Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 12.

Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 12.

1 Um dieselbige Zeit legte der König Herodes die Hände an, etliche von der Gemeine zu peinigen. 2 Er tötete aber Jakobus, des Johannes Bruder, mit dem Schwert. 3 Und da er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und fing Petrus auch. Es waren aber eben die Tage der süßen Brote. 4 Da er ihn nun griff, legte er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Rotten, je von vier Kriegsknechten, ihn zu bewahren, und gedachte, ihn nach den Ostern dem Volk vorzustellen. 5 Und Petrus war zwar im Gefängnis gehalten; aber die Gemeine betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.

V. 1. Es erhebt sich eine neue, von Herodes erregte Verfolgung. Wir sehen also, dass der Gemeinde nur ein kurzer Waffenstillstand beschieden war: sie durfte ein wenig aufatmen und Mut für die Zukunft sammeln, musste dann aber von neuem kämpfen. Übrigens war dieser Herodes Agrippa, der Ältere, der Sohn jenes Aristobul, den sein Vater getötet hatte. Ihn nennt Josephus niemals Herodes, vielleicht weil sein Bruder, der König von Chalcis war, mit diesem Namen genannt wurde. Zur Verfolgung der Gemeinde entzündete ihn nicht religiöser Eifer. Wahrscheinlich hat er unschuldiges Blut vergossen, um, wie es eine verbreitete Politik der Könige ist, dem fanatischen Volk einen Gefallen zu tun. Denn kurz darnach wird Lukas berichten (V. 3 f.), dass Petrus ins Gefängnis gelegt ward, um dem Volk als angenehmes Schauspiel zu dienen.

V. 2. Er tötete aber Jakobus. Es ist kein Zweifel, dass die Grausamkeit des rasenden Menschen durch Gottes geheime Kraft zurückgehalten und gehemmt wurde. Denn er hätte sich nicht mit dem einen oder anderen Mord begnügt und dann die Verfolgung der übrigen eingestellt; er hätte vielmehr ungeheure Massen von Märtyrern aufgehäuft, wenn nicht Gott seine Hand dagegen gehalten und seine Herde geschützt hätte. Der Herr will seiner Schafe schonen und lässt den Tyrannen nicht soviel Schaden tun, wie er will. Den Jakobus tötet er, wie man in einem Aufruhr die Führer und Häupter zu strafen pflegt, um durch ihre Hinrichtung das gemeine Volk zu schrecken. Dabei ließ der Herr zu, dass man einen Mann zum Tode dahin riss, den er mit Standhaftigkeit ausgerüstet hatte, damit er als ein tapferer und unbesiegter Kämpfer im Sterben siege. Mögen also die Tyrannen alles in Bewegung setzen, Gott erwählt sich doch Opfer, die ihm einen süßen Geruch geben, zur Kräftigung des Glaubens an sein Evangelium. Diesen Jakobus bezeichnet Lukas als des Johannes Bruder, zum Unterschied von dem Sohn des Alphäus.

V. 3. Da er sah, dass es den Juden gefiel. Hieraus sehen wir noch deutlicher, dass den Herodes weder Eifer für das mosaische Gesetz, noch Hass gegen das Evangelium zur Verfolgung der Gemeinde trieb: vielmehr wollte er für seinen eigenen Vorteil sorgen. Denn um die Gunst des Volks für sich zu gewinnen, fährt er in seinem Wüten fort. Wir müssen nämlich wissen, dass es mancherlei Gründe sind, um derentwillen man von allen Seiten die Gemeinde angreift. Oft reizt ein verkehrter Eifer die Unfrommen zu ihrem Ansturm; sie wollen für ihren Aberglauben kämpfen und ihren Götzen durch das Vergießen unschuldigen Blutes ein Opfer bringen. Die meisten aber lassen sich durch persönliche Vorteile leiten. So hat einst Nero, als er nach dem Brand der Stadt sich berüchtigt und dem Volk verhasst gemacht hatte, mit einem Kunstgriff nach neuer Gunst gehascht oder wenigstens darnach getrachtet, die Vorwürfe und Klagen zu stillen, indem er einige tausend Fromme abschlachten ließ. Es hält uns aber der eine Trost ganz trefflich aufrecht, dass wir wissen, wie kostbar unser Blut, dessen die Welt so schmählich missbraucht, vor Gott ist: denn je unwürdiger und schmachvoller uns die Gottlosen behandeln, desto weniger wird Gottes Güte uns verlassen.

