Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 22.

Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 22.

1 Ihr Männer, lieben Brüder und Väter, höret mein Verantworten vor euch. 2 Da sie aber höreten, dass er auf ebräisch zu ihnen redete, wurden sie noch stiller. Und er sprach: 3 Ich bin ein jüdischer Mann, geboren zu Tarsus in Cilicien und erzogen in dieser Stadt zu den Füßen Gamaliels, gelehret nach der Strenge des väterlichen Gesetzes, und war ein Eiferer um Gott, gleichwie ihr heute alle seid; 4 und habe diesen Weg verfolget bis an den Tod. Ich band sie und überantwortete sie in Gefängnis, beide, Männer und Weiber; 5 wie mir auch der Hohepriester und der ganze Haufe der Ältesten Zeugnis gibt, von welchen ich Briefe nahm an die Brüder und reiste gen Damaskus, dass ich, die daselbst waren, gebunden führete gen Jerusalem, dass sie bestraft würden.

V. 1. Aus dem Eingang der Rede lässt sich zwar schließen, worauf Paulus hinaus wollte; weil aber seine Rede abgebrochen ward, weiß man nicht mit Sicherheit, was er zu sagen gedachte. Der Hauptinhalt des Stücks, über welches der Bericht Auskunft gibt, ist, dass er, der recht und treu in der Lehre des Gesetzes unterwiesen war, vor der Welt als frommer und ernster Gottesverehrer dagestanden habe. Er sei auch dem Evangelium von Christus feind gewesen und habe unter den Priestern als einer gegolten, der am eifrigsten für das Gesetz eintrat. Zum dritten habe er sich nicht leichtfertig der neuen Sekte angeschlossen, sondern eine himmlische Zusprache habe ihn gebändigt und überführt, so dass er sich nun zu Christus bekannte. Zum vierten habe er nicht ihm unbekannte Dinge aufgegriffen, sondern es sei ihm ein treuer Lehrer von Gott zugewiesen worden, von dem er alles genau erfuhr. Endlich, als er nach Jerusalem zurückkehrte und seinen Volksgenossen zu nützen wünschte, habe ihm Gott dies nicht zugelassen. So habe er nicht mutwillig und etwa im Hass gegen sein Volk, sondern nach Gottes Befehl die Lehre des Heils zu fernen Völkern hinausgetragen.

Ihr Männer, lieben Brüder und Väter. Es ist verwunderlich, dass der Apostel erklärten Feinden des Evangeliums noch soviel Ehre entbietet. Hatten sie doch das Band brüderlicher Gemeinschaft zerrissen und, indem sie Gottes Ehre unterdrücken wollten, das Recht auf jeden Ehrentitel eingebüßt. Weil aber Paulus hier als ein Glied des Volks redet, kann er ohne Heuchelei die Volksmenge mit Liebe, die Häupter sogar mit ehrenvollem Ausdruck anreden. Da ihre Verstoßung noch nicht öffentlich vollzogen war, mochten sie persönlich aller Ehre unwert sein, - aber die Gnadengabe der Annahme zur Gotteskindschaft verdiente es doch, von Paulus mit aller Ehrfurcht anerkannt zu werden. Wenn er sie also Brüder und Väter nennt, blickt er nicht auf das, was sie verdient hätten, sondern auf die Ehrenstufe, auf welche Gott sie erhoben hatte. Auch die ganze Rede ist so gehalten, dass bei aller freien, von Schmeichelei weit entfernten Aussprache ein demütiger und sanfter Ton die Zuhörer gewinnen sollte. Wir müssen also lernen, den Menschen entgegenzukommen und ihnen Ehre zu geben, ohne dabei Gottes Recht irgend anzutasten.

V. 2. Dass er auf ebräisch zu ihnen redete usw. Bei der Verschiedenheit der Sprachen werden wir in jedem Falle am liebsten Menschen hören, die unsere angeborene Sprache reden. Bei den Juden hatte dies noch einen besonderen Grund: sie hatten sich den Paulus als einen erklärten Feind seines Volks vorgestellt, der selbst dessen Sprache hasste, oder als einen Weltenbummler, der nicht einmal die Sprache des Volks, aus dem er stammte, gelernt hätte. Indem sie jetzt aus seinem Munde die väterliche ebräische oder genauer chaldäische Sprache vernehmen, regt sich in ihnen eine bessere Hoffnung.

