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Calvin, Jean - An den Berner Rat.

Nr. 447 (C. R. – 2199)

Calvin, Jean - An den Berner Rat.

Da der erste Protest in Bern (Nr. 445) trotz mündlicher Versprechungen nicht viel Wirkung hatte, erneuert ihn Calvin von Genf aus. Die Reformation war in Bern nach den Ergebnissen eines Reformationsgesprächs von 1528 eingeführt worden, worauf sich jetzt der Berner Rat berief. Der erwähnte Louis Corbeil war mit den fünf Studenten (vgl. 340) in Lyon gefangen gewesen und durch Calvins Vermittlung von Bern als sein Untertan frei gebeten worden.

Nochmalige Beschwerde über das Urteil des Berner Rats.

Hohe, verehrte Herren, Sie wissen, als ich neulich in Ihrer Stadt war, um Sie um Abstellung der Unruhen und Ärgernisse zu bitten, die der Satan uns hier durch gewisse Leute angestiftet hat, da legte ich, obwohl gesandt von meinen Herren und Oberen, doch gegen einige mich in Ihrem Beschluss persönlich treffende Vorwürfe auch in meinem Namen und persönlich Verwahrung ein, um mich nicht dem Schein auszusetzen, ich wolle mich mit meiner öffentlichen Stellung als Gesandter decken, und bat Sie, sich die Sache näher zu betrachten und ihr einen bessern Ausgang zu geben, nicht sowohl im Blick auf mich, sondern um der Ehre Gottes und des Evangeliums willen, zur Erbauung der christlichen Kirche und zum Heil Ihrer Untertanen, ja um der Ruhe Ihres Staates willen, die von diesen Fragen nicht getrennt werden kann und darf. Mir nun, hohe Herren, könnte es vielleicht genügen, damit für einmal mein Gewissen entlastet zu haben, wie ichs getan habe, wenn ich nicht geradezu genötigt wäre, dem wachsenden Übel durch ein Gegenmittel zu begegnen, so gut ichs kann, oder wenigstens zu erklären, dass ich nichts an meiner Pflicht versäumte, wenn die Sachen nicht besser stehen. Ein doppelter Grund zwingt mich sogar, Sie von neuem zu belästigen. Denn nach der letzten Antwort, die ich auf meinen schriftlichen und mündlichen Protest hin erhielt, hegte ich die Hoffnung, Sie würden nun durch ein Schreiben Ihre Pfarrer veranlassen, Frieden und brüderlichen Verkehr mit uns zu halten, da wir doch verbunden und geeint sind in der Lehre. Nun merke ich aber, ohne viel danach fragen zu müssen, dass die allgemeine Meinung die ist, die Lehre, die wir in der Kirche von Genf verkünden, sei für verurteilt anzusehen. Ich bin sicher, dass das Ihre Absicht nicht war; aber wenn Sie erklärt haben, wie es in der vorletzten Antwort, die wir in Ihrer Stadt erhielten, geschehen ist, die von uns über die Geheimnisse Gottes erschienen Schriften seien mehr niederreißend als aufbauend, so müssen Sie in Ihrer Klugheit wohl sehen, dass ich damit indirekt verurteilt bin, und nicht nur ich, sondern die ganze Genfer Kirche, denn das in Frage stehende Buch ist eine von uns allen gemeinsam beschlossene Bekenntnisschrift. Trotzdem handelt es sich auch nicht nur allein um uns; denn Gott sei Dank stimmen wir darin