittel? Man muss also den Schluss ziehen: Aus keinem andern Grunde erhält Gott die Welt als nur deshalb, weil er gut ist und weil er der Brunnquell aller Güte ist; uns so viel Gutes zu tun, wie wir´s täglich von seiner Hand empfangen, dazu bewegt ihn nichts anderes, als dass es ihm gefällt, uns seine Güte und Barmherzigkeit erfahren und fühlen zu lassen. Schon das Leben, das wir haben, ist uns ein ausreichendes Zeugnis davon, wie gütig und gnädig Gott zu uns ist. Wieso? Wir haben unser Leben nur in ihm und durch ihn; nähme er seinen Odem zurück, wir würden sofort umkommen und zu Asche werden. Nun ist aber das Leben ein kostbares Ding, mag es sonst aussehen, wie es will. Allezeit sind die Menschen Gott Dank schuldig, wie er sie auch behandeln und führen mag. Gott tut alles nach Gewicht und Maß, er ist gerecht und gut in allen seinen Werken, diesem Bekenntnis müssen wir treu bleiben.

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