V. 4. Und überantwortete ihn vier Rotten usw. Die genauere Angabe der Umstände zeigt, dass Petrus wie in einem Grabe verschlossen ward. Es schien bereits um ihn geschehen. Denn entsprechend der Einteilung des Tages und der Nacht in vier Abschnitte von je drei Stunden hatte Herodes die Bewachung eingerichtet: vier Kriegsknechte sollten ständig Wache halten und nach Verlauf von drei Stunden jedes Mal von vier anderen abgelöst werden. Lukas gibt auch den Grund an, weshalb Petrus nicht sofort zum Henker geschleppt ward: man trug religiöse Bedenken, ihn während der Tage des Passahfestes hinzurichten. Herodes schiebt also nicht auf, als wäre sein Entschluss noch schwankend, sondern wartet nur die Gelegenheit ab; ja er wählt die Zeit aus, zu welcher das Werk einen umso größeren Eindruck machen wird, weil von allen Seiten eine große Volksmenge zum Fest zusammenströmte.

V. 5. Aber die Gemeine betete. Hier hören wir, dass die Gläubigen inzwischen in ihrer Pflicht nicht lässig wurden. Stand auch nur der eine Petrus in der ersten Schlachtlinie, so streiten doch alle durch ihre Gebete mit und gewähren dadurch die ihnen mögliche Hilfe. Wir schließen daraus auch, dass ihr Mut nicht gebrochen war; denn durch ihre Gebete geben sie Zeugnis, dass sie männlich im Eintreten für eben die Sache ausharren, für welche Petrus bis zur Gefahr seines Lebens sich müht. Diese Stelle lehrt uns, welcher Sinn uns beseelen muss, so oft wir unsere Brüder um des Zeugnisses für das Evangelium willen von gottlosen Leuten bedrängt sehen. Denn wenn wir gleichgültig bleiben und uns durch ihre Gefahren nicht ängstlich rühren lassen, betrügen wir sie nicht bloß um die gebührende Pflicht der Liebe, sondern lassen auch treulos das Bekenntnis unseres Glaubens im Stich. Handelt es sich aber um eine gemeinsame Sache, ja kämpfen sie für unser Heil, so wäre dies nicht bloß Untreue gegen sie, sondern auch gegen uns und Christus. Und die drängende Notwendigkeit erfordert, dass Leute, die Christen sein wollen, sich auf einen viel glühenderen Gebetseifer stimmen, als man ihn gewöhnlich sehen kann. Wir sehen, wie manche unserer Brüder in äußerster Dürftigkeit in die Fremde gehen müssen, wie andere in Fesseln liegen, viele in schreckliche und scheußliche Gruben geworfen, viele zum Feuer geschleppt wurden; ja immer neue Qualen hat man ausgedacht, die sie nach langer Peinigung das Sterben spüren ließen. Wenn solche Dinge uns nicht wenigstens Reizmittel zu ernstlichem Gebet werden, sind wir mehr als stumpfsinnig. Sobald also irgendeine Verfolgung sich erhebt, müssen wir zum Gebet unsere Zuflucht nehmen. Wahrscheinlich ist die Gemeinde um das Leben des Petrus auch umso mehr besorgt gewesen, je größer der Verlust war, den sein Tod gebracht hätte. Lukas sagt auch nicht bloß, dass man betete, sondern dass man es ohne Aufhören tat. Die Gläubigen übten also die Gebetspflicht nicht kalt und obenhin, sondern waren ohne alles Nachlassen darauf gespannt, den Petrus in jeder ihnen möglichen Weise zu stützen, solange er im Kampfe stand.

6 Und da ihn Herodes wollte vorstellen, in derselbigen Nacht schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten, gebunden mit zwei Ketten, und die Hüter vor der Tür hüteten des Gefängnisses. 7 Und siehe, der Engel des Herrn kam daher, und ein Licht schien in dem Gemach; und schlug Petrus an die Seite und weckte ihn und sprach: Stehe behände auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. 8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und tu deine Schuhe an! Und er tat also. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um dich und folge mir nach! 9 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass ihm wahrhaftig solches geschähe durch den Engel, sondern es deuchte ihn, er sähe ein Gesicht. 10 Sie gingen aber durch die erste und andre Hut und kamen zu der eisernen Tür, welche zur Stadt führet; die tat sich ihnen von ihr selber auf; und traten hinaus und gingen hin eine Gasse lang; und alsobald schied der Engel von ihm. 11 Und da Petrus zu ihm selber kam, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt hat und mich errettet aus der Hand des Herodes und von allem Warten des jüdischen Volks.