V. 3. Ich bin ein jüdischer Mann usw. Da bei den Juden damals alles in Verwirrung war und viele herumlungernde und die Welt durchstreifende Menschen zur Decke ihrer Schandtaten sich fälschlich als Juden ausgaben, tritt Paulus solchem Verdacht entgegen und hebt seinen Bericht mit seiner Geburt an. Sodann spricht er aus, dass er auch zu Jerusalem bekannt sei, weil er dort schon in jungen Jahren erzogen ward. Doch hat diese Notiz noch ein weiteres Interesse. Man sollte wissen, dass er in der rechten Lehre des Gesetzes unterwiesen war. Paulus nennt als seinen Lehrer (vgl. 5, 34) Gamaliel. So gibt er den Juden zu verstehen, dass er von der väterlichen Gottesverehrung nicht etwa abtrat, weil er davon nichts gelernt hätte, und dass es nicht, wie so oft, Unwissenheit war, die einen aufrührerischen Sinn hervorrief. Dass die Schüler zu den Füßen eines Lehrers sitzen, wird gesagt, weil sie, die ein sicheres Urteil noch nicht haben, eine Gelehrigkeit und Bescheidenheit mitbringen müssen, in welcher sie alle ihre Empfindungen dem Lehrer unterwerfen und an seinem Munde hängen. So heißt es von Maria (Lk. 10, 39), dass sie zu Jesu Füßen saß, weil sie auf seine Lehre lauschte. Wenn man solche Ehrfurcht schon irdischen Lehrern schuldet, wie viel mehr ziemt es sich, dass wir uns Christus zu Füßen legen und uns ihm, der von seinem himmlischen Lehrstuhl herab redet, gelehrig beweisen! Der Ausdruck erinnert auch Knaben und Jünglinge an ihre Pflicht; sie sollen nicht selbstbewusst sein und in törichtem Vertrauen auf eigene Weisheit sich gegen ihre Lehrer erheben, sondern sich in sanftem Geist von ihnen bilden lassen.

Gelehret nach der Strenge des väterlichen Gesetzes. Was soll dieser auszeichnende Ausdruck, da doch das Gesetz allen Juden in der gleichen Form überliefert wurde? Paulus scheint auf eine reinere Belehrung hinzudeuten, die ihm zuteil wurde, - im Unterschied von der durchschnittlichen Unterweisung des Volks, die sich von dem eigentlichen Ernst des Gesetzes einigermaßen entfernte. Man sollte nicht meinen, dass er nur, wie irgendein Mensch aus dem Volke, einen schwachen Geschmack vom Gesetz bekommen habe. Weil aber auch viele, die ernstlich unterwiesen wurden, von epikuräischer Gottesverachtung erfüllt sind, bezeugt Paulus, dass er ein Eiferer um Gott war. Es fügte sich also zur Lehre ein ernstes Streben nach Frömmigkeit: er wollte mit den heiligen Dingen nicht spielen oder allerlei anderes untermischen, wie unheilige Menschen zu tun pflegen. Weil aber sein Eifer unüberlegt war, erklärt der Apostel, dass er damals darin völlig den andern Juden glich. Allerdings könnte man den Ausdruck auch in gutem Sinne deuten, dass es ihm damals mit seiner Gottesverehrung Ernst gewesen sei, ganz ebenso wie jetzt den Juden.

V. 4. Und habe diesen Weg verfolget. Dies ist das zweite Stück: Paulus war ein Feind der Lehre Christi und heftiger auf ihre Bekämpfung bedacht als alle andern, bis ihn Gottes Hand zurückzog. Als Zeugen dafür nennt er den Hohenpriester und die Ältesten. So konnte bei dem so plötzlichen Umschwung kein weiterer Verdacht bestehen. Dass Paulus Briefe empfing an die Brüder, bezieht sich auf die Juden als seine Volksgenossen. Mit diesem ehrenvollen Titel wollte er sie besänftigen: es liegt ihm an, seinen wirklichen und rechtmäßigen Ursprung aus jenem Volk und sein ernstes Streben nach Verbindung mit ihm zu betonen.

6Es geschah aber, da ich hinzog und nahe an Damaskus kam, um den Mittag umblickte mich schnell ein groß Licht vom Himmel. 7Und ich fiel zum Erdboden und hörte eine Stimme, die sprach zu mir: Saul, Saul, was verfolgest du mich? 8Ich antwortete aber: Herr, wer bist du? Und er sprach zu mir: Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgest. 9Die aber mit mir waren, sahen das Licht und erschraken; die Stimme aber des, der mit mir redete, höreten sie nicht. 10Ich sprach aber: Herr, was soll ich tun? Der Herr aber sprach zu mir: Stehe auf und gehe gen Damaskus; da wird man dir sagen von allem, das dir zu tun verordnet ist. 11Als ich aber vor Klarheit dieses Lichtes nicht sehen konnte, ward ich bei der Hand geleitet von denen, die mit mir waren, und kam gen Damaskus.

V. 6. Es geschah aber usw. Die Erinnerung an seine Bekehrung vor Damaskus ist das dritte Stück in der Rede des Apostels: sie sollte die plötzliche Veränderung gegen den Vorwurf der Leichtfertigkeit oder Unbeständigkeit schützen. Denn nichts ist unerträglicher, als dass jemand von dem einmal begonnenen Lauf der Frömmigkeit abspringt und nicht erfüllt, was ihm aufgetragen ward. Um von seiner Bekehrung solchen Verdacht abzuwenden, bekräftigt Paulus durch den Hinweis auf mehrere Wunder, dass Gott dieselbe bewirkt habe. In der Nacht schimmert zuweilen ein Glanz, den die warmen Ausdünstungen der Erde erzeugen; ganz ungewöhnlich ist es aber, dass hier um den Mittag plötzlich ein Licht nicht nur aufgeht, sondern ihn wie ein Glanz umgibt, so dass er vor Schrecken vom Pferde glitt und am Boden lag. Ein zweites Wunder ist, dass eine Stimme vom Himmel erscholl, ein weiteres, dass seine Begleiter sie nicht ebenso deutlich hören wie er selbst. Andere Wunder folgen: beim Eintreffen in Damaskus findet er, dass der Ausgang dem himmlischen Spruch entspricht, indem ihm Ananias begegnet; des Weiteren wird ihm im Augenblick das Gesicht wiedergegeben.

