Calvin, Jean - An Nikolaus Radziwil, Pfalzgrafen zu Wilna.

Nr. 634 (C. R. – 3232)

Calvin, Jean - An Nikolaus Radziwil, Pfalzgrafen zu Wilna.

Die erste, von zwei Teilen erschienene Auflage des Kommentars zur Apostelgeschichte hatte Calvin dem König und dem Kronprinzen von Dänemark gewidmet (vgl. 337 und 390), doch hatten diese unter dem Einfluss lutherischer Theologen die Widmung nicht angenommen; die zweite Auflage des Werkes widmete Calvin deshalb dem Führer der polnischen Reformierten (vgl. 437); das Widmungsschreiben ist aus Partien der beiden alten Widmungen zusammengesetzt und es seien deshalb hier nur die neu hinzugekommenen Abschnitte übersetzt.

Von den Pflichten des christlichen Adels polnischer Nation.

Die Streichung der Namen der beiden Könige, denen ich diesen Kommentar zuerst gewidmet hatte, nötigt mich, kurz Rechenschaft darüber abzulegen, damit die Änderung mich nicht bei Unkundigen in den Verdacht des Leichtsinns bringe. Denn obwohl ich den seither verstorbenen Vater in dem ehrfürchtigen Andenken behalte, das er verdient, und auch dem Sohne den schuldigen Respekt erweise, so zwingt mich doch zur Tilgung ihrer Namen aus dieser zweiten Auflage die Schroffheit gewisser Theologen, die in ihrem verrückten Hass gegen mich fürchten, das Ansehen der Könige möge meinen Schriften Gunst erwerben, und deshalb behaupten, es habe diesen sehr missfallen, dass ihr Name mit einer von ihnen missbilligten Sakramentslehre in Verbindung gebracht worden sei. Ob das wahr ist oder nicht, will ich jetzt unentschieden lassen; es interessiert mich auch gar nicht, da ich für mich persönlich weder nach Gewinn noch Gunst geizte. Weil es mir aber unanständig und gering erschiene, Schriften, die willige Leser genug finden, solchen aufzudrängen, die nichts davon wollen, so halte ich es für der Mühe wert, öffentlich kund zu tun, dass ich nichts weniger wollte als das, aber doch auf mehr Freundlichkeit gehofft hatte, als ich nun erfahren musste. Darin kann doch sicher keine Beleidigung liegen, dass ich mich dem Hohn derer, die meine Dienstwilligkeit verachten, entziehe und sie den Genüssen, die sie begehren und die ihnen Vergnügen machen, überlasse.

Dich aber, erlauchtester Fürst, habe ich nicht ohne Grund gewählt als Ersatz für die beiden Könige. Denn ich erachte dich dessen sehr würdig, dass dein Name bei der geistlichen Erbauung des Tempels Christi deutlich genannt werde, und befürchte auch nicht, du könntest meinem Werke das Wohlwollen entziehen, das du mir persönlich in überaus freundlichen Briefen zu bezeugen geruhtest. Doch ganz abgesehen von persönlichem Wohlwollen will ich bei etwas weiterem verweilen; ich kann ja das, was ich früher den andern sagte, mit bestem Recht auf dich anwenden. Ich will auch deine herrlichen Tugenden, durch die du dir das höchste Ansehen und außerordentliche Gunst beim allergnädigsten König von Polen erworben hast, hier nicht besonders preisen. Eher hätte ich Lust zu einer Ermahnung, die dahin ginge, du möchtest doch in derselben Freudigkeit, mit der du gleich anfangs die reine, evangelische Lehre annahmst, in demselben energischen hochgemuten Sinn, mit dem du bisher den reinen Gottesdienst festzuhalten wagtest, in derselben Standhaftigkeit auf dem betretenen Wege fortfahren. Eine seltene Tapferkeit hast du bewiesen; denn obwohl du wusstest, dass bei vielen nichts so verhasst ist wie ein offenes Bekenntnis zur Frömmigkeit und ein freimütiger Eifer darin, so hast du doch nicht gezögert, sobald dir die Wahrheit des Evangeliums Christi aufleuchtete, ihr die Ehre zu geben und damit den Hass dieser Leute auf dich zu lenken. Nicht geringes Lob verdient es auch, dass du nicht aufhörtest, zur Mehrung und Stärkung der neu entstehenden Kirche gute Dienste zu leisten, auch als dir dieser Eifer von manchen Vornehmen eine ganz unverständliche Feindschaft zuzog. Da dir aber nicht geringere Schwierigkeiten noch bevorstehen, so ists der Mühe wert, zuweilen wieder frischen Mut zu fassen zu ihrer Überwindung, bis auch das Letzte erfüllt ist; und das umso ernstlicher, weil viele Fürsten trotz ihrer Einsicht in die schändlich korrupten kirchlichen Verhältnisse es doch nicht wagen, Abhilfe zu schaffen, weil sie sich vor einer Neuerung fürchten, die alt eingesessenen Übelstände zu Leibe geht, und sich dadurch in ihrer Pflicht aufhalten und verzögern lassen. Andere halten es für unsinnig und töricht, an unheilbare Schäden überhaupt rühren zu wollen; wieder andere fliehen und verabscheuen jede Reform in einer mir unverständlichen Verkehrtheit. Doch von den Hindernissen, die dich umgeben, vor dir zu reden, der du sie gut genug kennst, dürfte wohl überflüssig sein. Welche Angriffe der Satan aber auch auf dich richten mag, mit welchen Kämpfen und Händeln er dich auch noch heimsuchen wird, so wäre es Unrecht, in diesem heiligen Kriegsdienst, zu dem du Christo den Fahneneid geleistet hast, je müde zu werden. ————————————————-