auch mit Ihren Pfarrern, sowohl denen der Stadt, als denen Ihres Landes, überein, so dass unsere Sache nicht verurteilt werden kann, es sei denn, dass dies auch den Glauben treffe, der Ihnen und Ihren Untertanen gepredigt wird. Ich war deshalb überrascht, dass Sie sich in dieser Frage auf Ihr Disputations- und Reformations-Protokoll berufen, als ob daran etwas geändert werden sollte. Und doch habe ich Ihnen schon erklärt, dass das Gegenteil der Fall ist, und es wird sich als wahr erweisen, dass meine Lehre, die man ungerechter Weise verleumdet, durchaus mit dem Ergebnis Ihres Religionsgespräches übereinstimmt. Hingegen muss ich Ihnen doch noch bemerken, dass an Ihrem Religionsgespräch nicht alle Glaubensartikel behandelt wurden. Wie Sie deshalb auch nicht unter dem Vorwand, es stehe davon nichts in Ihrem Disputationsprotokoll, verwerfen, was alle Christen von der Dreieinigkeit oder der Auferstehung der Toten annehmen, so wäre es auch nicht vernünftig, andere Glaubensartikel außer acht zu lassen, soweit ihrer darin nicht Erwähnung getan wird. Denn die Absicht derer, die an dieser Bekenntnisschrift mitwirkten, war die, zu zeigen, dass die Reformation, die sie den Papisten gegenüber ins Werk setzten, recht und fromm sei. So geht das gar nicht wider uns. Wenn Sie im übrigen sagen, es Ihres Erachtens unnötig, Bücher zu schreiben, die die Geheimnisse Gottes erforschten, so bitte ich Sie, zu bedenken, wo das hinführen müsste, und darüber braucht man gar nicht mehr lang zu reden. Denn in Ihrem Gebiet lästern ja schon mehrere gegen die heilige Prädestination und den ewigen Ratschluss Gottes, mehr als man es im Papsttum zu tun wagen dürfte. Ich anerkenne gern, dass wir diesem hohen, unfassbaren Mysterium gegenüber nüchtern und demütig sein sollen, und hätten sie das Buch gelesen, das vor Ihren Exzellenzen fälschlich getadelt worden ist, so hätten Sie gefunden, dass es nichts anderes bezweckt, als den Übermut der Menschen abzutöten und zu bändigen, und sie dafür lehren will, in aller Furcht die Majestät Gottes anzubeten, ohne ihrer Neugier die Zügel schießen zu lassen. Will man aber diese Lehre ohne Unterschied und Rücksicht wegleugnen, so versucht man damit nur, den heiligen Geist zu korrigieren, und muss, um konsequent zu sein, alles aus der heiligen Schrift tilgen, was uns in ihr darüber offenbart wird. Ja, es überrascht mich, dass man mich allein deshalb angreift, da doch ich, wenn man vergleicht, eine viel gemäßigtere Lehrart darin festgehalten habe, als es viele der gelehrtesten Leute Deutschlands getan haben, die zu unsern Zeiten das Evangelium wieder ans Licht gebracht haben. Deshalb bitte ich Sie, nach einem Worte unseres Herrn Jesu: richtet nicht nach dem Ansehen, sondern richtet ein gerecht Gericht [Joh. 7, 12]; denn würden mit meinem Namen auch meine Brüder begraben, so bleiben doch die Propheten und Apostel, aus denen ich die getadelte Lehre geschöpft und gezogen habe, ganz bestehen.