V. 7. Und ich fiel zum Erdboden. Da Saulus von pharisäischem Stolz gebläht war, musste er niedergeschlagen und gleichsam zerschmettert werden, um Christi Stimme zu vernehmen. Gewiss hätte er nicht mit Vorsatz Gott verachtet, noch hätte er gewagt, den himmlischen Spruch abzuweisen: sein Geist wäre aber niemals auf den Gehorsam des Glaubens gestimmt gewesen, wenn er unangetastet geblieben wäre. Saulus wird also gewaltsam niedergeworfen, damit er sich willig demütigen lerne. Christi Worte bergen nun einen nur kurzen Tadel, welcher den Trotz des wütenden Mannes bändigen soll: Saul, Saul, was verfolgest du mich? Besonders tröstlich ist dabei, dass Christus im Namen aller seiner Frommen redet und sich über das Unrecht, was ihnen geschah, als ihm persönlich angetan beklagt. Wie aber nichts die Bitterkeit der Verfolgung freundlicher lindern kann als der Gedanke, dass der Sohn Gottes nicht nur mit uns, sondern in uns leidet, so mögen auf der andern Seite die blutdürstigen Feinde des Evangeliums, die mit stumpfsinnigem Übermut wider die arme Gemeinde sich erheben, eine Empfindung dafür bekommen, in wen sie gestochen haben.

V. 9. Die aber mit mir waren usw. Den scheinbaren Zwiespalt zwischen den verschiedenen Berichten des Lukas habe ich schon früher (zu 9, 7) aufgelöst. Früher hieß es, dass die erschreckt dastehenden Begleiter des Saulus eine Stimme gehört, aber niemand gesehen hätten, hier dagegen, dass sie die Stimme dessen, der mit Saulus redete, nicht vernahmen, aber das Licht sahen. Sie hören eben die Stimme, sofern ein Klang an ihr Ohr schlägt und den Eindruck erweckt, dass jemand vom Himmel rede. Sie vernehmen die Stimme dessen, der mit Saulus redet, nicht, sofern sie nicht verstehen, was Christus sagt. Sie sehen auch den Glanz um Saulus herum, aber niemand, von dem die himmlische Stimme ausgegangen wäre.

V. 10. Herr, was soll ich tun? So redet ein zur Sanftmut gestimmter Mensch. Das ist ja die wahre Bekehrung zum Herrn, dass wir allen Trotz ablegen, unter sein Joch uns beugen, willig unsern Hals darunter legen und uns bereit erklären, alle seine Befehle anzunehmen. Und den Anfang zum rechten Handeln macht man damit, dass man den Mund des Herrn befragt. Wer ohne Gottes Wort Buße leisten will, müht sich vergebens ab. Dass nun Christus dem Saulus in der Person des Ananias einen Lehrer verordnet, tut er nicht, um ihn zu kränken, oder weil er sich weigert, ihn persönlich zu belehren; vielmehr will er auf diese Weise den äußeren Dienst der Gemeinde empfehlen und ehren. Hier ist ein allgemeiner Fingerzeig, dass wir uns nicht zu erhaben dünken sollen, sein Wort aus dem Munde eines Menschen zu vernehmen. Eben darauf zielt die folgende Mitteilung, dass Paulus eine Zeitlang nicht sehen konnte, bis er sich als Schüler darbot und dadurch die Demut seines Glaubens bewies. Gott macht nicht jeden blind, den er erleuchten will, gibt aber hier die allgemeine Regel, dass bei sich selbst töricht werden muss, wer für ihn klug werden will.

12Es war aber ein gottesfürchtiger Mann nach dem Gesetz, Ananias, der ein gut Gerücht hatte bei allen Juden, die daselbst wohneten; 13der kam zu mir und trat her und sprach zu mir: Saul, lieber Bruder, siehe auf! Und ich sah ihn an zu derselbigen Stunde. 14Er aber sprach: Der Gott unsrer Väter hat dich verordnet, dass du seinen Willen erkennen solltest und sehen den Gerechten und hören die Stimme aus seinem Munde; 15denn du wirst sein Zeuge zu allen Menschen sein des, das du gesehen und gehöret hast. 16Und nun, was verziehest du? Stehe auf und lass dich taufen und abwaschen deine Sünden, und rufe an den Namen des Herrn.