V. 6. Und da ihn Herodes wollte vorstellen usw. Die Gemeinde scheint zuerst ohne Erfolg zu beten; denn schon ist der Tag für die Abschlachtung des Petrus festgesetzt, und nur noch eine Nacht trennt ihn vom Tode. Dennoch hören die Gläubigen nicht auf, zu beten, weil sie wissen, dass der Herr, wenn er den Seinen Hilfe bringen will, oft seine Zeit im äußersten Punkt der Not hat, und dass er in mancherlei Weise die Seinen retten kann. Auch hat man wahrscheinlich nicht bloß um das Leben des Petrus gebetet, sondern auch darum, dass der Herr ihn zum Ruhme des Evangeliums mit unbesieglicher Tapferkeit wappne, und dass Gott das Evangelium seines Sohnes nicht den Schmähungen der Gottlosen aussetze.

Schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten usw. Alle diese Umstände rücken Gottes wunderbares Wirken in noch helleres Licht. Denn wer sollte nicht meinen, dass den Petrus schon der Tod verschlungen habe? Atmet er auch noch, so ist er doch von hundertfachem Tod umgeben, und keine Spalte bleibt, durch die er entfliehen könnte. Dass er also aus der Mitte des Todes entflieht, dass er sicher einhergeht unter den Händen seiner Henker, dass seine Ketten zu schmelzen scheinen und abfallen, dass die eiserne Tür sich ihm öffnet, - aus alledem wird klar, dass seine Befreiung wahrhaft göttliche Art an sich trägt. Durch diese Zeichen wurde Petrus auch in nützlicher Weise belehrt, so dass er die von ihm erkannte göttliche Gnade alsbald auch vor den Menschen predigen konnte.

V. 7. Und ein Licht schien. Wahrscheinlich hat allein Petrus dieses Licht geschaut, während die Soldaten verschlafen und stumpf waren, so dass sie nichts merkten. Dies ungewohnte Licht war dem Petrus ein Zeichen himmlischer Herrlichkeit und ein Beweis der Gegenwart Gottes; zugleich konnte er es auch auf seinem Wege ganz nützlich gebrauchen. Dass der Engel den Petrus an die Seite schlug, lässt ersehen, wie besorgt Gott für die Seinen ist: er wacht für sie, wenn sie schlafen, und weckt sie aus dem Schlummer. Sicherlich wären wir sehr übel daran, wenn allein die Beständigkeit unserer Gebete den Herrn auf seinem Wachtposten festhielte. Denn in der Schwachheit unseres Fleisches versagen wir; und am meisten bedürfen wir seiner Hilfe, wenn unsere Gedanken anderswohin abgelenkt sind und ihn nicht suchen. Der Schlaf ist ein Bild des Todes, indem er alle Empfindungen erstickt und erdrückt. Was sollte mit uns werden, wenn Gott dann aufhörte, auf uns zu schauen? Indem aber die Gläubigen beim Schlafengehen dem Herrn ihr Heil empfehlen, geschieht es, dass auch ihr Schlaf Gott anruft. Wenn nun alsbald nach den Worten des Engels dem Petrus die Ketten von den Händen fielen, können wir schließen, dass ein bloßer Befehl Gottes Macht genug hat, jegliches Hindernis zu überwinden, obgleich ringsum die Wege verrammelt scheinen. Wenn er die Unruhen des Krieges stillen will, mag die ganze Welt in Waffen starren, - es werden doch Lanzen und Schwerter den Händen entsinken. Will er dagegen durch Krieg uns und unsere Sünden verfolgen, werden in einem Augenblick Herzen entbrennen, die zuvor der Ruhe ergeben waren, und die Hände werden die Schwerter ergreifen. Dass Lukas sowohl die Worte des Engels als die Reihenfolge der Ereignisse bis ins einzelnste berichtet, trägt zur Glaubwürdigkeit der Erzählung bei; es soll in jeder Hinsicht wohl bezeugt sein, dass die Rettung des Petrus göttlichen Ursprungs war.

V. 9. Und wusste nicht, dass ihm wahrhaftig solches geschähe. Gewiss meinte er nicht, ein hohles und trügerisches Schauspiel zu sehen, wie es der Satan den Menschen oft vorspiegelt; als „wahrhaftig“ wird vielmehr bezeichnet, was wirklich im menschlichen Leben geschieht. Es handelt sich um den Gegensatz zwischen Tatsache und Gesicht. Aber auch wenn Petrus nur an ein Gesicht denkt, ist er doch zum Gehorchen bereit. Ohne zu fragen und zu streiten, was er tun solle, gibt er sich mit dem bloßen Befehl des Engels zufrieden und tut, was ihm geheißen ist.

