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Calvin, Jean – Hiob 5, 6-10

Calvin, Jean – Hiob 5, 6-10

6) Nicht aus der Erde sprosst die Mühsal auf, und Unheil geht nicht aus dem Staub hervor: 7) Zur Mühsal ist der Mensch geboren, und die Flämmchen fliegen hoch empor. 8) Ich aber würde zu Gott mich wenden und meine Sache vor Gott bringen. 9) Er ist´s, der große Dinge tut, die nicht zu ergründen, und Wunderwerke, die nicht zu zählen sind. 10) Er gibt den Regen aufs Land und sendet Wasser auf die Fluren.

Wenn uns irgendein Unheil plagt, so blicken wir hierhin und dahin und machen uns unsere Gedanken: wir möchten die Ursache außer uns finden. Aber wir sehen nicht, dass uns Gott um unserer Sünden willen betrübt: aus unserm Leben quillt all das Unheil hervor, an dem wir leiden. Sprechen wir vom Elend dieser Erde und trägt ein jeder seinen Anteil daran, so müssen wir in unsern Gedanken keine Umwege machen und hin und her schweifen, sondern ein jeder muss in sich gehen und seine Sünden aufspüren, dann brauchen wir uns gar nicht zu verwundern, dass wir von lauter Armseligkeit umgeben sind und unser Leben so jammervoll elend ist. Denn wie es des Holzes Art ist, dass es leicht Feuer fängt und in Brand gerät, so ist es auch mit uns: Holz und Brennstoff zu all unserm Unglück ist unsere Sünde; darüber kommt dann der Zorn Gottes und verzehrt uns. So fliegen denn die Flämmchen in die Höhe: hätte das Eisen keine verborgene Kraft in sich, wenn man es auf dem Amboss schlägt, es würden gewiss keine Flämmchen herausschlagen. So ist auch der Brennstoff zu all unserm Unglück in uns selber eingeschlossen. Diese Lektion wird uns sehr heilsam sein; denn mag einer auch noch so laut bekennen, dass Gott ihn mit Recht schlägt, so ist es uns doch mit dieser Betrachtung kein rechter Ernst, sondern wir gehen ihr möglichst weit aus dem Wege. Wenn einer ins Unglück gerät, so will Gott ihn damit bewegen, an seine Sünden zu denken, aber der Mensch gibt sich gar keine Rechenschaft darüber, oder was noch schlimmer ist, er schläft in seinem Unglück ein und sucht die Ursache hier oder da, er schreibt es irgendeinem Zufall zu, anstatt in eine Prüfung seines Lebens einzutreten. Eins müssen wir lernen: nicht Himmel und Erde anklagen, sondern nur uns selber anklagen und verdammen, wenn wir in soviel Not und Elend geraten. Wenn wir ungünstiges Wetter haben, wenn Frost oder Unwetter oder Hagel kommen, so kommt das nicht von der Luft an sich, oder wenn Dürre eintritt, so macht das nicht der verschlossene Himmel an sich, und wenn die Erde ihre Frucht nicht bringt, so kommt das nicht von der Erde an sich, sondern wir sind selbst an alledem schuld. Wenn aber Eliphas sagt, wir seien zum Unheil geboren, weil wir überhaupt zu soviel Lastern neigen, so müssen wir uns darüber ernstliche Gedanken machen, und je nachdem wir zu Gott kommen, muss er uns antworten. Tragen wir wirklich von Mutterleib an alles Verderben in uns, so dass wir von Natur dem Bösen und der Sünde ergeben sind, so kann Gott ja gar nicht anders – er muss uns schicken, was uns zukommt, was uns recht und billig ist; denn er sieht uns ja, wie wir sind. So meint es auch Eliphas: Gott hat uns nicht zu so harter Behandlung erschaffen, sondern er geht davon aus, dass unsere Natur verdorben ist, seitdem wir uns von Gott abgewandt haben; darum muss es uns so ergehen: es ist überhaupt nicht so gut mit uns bestellt, dass Gott seine Güte über uns ausbreiten und uns so milde behandeln könnte, als wären wir ihm vollkommen gehorsam.

