Calvin, Jean - An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Nerac.

Nr. 549 (C. R. – 2774)

Calvin, Jean - An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Nerac.

Antoine de Bourbon (vgl. 360) war durch die Prediger seiner Gemahlin Jeanne d´ Albret für die Reformation gewonnen worden. Mit dem Brief übersandte Calvin dem König seine im Jahr 1543 erschienene Schrift: „Untertänige Mahnung an Kaiser und Stände über die Notwendigkeit einer Reformation der Kirche“ (vgl. 410).

Mahnung zum Eintreten für die verfolgten Evangelischen.

Sire, da ich gehört habe, dass Gott Ihnen in seiner Gnade näher als je getreten ist und Sie geradezu gewiss gemacht hat der reinen Wahrheit des Evangeliums Christi, unseres höchsten Königs, so bin ich so kühn, an Sie zu schreiben, in der Hoffnung, dass Sie aus Ehrfurcht vor dem Herrn, dem ich diene, geruhen werden, diesen Brief anzunehmen. Darin biete ich mich zugleich Ihnen an zu jedem Dienste, zu dem Sie mich brauchen wollen, und möchte damit in Treuen bezeugen, dass es mir, wenn ich auch keine Gelegenheit habe, in der Tat zu zeigen, wie sehr ich der Ihrige bin, doch dazu an Mut nicht fehlt. Da ich auch gehört habe, dass Sie mir in Gnaden wohl gewogen sind, so hat mich das noch mehr ermutigt in meiner Zuversicht, gute freundliche Aufnahme bei Ihnen zu finden. Ja noch mehr, ich bin überzeugt, sobald Sie sehen, dass mein einziger Wunsch ist, Gott möge an Ihnen verherrlicht werden zum Heil und Nutzen Ihrer Seele, so werden Sie sich auch willig von mir ermahnen lassen im Namen dessen, der bei Ihnen alles gilt. Denn je schwerer die Aufgabe der Fürsten und Könige ist, umso nötiger haben sie es, an ihre Pflicht erinnert zu werden. Deshalb hat auch Gott ausdrücklich befohlen, dass die Könige noch eifriger als die gewöhnlichen Menschen sein Gesetz beachten sollen; denn wenn Gott sie durch ihren hohen Rang tatsächliche näher zu sich stellt, so verpflichtet er sie damit auch, je und je mit wachsendem Eifer ihre Pflichten gegen ihn zu erfüllen, wie es ja auch Unvernunft wäre, wenn die irdischen Fürsten, die doch nur seine Diener und Statthalter sind, Gehorsam forderten, und er, der das Weltregiment führt, um sein Recht betrogen würde. Nun ist es augenblicklich mehr denn je nötig, dass sich Große und Kleine bemühen, Gott zu dienen, wie es ihm zukommt. Denn alles ist so verdorben und verdreht, dass der größte Teil dessen, was man Gottesdienst nennt, nichts ist als abscheuliche Fälschung aus des Teufels Schmiede zur Unehre des wahren Gottes. Wenn nun schon Leute niederen Standes und ohne Ansehen gehalten sind, so weit sie können und ihre geringe Stellung es erlaubt, dafür Sorge zu tragen, dass Gott rein verehrt werde, so müssen die Großen, die eine hohe Stellung einnehmen, sich doppelt anstrengen, jeder nach seinem Vermögen. Bedenken Sie, Sire, wenn Gott sie auserwählt hat, ein Fürst aus einem edlen Königshaus zu sein, wenn er Sie aus der Finsternis des Aberglaubens, in der Sie steckten wie die andern, herausgezogen und Sie erleuchtet hat in der Erkenntnis des Evangeliums unseres Herrn Jesu, was er nicht allen gegeben hat, so wollte er nicht, dass der Glaube, den Sie empfangen haben, verschlossen und gleichsam begraben bleibe in Ihnen, sondern vielmehr, dass Sie ein helles Licht sein sollten, zu erleuchten Große und Kleine. Zweifeln Sie gewisslich nicht daran, dass viele auf Sie sehen und dass Gott diese Leute das sogar tun heißt, damit Sie, Sire, umso mehr angespornt werden, vielen andern den Weg zu zeigen. Einerseits erinnern Sie sich daran, wie sehr es uns am Herzen liegen muss, dass Gottes Ehre unverletzt bleibt, nach dem Psalmwort: Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen und die Schmähungen derer, die dich schmähen, fallen auf mich [Ps. 69, 10]. Deshalb muss auch uns die reine Lehre, durch die Gott gepriesen sein will, so hoch im Werte stehen, dass wir, wenn wir sie verdunkelt, ja vernichtet sehen durch Irrtümer, Missbräuche und Teufels Trug und List, uns mit Feuereifer dem widersetzen nach unsern Kräften, und wie es Gott einem jeden gegeben hat; ja der Spruch soll stets in Ihren Ohren klingen, in dem Gott sagt: Wer mich ehret, den will ich auch ehren [1. Sam. 2, 30]. Andrerseits, Sire, verdienen auch die Seufzer und Angstrufe von so vielen armen Gläubigen Ihr Gehör, damit Sie Mut fassen, ihnen zu Hilfe zu kommen und ihnen einige Erleichterung zu verschaffen, so weit es Ihnen möglich ist. Eben bietet sich dazu bessere Gelegenheit als je in der Versammlung der Reichsstände. Denn es ist doch wahrscheinlich, dass bei der Besprechung der Regierungsangelegenheiten auch die Religionsfrage nicht unberührt bleibt. Ich weiß, welch unangenehme Aufgabe es für Sie sein wird, die Sache Jesu Christi zu führen; aber wenn Sie, Sire, der Sie der Sprecher aller Kinder Gottes sein sollten, den Mund nicht öffnen, wer wird es dann wagen, den seinen aufzutun und ein Wörtlein zu sagen? Warten Sie nicht darauf, dass Gott Ihnen eine Botschaft vom Himmel schicke, sondern seien Sie fest davon überzeugt, dass er Sie durch Ihre Berufung zu so hohem Rang und solcher Stellung bereits zu seinem Zeugen und zum Anwalt seiner Sache gemacht hat. Und umso mehr muss Ihre Hochherzigkeit sich daran wagen, selbst wenn einige Schwierigkeiten dabei zu sehen und zu befürchten sind, als es Gottes Sache ist, Fürsten mit einem weiten, freimütigen Sinne auszurüsten; so verlasse ich mich auf ihn und bitte Sie dringend, sich nun mannhaft zu zeigen, da jetzt der Augenblick ist, wo es not tut, und man fürchten muss, später verschlossene Türen zu finden. Kann man auch noch nicht damit beginnen, in allem Freimut das Gute zu verteidigen und das Böse zu verdammen, so muss doch mindestens gefordert werden, dass man die Sache kennen lerne und nicht mehr so viel arme Leute verurteile auf Treu und Glauben ihrer Feinde hin. Ja mir scheint, man könne mit guten Vernunftgründen darlegen, dass es der Ruhe und dem Vorteil des Reiches nicht entspricht, mit Gewaltakten vorzugehen, da ja die Scheiterhaufen die Zahl derer, die man verfolgt, nur wachsen lassen, so dass das Blut [der Märtyrer] stets zum Samen [neuer Gläubiger] wird. Auch scheint mir, man könne, ohne den Leuten, die das Evangelium nicht schmecken mögen, Anlass zu allzu großer Aufregung zu geben, einige Punkte in den Vordergrund rücken, die nicht so sehr verabscheut werden, z. B. wenn ein Mensch sich begnüge, zu Gott zu beten und Jesum Christum als alleinigen Fürsprecher zu haben, und man töte ihn um solcher Sache willen, so sei das doch allzu streng, und man müsse fürchten, damit Gottes Zorn über das Land wachzurufen da ja doch auch die Apostel und Jünger unsers Herrn Jesu, die doch die wahren Vorbilder und Schutzheiligen der Christenheit seien, noch nichts vom Gebet zu den verstorbenen Heiligen gewusst hätten. Es gibt auch andere so schwere, ungeheuerliche Missbräuche, dass man keinen Grund hat, sie zu verschweigen, und doch, wenn es jemand wagt, auf solche Dinge hinzuweisen, so wird er gleich als Ketzer behandelt, auch wenn er sich um nichts sonst bekümmert hat, und das ist eine unerträgliche Härte.