V. 10. Sie gingen durch die erste und andre Hut. Gott hätte Petrus in einem Augenblick herausreißen können, überwindet aber die verschiedenen Schwierigkeiten Schritt für Schritt, damit die Herrlichkeit des Wunders noch größer erscheine. So hat er die Welt in sechs Tagen erschaffen, nicht als ob er Zeit dazu bedurft hätte, sondern um uns besser bei der Betrachtung seiner Werke festzuhalten. Gott passt sein Verfahren unserem Verständnis und dem Fortschritt des Glaubens an. Wäre Petrus plötzlich aus dem Gefängnis in das Haus versetzt worden, wo die Brüder versammelt waren, so hätte man nur eine einzige Befreiung anerkannt; jetzt aber sehen wir gleichsam mit Augen, wie er mehr als zehnmal gerettet ward.

V. 11. Da Petrus zu ihm selber kam usw. Zuvor war er gleichsam außer sich, starr durch das unerwartete und unglaubliche Geschehen. Jetzt erst ist es, als wäre die Entzückung vorüber, und er sieht sich aus dem Tode entrissen. Seine Worte, die Lukas berichtet, enthalten eine Danksagung. Petrus preist bei sich die Wohltat Gottes, die er erfahren hat, und predigt sie sich selbst, bis er andere Zeugen findet. Dass der Herr seinen Engel gesandt hat, sagt er nach der allgemeinen Empfindung der Frommen, die dafür halten, dass Gott Engel dafür bestimmt hat, über ihr Wohlergehen zu wachen. Wäre diese Überzeugung ihm nicht bereits tief eingeprägt gewesen, so würde er jetzt nicht von einem Engel sprechen. Und doch rühmt er den Engel keineswegs als den Urheber der Gnade, sondern schreibt alles Lob für das Werk allein Gott zu. Die Engel widmen uns auch nicht ihre Hilfe, um auch nur das geringste Stück der Herrlichkeit Gottes sich anzueignen. Dass Petrus sich aus der Hand des Herodes errettet fühlte, deutet auf die Macht seines Feindes und erhebt Gottes Wohltat umso höher. Eben darauf zielt auch der Hinweis auf die Juden. Denn je größer die Zahl der Feinde war, umso ausgezeichneter war Gottes Gnade gegen seinen Knecht. Ist es doch eine große Sache, dass Feindschaft und Hass einer ganzen Welt in nichts zusammenbrechen müssen, wenn nur Gott uns gnädig ist.

12 Und als er sich besann, kam er vor das Haus Marias, der Mutter des Johannes, der mit dem Zunamen Markus hieß, da viele beieinander waren und beteten. 13 Als aber Petrus an die Tür klopfte des Tores, trat hervor eine Magd, zu horchen, mit Namen Rhode. 14 Und als sie des Petrus Stimme erkannte, tat sie das Tor nicht auf vor Freuden, lief aber hinein und verkündigte es ihnen, Petrus stände vor dem Tor. 15 Sie aber sprachen zu ihr: Du bist unsinnig. Sie aber bestand darauf, es wäre also. Sie sprachen: Es ist sein Engel. 16 Petrus aber klopfte weiter an. Da sie aber auftaten, sahen sie ihn und entsetzten sich. 17 Er aber winkte ihnen mit der Hand, zu schweigen, und erzählte ihnen, wie ihn der Herr hatte aus dem Gefängnis geführet, und sprach: Verkündiget dies Jakobus und den Brüdern. Und ging hinaus und begab sich an einen andern Ort. 18 Da es aber Tag ward, war nicht eine kleine Bekümmernis unter den Kriegsknechten, wie es doch mit Petrus gegangen wäre. 19 Herodes aber, da er ihn forderte und nicht fand, ließ er die Hüter verhören und hieß sie wegführen.

V. 12. Kam er vor das Haus Marias. Das scheint eine würdige Frau von seltener Frömmigkeit gewesen zu sein; ihr Haus war gleichsam ein Tempel Gottes, wo die Brüder zusammenzukommen pflegten. Lukas sagt, dass viele daselbst beieinander waren. Sie versammelten sich eben in verschiedenen Abteilungen an verschiedenen Orten der Stadt, weil ein Verdacht öffentlichen Aufruhrs hätten entstehen müssen, wären sie alle zugleich zusammengekommen. Ich zweifle aber nicht, dass auch anderwärts solche Versammelungen stattfanden. Dabei wollen wir uns die Umstände der Zeit vergegenwärtigen: die Frommen versammelten sich, während die Wut der Feinde entbrannt war. Ist solche Übung zu allen Zeiten nützlich, so ist doch vor allem nötig, wenn harte Kämpfe bevorstehen.