Der Mensch demütigt sich nie, wenn er nicht mit Gewalt dazu gezwungen wird, sondern er versucht in seinem Trotz zu bleiben; darum fügt Eliphas hinzu, Hiob solle wieder zu Gott kommen und sich zu ihm wenden. Es ist, als wollte er sagen: Die Menschen wollen nichts davon wissen, dass sie es verdient haben sollten, wenn sie geschlagen werden, und dennoch dürfen sie sich nicht im Trotz verhärten, nein, sie müssen alles in Geduld hinnehmen, müssen nicht den Kreaturen die Schuld an ihrem Unglück zuschieben, sondern erkennen, dass sie selbst daran schuld sind. Die Menschen können sich gar nicht so tief beugen, dass sie diese Wahrheit einsähen, man muss sie dazu bringen, dass sie sich demütigen, und darum muss man ihnen die Majestät Gottes zeigen. Stellt man uns jedoch unsere Sünden vor Augen und lässt uns nicht spüren, dass wir es mit Gott zu tun haben, so sucht jeder sich aufrecht zu halten, jeder hat den Mund voll Widerspruchs, jeder sucht seiner Sünde ein Mäntelchen umzuhängen. Sind wir aber im Grunde Rebellen, so ist es doch eine Gedankenlosigkeit sondergleichen, dass uns unsere Sünden nicht mehr zu schaffen machen. Was muss denn nun geschehen? Niemals werden wir zu rechter Demut bereit sein, bis man uns zu der Erkenntnis bringt, dass es Gott ist, dem wir Rechenschaft abzulegen haben, dass wir vor seinen Richterstuhl gefordert sind, um unser Urteil zu empfangen, mehr noch: dass wir seiner Hand nicht entrinnen können, dass unser ganzes Leben bei ihm erkannt und geprüft wird. Sind wir erst so weit gekommen, dass wir auf Gott blicken müssen, dann sind wir auch nicht mehr so lässig und schläfrig wie früher, dann ist es vorbei mit dem Hochmut und der Selbstgefälligkeit, dann bekommen wir auch Gefühl und Verständnis für unser Unheil. Aber besonders wenn man uns die Majestät Gottes vor Augen stellt und wir sehen, wie furchtbar sie ist, und wenn man uns seine Größe schauen lässt, so macht uns das noch mehr erzittern. Da sehen wir: es ist kein Spiel, da gibt´s kein Einschlafen mehr, keine Einbildungen. Mit der Selbstgefälligkeit ist´s vorbei; denn es steht vor uns der Gott, der da ist wie ein verzehrendes Feuer, und vor den müssen wir treten und merken, dass vor ihm die Berge zerschmelzen und alles im Abgrund versinkt. Sehen wir erst, wie groß Gott ist, so schlägt uns seine Größe auch zu Boden, und mit dem Hochmut ist´s aus!