V. 12. Paulus wendet sich zum vierten Stück: er hat sich nicht nur, durch die Wunder niedergeschmettert, dem Herrn Christus übergeben, sondern wurde auch in der Lehre des Evangeliums richtig und ernstlich unterwiesen. Ich habe schon erinnert, dass Ananias dem Paulus nicht durch Zufalle begegnete, sondern weil Christus ihn demselben zuführte. Dass er als ein gottesfürchtiger Mann nach dem Gesetz bezeichnet wird, der ein gut Gerücht hatte bei allen Juden, will einer üblen Meinung vorbeugen, die sich leicht einstellen konnte. Nicht ein Heide, den sie nie als Lehrer hätten gelten lassen, oder ein vom Gesetz abgefallener Mensch, den sie vollends verabscheut hätten, kommt in Betracht, sondern ein gesetzestreuer Mann von anerkannter und unverdächtiger Frömmigkeit. Übrigens wollen wir anmerken, dass der Hinweis auf das Gesetz nicht etwa ein Verdienst der Werke im Gegensatz gegen Gottes Gnade aufrichten, sondern nur die Frömmigkeit des Ananias bei den Juden gegen alles Misstrauen schützen will. Dass er aber mit einem einzigen Wort dem Paulus das Gesicht wiedergibt, ist, wie ich schon sagte, ein deutlicher Beweis für seine göttliche Sendung.

V. 14. Der Gott unsrer Väter usw. Der machtvollste Trieb, uns zur Übergabe an Gott zu bestimmen, ist die Erkenntnis, dass Gott selbst uns mit freier Gnade entgegenkommt, um uns aus dem Verderben auf den rechten Weg zurückzurufen. Damit also hebt Ananias an: Gott hat dich verordnet, dass du seinen Willen erkennen solltest. So wird dem Paulus eingeprägt, dass Gott schon auf ihn schaute, als sein Irrweg noch von seinem Heil völlig hinwegstrebte. Dass vom Gott der Väter gesprochen wird, erinnert an die Verheißungen: die Juden sollen wissen, dass die neue Berufung des Paulus mit denselben zusammenstimmte, und dass man keineswegs vom Gesetz abfällt, wenn man zu Christus übergeht. So bekräftigt Paulus mit diesen Worten, was er bezüglich seiner Person schon früher behauptete, dass er nicht ein Überläufer sei, der den Gott Abrahams und den alten Gottesdienst der Juden verlasse, sondern dass er in dem alten und väterlichen Dienst verharre, den er aus dem Gesetz gelernt hatte. Der einst der Gott Abrahams und der Väter heißen wollte, ist jetzt in der Person seines Sohnes erschienen, so dass sein eigentlicher Name nun heißt: der Vater Jesu Christi. Wer also den Sohn verwirft, hat auch den Vater nicht, der sich von ihm nicht trennen lässt. Ananias erinnert nur, dass es auf die gnädige Erwählung Gottes zurückging, wenn dem Paulus jetzt die Wahrheit des Evangeliums aufleuchtete. So folgt, was auch die Erfahrung ergab, dass er es nicht durch eigene Bemühung erreichte. Denn Paulus war der widerspenstigste Mensch, ehe Christus ihn unterwarf. Fragt man aber nach der Ursache und dem Ursprung, so leitet uns Ananias zu dem Ratschluss Gottes, der den Paulus verordnete. Und sicherlich ist es ein viel kostbareres Ding, darin den Willen Gottes zu erkennen, als dass die Menschen durch eigene Kraft dahin gelangen sollten. Was aber jener Gotteswille ist, wird aus dem nächsten Satzglied deutlicher; denn nachdem Gott mannigfaltig und in mancherlei Weise zu den Vätern durch die Propheten geredet hat, offenbarte er zuletzt in seinem Sohne seinen Willen und sich selbst in völliger Weise (Ebr. 1, 1).

Und sehen den Gerechten, d. h. Christus. Wir wissen, dass es aller Heiligen höchste Sehnsucht war, den Anblick des Messias genießen zu dürfen. So entstand jenes Bekenntnis Simeons (Lk. 2, 29): „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Christus selbst bezeugt (Lk. 10, 24), dass die Sehnsucht nach diesem Schauen in allen frommen Königen und Propheten brannte. So hat es guten Grund, dass hier diese Gabe als eine unvergleichliche Wohltat Gottes gepriesen wird. Da es aber zu wenig wäre und nichts nützen würde, mit den Augen zu schauen, was sogar vielen den Tod brachte, wird auch das Hören der Stimme hinzugefügt. Auch den Zweck, für welchen Gott den Paulus so großer Ehre würdigte, bezeichnet Ananias: er sollte ein öffentlicher Zeuge für seinen Sohn werden. Er bereitet ihn also derartig vor, dass er nicht bloß für sich persönlich lernen, sondern mit umso größerem Eifer voranschreiten soll, weil er zum Lehrer der ganzen Kirche bestimmt ist.