V. 13. Als aber Petrus an die Tür klopfte usw. Die Magd, welche des Petrus Gegenwart meldet, hält man für unsinnig (V. 15). Daraus ist zu schließen, dass man die Befreiung des Petrus durchaus nicht erwartete. Dennoch dürfen wir nicht sagen, dass jene Leute ohne Glauben beteten. Sie schauten eben auf eine andere Erhörung: Petrus sollte bereit sein, mit himmlischer Kraft gerüstet, durch Leben oder durch Sterben Christi Namen zu verherrlichen; die Herde sollte nicht durch den Schrecken über den gewaltsamen Einbruch der Wölfe zerstreut werden, und Schwache sollten nicht zu Fall kommen; der Herr sollte den Sturm der Verfolgung stillen. Er gibt ihnen aber mehr, als sie gehofft hatten, und geht in seiner unermesslichen Güte weit über ihre Bitten hinaus. So erscheint ihnen unglaublich, was geschehen ist; sie sollen dadurch erweckt werden, Gottes Kraft noch höher zu rühmen.

V. 15. Es ist sein Engel. Man meint einen Engel, den Gott ihm als Wächter und Hüter beigegeben habe. In diesem Sinn sagt Christus, dass die Engel der Kleinen allezeit das Angesicht des Vaters sehen (Mt. 18, 10). Daraus darf man aber nicht etwa schließen, dass jeder Mensch je einen Schutzengel hat. Denn nach dem Zeugnis der Schrift wird zuweilen einem großen Volk nur ein einziger Engel gegeben (2. Mos. 14, 19; Dan. 10, 5. 12) und auf der anderen Seite einem einzigen Menschen ein ungeheures Heer. So wurden dem Diener des Elisa die Augen geöffnet, viele feurige Wagen in der Luft zu sehen, welche zum Schutze des Propheten bestimmt waren (2. Kön. 6, 17). Die Schrift lehrt also nur im Allgemeinen, dass Gott den Engeln anbefohlen hat, die einzelnen Gläubigen zu behüten und sich um die Frommen her zu lagern (Ps. 91, 11; 34, 8). So genüge es uns, zu wissen, dass für das Wohlergehen der Gemeinde die ganze himmlische Heerschar wacht, und dass je nach Bedürfnis bald ein Engel, bald mehrere mit ihrem Schutz uns decken. Welche unschätzbare Güte Gottes, dass er die Engel, die doch Strahlen seines göttlichen Glanzes sind, zu unseren Dienern macht!

V. 17. Verkündiget dies Jakobus und den Brüdern. Unter diesen Brüdern verstehe ich nicht beliebige Christen, sondern die Apostel und Ältesten. Musste auch das Wunder allen bekannt werden, so will Petrus doch mit Recht um der Ehre willen zunächst seine Amtsgenossen benachrichtigt haben. Den Jakobus halten die kirchlichen Schriftsteller nach Eusebius fast einstimmig für irgendeinen Jünger; da ihn aber Paulus (Gal. 2, 9) zu den drei Säulen der Gemeinde zählt, dünkt es mich nicht glaublich, dass irgendein Jünger unter Zurückschiebung der Apostel zu solcher Ehre emporstieg. So denke ich lieber an Jakobus Alphäi, dessen Heiligkeit die Juden zu großer Bewunderung zwang. Es war aber ein doppelter Grund, um dessentwillen Petrus die frohe Kunde den Brüdern überbracht wissen wollte: einmal wollte er ihnen die Sorge nehmen, die sie quälte; zum anderen sollte solches Beispiel der Gnade Gottes sie zu größerer Zuversicht ermutigen. Dass er sich an einen andern Ort begab, wird geschehen sein, weil das Haus, in welchem täglich viele Gläubige sich versammelten, bekannt war und er sich anderwärts mit geringerer Gefahr verbergen konnte. Nicht bloß um seinetwillen sucht er sich also einen den Feinden weniger verdächtigen Aufenthalt, sondern auch um die Wirtin und die anderen zu schonen.

V. 18. Da es aber Tag ward usw. Nunmehr kehrt der Bericht zu den Soldaten und zu Herodes zurück, die in gewaltige Erregung kamen. Dass Herodes, nachdem er die Sache untersucht (V. 19), die Hüter wegführen hieß, wird nicht auf Hinrichtung deuten, sondern nur auf Gefängnis. Man kann daraus schließen, dass ihre Zuverlässigkeit und Schuldlosigkeit festgestellt wurde. So muss Herodes selbst zum Zeugen der göttlichen Befreiung werden. Hätte irgendein Verdacht auf Nachlässigkeit bestanden, so wäre Todesstrafe bereit gewesen. Dass er aber die Hüter nicht ganz frei ausgehen lässt, daran hinderte ihn seine gottlose Wut und tyrannische Raserei. Jedenfalls gibt er nun ein hervorragendes Zeugnis von Blindheit, dass er, nachdem er auch bei geschlossenen Augen Gottes mächtiges Wirken spüren musste, doch sich nicht zur Sanftmut beugen lässt, sondern in verstockter Bosheit dem Herrn zu widerstehen fortfährt. So raubt Satan den Gottlosen die Empfindung, dass sie mit sehenden Augen nicht sehen; und der Herr rächt sich und die Gemeinde, indem er sie mit solch schrecklichem Stumpfsinn schlägt.