Und wie müssen wir diese Lehre nun auf uns anwenden? Vor allem, sooft wir merken, dass wir noch nicht wach genug sind, um uns in unsern Sünden zu verdammen, müssen wir das Gebot dieser Worte befolgen: auf Gott blicken! Da ist ein Mensch von seinen Sünden hinreichend überführt, aber dabei geht er ruhig seinen Weg weiter; macht man ihm Vorwürfe oder nagt ihn sein Gewissen, er geht seinen Gang und macht sich keine großen Bedenken. Wie kommt das? Er hat noch nicht recht auf Gott geblickt! Daran liegt´s, dass wir in unseren Sünden immer weiter gehen, deshalb wissen wir auch nichts von Niedergeschlagenheit und Demut, wir spüren nichts davon, dass Gott unser Richter ist und dass wir es mit ihm zu tun haben. Da gibt´s denn kein anderes Heilmittel, als dass wir zuerst einmal in unseren Sünden aufwachen; denn anders kommt es nicht dazu, dass wir uns selbst missfallen. Aber umso mehr kann es geschehen, dass der Teufel uns bezaubert; wir spüren, dass es kein gutes Ende nimmt, und doch verharren wir in unserer Stumpfheit. Da müssen wir uns denn zum zweiten sagen lassen: Ach, du arme Kreatur, der Strafe deines Gottes kannst du nicht entrinnen; und wenn die ganze Welt dir Beifall klatscht, der Verdammnis kannst du doch nicht entgehen. Ja, alle Kreaturen merken deine Schande, vor kleinen Kindern und gar vor Tieren musst du zu Schanden werden, und freisprechen kannst du dich nicht. Wie wird´s dir dann ergehen, wenn du vor den himmlischen Richter musst? Denkst du gar nicht daran, dass es da nur eine schreckliche Verdammnis für dich gibt, weil du so in deiner Sünde verharrst? Wenn unsere Sünden uns noch nicht genug missfallen und unsere Betrübnis noch nicht lebendig und heiß genug ist, dann gibt es nur noch ein Mittel, um uns aufzuwecken: wir müssen uns zu Gott wenden und nicht zu den Menschen. Denn wenn wir mit unsern Gedanken noch an der Erde haften bleiben, dann meinen wir leicht, gewonnenes Spiel zu haben. Und dazu sind wir allezeit geneigt nach unserer fleischlichen und natürlichen Art. Denn wenn man einem einen Vorwurf macht, so gibt er zur Antwort: Steht dir das zu? Denke nur an dich selbst, da findest du genug zu tadeln! Du fassest mich viel zu hart an; mir scheint, du malst mich viel zu schwarz! So machen wir uns immer nur mit den Menschen zu schaffen, wenn man uns tadelt. Und gerade so machen wir´s mit Gott. Selbst wenn uns niemand verklagt, so können wir´s doch nicht lassen, uns irgendeine Ausflucht zu suchen. Wie kommt das? Ein Mensch, der nur an sich denkt, weiß ganz gut: wenn Gott ihn verfolgt, so ist das sein gutes Recht; aber dann geht er hin und vergleicht sich mit seinem Nachbarn: Ist der nicht noch schlechter als ich? Oder doch mindestens ebenso schlecht? Hat er nicht ebensolche Strafe verdient? So möchten wir immer unsere Sache vor Gott gewinnen, indem wir vor ihm fliehen. Aber es hilft nichts, wir müssen dem Wort des Eliphas recht geben, wir dürfen uns nicht an die Menschen hängen, denn das hilft uns nichts; wir müssen unsern Blick ganz nach oben richten: Ach, es ist ja Gottes Hand, die mich schlägt; die Hand muss ich aufmerksam betrachten und recht demütig werden. Wir müssen Gott sehen, wie er ist. Denn die Menschen entstellen Gott durch ihre falschen Einbildungen, sie biegen ihn wie einen Rosenstock, sie treiben ihr Spiel mit ihm wie mit einem kleinen Kinde. Und was noch viel schlimmer ist: mit einem kleinen Kinde würden wir uns das nicht erlauben, was wir uns gegen Gott herausnehmen. Und woher kommt solch ein wahnsinniges Treiben? Nur daher, dass wir nicht auf seine Größe merken. Solche Gedanken über Gott müssen wir völlig fahren lassen, wie unsere Phantasie sich ihn vorstellt; wir müssen ihn erkennen, wie er sich in seinen Werken zeigt. Wenn wir an die denken, so ist´s mit unserm Geschwätz vorbei, dann ist´s mit unserer leichfertigen Frechheit, als dürften wir ihm widersprechen und uns einbilden, er quäle uns zu Unrecht, ohne dass wir´s verdient hätten. Dann ist´s mit unserer Heuchelei vorbei, wir werden völlig zu Schanden, wir erschrecken vor dieser erhabenen Majestät, die wir an unserm Gott gesehen.