V. 16. Und nun, was verziehest du? Ohne Zweifel hat Ananias den Paulus treulich in den Grunderkenntnissen der Frömmigkeit unterwiesen. Denn er hätte ihn nicht getauft, wenn er vom wahren Glauben nichts gewusst hätte. Lukas aber übergeht vieles und rührt nur kurz das Wesentliche an. Nachdem also Paulus erfasst hat, dass die verheißene Erlösung jetzt in Christus verwirklicht ward, kann Ananias mit Recht sagen, dass die Taufe keinen Aufschub mehr leiden dürfe. Die Frage: „Was verziehst du?“ – will übrigens den Paulus nicht schelten noch ihm Trägheit vorwerfen, sondern Gottes Gnade durch die Beifügung der Taufe noch größer erscheinen lassen. Ein ähnliches Wort lasen wir früher (10, 47): „Mag auch jemand das Wasser wehren, dass diese nicht getauft werden, die den heiligen Geist empfangen haben, gleichwie auch wir?“ Die Zusammenstellung: Lass dich taufen und abwaschen deine Sünden – beschreibt die Wirkung und Frucht der Taufe etwa in dem Sinne: Lass deine Sünden durch die Taufe abwaschen! Damit scheint aber dem äußeren und vergänglichen Element mehr zugeschrieben zu werden als recht ist, und es erhebt sich die Frage, ob die Taufe der Grund unserer Reinigung ist. Wenn allein Christi Blut unsere Sünden sühnt, und wenn, nachdem es zu diesem Zweck einmal vergossen ward, uns der heilige Geist vermittels des Glaubens damit besprengt und immer wieder reinigt, so wäre es eine Beleidigung gegen Christus und den heiligen Geist, wollte man diese Ehre auf das Zeichen, das Wasser, übertragen. Und die Erfahrung zeigt, wie stark die Menschen zu solchem Aberglauben neigen. Darum verdünnen viele fromme Männer die Kraft der Taufe gar zu sehr, weil sie den Glauben nicht vom äußeren Zeichen abhängig machen wollen. Aber es gilt Maß halten: man soll die Sakramente nicht derartig erheben, dass sie Christi Herrlichkeit verdunkeln, aber man darf ihnen auch nicht ihre Kraft und Wirkung absprechen. Darum muss man zuerst festhalten, dass es allein Gott ist, der uns die Sünden durch das Blut seines Sohnes abwäscht und der, um diese Abwaschung wirksam zu machen, in uns durch die verborgene Kraft des Geistes wirkt. Fragt man also nach der Vergebung der Sünden, so soll man keinen andern Urheber suchen als den Vater im Himmel und keine andere Grundlage sich vorstellen als Christi Blut. Denkt man dann weiter über die Durchführung und Aneignung nach, so gebührt dem heiligen Geist die erste Stelle, aber es kommt ein von ihm abhängiges Mittel hinzu: die Predigt des Evangeliums und eben die Taufe. Und wenn auch Gott allein durch das innere Wirken seines Geistes alles durchführt, so schließt dies doch nicht aus, dass er nach seinem Belieben Werkzeuge und Mittel anwendet, die er für passend hält. Gewiss zieht er nichts seinem Geist und dem Blute Christi ab, was er dann in das äußere Element einschlösse, - aber er will sich des Zeichens zur Hilfe für unsere Schwachheit bedienen. Insofern also die Taufe unserem Glauben hilft, die Vergebung der Sünden allein aus Christi Blut zu schöpfen, wird sie ein Abwaschungsmittel für die Seele genannt. Die Abwaschung, von welcher Lukas spricht, bezeichnet demgemäß nicht die eigentliche Ursache, sondern bezieht sich auf die Empfindung des Paulus, welcher durch den Empfang des Zeichens gewisser ward, dass seine Sünden gesühnt seien. Indessen muss zugleich erinnert werden, dass uns in der Taufe nicht ein leeres Bild geboten wird, sondern die Mitteilung der Sache selbst sich damit verbindet: denn Gott trügt nicht, wenn er etwas verheißt, sondern erfüllt in Wahrheit, was er durch die Bilder darstellt. Wiederum aber muss man sich hüten, Gottes Gnade an die Sakramente zu fesseln; denn die äußere Verwaltung der Taufe schafft Nutzen nur da, wo es dem Herrn gefällt. Damit löst sich auch eine andere Frage, die man aufwerfen könnte: wenn Paulus ein Zeugnis für Gottes Gnade besaß, waren ihm ja die Sünden schon vergeben. Also schaffte nicht erst die Taufe die Abwaschung, sondern Paulus erlebte eine weitere Bekräftigung der ihm geschenkten Gnade.