Und er zog von Judäa hinab gen Cäsarea und hielt allda sein Wesen. 20 Denn er stand in Feindschaft wider die von Tyrus und Sidon. Sie aber kamen einmütiglich zu ihm und überredeten des Königs Kämmerer Blastus und baten um Frieden, darum dass ihre Lande sich nähren mussten von des Königs Land. 21 Aber auf einen bestimmten Tag tat Herodes das königliche Kleid an, setzte sich auf den Richtstuhl und tat eine Rede zu ihnen. 22 Das Volk aber rief zu: Das ist Gottes Stimme und nicht eines Menschen. 23 Alsbald schlug ihn der Engel des Herrn, darum dass er die Ehre nicht Gott gab; und ward gefressen von den Würmern und gab den Geist auf. 24 Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich. 25 Barnabas aber und Saulus kehrten wieder von Jerusalem, nachdem sie überantwortet hatten die Handreichung, und nahmen mit sich Johannes, mit dem Zunamen Markus.

V. 20. Diese denkwürdige Geschichte zeigt wie in einem Spiegel, welches Ende der Feinde der Gemeinde wartet, und wie verhasst überhaupt vor Gott der Übermut ist. Die Schrift bezeugt (1. Petr. 5, 5), dass Gott den Hoffärtigen widersteht; davon gibt er hier an der Person des Herodes ein lebendiges Bild. Es ist auch so; sobald die Menschen sich über Gebühr erheben, müssen sie in Krieg mit Gott geraten. Denn er will allein groß sein und gebietet darum allem Fleisch, stille zu schweigen. Wenn nun Gott an einem Könige, den das Glück aufblähte, den Hochmut so streng gestraft hat, was wir dann erst gewöhnlichen Menschen geschehen, die sich ohne Anlass lächerlich aufblasen. Übrigens ist der Verlauf der geschichtlichen Ereignisse zu beachten. Nachdem Herodes die Gemeinde grausam gequält hat, geht ihm alles glücklich vonstatten; er zwingt benachbarte Völker, die durch Hunger gebändigt sind, Verzeihung zu erbitten, gleich als belohnte ihn Gott noch für sein gottloses Rasen. Das ist keine geringe Anfechtung für die Gläubigen, welchen der Verdacht kommen musste, dass Gott sich um sie nicht kümmere. Auch musste sie die Furcht beschleichen, es möchte mit der Macht des Herodes seine tyrannische Grausamkeit wachsen. Aber Gott hegte einen ganz anderen Plan. Er führte den Unterdrücker seiner Gemeinde zur Höhe empor, um ihn desto tiefer zu stürzen. Daher war jenes schattenhafte Glück, in welchem er sich nur zu sehr gefiel, gleichsam eine Mästung für ihn auf den Schlachttag. Wenn wir heute blutgierige Feinde der Gemeinde mit ausgespannten Flügeln des Glücks zum Himmel streben sehen, so ist für uns doch kein Grund, den Mut zu verlieren. Vielmehr sollen wir an jenes Wort Salomos denken (Spr. 16, 18; 18, 12): „Wer zugrund gehen soll, der wird zuvor stolz, und Hochmut kommt vor dem Fall.“

