Calvin, Jean - An Jeanne d´ Albret, Königin von Navarra.

Nr. 720 (C. R. – 3904)

Calvin, Jean - An Jeanne d´ Albret, Königin von Navarra.

Antoine de Bourbon war am 17. Nov. 1562 bei der Belagerung von Rouen gefallen; da sein Sohn, der spätere Heinrich IV., noch minderjährig war, übernahm die Königin die Regierung und führte in ihrem Land die Reformation ein; der Nachbar, der sie dabei bedrohte, ist der König von Spanien. Calvin sandte Merlin (vgl. 662) zu ihr, um sie in der Reformation zu untetstützen.

Cuius regio, eius religio.

Madame, da es Gott gefallen hat, den König, Ihren Gemahl, aus dieser Welt zu nehmen und damit Ihnen die Sorge für Ihrer Länder und Untertanen zu übertragen, so tun Sie sehr wohl daran, wenn Sie Ihre Pflicht zu tun gedenken, da Sie ja dafür einem höchsten Herrn und Meister, der seine Rechte gewahrt wissen will, Rechenschaft abzulegen haben. Denn wenn er befiehlt, dass man ihn fürchten und die Könige ehren soll [1. Petr. 2, 17], und auch Ihnen damit die Ehre erweist, Sie gewissermaßen sich zuzugesellen, so haben Sie allen Grund, ihm mit allem Eifer zu huldigen und zu danken für den Stand und die Würde, die Sie von ihm haben. Und wie Sie nicht duldeten, dass die Ihnen zukommende Souveränität Ihnen von Ihren Beamten genommen würde, so müssen Sie auch, wenn Sie unter dem Schutze Gottes bleiben wollen, so gut wie möglich verordnen, dass alle Ihre Untertanen ihm dienen und ihn ehren, und selbst ihnen das Beispiel geben, dem sie folgen sollen. In der Tat, Madame, kann Ihre Regierung nur dann vor ihm bestehen, wenn Sie Ihre Majestät ihm ganz untertan machen. Sie wissen, dass alle Kniee sich beugen sollen unter die Herrschaft unseres Herrn Jesu Christi; den Königen aber ist es besonders ausdrücklich befohlen, sich huldigend vor ihm niederzuwerfen, um deutlich zu zeigen, dass sie mehr als andere gehalten sind, sich zu demütigen in der hohen Stellung, die ihnen gegeben ist, damit er erhöht werde, der das Haupt der Engel im Paradiese und also auch der Allerhöchsten auf Erden ist. Da nun, Madame, die Regierung in Ihre Hände gelegt ist, so müssen Sie auch merken, dass Gott Ihren Eifer und Ihre Sorgfalt prüfen will, ob Sie sich treulich in den wahren Dienst stellen, den er verlangt. Verschiedene Gründe hindern mich, dies länger auszuführen. Damit verbunden ist aber auch für alle, die Herrschaft auszuüben haben, dass sie ihre Länder reinigen von all dem Götzendienst und dem Schmutz, der die Reinheit des wahren Glaubens verdorben hat. Wenn St. Paulus für die Könige und alle Obrigkeit beten heißt, so begründet er das nicht ohne gut Ursache: auf dass wir unter ihnen leben mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit [1. Tim. 2, 2]. Bevor er von bürgerlicher Ehrbarkeit spricht, nennt er die Gottesfurcht, womit er zeigen will, dass es die Pflicht der Obrigkeit ist, für einen Gottesdienset zu sorgen. Ich ziehe die Schwierigkeiten, die Sie aufhalten, die Befürchtungen und Zweifel, die Sie entmutigen könnte, wohl in Betracht und zweifle nicht daran, Madame, dass alle Räte, die Sie um sich haben werden, im Blick auf diese Welt Sie in Ihrem Vorhaben zu hindern versuchen werden. Aber alle Menschenfurcht, die uns verleitet, muss in uns die Überzeugung wecken, dass wir ihn noch nicht recht fürchten und seine unüberwindliche Kraft, mit der er uns zu schützen verspricht, noch nicht recht schätzen. Deshalb, Madame, stützen Sie sich, um alle Schwierigkeiten zu überwinden, auf die Sicherheit, die Ihnen von oben gegeben wird, wenn Sie Gott gehorchen, wie er es verlangt. Auf zwei Dinge müssen sie vor allem Ihren Blick richten, und sie müssen Ihnen sogar zu Flügeln werden, die Sie über alle Hindernisse der Welt wegtragen; nämlich erstens Gottes Befehl und zweitens die Zuversicht, dass er Ihnen hilfreiche Hand bieten wird, zu Ende zu bringen, was Sie im Gehorsam gegen ihn anfangen. Nun kenne ich die Gründe wohl, die viele zum Nachweis erbringen dafür, dass eine Obrigkeit ihre Untertanen nicht zu christlichem Leben zwingen dürfe. Aber es ist denn doch eine zu weltliche Nachsicht, dem, der nichts von dem Seinen drangeben will, zu gestatten, dass sein Vorgesetzter um sein Recht betrogen wird. Genügt uns der Befehl nicht, so muss uns doch die Drohung erzittern lassen, dass jedes Reich, das nicht Jesu Christo dient, zu Grunde gehen wird [Jes. 60, 12]; denn diese Drohung bezieht sich ganz bestimmt auf den Zustand der christlichen Kirche. So schöne Ausreden auch die vorbringen mögen, die ihre Feigheit verbergen wollen, so bitte ich Sie doch, Madame, in sich zu gehen und selbst zu urteilen, ob nicht Gottes Herrschaft der Ehre, die er Ihnen erwiesen hat, vorgezogen werden muss, und Sie werden sofort recht entschieden haben.

