Calvin, Jean – Hiob 33, 14 – 17

Calvin, Jean – Hiob 33, 14 – 17

14) Gott redet ein- oder zweimal, ohne dass man ihn versteht, 15) im Traum, im Gesicht der Nacht, wenn der Schlaf die Leute erfasst und sie ruhen auf ihrem Lager. 16) Alsdann öffnet er den Menschen die Ohren und versiegelt ihnen seine Züchtigung, 17) auf dass er den Menschen von seinem Werk abziehe und die Hoffart der Menschen verberge.

Viele seiner Worte, deren Sinn uns unbekannt ist, erklärt uns Gott mit der Tat, und auch wenn er gleichsam von Mund zu Mund redet, wird er manchmal nicht verstanden, wenn es sich nämlich um Dinge handelt, die wir jetzt noch nicht begreifen und die bis zum Jüngsten Tag für uns wie begraben liegen. Nicht über alle seine Gedanken gibt Gott uns Rechenschaft; er nimmt sich die Freiheit, zu reden und zu sagen, was er will, auch einmal so zu reden, dass die Menschen es nicht gründlich verstehen können. Gottes geheime Gerichte sind ein schrecklicher Abgrund: „Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege“ (Röm 11, 33)! Der Gedanke an die Majestät Gottes soll uns zur Anbetung hinreißen und uns vor der Vermessenheit bewahren, alles, was in Gott ist, erkennen und begreifen zu wollen. Wo sollte das hinaus? Wir kriechen ja nur auf der Erde umher und wissen doch, dass Gott viel höher als der Himmel ist. Wir müssen also seine himmlischen Gerichte anbeten: er hat allezeit Macht und Autorität, zu reden und auszusprechen, was er will, allem Widerspruch zum Trotz, ja, auch wenn er ein- oder zweimal seinen Willen und Wohlgefallen ausspricht, so begreift man doch nichts davon; denn die Menschen sind zu ungeschickt, um ein Wort von dem, was Gott in seinem Rat beschlossen hat, zu verstehen. Alle Tage sehen wir dieselbe Sache, und doch kommt sie uns immer wieder neu und fremd vor, ja, noch nach einem Jahre, selbst nach zehn Jahren sind wir blind: wir haben oft genug etwas gesehen, aber die Ursache bleibt uns verborgen. Das bestätigt uns genugsam die Erfahrung.

Es ist hier nur von Gerichten die Rede, die Gott uns verborgen halten will, weil uns eine vollkommene Einsicht darin heute noch nichts nützen würde. Es heißt Psalm 62, 12.13: „Gott hat ein Wort geredet, das habe ich etliche Male gehört: dass Gott allein mächtig ist, und du, Herr, bist gnädig.“ Da handelt es sich also nicht um die wunderbaren Gerichte Gottes, sondern um seine Macht, damit wir ihn fürchten und nach seinem Willen leben, und um seine Barmherzigkeit, damit wir uns an ihr trösten und erfreuen. Was sollen wir denn anders täglich im Worte Gottes lernen als das, dass er unser Meister ist und dass wir nicht nach unserem Gefallen leben dürfen, sondern, dass Gott unser Herr ist und sein Gesetz uns ein Zügel sein soll zu unserer Unterweisung? So redet denn der Spruch Davids nicht von den uns unbekannten und verborgenen Dingen, sondern von dem, was Gott uns erklären und lehren will. „Einmal hat Gott geredet“, hat uns seinen Willen derart offenbart, dass es keinen Zweifel und keinen Widerspruch mehr gibt. „Das habe ich etliche Male gehört“, sagt David. Es genügt also nicht, Gott nur so obenhin zu hören, sondern man muss das Gesagte ohne Unterlass durchdenken; und wenn er auch nur einmal redete, so dürfen wir doch seine Lehre nicht zerrinnen lassen, sondern müssen sie uns immer wieder ins Gedächtnis rufen und zu Herzen nehmen, und das, weil wir ein so schwaches Gedächtnis haben, jeden Morgen und jeden Abend.