Rufe an den Namen des Herrn. Ohne Zweifel ist dabei an Christus zu denken. Allerdings ruft man nicht gerade seinen Namen in der Taufe an: aber der Vater weist uns an, von ihm alles zu erbitten, was die Taufe bildlich darstellt; und das Wirken des Geistes zielt auf nichts anderes, als uns an seinem Tod und seiner Auferstehung Anteil zu schaffen. Christus rückt also in der Taufe an die erste Stelle, aber eben als der, der uns vom Vater gegeben ward und seine Gnadengaben durch den heiligen Geist in uns ausgießt. Die Anrufung des Namens Christus umschließt also den Vater und den Sohn. Ananias meint ja nicht, dass Paulus Christi Namen nur äußerlich nennen solle; er denkt vielmehr an ein Gebet, in welchem die Gläubigen Zeugnis geben, dass allein Christus wirksam machen kann, was das äußere Zeichen bedeutet. Denn die Sakramente tragen weder eine Heilskraft in sich eingekapselt, noch vermögen sie irgendetwas aus sich selbst. Darum ist dieses Redeglied gleichsam eine Berichtigung des vorangehenden: Ananias lenkt den Paulus ausdrücklich vom Vertrauen auf das äußere Element zu Christus hin. Von dieser Regel entfernen sich die Papisten sehr weit, indem sie ihre Teufelsaustreibungen bei der Taufe zum Grund der Gnade machen. Sie beflecken damit Christi heiligen Namen: weit entfernt, das arme Volk zu Christus zu leiten, rücken sie ihn vielmehr durch ihre Taufe in den Hintergrund.

17Es geschah aber, da ich wieder gen Jerusalem kam und betete im Tempel, dass ich entzücket ward und sah in. 18Da sprach er zu mir: Eile und mache dich behend von Jerusalem hinaus; denn sie werden aufnehmen dein Zeugnis von mir. 19Und dich sprach: Herr, sie wissen selbst, dass ich gefangen legte und stäupte die, so an dich glaubten, in den Schulen hin und wieder; 20und da das Blut des Stephanus, deines Zeugen, vergossen ward, stund ich auch dabei und hatte Wohlgefallen an seinem Tode und verwahrte denen die Kleider, die ihn töteten. 21Und er sprach zu mir: Gehe hin; denn ich will dich ferner unter die Heiden senden. 22Sie höreten aber ihm zu bis auf dies Wort, und huben ihre Stimme auf und sprachen: Hinweg mit solchem von der Erde! denn es ist nicht billig, dass er leben soll.

V. 17. Es geschah aber usw. Dieser Bericht wäre noch nicht der Schluss der Rede gewesen; aber man unterbrach den Paulus durch unsinniges Geschrei. Indessen lässt der Zusammenhang leicht ersehen, worauf er zielte: indem er von seinem Amt zu sprechen begann, wollte er zeigen, dass er nicht aus freien Stücken von den Juden wegging, als wollte er ihnen böswillig seine Dienste entziehen, sondern dass Gottes Befehl ihn wider Erwarten und Vorsatz zu den Heiden zog. War er doch geflissentlich nach Jerusalem gekommen, um seinem Volk die ihm anvertraute Gnade mitzuteilen; aber der Herr nimmt ihm die Hoffnung auf Erfolg und treibt ihn weg. Es war aber ein doppelter Anstoß, den Paulus beseitigen wollte: die Juden glaubten, dass der Bund Gottes entweiht werde, wenn die Heiden unterschiedslos mit ihnen in die Gottesgemeinde eintreten dürften; und das stolze Volk empfand nichts übler, als dass andere ihm vorgezogen oder auch nur gleichgestellt werden sollten. Die Verteidigung des Paulus betont also, dass er seinerseits bereit war, sich den Juden zu widmen, aber durch Gottes Befehl, der ihn nicht nutzlos und müßig in Jerusalem wollte sitzen lassen, gezwungen ward, zu den Heiden zu gehen. Zur Bekräftigung wird auch Ort und Zeit genauer angegeben: der Herr erschien ihm, als er im Tempel betete, also aufs beste vorbereitet war, die Stimme Gottes zu vernehmen.

V. 18. Sie werden nicht aufnehmen dein Zeugnis. Obgleich ein bloßer Wink Gottes mehr als hinreichen müsste, uns zur Erfüllung unserer Pflicht zu treiben, will Christus durch Angabe des Grundes die Bereitschaft des Paulus noch steigern: er soll sich von Jerusalem entfernen, weil dort seine Arbeit keinen Erfolg haben würde. Er war ja nicht dazu erwählt, müßig zu sitzen oder mit seiner Lehre nichts auszurichten. Immerhin war dies gewaltige Versuchung, die wahrscheinlich das Herz des heiligen Mannes schwer erschüttert hat. Erst vor kurzem war ihm das Amt übertragen, das Evangelium auszubreiten und seine Stimme über den ganzen Erdkreis erschallen zu lassen: jetzt wird er schon auf der Schwelle gehemmt, ja, es scheint seine Arbeit mit besonderer Schmach behaftet zu werden, indem man sein Zeugnis gehässig von sich stößt. Es musste aber der heilige Knecht Gottes in dieser Weise gedemütigt werden, damit an seinem Beispiel alle Lehrer des Evangeliums lernen möchten, sich in völligem Gehorsam Christus zu übergeben, bereit, anderswohin zu gehen, wenn man sie von einem Ort vertreibt, ohne wegen unwürdiger Schmähungen den Mut zu verlieren oder von ihrer Pflicht abzustehen.

