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Calvin, Jean – Hiob 22, 1 – 5.

Calvin, Jean – Hiob 22, 1 – 5.

1) Da nahm Eliphas von Theman das Wort: 2) Wird auch ein Mensch Gott nützlich sein? Der weise Mann nützt nur sich selbst. 3) Was fragt der Allmächtige darnach, ob du gerecht bist? Was hat er für Gewinn davon, wenn du aufrichtig wandelst? 4) Fürchtet sich denn Gott vor dir, dich zu strafen oder mit dir ins Gericht zu gehen? 5) Ist deine Bosheit denn nicht groß? Sind deine Missetaten nicht ohne Ende?

Wenn wir´s mit Menschen zu tun haben und unserm Widerpart etwas aufrücken können und an ihm etwas zu tadeln finden, so ist es uns, als hätten wir unsere Sache schon gewonnen, ja, sogar wenn wir Unrecht haben und unser Gewissen uns schon längst verdammt. Klagt mich jemand an, und ich fühle mich schuldig, dann suche ich, ob ich an ihm nichts auszusetzen finde, und das bringe ich dann zu meiner Rechtfertigung vor. Denn ich hoffe damit die, die über meine Sache zu Gericht sitzen, ablenken zu können, so dass sie sich nicht mehr nur mit mir beschäftigen; mir ist, als könnte ich das Unrecht, das ich begangen, damit verdunkeln und verschleiern. Wenn wir aber vor Gott stehen, so nützt das alles nichts. Gewiss, wir möchten mit Gott ebenso umgehen wie mit den sterblichen Menschen, aber das geht nicht. Was finden wir denn wohl an ihm zu tadeln? Was können wir ihm denn wohl vorbringen, womit wir ihm einen Dienst getan hätten, so dass er uns deshalb zu Dank verpflichtet wäre? Alle müssen wir unsern Mund schließen; es bleibt uns nichts übrig, als unsre Schuld zu bekennen und in aller Demut ohne alle Einreden unser Verdammungsurteil auf uns zu nehmen, ohne erst einen Prozess anzufangen, bei dem wir doch nichts gewinnen können.

Das ist der Gedanke, den Eliphas ausspricht. Er hat vollkommen recht in seinen Worten. Wenn er nur die richtige Anwendung davon machte! Aber er wendet sich an die falsche Adresse, an Hiob: darin besteht sein Fehler. An sich aber ist der Gedanke uns sehr nützlich. Wenn Gott uns vor sich fordert und uns zur Erkenntnis unserer Sünden treibt, sollen wir keinerlei Ausflucht suchen und nicht denken: Wenn ich auch in diesem Punkt gefehlt habe, so muss mir das Gott doch vergeben; denn in einem andern Stück habe ich ihm einen Dienst getan, das muss er doch anerkennen und gebührend vergelten. All solches Narrenwerk gehört nicht dahin, wenn wir vor Gott stehen; denn wir schaffen ihm keinen Nutzen und können ihm auch keinen Schaden tun. Das steht nun einmal felsenfest, darum weg mit all solcher Vermessenheit. Es bleibt uns nur übrig, in aller Demut unsre Strafe zu tragen.

Wir auch ein Mensch, sagt Eliphas, Gott nützlich sein? Der weise Mann nützt nur sich selbst. Wenn wir uns Mühe geben, Gott zu dienen und ihn zu ehren, so meinen wir gleich, wir hätten uns damit ein großes Verdienst erworben, aber was ist das für eine Verblendung! Wir bilden uns ein, Gott könne irgendeine Wohltat von uns empfangen – als wenn er das nötig hätte! Im Gegenteil, er kann weder zunehmen noch abnehmen, er ist ein solcher Brunnquell alles Guten, dass er anderswoher nichts zu entlehnen braucht, und wenn die Menschen ihm etwas bringen, so geschieht das nicht, um ihm in seiner Not zu Hilfe zu kommen oder ihn irgendwie reicher zu machen. „Wenn ich hungerte“, sagt der Psalm 50, 12, „wollte ich dir nicht davon sagen; denn der Erdboden ist mein und alles, was darinnen ist.“ Wir wissen doch auch, dass Gott außer seiner Majestät nichts verlangt. Darum wollen wir uns diese törichte Einbildung aus dem Sinn schlagen, als könnten wir Gott einen Gewinn verschaffen. Lasst uns vielmehr mit David bekennen: „Ich weiß von keinem andern Gute außer dir“ (Ps 16, 2)! Auch wenn uns Gott mit lauter Gnaden übersättigt, so können wir ihm das auf keine Weise vergelten – wie es Ps 116, 12.13 heißt: „Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den Kelch des Heils nehmen und des Herrn Namen predigen.“