Auch ein anderer Punkt verdient hervorgehoben zu werden; nämlich je mehr man versucht, den Lauf des Wortes Gottes aufzuhalten und alle Missbräuche aufrecht zu halten, umso mehr Leute werden irreligiös, ohne Glauben und ohne Gesetz; denn schon jetzt machen sich viele in ihrem Herzen kühnlich über das Papsttum lustig und wissen, dass es nichts ist als Unwissenheit und Torheit; aber da sie doch für ihr Leben fürchten, so verwerfen sie jede bessere Belehrung, und wahrhaftig, wenn man dem nicht zu rechter Zeit entgegentritt, so wird man zu seinem Staunen mit einem Mal ganz Frankreich von dieser Sucht erfasst sehen. Wollte Gott, dass nicht gerade die, die am grausamsten sind, die armen Leute hinzumorden, solche Verächter Gottes und Spötter über alle Religion wären! Es wäre wünschenswert, dass der König daran erinnert würde, wenn er fortfahre, die armen, einfachen Leute zu unterdrücken, die aus wahrem Eifer und Gottesfurcht nicht sind wie die andern, so sei zu befürchten, dass solcher böser Wurmfraß das ganze Land befalle und einnehme und es dann zur Heilung zu spät sei.

Ich wünschte sehr, Sire, Ihre Geschäfte erlaubten Ihnen, eine kleine Schrift zu lesen, die ich vor zwölf Jahren verfasst habe, als die Stände des deutschen Reiches wegen des Glaubenszwistes versammelt waren. Ja, ich wage es, Sie zu bitten, sich die Muße zu einer raschen Durchsicht zu nehmen, damit Sie besser darüber unterrichtet sind, welches Vorgehen wohl am ehesten einzuschlagen ist. Nicht als ob ich mir anmaßte, Ihnen Vorschriften machen zu wollen, sondern nur, weil ich der Zuversicht bin, dass Sie es nicht verschmähen werden, durch mich oder jemand sonst zu lernen, was der Wille dessen ist, dem Sie in allem und überall gefallen möchten, damit Sie sich darnach richten können.

Sire, indem ich mich ergebenst Ihrer Wohlgewogenheit empfehle, bitte ich unsern lieben Gott und Vater, er wolle Sie behüten, Sie leiten mit dem Geist der Weisheit, Geradheit und Festigkeit und Sie stets fort glücklicher werden lassen.

[14. Dezember 1557.]
J. Calvinus.

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