Doch nun zu dem zweiten, und das ist ebenso wichtig: Wir müssen Gott sehen, wie er wahrhaftig ist, und nicht, wie wir ihn uns einbilden. Deshalb sagt Paulus Röm 1, 21.23: „Sie sind in ihrem Dichten eitel geworden, denn sie haben die Herrlichkeit Gottes verwandelt.“ Ja, sie berauben ihn seiner Ehre, „darum hat Gott sie auch dahingegeben in verkehrten Sinn, zu tun, was nicht taugt“ (28). „Sie haben Gott nicht gepriesen als einen Gott“, sondern seine Majestät schändlich mit Füßen getreten; denn „sie haben Gottes Wahrheit verwandelt in die Lüge“ (25) und ihn ganz entstellt. Das ist eine ganz allgemeine Krankheit, und jeder weiß davon aus Erfahrung – umso mehr gilt es, dies Wort zu beherzigen. Denken wir über Gott nach, so muss das mit aller Ehrfurcht geschehen, sonst erkennen wir ihn nicht, wie er wirklich ist, sondern nur so, wie wir ihn uns verkehrterweise einbilden. Gewiss, Gott erklärt sich uns in seinem Wort, aber gleichwohl sind wir unentschuldbar, wenn wir ihn nicht auch betrachten in seinen Werken; denn da „hat er sich selbst nicht unbezeugt gelassen,“ wie Paulus Apg 14, 17 sagt, wo er davon spricht, dass die Ordnung der Natur ist wie ein Spiegel, in dem wir sein Wesen erschauen können. „Er hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat uns viel Gutes getan und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben.“ Es ist, als wollte er seinen Rechtshandel verteidigen: Wenn die Menschen meine Ehre und Majestät nicht kennen, wenn sie nichts davon wissen, dass ich alles in meiner Hand habe und meine ganze Schöpfung regiere, so dürfen sie sich nicht auf ihre Unwissenheit berufen, denn in der Ordnung der Natur haben sie wahrnehmen können, dass es einen Schöpfer gibt, der alles in seiner Hand hat. Also nur die Augen auf! Die Welt ist voll von Beweisen für Gottes Größe! Dann werden wir ihm auch die Ehre geben, die ihm gebührt. In Summa: wenn von Gott die Rede ist, so soll man nicht denken, wir hätten doch nur das Wort an sich, sondern wir müssen betrachten, was für ihn wesentlich ist: das Wort lässt sich nicht trennen von seinem Wesen; es kommt darauf an, dass wir ihn würdig preisen. Nähmen wir das recht zu Herzen, so würden wir auch nicht in so manchen Aberglauben verfallen und wären nicht so weltlich in unseren Gedanken! Zwei Dinge haben zu aller Zeit in der Welt regiert. Das ist die Verachtung Gottes; man kümmert sich überhaupt nicht um ihn und geht einfach über ihn hinweg. Gewiss, an seine Majestät kann man nicht heran, aber man sieht eine so teuflische Hoffart bei den Menschen, dass sie, anstatt ihn anzubeten und sich ihm zu unterwerfen, ihn mit Füßen treten möchten, als hätte er keinerlei Autorität über sie. Ja, das ist eine schlimme und ungeheuerliche Krankheit, und nichtsdestoweniger hat sie zu allen Zeiten gewütet: dieser weltliche Sinn, der nichts von der Ehrfurcht weiß, die Gott gebührt. – Die andere Art, der Aberglaube, besteht darin, dass die Menschen unter dem Schein der Andacht allerlei törichten Einbildungen nachhängen. Und wo hat das Übel seine Wurzeln? Gott wird nicht in Wahrheit erkannt in dem, was ihm wesentlich ist; hätte man erkannt, was es um seine Macht, Gerechtigkeit und Güte ist, so hätte man nämlich nicht in solche Torheiten geraten können. Denn die Menschen hecken sich kleine Götter aus, Götzenbilder, die nur in ihrem Kopfe bestehen, und weisen ihnen ihre Plätze an, als könnten sie die Kräfte, die in Gott sind, verteilen, als könnten sie ihn ausplündern und jeder könnte seinen Raub und seine Beute davontragen. Deshalb sage ich: Wir müssen sorgfältig prüfen, was es in Wahrheit um Gott ist, sonst berauben wir ihn seiner Ehre und nehmen ihm, was sein ist und was in ihm allein wohnt. Und wie kann das geschehen? Man muss nur die Augen auftun; denn in der Ordnung der Natur stellt er sich also dar, dass wir keine Entschuldigung haben, wenn wir ihm nicht geben, was ihm gebührt.

