Calvin, Jean - An Nicolas des Gallars in Paris.

Nr. 539 (C. R. – 2714)

Calvin, Jean - An Nicolas des Gallars in Paris.

Des Gallars, bisher Calvins Sekretär und Pfarrer in Jussy und Genf, war als Pfarrer nach Paris gesandt worden; schon auf der Reise wurde er verhaftet, aber wieder entlassen, hingegen sein Begleiter Nicolas Rousseau, in dessen Gepäck sich evangelische Schriften fanden, zurückgehalten und später in Dijon verbrannt. Des Gallars hatte nun aus Paris geschrieben, dass er unter den gegenwärtigen Verhältnissen dort nichts tun könne und gefragt, ob er wieder nach Genf kommen solle. Jean Bude war Sieur de Verace; der „Hahnenkamm“ ist die Krone Frankreichs; Bärenstadt (Arctopolis) ist Bern.

Des Gallars soll ausharren auf seinem Posten.

Deinen ersten Brief habe ich nicht beantwortet, weil ich angstvoll auf Nachricht wartete, was für ein Ende es mit dir und deinem Begleiter genommen, und auch weil ich dir gern über unsere Verhältnisse berichten wollte, über die dich damals selbst noch ganz im Unklaren war. Ich war gerade daran, dir zu schreiben, als die traurige Kunde aus Paris kam; zwei Tage nachher schriebst du ja dann den Brief, den ich heute erhielt. Wenn mich auch die erste Nachricht vor Schrecken und Trauer fast danieder warf, so blieb ich doch nicht müßig, sondern sann auf Hilfe. Am Dienstag, dem 14. dieses Monats, wurden wir auch von den Freunden aus der Nachbarschaft daran gemahnt. Schon Tags vorher war unser lieber de Verace auf Bitten einiger frommer Männer abgereist, um für eine neue Gesandtschaft zu wirken; denn weil viele glauben, der, der den Hahnenkamm so hoch trug, sei durch die neuliche Niederlage etwas zahm geworden, so glaubte man, es wieder wagen zu dürfen. Ich habe de Verace mit den besten Aufträgen ausgerüstet und auch Beza dringend ersucht, sich ihm anzuschließen, was er hoffentlich tun wird: denn günstiger weise war er wenige Tage zuvor in die Bärenstadt gereist. Sobald ich von dem Angriff der Feinde Einzelheiten erfuhr, ließ ich einen Eilboten reiten, um de Verace einzuholen, der in dieser Nacht in Payerne sein sollte. Sie sollen alle Welt wachrütteln, so dass man sich energisch dieser Sache annimmt. In aller Traurigkeit tröstet mich wenigstens das Bewusstsein, meine Pflicht getan zu haben. Um deine Frau zu schonen, solange man nichts Gewisses wusste, wollte ich dafür sorgen, das Gerücht geheim zu halten; aber siehe, sie kam selbst zu mir und zwar so ruhig und fest, dass sie mir besser gefiel als je. Das kann dir kein schlechter Trost sein, dass sie bei aller geziemenden Sorge um dich doch das gemeine Wohl der Kirche und die Ehre Christi höher achtete als dein Leben.

Was nun den Rat angeht, den du forderst, so vernimm die Meinung unseres ganzen Pfarrkollegiums. Wenn du gleich bei den ersten Wirren deinen Posten verließest, so fürchten wir mit Recht, deine Abreise könnte alle Herzen entmutigen, ja vor Schreck fast umbringen. Du weißt, wie viel eher ein Heer standhaft bleibt, wenn es auf einen Führer schauen kann; entziehst du dich ihnen, so stiege gleich der Verdacht auf, du flöhest, weil nichts mehr zu hoffen sei. Bis also die tobenden Stürme sich einigermaßen gelegt haben, ist es wünschenswert, dass du in der Nähe bleibst, damit sie tatsächlich erfahren, du seiest gekommen, auch die Gefahr mit ihnen zu teilen. Durch diesen Beweis werden nicht nur sie selbst, sondern auch die, die später dazukommen, für die Zukunft ermutigt. Wie lieb uns dein Leben ist, brauchen wir dir nicht zu sagen; aber gölte uns das Heil so vieler Seelen nicht noch mehr, so könnten wir dir selbst nicht lieb sein. Sicher ists jetzt die wichtigste Aufgabe, zu verhindern, dass die Überbleibsel der Gemeinde auseinander fließen, ja sich ganz verlieren; denn nichts wäre schwieriger, als sie nachher wieder aus der Zerstreuung zu sammeln. Wenn du siehst, dass deine Gegenwart nötig ist, sie beisammen zu halten, so bitten wir dich gar sehr, noch eine Weile auszuhalten, bis entweder die Wut der Feinde sich legt und die verhältnismäßige Ruhe dir dann erlaubt, dein Amt ordentlich auszuüben, oder bis dich noch größere Not wegtreibt. Sind dir aber durch die Furcht der andern die Hände gebunden und siehst du, dass dir jeder Weg versperrt ist, so wollen wir andrerseits auch nicht, dass du dort müßig dasitzest. Denn es ist sehr wichtig, dass, solange du dort bist, sich an deiner Freudigkeit der Mut der ganzen Gemeinde wieder entzündet, so dass sie dir folgen, wenn du vorangehst. Zweifellos weißt du auch, dass manche in dem, was du sagst, nur auf Ausreden für ihre eigene Ängstlichkeit lauern; deshalb musst du umso mehr darauf achten, inwiefern deine Gegenwart von Nutzen ist. Du kannst lesen, was wir an die Gemeinde schreiben; Ihr, die Ihr die Verhältnisse genau kennt, könnt natürlich sicherer entscheiden, was zu tun ist, und vielleicht hat, ehe dieser Brief ankommt, entweder Eure Angst abgenommen, oder bist du vielleicht schon entlassen oder hast du dich bereits entschlossen zu bleiben. Deshalb schien es mir das Beste, dich persönlich zum Standhalten zu ermahnen, bis sich ein besserer Ausweg zeigt, damit sich die Brüder nicht von dir preisgegeben glauben, und dir zu raten, nichts zu tun ohne Zustimmung Eures Gemeindevorstands, damit du nicht ein böses, schädliches Beispiel gäbest, wenn du weggingest, ohne auf ihre Ansicht zu achten. Der Herr leite bei dieser Erwägung dich und sie mit dem Geiste der Klugheit, des Rates und der Geradheit; er sei indessen mit dir und decke dich mit seinen Flügeln; er stärke dich und halte dich aufrecht und mit dir die ganze Gemeinde.

16. September.

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