Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (40).

Nr. 40 (C. R. – 188)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (40).

Caroli hatte sich, um einem Berner Haftbefehl zu entgehen, nach Straßburg gewendet und die dortigen Pfarrer um die Wiederaufnahme in die evangelische Kirche gebeten. Es nahmen an den Verhandlungen teil: Capito, Butzer, Hedio, Matthias Zell, Jakob Bedrot, Sturm und sehr wider Willen Calvin. Der erwähnte Claude d´Aliod war ein Antitrinitarier, der trotz mehrfacher vorheriger Verurteilung in schweizerischen und deutschen Kirchen von der Lausanner Synode im Pfarramt aufgenommen war. Über Alexandre Le Bel vgl. 31. Cordier, Calvins ehemaliger Lehrer, lebte in Neuchatel.

Zusammenstoß mit Caroli in Straßburg.

Obwohl sich mir dieser Tage plötzlich neuer Stoff zum Schreiben bot, wollte ich doch nicht anfangen, ehe die Angelegenheit mit Caroli zu einem bestimmten Abschluss gekommen sei, deren Behandlung die Unsern aufhielt, mir aber heftige Sorge und Angst machte. Es schien Butzer nicht gut, dass ich den Verhandlungen beiwohne, bis eine gewisse Hoffnung auf Einigung zustande käme, oder doch eine Wendung nach dieser oder jener Seite eintrete. Ohne Schwierigkeit gab ich dazu die Erlaubnis, damit ich nicht zu scharf spreche, wodurch nur noch größere Verwirrung entstünde. Er selbst scheint das Gleiche gewünscht zu haben, um freier gegen uns reden zu können. Soviel ich vernehmen konnte, begann man mit der Lehre. Sie fragten nämlich den Caroli, ob er in dem Glauben, den wir verkündigen, etwas [anders] wünsche. Er brachte nun über einzelne Punkte das vor, was ordnungsgemäß wiedergegeben ist in dem Protokoll, das nachher verfasst und durch unsere Unterschrift gebilligt wurde. Dann kamen sie auf seinen Abfall zu sprechen, was das Spannende an der Verhandlung war. Er suchte ihn auf alle Art zu entschuldigen. Er prahlte nämlich, er habe anfänglich eine ganz gerechte Sache gegen uns unternommen, denn er sei nicht gleich zur Anklage geschritten, sondern habe ganz freundschaftlich von uns die Unterschrift zu den drei [alten kirchlichen] Bekenntnissen verlangt; wir aber hätten uns nicht nur geweigert, sondern auch diese Symbole, die immer, von allen Frommen einmütig angenommen, feste Geltung in der Kirche gehabt hätten, mit lachendem Spott hergenommen. Die Unsern erwiderten, das sei aber doch für ihn kein Grund gewesen, zu den Papisten abzufallen. Dann tadelten sie ihn sehr scharf und mahnten ihn zur Buße. Darauf wurde ich gerufen und antwortete auf seine Vorwürfe. Zuerst erzählte ich die ganze Geschichte von Anfang an, wie sie gewesen war. Etwas schwieriger wars, uns zu rechtfertigen wegen der Bekenntnisse. Denn das klang hässlich, dass wir das verworfen hätten, was doch außer allem Streit sehen musste, weil es durch manchen Entscheid der ganzen Kirche angenommen ist. Zwar war sein Vorwurf leicht damit zu entkräften, wir hätten sie sie nicht von uns gewiesen, viel weniger noch missbilligt, sondern bloß deshalb die Unterschrift verweigert, damit Caroli nicht, wie er beabsichtigte, sich als den unserm Amte Vorgesetzten aufspielen könne; aber etwas von übler Nachrede blieb doch zurück. Besonders aber stimmte das die Andern ihm günstig, dass kurz vor seiner Intrigue gegen uns Claude ins Pfarramt aufgenommen worden war, der doch offenkundig von vielen Kirchen öfters mit vollem Recht verurteilt worden war. Also, wenn ich nachwies, wie boshaft er gehandelt, so konnte ich doch das nicht erreichen, dass er keinen Grund zum Angriff auf uns gehabt zu haben schien. Dann sollte ich mich rechtfertigen wegen meiner Äußerung über die Wortspielerei des nicänischen Bekenntnisses. Ich bewies ohne Mühe, dass es das sei. Doch gab ich zu, ich hätte nichts gesagt, wenn mich nicht die Bosheit Carolis dazu genötigt hätte. Wollte ich aber Alles berichten, es würde einen Band füllen. Denn ich habe den ganzen Verlauf unseres Streites von neuem