Darauf weist auch Eliphas hin: „Er ist´s der große Dinge tut, die nicht zu ergründen, und Wunderwerke, die nicht zu zählen sind.“ Eliphas prägt einen allgemeinen Satz und wendet ihn dann (V. 10) auf das einzelne an. Es klingt wie ein Gedicht, als fasste alles, was er sagen will, in einziges Wort zusammen. Haben wir erst erkannt, dass Gottes Werke groß und unbegreiflich sind, - sind wir dann nicht gezwungen, unsern Geist in die Höhe zu richten? Müssen wir dann nicht einsehen, dass wir Gott nicht entstellen dürfen, dass wir uns keinen Einbildungen über ihn hingeben dürfen, die unserm Sinne angemessen sind? Müssen wir dann nicht viel höher steigen? Es ist klar: Wider unsern Willen müssen wir dahin kommen! Und dahin will uns eben Eliphas bringen. Die bloße Betrachtung Gottes führt uns noch nicht zu der Furcht und Demut, die nötig wären. Wir denken eben gar nicht an seine Werke. Und warum nicht? Handelt man von den Werken Gottes, so hält sich jeder selbst für den berufenen Richter, um ihn zu kontrollieren; denn wenn Gott nicht tut, wie wir wollen, so fängt gleich das Murren an: Warum macht er es so? Und warum macht er´s nicht anders? Woher nur diese Frechheit, dass die Menschen sich derart an Gott heranmachen, dass sie einen Prozess gegen ihn wagen und dass sie sich als seine Richter gebärden? Sie kommt nur daher, dass man niemals etwas davon merkt, dass seine Werke so groß und unbegreiflich sind. Sind aber Gottes Werke unbegreiflich, haben wir dann einen Maßstab, der groß genug wäre, um sie zu erklären? Was ist es um unser Begreifen? Wenn wir unsern Verstand noch so sehr in die Länge und Breite ausspannen, er kann doch nicht den hundertsten Teil der Werke Gottes begreifen, und ebenso wenig von seinem Rat, der so hoch ist, dass er uns ganz und gar verborgen ist. Wir müssen aus uns selbst herausgehen, wenn wir auch nur etwas davon schmecken wollen, was es um die wunderbare und unendliche Weisheit in Gottes Werken ist. Müssen wir aber, um auch nur ein wenig davon zu schmecken, unsern Verstand ganz dahinten lassen, - wie wird es erst gehen, wenn wir alle begreifen wollen und wissen möchten, was bis aufs letzte hin alles darin enthalten ist? Ich frage euch: Können wir überhaupt dahin gelangen? Wir sehen doch, dass die Menschen von all ihrem Verstand verlassen sind, wenn sie über die Werke Gottes ratschlagen – sie sind eben unbegreiflich. Ja, wir können die Werke Gottes nicht im geringsten ergründen, um ihren Sinn zu entdecken; aber Gott hat ein gutes Mittel, um uns klar zu machen, was uns nützlich ist. Gottes Werke an sich sind unbegreiflich: wollen wir bis ins einzelnste herausbringen, was darin ist, so kommen wir nie ans Ende. Es bleibt nur übrig, dass wir uns überwältigen lassen von dieser Größe; und wenn wir uns vermessen wollen, Richter über seine Werke zu sein, bleibt uns nichts übrig, als die Augen zu schließen, da wir doch nie bis zu den Geheimnissen vordringen können, die darin enthalten sind!

Sind wir jedoch so weit in der Demut gekommen, dass wir wissen: wir sind nicht die zuständigen Richter, um zu erkennen, was für uns viel zu hoch und zu tief ist, dann lasst uns Gott bitten, er möge uns den Geist der Klugheit schenken, dass wir recht über seine Werke urteilen. Dann wird er uns Gnade schenken, dass wir unsre Grenzen erkennen und zugeben, dass wir von ihrem Inhalt nichts entziffern können, dass alles uns unbekannt ist und alles nur durch unsere Einbildung hindurchgeht, ja, Gott wird uns straff im Zügel halten, so dass wir es nur zu einer stückweisen Erkenntnis bringen. Aber diese Erkenntnis muss uns genügen, weil uns nichts von dem verborgenen bleibt, was uns gut und zu unserem Heile dienlich ist. Damit lasst uns zufrieden sein; denn was wäre das für ein Undank, wollten wir in die Geheimnisse Gottes eindringen, um darin zu lesen, dass uns nur ja nichts davon entgehe, und wollten wir so toll und töricht sein, ihn unserm Gehirn untertänig zu machen!