Er stand in Feindschaft wider die von Tyrus usw. Das betreffende griechische Wort deutet nicht auf einen offenen Kampf, sondern auf einen feindlichen Zustand, in welchem Herodes mit heimlichen Künsten, gleich als mit Minen, jene Städte allmählich zu unterwerfen trachtete. Wie Demosthenes sagt, können ja freie Städte mit Monarchen nur selten in Eintracht leben. Zudem besaß Herodes einen hochfahrenden Geist, große Kühnheit und unersättliche Begierde. Ohne Zweifel waren Tyrus und Sidon als reiche, an Unterwürfigkeit nicht gewöhnte Städte ein Hemmnis, welches seinen maßlosen Ansprüchen im Wege stand. Auch die Erinnerung an ihren alten Ruhm konnte ihnen Mut machen. Und da gemeiniglich Reichtum ein hochfahrendes Wesen gebiert, dürfen wir uns nicht wundern, wenn jene beiden Städte hochfahrend wurden. Bezeichnet doch Jesaja (23, 8. 12) die eine als die Königin des Meeres, deren Kaufleute Fürsten und deren Krämer Satrapen seien. Und auch von Sidon bezeugt er, dass seine Reichtümer es stolz machten. Obgleich nun diese Städte nicht selten die schlimmsten Niederlagen erlitten hatten, brachte ihre günstige Lage sie doch in kurzem wieder zu dem früheren Stand zurück. So kam es, dass sie sich von Agrippa als von einem verachteten Menschen dunkler Herkunft, der zudem aus Gefängnis und Banden kam, nicht gleichmütig alles gefallen ließen, zumal sein Regiment über seine Untertanen ohnmächtig war, er sich aber den Nachbarn beschwerlich und verdammlich machte.

Darum dass ihre Lande sich nähren mußten usw. Da dem Herodes ein offener Angriff auf Sidon und Tyrus nicht bequem war, verbot er die Einfuhr von Lebensmitteln zu ihnen aus seinem Königreich. So drückte er sie ohne jede Truppenmacht durch eine langsame Belagerung. Denn das Gebiet beider Städte war schmal und ihr Acker unfruchtbar, wobei doch eine starke Bevölkerung ernährt werden musste. Durch Hunger gebändigt, bitten sie fußfällig um Frieden, und zwar nicht ohne Entgeld und Bedingungen. Denn schwerlich werden sie den Kämmerer Blastus mit bloßen Worten überredet, sondern mit Geschenken gewonnen haben, dass er für den Frieden eintrat.

V. 21. Aber auf einen bestimmten Tag usw. Die Gewährung des Friedens an Sidon und Tyrus berichtet Lukas, weil dieselbe dem König die Gelegenheit zu einer feierlichen Rede gab, mit welcher er sie sich ohne Zweifel für die Zukunft verpflichten wollte. Dieselbe Geschichte berichtet Josephus im 19. Buch seiner Altertümer in wunderbarer Übereinstimmung der Umstände. Er erzählt, dass des Königs Gewand mit Gold durchwirkt war, so dass es den Glanz der darauf fallenden Sonnenstrahlen zurückwarf. Diese Gelegenheit ergriffen die Hofleute, den König als Gott zu begrüßen. Da sei ihm plötzlich eine Wunde geschlagen worden; man habe auch einen Uhu gesehen, der sich auf ein Seil über sein Haupt setzte und dadurch seinen bevorstehenden Untergang ankündigte. Herodes selbst habe die Strafe für seine gottesräuberische Frechheit verstanden und endlich unter schrecklichen Qualen gesprochen: „Seht, so muss ich, den ihr als einen Gott ausgerufen habt, mein Leben aufs jämmerlichste endigen!“ Von einem Frieden, der mit Tyrus und Sidon geschlossen ward, meldet Josephus freilich nichts, sondern nur von Spielen, die man zu Ehren des Kaisers veranstaltete. Solche konnten aber wohl, wie dies öfter der Fall war, bei Gelegenheit eines Friedensschlusses stattfinden.

V. 23. Alsbald schlug ihn der Engel des Herrn. Wie zuvor ein Engel die Gnade Gottes bei der Befreiung des Petrus vermittelte, so vollzieht ein solcher auch jetzt Gottes Rache gegen Herodes. Zuweilen gebraucht Gott himmlische Engel, wenn er Strafen verhängen will; zuweilen stellt er aber auch Teufel als Henker an, durch deren Hand er seine Gerichte ausübt. Er macht dabei keinen Unterschied, ob es sich um Gläubige oder Verworfene handelt. Ein Saul wird durch den Satan gequält (1. Sam. 16, 14); dasselbe geschieht aber auch dem heiligen Hiob (Hiob 1, 11; 2, 7). Welcherlei Art die Krankheit des Herodes war, wage ich nicht bestimmt zu behaupten; der Ausdruck, dessen Lukas sich bedient, besagt, dass er von Würmern innerlich zerfressen ward. Soviel ist gewiss, dass stinkende Fäulnis ihn verzehrte, während er noch atmete, so dass er gleichsam ein lebendiger Leichnam war. So war er nicht bloß durch eine harte Folter gequält, sondern auch jedermanns Schmähungen und Spott ausgesetzt. Gott wollte eine Art der Strafe auswählen, die den Übermut des stolzen Mannes mit äußerster Schande überschüttete. Wäre Herodes durch irgendein großes und starkes Heer besiegt und in Armut gestoßen worden, so wäre Gottes Gericht nicht so spürbar geworden; die Strafe hätte einen freien und königlichen Zug getragen. Wenn aber seine Feinde Maden und Würmer sind und aus seinem Leibe scheußliche Fäulnis hervorbricht, die ihn zerfrisst und aufreibt, so widerfährt ihm eine Behandlung, deren er würdig ist und die er verdient hat. In dieser Weise wurde Pharao, der sich immer wieder in unbändigem Hochmut gegen Gott erhoben hatte, nicht königlich von irgendeinem Nachbarfürsten angegriffen, sondern Heuschrecken und Frösche kämpften als Gottes Krieger wider ihn. Denn je frecher ein Mensch sich erhebt, umso mehr hat er es verdient, dass Gott ihn schmachvoll in den tiefsten Abgrund hinab wirft.