Elihu fährt fort: Wenn der Schlaf die Leute erfasst und sie ruhen auf ihrem Lager, alsdann öffnet Gott den Menschen die Ohren und versiegelt ihnen seine Züchtigung. Wenn die Menschen in ihrer Hartnäckigkeit die einfache Lehre und Unterweisung Gottes nicht annehmen, so muss er sie schlagen und mit Ruten bändigen und sie so zur Unterweisung in der Wahrheit vorbereiten. Elihu aber redet aus der Zeit heraus, in der er lebte. Er gehörte nicht dem Volke an, das Gott erwählt hatte, um ihm sein Gesetz mitzuteilen. Mit der Kirche Gottes hatte er keine Verbindung, und was er an Erkenntnis hatte, war ihm auf außergewöhnliche Art zuteil geworden, so wie es Gott gefiel, sie ihm einzugeben. Darum sagt er, Gott gebe den Menschen die Erkenntnis im Traum ein, wenn sie schlafen; dann kommt Gott und zieht sie gleichsam am Ohr, um sie merken zu lassen, dass er an sie denkt. Gewiss, uns gegenüber bedient sich Gott einer trefflichen Art von Eingebung: wir hören sein Wort zu unserer Unterweisung, wir haben die heilige Schrift, die wir lesen können, unablässig ermahnt uns Gott und weckt unser Gewissen auf; das sind lauter Anrufe, wodurch er uns zu sich ruft, wenn wir uns verlaufen haben. Denn die Menschen pflegen diese Erkenntnis in sich zu vergraben und möchten Gott am liebsten ganz vergessen; darum rührt Gott unser Innerstes an. Er kommt zu uns in Nachtgesichten; sie sind freilich nicht so beschaffen, wie sie Elihu, Hiob, Eliphas und den übrigen zuteil wurden; aber dafür haben wir eine Hilfe, die sie entbehren mussten, nämlich das gepredigte Gotteswort, das wir hören dürfen. Gott offenbart sich uns, weil wir sein Gesetz, seine Propheten, sein Evangelium in Händen haben, weil unsere Ohren immerwährend widerklingen von der Lehre, die er uns predigen lässt. Deshalb brauchen wir keinen Unterricht wie die, die weder Schrift noch Predigt haben, gleichwohl aber sehen wir, wie sich Gott bisweilen auch dieser Art von Unterweisung bedient.

Wenn uns aber Gott nicht solche Gesichte zuteil werden lässt, wie die Väter sie hatten, so sollen wir deshalb nicht unzufrieden sein und murren; denn das wäre doch ein himmelschreiender Undank, wo er sich doch uns auf eine ganz andere Weise hat mitteilen wollen, die für uns viel passender ist. Es gibt vorwitzige Leute genug, die fragen: Warum erscheint uns Gott nicht vom Himmel her, wie er´s in vergangenen Zeiten getan? Warum ist seine Ankündigung nicht in Erfüllung gegangen: „Ist jemand unter euch ein Prophet des Herrn, dem will ich mich kundmachen in einem Gesicht oder will mit ihm reden in einem Traum“ (Num 12, 6)? Das kommt daher, dass wir heute eine vollkommene Offenbarung seines Willens haben! Wäre es nicht gänzlich überflüssig, uns auch noch in Gesichten zu erscheinen wie vorzeiten, da er uns doch ein ganz anderes Mittel geschenkt hat und wir in seinem Wort eine ausreichende und vollkommene Unterweisung besitzen? Wohl können uns die Gesichte der vergangenen Zeit eine Glaubensstärkung sein, weil sie aus derselben Quelle fließen, im Übrigen aber müssen wir in der Einfalt wandeln, die Gott allezeit von uns verlangt.