Ist es aber so, dass in den scheinbar kleinsten und geringsten Gotteswerken eine so unendliche Weisheit verborgen ist, wie wird es dann erst mit dem größten sein, das alle unsere Fassungskraft übersteigt? Und vor allem, wenn es sich um unsere Erlösung handelt und um das, was er uns durch seinen Heiligen Geist versichert, das Zeugnis unserer Kindschaft – das geht weit über die Ordnung der Natur hinaus! Ja, wenn geschrieben steht, dass er uns erwählt hat vor Grundlegung der Welt, dass er uns auserwählt hat, nicht alle unter Unterschied, sondern die, die zu erwählen ihm gut schien, und dass er die andern verworfen hat – sind das nicht Geheimnisse, die über unser Begreifen gehen? Was ist denn da zu tun? Wir müssen wissen, dass wir mehr als unentschuldbar sind, wenn wir in diesem Stück nicht mit Furcht und Zittern wandeln; und wollen wir wirklich so hoch steigen, so brechen wir den Hals, da wir über alle Himmel fliegen wollen und haben doch keine Flügel. Geben wir aber Gott die Ehre und bekennen es nicht nur mit dem Munde, sondern mit der Tat, dass seine Werke unbegreiflich sind, dass sie wie ein Abgrund sind, in dem all unser Verstand versinken muss, dann lasst uns ohne Aufhören ihn bitten, er möge uns erkennen lassen, was uns nach unserer Fassungskraft erkennbar ist, und dabei auch in der Heiligen Schrift suchen, was er uns darin offenbart. Denn das will Gott nicht, dass wir lässig sind und es machen wie die Papisten, die sagen: Nach den Geheimnissen Gottes darf man nicht forschen. Wozu wäre uns denn die Heilige Schrift gegeben? Gott will wohl, dass wir nach ihm forschen; aber wir sollen dabei den Weg innehalten, den er uns zeigt, das heißt: in aller Demut dem nachgehen, was er in der Schrift uns zeigt. Haben wir aber gelernt, was Gott uns in seiner Schule offenbart, so lasst uns daran festhalten; und wenn uns ein törichter Widerspruch ankommt und unser unruhiger Geist mehr wissen möchte, als uns zu wissen zusteht, so lasst uns darauf bedacht sein, so klug und bescheiden zu sein, dass wir sagen können: Du arme Kreatur, musst du denn einen noch umfassenderen Unterricht haben, als ihn Gott in der Heiligen Schrift dir gibt? Lasst uns nur so nüchtern bleiben, dass wir nicht leichtfertig über Gottes Werk richten!