Ich darf, hohe Herren, Ihnen auch meine Befürchtung nicht verschweigen, da sie keine leere ist, dass, wenn Sie angesichts der Übereinstimmung, die Gott aus Gnaden und unendlicher Güte unter Ihren Pfarrern zustande gebracht hat, nicht einen guten Entschluss fassen, die nur allzu sehr angefachten Unruhen zu stillen, große Gefahr besteht, dass alles in die ärgste Verwirrung gerät. Ich war neulich schon gezwungen, Ihnen zu sagen, was wahr ist; halten Sie diese Sache in der Schwebe, so bedecken Sie nur ein Feuer, das zu löschen weder Ihnen noch irgendeinem Geschöpf auf Erden möglich sein wird. Deshalb bitte ich Sie, hohe Herren, nicht um meinetwillen, sondern um Ihres Wohlseins und Heils willen, beachten Sie wohl, was von Gott und aus seinem Worte ist, damit es ohne Widerspruch angenommen und bestätigt wird in aller Ehrfurcht.

Noch mehr, nicht nur Ihre Pfarrer, sondern auch mehrere Ihrer andern Untertanen sind davon unterrichtet, dass Jean Lange meine Lehre gar nicht wegen der Prädestination angegriffen hat, wie man Ihnen weitläufig berichtete, sondern um eines ganz anderen Punktes willen. Es gibt auch keinen Prediger des Evangeliums, der nicht das verurteilt und verwirft als unerträglichen Irrtum, der unsere ganze Hoffnung auf Seligkeit umstieße, was Lange in der Kongregation vorbrachte; ohne mich weiter darauf einzulassen, sage ich nur das: er schämte sich nicht, mir vorzuwerfen, ich mache Jesum Christum zu sehr zum Menschen; worauf ich antwortete, wäre er nicht voller Gott und voller Mensch, so wäre er nicht unser Erlöser. Aber solche Leute sind nicht zufrieden, wenn sie mich nicht herunterreißen können. Ebenso sehen Sie, dass Zebedee es in Ihrer Gegenwart nicht leugnen könnte, zu Gunsten des schändlichen Ketzers Servet geschrieben zu haben, das Feuer Gottes werde das französische Feuer verzehren, wie das französische Feuer das spanische Feuer verzehrt habe. Damit hat er unverhohlen auf die gnädigen Herrn von Genf, Ihre Burgrechtsgenossen, gescholten, ein Rechtsurteil tadelnd, das sie gefällt haben und das von aller Welt gelobt wurde. Muss man sich aber nicht wundern, dass er in Ihrer Gegenwart diesen Tadel auszusprechen wagte, der sich doch mit seiner beleidigenden Ehrverletzung gegen Sie richtete, die unsere Herren und Oberen brieflich ermuntert hatten, die Welt von einer solchen Gefahr [wie Servet] zu befreien?

Aber ich will nicht weiter mich über die Leute beklagen, die mich ungerecht beleidigt haben, sondern die Schmach geduldig hinnehmen, von der Gott mich, wie ich hoffe, freisprechen wird. Denn meine Absicht ist nur die, zur Vermeidung von Zank und Streit mich an Sie zu wenden, als an eine christliche Obrigkeit, die die Pflicht hätte, die zu beschützen, die Gott treulich dienen und für seine Wahrheit kämpfen, und Sie wiederum zu bitten, Sie möchten doch, wenn Sie finden, dass ich nur reine, gute Lehre verkündet habe, nicht dulden, dass ich in Ihrem Gebiet ärger verlästert werde als unter den Papisten. Ich will Ihnen gar nicht davon reden, dass der Schneider von Rolle, über den Sie eine Ehrverlustsbuße verhängt haben, sich seither gerühmt hat, er habe mich vor Ihnen als Ketzer überführt. Aber schlimmer ist, dass Jerome, Ihr Prädikant zu Cervens, mit dem ich nie irgendwelchen Streit hatte, und Corbeil, der Diakon von Morges, für den ich mich verwandt hatte, als er im Gefängnis lag, vor guten Zeugen auf offener Straße gesagt haben, Sie hätten mich als Ketzer verurteilt, und nun ist Ihr Gebiet so erfüllt von dieser Fabel, dass man davon mehr spricht als vom Evangelium. Ich sage Ihnen nichts, als was ich sicher beweisen kann. Ich glaube nun, dass es nicht recht ist, wenn ich Tag und Nacht im Dienst der Kirche arbeite an der Erhaltung des Glaubens, der uns gemeinsam ist, und es wird mir dann so elendiglich vergolten. Freilich werde ich wegen der Undankbarkeit der Welt nie aufhören zu tun, was mir Gott befiehlt; aber an Ihnen ists, zu hindern, dass ich so zu Unrecht angefochten werde, da doch mein Wirken eher Aufmunterung verdient.

Im Übrigen werde ich, falls solche Verwirrung stiftende Frechheit ihren Lauf weiter nimmt, sich so feige sein, meine Sache nicht durchzuführen, da ich weiß, sie ist von Gott. Da es jedoch stets mein Wunsch war, auch Ihren Kirchen zu dienen und in ihnen die evangelische Lehre blühen zu sehen, so bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass nicht der Glaube, der Ihnen tagtäglich gepredigt wird, verhöhnt und verspottet wird unter meinem Namen. Denn wenn das erlaubt ist, so wird ohne Zweifel in kurzem der Herr eine entsetzliche Zerstreuung der Kirche senden, deren Anfänge schon jetzt nur zu deutlich sich zeigen.

Was die Vorwürfe wegen meiner Brief betrifft, so sehe ich, dass es unnötig ist, noch mehr Entschuldigungen vorzubringen, als ich bereits schriftlich und mündlich getan, da Sie nicht geruhten, mir nähere Erklärungen zu geben, als ich mich zur Rechtfertigung anerbot.

So will ich Sie, hohe, mächtige, sehr geachtete Herren, nicht mehr weiter belästigen und bitte unsern lieben Gott, Sie zu leiten durch seinen Geist in aller Klugheit und Rechtlichkeit, Sie in seiner heiligen Hut zu halten und Sie zunehmen zu lassen an allem Guten.

Genf, 4. Mai 1555.



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