Gott hat uns sein geschriebenes Wort gegeben und dazu Menschen, die es uns auslegen; zudem aber rührt er uns in seiner Güte noch weiter an und gibt uns Gewissensregungen und Eingebungen, ja, er arbeitet an unserem Herzen durch den Heiligen Geist. Solche Sorge trägt er um uns, so freundlich will er uns auf allerlei Weise zu sich locken!

Wenn Elihu aber fortfährt: Gott versiegelt den Menschen seine Züchtigung, so meint er damit: Gott muss mit Faustschlägen zu uns reden. Wenn seine Freundlichkeit nichts ausrichtet, so muss er uns härter anfassen, wenn er uns bändigen will. Bleiben wir aber trotzdem in unserer alten Hartnäckigkeit, so muss er seine gewaltige Hand erheben und sich auf uns stürzen, muss uns schlagen, wie man mit dem Hammer auf den Amboß schlägt, wenn er sieht, dass sein Wort nicht in unsere Ohren dringt.

Alsdann öffnet er den Menschen die Ohren. Bisweilen öffnet er uns die Ohren, um uns mit Gewalt darauf zu stoßen, dass er es ist, der da redet, und doch bleiben wir halsstarrig. Aber er hat auch noch eine andere Art, uns die Ohren zu öffnen, und das ist die bessere: er weicht unsere Herzen auf und macht uns willig, sein Wort anzunehmen, er weckt in uns den Eifer, uns seiner Wahrheit gänzlich zu ergeben. Nun ist es jedoch nicht so, dass alle ohne Unterschied sich ihm gelehrig zeigen und alle zum Gehorsam gegen ihn geneigt sind. Mitnichten, sondern es ist hier sowohl von den Verworfenen wie von den Kindern Gottes die Rede. Denn auch die Verworfenen haben in gewissem Sinne offene Ohren, so dass sie wohl oder übel fühlen müssen, dass Gott zu ihnen redet; weil sie diesen Gedanken aber sofort wieder verwerfen und unter die Füße treten, darum bleiben sie allezeit taub. Die Gläubigen aber nehmen sich das Gehörte zu Herzen und lassen sich´s zum Besten dienen.

Elihu fährt fort: Gott versiegelt den Menschen seine Züchtigung. Damit will er sagen: Wenn die Menschen die Lehre verwerfen oder verachten, so dienen die Züchtigungen dazu, sie zu beglaubigen. Das ist aber nur möglich, wenn Unterweisung und Züchtigung miteinander verbunden sind. Denn wenn Gott nur immer schlüge, ohne dass er seinen Willen zu erkennen gäbe, was sollte daraus werden? Darum muss er, indem er uns schlägt, uns auch gleichzeitig unterweisen. Wenn ein Vater sein Kind nur immer schlägt, es an den Haaren zieht und mit Füßen tritt, ohne ein Wort mit ihm zu sprechen, so wird das Kind ganz verschüchtert, es weiß nicht, was der Vater will und wo sein Zorn herkommt. Sagt aber der Vater zu ihm: Du böser Junge, was hast du gemacht? – und züchtigt er es dann, so merkt das Kind, dass die Unterweisung des Vaters ihm heilsam ist; und weil es nicht gehorsam war, wie es sollte, so sieht es seinen Fehler ein und denkt: Mein Vater will mir die Lehre, die er mir gegeben, „versiegeln“, weil ich sein bloßes Wort nicht angenommen habe. So macht es Gott mit den Menschen, und wenn er nicht allen die Gnade erweist, ihnen seine Wahrheit predigen zu lassen, so gibt er ihnen doch Gewissensbisse; denn es gibt keinen, der nicht das Zeugnis seines Gewissens in sich trüge, wie es Paulus Röm 2, 15 ausführt und wie es uns die natürliche Erfahrung genugsam bestätigt.