Ja, Gott tut Wunderwerke ohne Zahl. Wenn Gottes Werke „wunderbar“ oder „geheim“ genannt werden, so geschieht das, damit wir sie anbeten sollen. Denn wenn wir in seinen Werken eine solche Größe entdecken, so will er nicht etwa, dass wir in Erstaunen und vor Verwundern außer uns geraten, nein, im Gegenteil: er will uns in eine solche Ehrfurcht hineinziehen, dass wir ihn anbeten: Herr, wie groß ist deine Macht! Herr, wie groß ist dein Vermögen! Wie groß deine Güte, Gerechtigkeit und Weisheit! David weiß genug von der unendlichen Größe der Werke Gottes, und gleichwohl hört er nicht auf zu sprechen: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!“ (Ps 104, 24). Er weiß wohl, was wir von Gottes Werken zu halten haben, und nichtsdestoweniger betet er sie an. Die Größe der Werke Gottes dürfen wir nicht so anschauen, dass wir stumpf wie Tiere dabei bleiben, so dass wir keinerlei gute Lehre daraus entnehmen. Gott ist darum so groß, weil er uns im Zaum halten will, damit wir nicht wie ungebärdige Rosse uns die Willkür erlauben zu sagen: Ich will auch noch wissen, wie es mit diesem und jenem ist. Nein, wir müssen bescheiden sein; denn das ist die wahre Weisheit, nichts wissen wollen, was Gott uns verborgen hat. Im Übrigen müssen wir wissen, dass wir die Werke Gottes anzubeten haben. Dann verstehen wir nach unserm kleinen Maßstab die Weisheit, Gerechtigkeit und unendliche Kraft, die darin enthalten ist, und wissen: Gott tut nichts ohne Grund, obgleich uns das nicht gleich auf den ersten Blick klar ist. Denn Gottes Sinn liegt in seinen Werken nicht immer sichtbar vor Augen, so dass wir ihn bemerken könnten; darum heißt diese Weisheit ein tiefer Abgrund. Lasst uns also Gottes Werk anbeten lernen, auch wenn wir nicht immer begreifen, warum er so handelt! Gottes Werke sind Wunderwerke!

Besonders betont Eliphas noch, dass „seine Wunderwerke nicht zu zählen sind“. In diesem Stück sind die Menschen schon demütiger. Denn wenn wir irgendwie an ein Ende kommen, so scheint uns, es könne uns nichts mehr entgehen; wir sind so geschickt, dass alle Fragen, die man uns noch vorlegen könnte, sofort gelöst werden könnten. Setzen wir den Fall, wir könnten über ein, zwei, drei, hundert Werke Gottes ein rechtes Urteil fällen, was bedeutet das? Das wäre noch nichts. Sie sind unzählig. Ja, auch das kleinste von Gottes Werken hat für uns etwas Überwältigendes; stehen wir dann vor diesem Abgrund, dem unergründlichen, was dann? Wir müssen also dies allgemeine Wort, das wie eine Vorrede klingt, wohl beherzigen, um gegen alle unsere Gewohnheit von den Werken Gottes zutreffender zu denken, damit wir seiner Majestät die Ehre geben, die wir ihr schuldig sind.

Nach der allgemeinen Vorbemerkung geht Eliphas nunmehr ins Einzelne. „Gott gibt den Regen aufs Land und sendet Wasser auf die Fluren.“ Das scheint wohl gar nicht so wichtig, denn es handelt sich doch lediglich darum, dass die Menschen merken, wie sie mit gutem Recht betrübt werden und dass sie sich nicht gegen ihn auflehnen dürfen, wenn er sie nach seinem Willen führt; denn sie gewinnen ja nichts dabei und bleiben immer unterlegen. Warum spricht er hier denn von Regen? Das scheint höchst überflüssig; aber wenn von der allgemeinen Ordnung der Natur die Rede ist, die Gott in der Regierung seiner Kreaturen innehält, so geschieht das, damit wir das Ganze auf uns selbst anwenden. Denn wenn wir hin und her gelaufen sind und uns abgeplagt haben, so müssen wir wieder in uns selbst Einkehr halten, müssen uns sammeln und diese Lehre in der Weise für uns praktisch machen, dass wir Gott nach Gebühr anbeten. Darum spricht Eliphas vom Regen, und im vorliegenden Falle will er zweifellos sagen: Gott hat nicht allein alle Dinge geschaffen, und Himmel und Erde sind ein solches Kunstwerk, dass alle, die es bedenken, in Erstaunen geraten müssen, sondern wir sehen auch, wie er alles ordnet und leitet, dass er Wind und Regen gibt und auch das Gegenteil davon sendet, wenn es ihm gefällt.