An zweiter Stelle bleibt Ihnen dann noch die Pflicht, sich zu wappnen mit Gottes Verheißungen, damit Ihr Glaube der Sieg sei, der die Welt überwindet, wie St. Johannes sagt [1. Joh. 5, 4]. Erinnern Sie sich dabei auch daran, was dem Propheten Jesaja gesagt wurde [8, 12, 13] und was St. Petrus anführt [1. Petr. 3, 14. 15]: Fürchtet Euch aber nicht vor ihrem Trotzen und erschrecket nicht, sondern heiliget den Herrn der Heerscharen, dass er unsre Burg sei. Ich weiß wohl, Madame, wie Sie belauert werden von ihrem Nachbarn, der keinen Anlass vorübergehen lassen wird, Sie zu beunruhigen. Aber wenn Sie Gott fürchten, brauchen Sie ihn nicht zu fürchten. Es ist kein wahres Interesse, das ihn treibt, auch wenn er dergleichen tut. Wenn Sie sehen, dass er darauf lauert, Ihnen zu schaden, so stärken Sie sich mit der besten Verteidigung, die Sie haben können. Wenn Gott auch zulässt, dass die Bösen Ihnen einen Verdruss schaffen, so erinnern Sie sich an die denkwürdige Geschichte des Königs Hiskia [2. Kön. 18 – 19, Jes. 36 – 37]. Da gab Gott dem Feind auch die Zügel frei, Hiskia anzugreifen, der doch eben allen Aberglauben abgeschafft hatte, und Rabsake drohte ihm sogar, Gott werde ihm nicht helfen, weil er seine Altäre zerbrochen habe. Aber die wunderbare Hilfe, die dem König trotzdem vom Himmel her zuteil wurde, gibt auch Ihnen allen Grund, alle die zu verachten, die meinen, wegen der Änderung in Ihrem Land Ihnen überlegen zu sein.

Indessen, Madame, meine ich damit nicht, dass alles an einem Tag geschehen kann. Gott hat Ihnen Klugheit gegeben, das richtige Vorgehen herauszufinden, und die Umstände werden Ihnen die Mittel weisen, die die besten sind. Da ein Blatt nicht alles fasst, so habe ich das meiste dem Überbringer dieses Briefes aufgetragen, den ich als den Tauglichsten, den ich zur Hand hatte, auswählte, und den Sie hoffentlich auch als solchen kennen lernen werden. Ich habe bei unserm Kollegium wie bei unsern gnädigen Herren erwirkt, dass Sie ihn behalten können für die von Ihnen gewünschte Zeit, und alle haben es herzlich gerne gestattet; denn es ist keiner unter ihnen, der sich nicht ganz in ihren Dienst zu stellen wünschte. Nur eins möchte ich noch sagen, Madame: das Beste für Sie wird sein, an den Orten zu beginnen, wo es am schwersten scheint, da es am meisten in die Augen fällt. Denn sie werden sich dann mit weniger Lärm unterwerfen, und wenn Sie eine dieser Ortschaften gewonnen haben, so wird sie umso mehr andere nach sich ziehen. Ich möchte Sie noch darauf aufmerksam machen, dass Ihre Gegenwart dabei nicht unbedingt erforderlich ist, und dass solche Vorbereitungen zu treffen sind, eine nach der andern, dass die Feinde schon besiegt oder wenigstens geschwächt sind, ehe der offene Kampf beginnt.

Wenn es Ihnen auch gefällig wäre, Madame, noch etwas zu überlegen und auszuführen, so wäre es ein Ihrer Majestät würdiges Tun und für die ganze Christenheit so nützlich als möglich, wenn Sie an die deutschen Fürsten eine Gesandtschaft schickten mit der Bitte und Mahnung, ihre bisher bewiesene Gewogenheit auch weiter der Verteidigung der Sache des Herrn angedeihen zu lassen. Man müsste sich wenden an den Kurfürsten und Pfalzgrafen zu Rhein, an den Kurfürsten Herzog August von Sachsen, den Herzog von Württemberg und den Landgrafen von Hessen, aber je bälder, je besser. Ich bitte Sie deshalb, Madame, diese Sendung möglichst beschleunigen zu wollen. Das Übrige mag Ihnen der Überbringer mündlich ausrichten.

Indem ich mich Ihrer Gewogenheit, Madame, untertänigst empfehle, bitte ich den Vater im Himmel, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten, Sie leiten durch seinen Geist in aller Klugheit, Sie stark machen in aller Kraft und Festigkeit und Ihre Majestät zunehmen lassen in allem Guten.

Den 20. [Februar] 1563.

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