Gottes Züchtigungen sind Siegel, die er seinen Ermahnungen anhängt. Solange ein Brief nicht versiegelt ist, schenkt man ihm keinen Glauben, weil er nicht echt ist. Hängt aber das Siegel daran, so ist ein Zweifel an seiner Echtheit nicht möglich, und er ist eine feierliche Urkunde, die man annehmen muss. So macht es Gott auch: er versiegelt seine Lehre mit unsern Trübsalen. Wenn Gott so freundlich mit uns redet, in dem Gesetz wie in den Propheten und besonders durch den Mund Jesu Christi, und wenn man dann sieht, wie hart und widerspenstig wir dagegen sind und wie wir nichts begreifen wollen – brauchen wir uns dann noch zu wundern, wenn uns Gott mit harten Streichen schlägt und uns so zu sich treibt? Lasst uns Gottes Züchtigungen mit sanftmütigem Herzen annehmen; er plagt uns nicht umsonst! Lasst uns nur darauf achten, ob seine Lehre bei uns so kräftig ist, wie sich´s gebührt, und ob wir unserm Hirten so gelehrig und sanftmütig wie Lämmer und Schafe gefolgt sind. Ach, wir wollten am liebsten sein Wort austilgen, oder wir haben taube Ohren dafür, oder wenn es zu einem Ohre eingegangen ist, so geht´s zum andern wieder heraus. Nehmen wir aber das Wort so übel auf, so muss es Gott durch Trübsale versiegeln!

Das tut er aber nicht nur, um sein Wort groß zu machen, damit er seine rechte Majestät habe, sondern um zugleich das Heil der Menschen zu befördern: auf dass er den Menschen von seinem Werk abziehe und die Hoffart der Menschen verberge. Dieser Zweck soll uns der Zucker sein, die Bitterkeit der Trübsale zu versüßen. Sooft Gott uns straft, ist das ein Zeichen seines Zornes, durch das wir voll Angst werden müssen; aber Gott lindert das alles, indem er uns den Zweck zeigt, den er dabei im Auge hat. Er will uns „von unserm Werk abziehen“, nicht von allem, was die Menschen unternehmen, wohl aber von allem leichtfertigen und vermessenen Werk. Denn zur Arbeit hat uns Gott geschaffen. Er will nicht, dass wir müßige Leute oder Nichtstuer sind. Nein, es soll jeder fleißig sein in dem, was er vermag. Wir sollen darauf achten, wie wir Gott und unserm Nächsten dienen können, und unsere Fähigkeiten nach besten Kräften anwenden. Wenn Gott uns aber den Zügel schießen lässt, was möchten wir da nicht alles machen! Nichts ist uns zu schwer, Himmel und Erde möchten wir bewegen. Heute sehen wir die Fürsten Dinge tun, als wollten sie gleichsam achtzehn neue Welten schaffen; aber dieselbe Hoffart wie bei den Großen zeigt sich immer auch bei den Kleinen. Darum muss uns Gott durch Trübsale von unsern hochfliegenden Plänen abbringen. Er will die Hoffart der Menschen verbergen. Alle unsere Anschläge haben also ihre Wurzel in der Hoffart. Kennten die Menschen sich selbst, sie würden bald zahm sein; sie meinen, alles zu können, und wissen doch nicht, dass sie dazu geboren und erschaffen sind, um Gott zu gehorchen. Darum muss Gott die Hoffart verbergen – nicht als ob es genug wäre, sie zu begraben, so dass man sie nicht mehr sieht, nein, Elihu braucht dasselbe Bild, wie wir es oft anwenden, wenn wir sagen: Geh, verbirg dich, du nichtsnutziger Mensch! Dann wagt er nicht mehr sich sehen zu lassen, sondern er muss nach Hause gehen, um sich dort zu vergraben, und mit seinem Prahlen ist es vorbei. Darum sollen wir lebenslang keinen andern Wunsch haben, als uns als seine rechten Kinder gegen ihn zu verhalten und uns gänzlich seinem Gehorsam und seinem Dienst zu ergeben.

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