Aber warum verlangt Gott denn von uns, dass wir ihm so eifrig dienen? Dass scheint er mir mit Rücksicht auf sich selbst zu tun; dabei handelt es sich aber nur um uns und unser Heil. Gott sieht nicht auf seinen eigenen Nutzen, wenn er uns Regeln für unser Wohlverhalten gibt, wenn er fordert, dass wir uns des Bösen enthalten, und dies oder das zu tun gebietet. Tun wir Gutes, so ist´s zu unserm Heil; tun wir Böses, so gereicht´s zu unserm Schaden. Gott bleibt immer, der er ist. Soviel an uns ist, tun wir alles, um seine Majestät zu verletzen und seine Gerechtigkeit zunichte zu machen; aber damit machen wir Gott nicht geringer; wir können ihm das Seine nicht rauben, können ihn nicht antasten oder beleidigen. Also schadet der Mensch niemandem als sich selbst, zugleich aber wendet sich der Segen, der von ihm ausgeht, auf ihn selbst zurück. Darin erblicken wir Gottes unermessliche Güte. Er ist nur auf uns und unser Heil bedacht. Wenn wir an seine unendliche Majestät denken und dabei sehen, wie Gott für unser Heil besorgt ist, soll uns das nicht zu Herzen gehen?

Dazu kommt aber noch etwas anderes: Wir können Gott nichts bringen; dennoch aber erklärt er sich uns für verpflichtet. Was wir tun, nimmt Gott an und setzt es uns auf Rechnung, gerade als ob es einen Wert danach hätte; wie er sich denn einem Hausvater vergleicht, der einen Weinberg bestellen lässt und den Wein davon empfängt, oder einen Acker, von dem er Frucht erntet. Solche Gleichnisse sind ein Beweis, dass ihm unsere Werke angenehm sind, wie gefällige, wohlriechende Opfer. Er sagt auch selbst: Wenn wir den Armen Gutes tun, so ist das, als täten wir´s ihm selbst, wie unser Herr Jesus Christus selbst sagt: „Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan“ (Matth 25, 40). Ist es nicht ein Wunder, dass er so freundlich zu uns ist?

Nun fährt Eliphas fort: Was fragt der Allmächtige darnach, ob du gerecht bist? Was hat er für Gewinn davon, wenn du aufrichtig wandelst? Er meint damit nicht, Gott schlösse die Augen zu und kenne keinen Unterschied zwischen Gut und Böse, er meint nur, dass unser Handeln ihn selbst nicht berührt. Gott ist ein Brunnquell aller Gerechtigkeit und Geradheit und ein Freund des Rechten, und wenn wir recht leben, so ist das gleichsam ein Abbild Gottes. Denn das ist sicher: Wir haben das Gute nicht in uns; es ist, wie wenn die Sonne hier auf die Erde scheint, wenn sie ihre Strahlen aussendet. Das Licht, das wir hienieden sehen, kommt nicht von der Erde, sondern es ist sozusagen ein reflektiertes, zurückgestrahltes Licht. Denselben Vorgang beobachten wir, wenn wir uns in einem Spiegel beschauen: der Spiegel selbst hat kein Angesicht, aber das menschliche Angesicht zeigt sich, und der Spiegel gibt es wieder. So kommt es auch nicht von uns her, wenn wir etwas Gutes tun – denn von unserer verderbten Natur kommt nichts als Schmutz und Armseligkeit -, es kommt nicht von uns her, sondern unser Herr breitet seine Güte und Gerechtigkeit über uns aus. Wenn er uns denn diese Gnade erzeigt, indem er uns erneuert durch seinen Heiligen Geist, so dass wir heilig leben können, so sind wir wie Spiegel, in denen sein Bild sich darbietet; es ist ein Licht, das von oben kommt, aber hier auf Erden leuchtet.