Dich aber, erlauchtester Fürst, muss ich nochmals bitten, ja beschwören, dich sowohl persönlich dem Gebote Christi unterzuordnen, wie du es bereits mit Erfolg begonnen hast, als auch den vielen Edelleuten, die der Adel ihrer Geschlechter und ihre persönliche Tüchtigkeit gleich empfiehlt, nicht nur ein treuer und unermüdlicher Helfer, sondern auch Bannerträger zu sein in der Förderung des Reiches Gottes. Eines einzigartigen Ehrenvorrechtes hat Gott das polnische Reich gewürdigt, indem die Mehrheit des Adels den gottlosen, abergläubischen Bräuchen, die ebenso viele Verderbnisse und Verunreinigungen des wahren Gottesdienstes sind, den Abschied gegeben hat und einmütig eine rechte evangelische Frömmigkeit und eine richtige Kirchenordnung begehrt. Dass sie dabei an deinem Ansehen einen mächtigen Halt hatten, ist bekannt genug. Aber dir und ihnen bleiben noch Kämpfe genug, so dass Ihr Euch noch nicht wie ausgediente Soldaten der müßigen Ruhe überlassen dürft. Erstens, wenn Euch auch kein Feind von außen belästigt, habt Ihr doch mit Übelständen im Innern noch genug und übergenug zu tun. Ihr habt ja auch schon erfahren, wie mit mancherlei Ränken der Satan ausgerüstet ist, um durch seine Tücke die brüderliche Eintracht, auf der das Wohl der Kirche beruht, ins Wanken zu bringen. Es kommt auch bei Euch wie überall vor, dass, solange die Verhältnisse noch nicht geordnet sind, sich unruhige Köpfe vordrängen, die wohl sehen, dass noch Wenige und Schwache von einer zahllosen Menge bedrängt werden und die von krassen Verleumdungen umnebelte Wahrheit kaum zu verteidigen vermögen; und darum können sie sich nun sozusagen unterirdisch einschleichen. Durch solche List will der Anstifter alles Betruges die Kirche zerstören, nicht nur, indem er die Glaubenseinheit zerspaltet und zerreißt, sondern auch, indem er den Namen Christi falschem Verdachte aussetzt; denn die evangelischen Gemeinden, unter die sich diese unredlichen Schwindler mischen, erscheinen dann sozusagen als Sammelbecken und Kloaken alles Schmutzes. So hat z. B. Stancaro, ein Mensch unruhvollen Wesens, in seinem ihn fast verzehrenden Ehrgeiz, bei Euch seine Wahnideen verbreitet, und es ist daraus ein Zank entstanden, der zu einer Spaltung zu führen droht, und Ihr seid dadurch den Vorwürfen vieler Menschen ausgesetzt worden; denn man glaubte, seine Sekte habe schon weit um sich gegriffen. Andrerseits ist da ein Arzt, ein gewisser Giorgio Blandrata, weit schlimmer als Stancaro; denn er ist von viel abscheulicherer Irrlehre durchtränkt und trägt mehr verborgenes Gift in seinem Innern. Deshalb verdient auch der Leichtsinn der Leute viel schärferen Tadel, bei denen diese servetische Gottlosigkeit mit einem Male so in Gunst gekommen ist. Denn obwohl ich überzeugt bin, dass sie seinen verkehrten, gotteslästerlichen Ansichten fern stehen, so hätten sie doch vorsichtiger sein sollen, damit dieser Fuchs sich nicht in ihren vertrauten Umgang hätte einschleichen können. Weil solche Pestbeulen nie fehlen werden und der Satan es nie lassen wird, ihm ergebene Kämpfer zur Zerstörung des aufkeimenden Evangeliums ins Feld zu führen, so müsst Ihr unablässig in Kampfbereitschaft stehen, und um schweren Übeln zu begegnen, müsst Ihr eine rechte gute Kirchenordnung aufstellen, die ein guter Schutz des heiligen Friedens ist. Denn wie die reine Lehre die Seele der Kirche ist, so kann man die Kirchenzucht mit Recht mit den Sehnen vergleichen, durch deren Verknüpfung und Verbindung der Körper erst seine Festigkeit erhält.


Es wäre zwar wünschenswert, dass in erster Linie der allergnädigste König, der in seiner Klugheit die Ränke der römischen Kurie längst kennt, die inhaltslosen Bullen, in denen der Papst von ferne ein allgemeines Konzil zeigt, schweigen hieße und freimütig eine ernstliche, vollständige Reformation der Kirche vornähme. Doch darf auch Euch kein Zögern aufhalten, sondern jeder von Euch soll sich bemühen, nach Kräften auszubreiten, was so erfolgreich begonnen sich zu erheben anfängt.

Lebwohl, edelster Herr, erlauchter Fürst. Der Herr leite dich mit seinem Geiste; er mache deine Ehrwürden reich an allem Guten und segne all dein frommes Unternehmen bis ans Ende. Amen.

Genf, 11. August 1560.

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