Nun haben wir nur eins noch zu bedenken: Es ist durchaus nicht genug, Gott diese Ehre und Meisterschaft zuzuschreiben, dass er über alle seine Kreaturen verfügt, sondern man muss auch bedenken, zu welchem Zweck er es tut. Er will uns dadurch unterweisen, dass wir uns ihm unterwerfen und ihn als unsern Vater und Meister erkennen. Das ist der Zweck der Heiligen Schrift. Wir aber lassen es an zwei Punkten fehlen: Zum ersten denken wir gar nicht an Gott, wenn es regnet oder gutes Wetter ist, sondern wir machen unsere Augen zu. Gewiss wir sind wohl froh, wenn der Regen zu einer Zeit kommt, da er uns passt, aber dass Gott ihn schickt, daran denken wir nicht; unser Sinn ist so sehr an die Erde gebunden, dass er sich so hoch nicht erheben kann. Und wenn wir gutes Wetter haben und am hellen Sonnenschein uns freuen, sehen wir gar nicht, dass Gott es ist, der uns eine solche Lampe angezündet hat, um es uns hell zu machen. Wir denken überhaupt nicht an Gott – das ist ein großer und gar zu grober Fehler. Aber setzen wir auch den Fall, es käme uns wirklich ein Gedanke an Gott in den Sinn, so ist das doch nicht genug. Manche sagen: Gott sei gelobt für das schöne Wetter! – ja, wenn sie das Wetter sehen, das ihnen passt – aber dabei verkennen sie das alles, sie denken nicht daran, dass es Gott ist, dass uns Gott dies Wetter schenkt, um sich als Vater gegen uns zu erzeigen. Wir müssen ihm doch darauf die rechte Antwort geben und ihm wirkliche Kinder sein und erkennen: Siehe, Gott gehorchen seine Kreaturen, aber was für einen Gehorsam findet er bei uns? Ja, bei der Betrachtung der Natur müssen wir zu einer rechten Furcht Gottes kommen und einen rechten Geschmack von seiner Güte gewinnen, damit wir ihm uns ergeben und in allen Dingen zu einem rechten Gehorsam gelangen. So spricht davon auch die Heilige Schrift. Das heißt recht klug sein: erkennen, wozu der Heilige Geist uns diese Dinge beschreibt; wir sollen dadurch lernen, unsern Gott recht zu ehren und zu fürchten; wir sollen einsehen, was für eine Autorität wir ihm beizumessen haben und was für eine Herrschaft er über uns übt; und von da aus sollen wir auch zu seiner Gerechtigkeit kommen, um uns unter sie zu demütigen.

Gewiss, auf Hiob wendet Eliphas diese Lehre missbräuchlich an, aber wenn die Lehre gut und vom Heiligen Geist ist und wir sie annehmen müssen nicht als Lehre eines sterblichen Menschen, sondern als ein Wort des Geistes Gottes, so brauchen wir nur noch klug und bescheiden genug zu sein, um unsern Gewinn daraus zu ziehen, wann und wo es uns hier gezeigt wird. Wir müssen nur nicht wie Eliphas das alles so übel auf die Person Hiobs anwenden; haben wir aber die allgemeine Lehre angenommen, dann haben wir damit das Bekenntnis abgelegt, dass sie wahr ist, und jeder hat die richtige Lehre daraus gezogen. Kurzum, alle Übel, denen unser Leben unterworfen ist, müssen wir unsern Sünden zuschreiben, und wenn es uns nicht so gut geht, wie wir wohl möchten, dürfen wir weder Himmel noch Erde noch die andern Kreaturen anklagen, sondern ein jeder verdamme sich selbst. Das Holz, an dessen Brennkraft sich das Feuer des göttlichen Zornes entzündet, tragen wir in uns; von Geburt an sind wir zum Bösen geneigt, und wir brauchen uns gar nicht zu wundern, dass wir soviel Jammer und Elend unterworfen sind. Haben wir unter allerlei Plagen zu leiden, so lasst uns die Schuld daran ja nicht Gott zuschieben, sondern auf die Quelle achten: Ursach all der Übel, an denen wir in unserem Leben leiden, ist unsere Sünde. Lasst uns also ja mit unserer üblen Gewohnheit brechen, Gott vor Gericht zu fordern, sondern es uns gefallen lassen, dass wir die Schuld aufgebürdet bekommen! Lasst uns einsehen, dass er gerecht ist, wenn er uns betrübt, damit wir in aller Demut lernen, ihn nach Gebühr zu fürchten und zu ehren!

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