Für seinen Gewinn oder Nutzen ist es Gott gleichgültig, wie die Menschen leben. Und wenn sie so schlecht leben, wie sie wollen, können sie damit Gott seiner Gerechtigkeit, die in ihm ist, berauben? Können sie seine Majestät verkleinern, sein Lob und seine Ehre zunichte machen? Können sie die Grenzen seines Königreichs einengen? Nein! So ist es gemeint, dass Gott nichts darnach frage, wie die Menschen leben. Wir aber haben zu bedenken, ob es nicht unsere Seligkeit ist, uns nach ihm zu richten und uns im Gehorsam ihm zu unterwerfen. Und ob er gleich unser, unseres Lebens und unserer Werke nicht bedarf, trägt er doch immerfort Sorge darum, dass wir ein heiliges Leben führen. Darin können wir seine Liebe erkennen, dass er uns für würdig hält, uns mit ihm zu verbinden, und zwar so, dass, wenn wir recht leben, er davon spricht, sein Reich sei aufgerichtet; führen wir aber ein schlechtes Leben, sagt er, dass er nicht mehr herrscht. Wie? Können wir Gott daran hindern, immer und zu aller Zeit König zu sein? Nein! Warum drückt er sich denn so aus? Er will damit nur sagen, wie sehr er uns liebt – wie wir es auch Spr 8, 31 hören, wo die Weisheit Gottes redend eingeführt wird: „Meine Lust ist bei den Menschenkindern.“ Gott will uns damit sagen: er will das Gute nicht in sich verborgen und eingeschlossen halten, sondern unter uns austeilen, dass wir daran Anteil bekommen; darum gefällt es ihm, uns zu erleuchten, damit wir nicht den unvernünftigen Tieren gleichen, sondern ihn erkennen, indem wir auf seine Gedanken eingehen und uns so in sein Königreich hinauf heben lassen. So ist es in allem: es gefällt ihm, uns seine Güter mitzuteilen und sie uns so genießen zu lassen, dass er sich mit uns verbindet und uns mit sich. In diesem Sinne also hat Gott Sorge um uns, dass ihm wohl etwas daran liegt, wie wir leben, aber nicht deshalb, weil er Nutzen oder Schaden davon hätte.

Nun fährt er fort: Fürchtet sich denn Gott vor dir, dich zu strafen oder mit dir ins Gericht zu gehen? Da wird uns noch deutlicher gesagt, dass wir mit Ausflüchten bei Gott nichts gewinnen, wie wir´s bei unsersgleichen machen. Wir pflegen unsern Gegnern einen Schrecken einzujagen, um ihren Händen zu entrinnen, wir zeigen ihnen die Zähne und geben ihnen zu erkennen, dass wir uns an ihnen zu rächen vermögen – und meinen, so könnten wir es doch auch mit Gott machen! Welche Torheit! Müssen wir nicht ganz von Sinnen sein, wenn wir so etwas denken? Was können wir ihm denn antun? Gott verfolgt uns nicht aus Furcht, wir möchten ihm den Fuß auf die Kehle setzen; genügt doch ein Hauch seines Mundes, um uns zu Boden zu werfen, und wer sich so gegen Gott auflehnt, der bricht sich selbst den Hals. Das ist, wie wenn einer zum Himmel hinauf fliegen wollte – er muss es doch bleiben lassen, und so maßlos er sich auch anstrengt, er wird dabei nur den Hals brechen, und es gibt einen tödlichen Sturz. So geht es auch, wenn sich die Menschen in ihrer teuflischen Anmaßung gegen Gott erheben wollen. Nein, wir müssen nicht meinen, Gott hätte Angst vor uns; er kann über solche Vermessenheit nur lachen: „Der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und der Herr spottet ihrer“ (Ps 2, 4). Wenn uns also Gott vor sein Gericht fordert, so tut er das nicht deshalb, weil wir ihm schaden könnten, auch nicht, weil er für sich selbst besorgt wäre, wir könnten etwa ihm den Rang ablaufen. Nein, er will uns nur das Böse, das in uns steckt, spürbar machen, damit wir ein Mittel dagegen suchen und mit aufrichtiger Buße zu ihm kommen, um uns seinem Willen zu unterwerfen. In Gottes Strafen liegt die Sorge um der Menschen Heil, seine Züchtigungen sind eine Bekräftigung seiner Gerechtigkeit, die kein Böses ungestraft lässt; wenn er sie verdammt, so will er sie lossprechen. Dabei will er ihren Stolz zunichte machen. Zwiefach aber ist unsere Verdammnis und vergeblich unsere Entschuldigung, wenn wir ihm widerstehen und mit unserer Bosheit noch eine Halsstarrigkeit und Widerspenstigkeit verbinden, die uns unbeugsam macht, wenn er sich bemüht, uns wieder zu sich zu ziehen.