V. 19. Herr, sie wissen selbst usw. Damit bezeugt Paulus, dass er bei ganz klaren Sinnen war und die Glaubwürdigkeit der göttlichen Zusprache durchaus erfasste. Ohne Zweifel hat er Christus, den er als den Herrn anredet, erkannt. Er macht aber den Einwurf, dass die Juden, die seine plötzliche Bekehrung gesehen haben, durch dies Schauspiel nicht unerschüttert würden bleiben können, und er zieht den Schluss, dass seine Arbeit nicht fruchtlos sein werde. So dachte er selbst; aber Christus antwortet kurz und klar, dass er ihm einen andern Wirkungskreis bestimmt habe, und nimmt ihm die vergebliche Hoffnung auf die Juden. Es fragt sich, ob Paulus dem Herrn Christus seine Erwägungen entgegenhalten durfte. Das war ja, als wolle er ein Ding, das nach Christi Aussage nicht geschehen sollte, doch für wahrscheinlich erklären. Ich antworte: Gott gestattet seinen Heiligen, ihre Stimmungen vertraulich an seinem Busen auszuschütten, namentlich wenn sie nichts anderes suchen als eine Bekräftigung ihres Glaubens. Wer sich selbst für klug hält oder dem Herrn den Gehorsam widerspenstig verweigert, dessen Anmaßung wird ein gerechtes Urteil empfangen. Aber Gott in seiner Herablassung erlaubt den Gläubigen, ihm bescheiden entgegenzuhalten, was sie etwa von ernstem Gehorsam ablenken oder darin hemmen könnte, damit sie dann umso freier und von allen Bedenken entledigt sich ganz ihm übergeben können. So antwortet ja auch Paulus nicht weiter, nachdem er belehrt ist, dass es dem Herrn so gefällt; er streitet nicht mehr, sondern begnügt sich mit jener einzigen Einwendung, die er nunmehr beiseite schiebt, um sich zu der Reise zu rüsten, von der es schien, als wollte er ihr aus dem Wege gehen.

V. 22. Hinweg mit solchem von der Erde! Hier berichtet Lukas, wie man die Rede des Paulus lärmend unterbrach. Man übertäubt ihn nicht nur mit Geschrei, sondern will ihn dem Tode übergeben. Daraus sieht man deutlich, wie wahnsinnig der Stolz ist. In ihrer maßlosen Selbstgefälligkeit verachteten die Juden die ganze Welt und kämpften heftiger für ihre Würde als selbst für das Gesetz, als bewegte sich die ganze Religion um den Angelpunkt, dass Abrahams Geschlecht über alle andern Sterblichen hervorrage. So stürzen sie sich jetzt in ohnmächtiger Wut auf Paulus, weil er erklärt hatte, er sei als Apostel zu den Heiden gesandt. Als ob Gott durch seine Freigebigkeit sich selbst verpflichtet hätte, die Verachtung seines göttlichen Wesens durch verbrecherische und undankbare Menschen zu dulden, die er vor allen andern mit ausgezeichneten Gnadengaben geschmückt hatte! Es ist verwunderlich, bei den damaligen Juden solcher Frechheit zu begegnen, wenn sie doch selbst heute, nachdem sie in jeder Weise zerrieben und an die äußerste Schmach gewöhnt wurden, ihr geschwollenes Wesen nicht fahren lassen. Das sind eben die Früchte der Verwerfung, die währen soll, bis Gott nach der Weissagung des Paulus (Röm. 11, 5), die Reste sammeln wird.

23Da sie aber schrieen und ihre Kleider abwarfen und den Staub in die Luft warfen, 24hieß ihn der Hauptmann in das Lager führen und sagte, dass man ihn stäupen und erfragen sollte, dass er erführe, um welcher Ursache willen sie also über ihn riefen. 25Als er ihn aber mit Riemen anband, sprach Paulus zu dem Unterhauptmann, der dabeistund: Ist´s auch recht bei euch, einen römischen Menschen, und dazu ohne Urteil und Recht geißeln? 26Da das der Unterhauptmann hörte, ging er zu dem Oberhauptmann und verkündigte ihm und sprach: Was willst du machen? Dieser Mensch ist römisch. 27Da kam zu ihm der Oberhauptmann und sprach zu ihm: Sage mir, bist du römisch? Er aber sprach: Ja. 28Und der Oberhauptmann antwortete: Ich habe dies Bürgerrecht mit großer Summe zuwege gebracht. Paulus aber sprach: Ich aber bin auch römisch geboren. 29Da traten alsobald von ihm ab, die ihn erfragen sollten. Und der Oberhauptmann fürchtete sich, da er vernahm, dass er römisch war und er ihn gebunden hatte. 30Des andern Tages wollte er gewiss erkunden, warum er verklaget würde von den Juden, und löste ihn von den Banden und hieß die Hohenpriester und ihren ganzen Rat kommen, und führte Paulus hervor und stellete ihn unter sie.

