Calvin, Jean - An Jakob Uchanski, Bischof von Wladislaw in Polen.

Nr. 584 (C. R. – 2983)

Calvin, Jean - An Jakob Uchanski, Bischof von Wladislaw in Polen.

Uchanski war der Reformation zugetan und versuchte in seiner Diözese Neuerungen wie Laienkelch, Priesterehe und Kultus in der Landessprache einzuführen; als später in Polen eine gegenreformatorische Reaktion eintrat, schloss er sich auch dieser wieder an. Calvins Bote, dem er eine ganze Anzahl Briefe nach Polen mitgab, hieß Johann Luszenski.

Ernste Mahnung, ganz auf die Seite der Reformation zu treten.

Dass ich, ohne dir, erlauchter, ehrwürdiger Herr, persönlich bekannt zu sein, an dich zu schreiben wage, fällt, wenn überhaupt dieses vertrauensvolle Tun eine Schuld ist, auf den Boten zurück, der aus außerordentlichem Interesse und Sorge um dein Wohlergehen mir diesen Brief fast wider meinen Willen abnötigte. Dass ich aber nur kurz und sozusagen oberflächlich schreibe, ist mit Zeitmangel zu entschuldigen; denn kaum hatte man mich auf die Ankunft des Boten aufmerksam gemacht, als er schon wieder von baldiger Abreise sprach, so dass mir nur ein einziger Tag zum Schreiben blieb, und von diesem Tag wurde noch der größere Teil durch ein Wechselfieber in Anspruch genommen, das mich ans Zimmer und fast den ganzen Tag ans Bett fesselt; vom Bette aus muss ich auch diese wenigen Worte diktieren. Grund und Stoff meines Schreibens aber ist, dass du nun, da das Licht des Evangeliums bei Euch aufgegangen ist und Gott dir die Augen aufgetan hat, auch wirklich aufwachest. Denn ich höre, dass du nicht nur einen ersten Geschmack von der wahren evangelischen Lehre bekommen hast, sondern von ihrer Erkenntnis so durchdrungen bist, dass der Vorwand, du seiest noch im Irrtum und in Unkenntnis befangen, ganz dahinfallen muss. Bei deiner Klugheit weißt du aber wohl, welche unerträgliche Schändung der Gnade Gottes es ist, wenn wir sie sozusagen absichtlich zu ersticken suchen in uns. Wenn dir auch vor den Augen der Welt eine glänzende Stellung Beifall erwirbt, so musst du dich doch wohl hüten, dich nicht von betrügerischen Schmeicheleien schwach machen zu lassen; denn mit diesen Schlingen zieht der Satan heutzutage manchen in ein unheilvolles Wirrsal hinein. Dann kommts so, dass Leute, die ihre Erfindungsgabe darin übten, Ausflüchte zu suchen, schließlich, wenn sie sehen, dass ihre Vorwände zunichte werden, sich Gott offen entgegenstellen, ja in handgreiflichen Wahnwitz verfallen. Davon hast du sicher nur zu viele Beispiele vor Augen, da die einen ja die göttliche Lehre mit Feuer und Schwert auszurotten trachten, andere, um ruhig in ihrem Schmutz liegen bleiben zu können, nicht nur sich ihre Stumpfheit selbst nachsichtig verzeihen, sondern ihr Gewissen vollständig betäuben und wie das liebe Vieh leben. Wer sich bei einem angenehmen Leben nicht eifrig und aufmerksam vor dieser giftigen, epikureischen Ansteckung hütet, der kann nicht anders, als dass er selbst verweltlicht, die Gottesfurcht von sich wirft und sich mit ihnen in das gleiche Lasterleben stürzt. Was musst du also tun? Es tobt bei Euch der Kampf. Eine Partei will den reinen Gottesdienst wiederherstellen; die andere verteidigt den alten Aberglauben hartnäckig. Da ist es Sünde und Schande, wenn du, den Gott sozusagen an der Hand fasst und zum Schutze seiner Sache aufruft, in der Mitte stehen bleiben willst. Denke, welchen Rang du einnimmst und welche Aufgabe du hast! Bedenke weiter, dass die Feinde des Evangeliums, die in ihrer dichten Finsternis auch nicht ein Fünklein deiner evangelischen Frömmigkeit ertragen können, dich doch irgendwie aus ihrer Partei stoßen werden, die du deshalb lieber freiwillig verlässest. Verzeih mir in deiner Freundlichkeit, wenn ich nun ein scharfes Wort brauche, (ich muss es sagen, wenn ich meine Meinung ausdrücken will): vor Gottes Richterstuhl kannst du die Anklage auf Verrat nicht widerlegen, wenn du dich nicht rechtzeitig trennst von der Rotte, die sich offenkundig zur Unterdrückung des Namens Christi verschworen hat. Ist es dir unangenehm, wenn du abnehmen musst, damit Christus in dir zunehme, so erinnere dich an Moses, der. obwohl er von Christo nur einen dunklen Schatten sah, die Schmach Christi doch für größeren Reichtum achtete denn die Schätze Ägyptens [Hebr. 11, 26]. Ich habe mir deiner Exzellenz gegenüber vielleicht mehr herausgenommen, als ich durfte; aber da ich nichts vorhatte, als für dein Seelenheil zu sorgen, so ist dir hoffentlich mein freies Wort nicht ärgerlich. Lebwohl, edelster Mann, erlauchter, ehrwürdiger Herr; ich erbitte für dich vom Vater im Himmel alles Gute, besonders dass er dich leite mit seinem Geiste, in deinem Herzen einen brennenden Eifer um die wahre Frömmigkeit entzünde und dich stärke zur Standhaftigkeit darin.

Genf, 19. November 1558.

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