Nun fügt Eliphas hinzu: Ist deine Bosheit denn nicht groß? Sind deine Missetaten nicht ohne Ende? Da zeigt uns der Heilige Geist durch den Mund eines unverständigen Menschen, der nicht klug genug ist, die Wahrheit auf sich selber anzuwenden, was wir zu tun haben, wenn es zur Rechenschaft vor Gott kommt. Da sollen wir wissen: In allem und jedem sind wir in seiner Schuld, während er uns nichts schuldig ist. Wenn Gott uns verurteilt und vor sein Gericht stellt, so tut er das nicht zu seinem eigenen Nutzen, sondern uns zum Heil; spricht er uns aber das Todesurteil, so tut er das, um uns nachher freizusprechen, damit wir nicht in die letzte Verdammnis fallen, die die Gottlosen am Ende erwartet.

Die Menschen sind kurzsichtig und blind, sicher nicht den hundertsten Teil ihrer Sünden nehmen sie wahr; aber Gott sieht schärfer als wir: er kennt sie. Fallen wir heute in ein Laster und wissen ganz genau, dass es ein Laster ist – morgen früh begehen wir noch eins dazu, ja, es vergeht kein Tag ohne eine große Zahl von Anstößen und Übertretungen, und darnach fangen wir wieder von neuem an, und am Ende sehen wir nicht eine oder zwei, sondern hundert und tausend Sünden. Und was soll dann werden? Sollen uns da nicht die Haare zu Berge stehen, müssen wir nicht in den Abgrund des Todes sinken?

Wir müssen uns nicht nur obenhin vor Gott als Sünder bekennen, nein, die Last der Sünden muss uns so schwer werden, dass wir sie nicht mehr tragen können. Denn nur dann wird Gott recht geehrt, wenn die Menschen mit David von der Größe ihrer Sünden und der Menge ihrer Übertretungen reden: „Herr, sei gnädig meiner Missetat, die da groß ist“ (Ps 25, 11), und: „Meine Sünden gehen über mein Haupt; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden“ (Ps 38, 5). So lautet auch Daniels Bekenntnis, der doch im Vergleich mit den andern ein Engel war: „Ich bekannte meine und meines Volkes Israel Sünde“ (Dan 9, 20). Und wie könnten wir auf Gottes Barmherzigkeit und Gnade hoffen, wenn uns unsere Sünden nicht in den Staub drückten? Unser Herr Jesus Christus sagt nicht: „Kommet her zu mir, die ihr von Sünde und Schwachheit redet“, sondern: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Matth 11, 28), ihr alle, denen die Last der Sünden den Rücken beugt. Die ruft Christus zu sich, dass sie bei ihm Gnade und Verzeihung finden, aber nicht die, die lediglich Spott mit Gott treiben und nur ein oberflächliches Bekenntnis ablegen, das ihnen doch nicht aus dem Herzen kommt.

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