V. 24. Hieß ihn der Hauptmann in das Lager führen. Der Tribun handelt klug und recht, wenn er Paulus den Blicken des Volkes entzieht, nachdem seine Gegenwart die schon hinreichend erregten Gemüter mehr und mehr gereizt hatte. Auf diese Weise schont er das Leben des heiligen Mannes und stillt wenigstens teilweise die Raserei des Volks. Indessen scheint es unbillig, dass er einen Mann, von dem man ihm noch kein bestimmtes Verbrechen zu sagen wusste, mit Geißeln schlagen lässt. Aber auch dies unbillige Verfahren hatte einen guten Schein: musste man doch glauben, dass nicht ohne Grund das ganze Volk wider das Haupt eines einzigen Mannes verschworen war. Doch wollen wir uns merken, dass kluge Staatsmänner sich als billige Richter aufzuspielen lieben, solange es ihnen nützlich scheint; winkt aber der Nutzen von der andern Seite, so schwenken sie auch dahin ab. Dabei geben sie sich zufrieden, solche Verkehrtheit mit dem Titel der Klugheit zu beschönigen, indem ihnen der allgemeine Grundsatz feststeht, dass man die Welt nicht ohne einen Schein von Gerechtigkeit regieren kann. Aber für Einzelfälle gewinnt jene Schlauheit die Oberhand, die mehr auf das sieht, was nützlich, als was recht und billig ist.

V. 25. Einen römischen Menschen, und dazu ohne Urteil und Recht geißeln? Zuerst beruft sich Paulus auf sein Bürgerrecht, sodann deckt er sich mit dem allgemein menschlichen Recht. Am gewichtigsten war das zweite Stück, dass es ein Unrecht sei, einen Menschen ohne Verhör und Urteil zu geißeln. Aber der Apostel hätte nichts ausgerichtet, wenn er nicht durch die Berufung auf die Ehre des römischen Reichs dem Hauptmann hätte einen größeren Eindruck machen können. Die Freiheit des römischen Volks zu verletzen galt ja damals als das größte Verbrechen. Eine ganze Reihe von Gesetzen (vgl. zu 16, 37) schärfte ein, dass niemand ohne Geheiß des Volks sich an dem Leibe eines römischen Bürgers vergreifen solle. Dies Privilegium war so unantastbar, dass man es nicht nur für ein schweres, sondern für ein unsühnbares Verbrechen hielt, einen römischen Bürger zu schlagen. So erwirkte Paulus seine Schonung mehr durch dies Privilegium als durch die Berufung auf die Billigkeit; aber er trug kein Bedenken, in einer guten Sache sich durch diesen Schild seines Bürgerrechts gegen ein ihm drohendes Unrecht zu schützen.

V. 26. Dieser Mensch ist römisch. Man könnte sich wundern, dass der Unterhauptmann, statt zu prüfen, sich mit der Aussage des Paulus beruhigt, als stände die Tatsache fest. Denn wenn man dieser Behauptung ohne weiteres Glauben schenken musste, konnte ja jeder Übeltäter mit solchem Kunstgriff seine Bestrafung vereiteln. Indessen war das Verfahren so geordnet, dass ein Mensch, der sein römisches Bürgerrecht behauptete, ohne es beweisen zu können, der Bestrafung verfiel; das Bürgerrecht fälschlich vorzuwenden, war ein schweres Verbrechen. Wenn also Lukas auch nicht sagt, welche Beweise Paulus vorlegen konnte, so ist doch kein Zweifel, dass der Oberhauptmann sich erst der Wahrheit vergewisserte, bevor er ihn leichter behandelte.

V. 28. Ich habe dies Bürgerrecht mit großer Summe zuwege gebracht. Das ist ein Einwurf, mit welchem der Tribun sagen will, dass das Bürgerrecht keine gemeine und für jedermann erreichbare Sache sei. Seine Meinung ist: wie ist es möglich, dass du obskurer Mensch aus Cilicien diese Ehre, die mich schweres Geld gekostet hat, gewinnen konntest? Paulus antwortet, er sei als römischer Bürger geboren. Obwohl er die Stadt Rom niemals gesehen hatte und vielleicht auch sein Vater nie dorthin gekommen war, hat dies doch nichts Anstößiges. Wer die römische Geschichte kennt, weiß, dass auch Provinzbewohnern, die sich im Kriege oder in andern wichtigen Geschäften Verdienste um den Staat erworben hatten, das Bürgerrecht geschenkt wurde; sie konnten es sich als Lohn vom Prokonsul, dem obersten Beamten der Provinz, erbitten. So konnte jemand recht wohl als römischer Bürger geboren sein, obwohl er aus einer entfernten Provinz stammte und niemals einen Fuß auf italischen Boden gesetzt hatte. Es fragt sich aber, wie es zusammenstimmt, dass der Tribun sich fürchtet, weil er einen römischen Bürger gefesselt hat, und dass er ihn doch erst am nächsten Tage freilässt. Doch bezieht sich die Furcht darauf, dass Paulus gegeißelt werden sollte: mit dieser körperlichen Antastung eines römischen Bürgers wäre die allgemeine Freiheit verletzt worden; Gefängnishaft war dagegen zulässig.

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