Darum, dass er die Ehre nicht Gott gab. Nicht allein dies macht ihn des Gottesraubs schuldig, dass er sich einen Gott nennen ließ, sondern dass er vergaß, wer er war, und die Ehre Gottes an sich zog. Lesen wir nicht (Jes. 14, 13 f.), dass der König von Babel sich in ähnlicher Weise schmeichelte? Und ihm wirft der Prophet vor, dass er versucht habe, sich Gott gleichzumachen. Alle stolzen Menschen begehen also in gleicher Weise das Verbrechen des Gottesraubs, indem sie sich mehr anmaßen, als ihnen gebührt, und dadurch Gottes Ehre verdunkeln; so unternehmen sie wie die Giganten, soviel an ihnen ist, Gott von seinem Thron zu stoßen. Rauben sie auch nicht geradezu Gottes Namen, indem sie sich ausdrücklich Götter nennen, so reißen sie doch an sich, was Gott gehört, ziehen ihn auf ihre Stufe herab und wollen selbst als Götter gelten. Den Ursprung dieses Übels bezeichnet der Prophet mit einem Wort, indem er den Nebukadnezar sagen lässt: „Ich will meinen Stuhl erhöhen und über die hohen Wolken fahren.“ Darum ist das einzige Heilmittel, dass jeder sich auf der Stufe halte, auf die er gestellt ward: wer niedrig und gering ist, suche nicht die Höhe; aber auch die erhabensten Könige, und wer sonst über andere hervorragt, sollen bedenken, dass sie sterbliche Menschen sind, und sollen in Bescheidenheit ihre Höhe unter Gott stellen. Übrigens wollen wir bemerken, dass es nicht hinreicht, dem Herrn, der sein Eigentum ganz in Anspruch nimmt, nur zur Hälfte die Ehre zu geben. Indem die Schrift uns jegliches Lob der Weisheit, Tugend und Gerechtigkeit abspricht, kann niemand auch nur das geringste Stück von Herrlichkeit sich anmaßen, ohne Gott frevelhaft zu berauben. Das aber kann nur zum eigenen Verderben des Menschen geschehen.

V.24. Das Wort Gottes aber wuchs. Nach der Beseitigung des Tyrannen war die Gemeinde plötzlich gleichsam aus dem Rachen des Wolfs gerissen. Sind also die Gläubigen auch geachtet wie Schlachtschafe (Ps. 44, 23; Röm. 8, 36), so wird die Gemeinde doch immer ihre Feinde überleben. Und Gottes Wort wird immer von neuem empor tauchen, obgleich es durch die gottlose Tyrannei der Menschen immer wieder unterdrückt schien. Lukas wollte nämlich nicht einfach berichten, was nach dem Tode des Herodes geschah, sondern auch durch dies Beispiel uns Mut machen und die Gewissheit erwecken, dass Gott zu allen Zeiten tun werde, was er damals tat: der Lauf des Evangeliums wird durch alle Hindernisse der Feinde endlich hindurch brechen; und je mehr man die Gemeinde mindert, desto mehr wird sie unter dem himmlischen Segen wachsen.

V. 25. Barnabas aber und Saulus usw. Diese Erinnerung bezieht sich auf die Darreichung des Almosens, von welcher Lukas früher (11, 30) berichtete. Indem er jetzt die Bemerkung von ihrer Rückkehr nach Antiochien beifügt, bahnt er sich den Übergang zu einer neuen Erzählung. Weiter merkt er an, dass Barnabas und Paulus jenen Johannes Markus als Begleiter annahmen, dessen Mutter soeben ehrenvoll erwähnt ward, und der, wie wir sehen werden (15, 37 ff.), später zu einem schweren und schädlichen Zwiespalt unter ihnen den Anlass bot.

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