dargestellt und so geordnet dargestellt, dass leicht ersichtlich wurde, dass das Übel nicht von uns ausgegangen ist. Nie habe ich deutlicher gemerkt, wie sehr uns unsere Freunde in Bern, die du kennst, mit ihren Berichten angeschwärzt hatten. Niemand von den Unsern zweifelte an unserer Schuldlosigkeit, aber alle quälten sie mich der Bekenntnisse wegen, weil wir nicht hatten unterschreiben wollen, da doch keine Gefahr dabei gewesen sei, und es uns von bösem Verdacht hätte befreien können. Einstimmig missbilligten sie unsere Weigerung. Das Alles in Abwesenheit des Caroli. Butzer forderte mich darum auf, Alles aufzuzählen, worin Caroli gefehlt hätte. Das wollte ich nicht; denn er hätte bei Allem ein Mittel gefunden, zu entwischen, oder das Vergehen klein erscheinen zu lassen. Da ich also sah, dass auf diese Weise doch nichts zu erreichen sei, schützte ich vor, ich wolle keine Anklage gegen ihn erheben; es genüge mir, wenn er freiwillig bekenne, gesündigt zu haben. Weil ich aber voraussah, dass der Ausgang der Sache mir unangenehm sein werde, drang ich auf nichts mehr, als dass sie ohne mich weiter verhandelten. Ich wolle nichts hindern, nur sollten sie mich nicht zwingen, zuzustimmen. Weil sie aber das schon für ein Hindern ansahen, wollten sie es nicht zugeben. Es wurden also Artikel aufgesetzt, in denen er selbst sich Einiges verbat, was dann auch auf seinen Wunsch hin gestrichen wurde. Diese Artikel wurden dann spät nachts mir zugestellt. Als ich sie las, erschreckte mich eine Stelle so, dass ich mich nicht erinnere, in diesem ganzen Jahr einmal betrübter gewesen zu sein. Früh morgens ließ ich Sturm zu mir rufen. Ich klagte ihm meinen Schmerz. Er berichtete Butzer. Da bestellten sie mich zu bestimmter Stunde ins Haus des Matthias Zell, um darzutun, was mich bedrücke. Dort fiel ich in schwere Sünde; denn ich konnte nicht Maß halten. Die Galle hatte sich meiner Stimmung so bemächtigt, dass ich von Bitterkeit überfloss nach allen Seiten hin. Ja selbst wenn ich mich auch gemäßigt hätte, ein gewisser Grund zur Entrüstung wäre doch da gewesen. Ich warf ihnen vor, dass sie mir, während Caroli fast ungetadelt davon komme, die Artikel unterbreitet hätten, nur um die Sache rasch zu Ende zu bringen, dass sie sie gutgeheißen hätten, ohne mich auch gehört zu haben, dass sie nach getanem Urteilsspruch jetzt meine Unterschrift wollten, und ich, wenn ich mich weigern wollte, sie nun zu meinen Gegnern haben müsse. An der Sache selbst ärgerte mich vor allem, dass Caroli sagte, die Beleidigungen, die ihn zum Abfall getrieben hätten, stelle er dem Herrn anheim, und das tue er deshalb, weil das andere Leute angehe. Ich schloss mit den Worten: Das ist mein Entschluss, lieber sterben als unterschreiben. Da war man nun auf beiden Seiten so erhitzt, dass ich gegen Caroli selbst nicht bitterer hätte werden können, wenn er da gewesen wäre. Schließlich stürzte ich aus dem Zimmer. Butzer geht mir nach, besänftigt mich durch sein Zureden und führt mich zu den Andern zurück. Ich sagte, ich wolle mirs noch weiter überlegen, bevor ich endgültig antworte. Als ich nach Hause kam, packte mich ein sonderbarer Anfall. Ich konnte keinen Trost finden, als in Seufzen und Weinen. Es quälte mich umso mehr, als du die Ursache all meines Unglücks warst. Denn immer wieder rückten sie mir deine Sanftmut auf, wie mild du gleich Caroli aufgenommen habest. Ich sei doch so hartköpfig, dass ich mich durch dein Vorbild nicht auch dazu bewegen lasse. Butzer spielte alle möglichen Rollen, meinen harten Sinn zu erweichen, aber dein Beispiel hielt er mir dabei immer wieder in gehässiger Weise vor. Und du kannst dabei wirklich deine Gedankenlosigkeit oder allzu große Bereitwilligkeit nicht entschuldigen. Ja, um offen zu reden, mehr Ernst und Beharrlichkeit und Maß hätte man mit Recht von dir erwarten dürfen. Die guten Brüder drangen in dich, ihn in Gnaden aufzunehmen. Da gabst du nicht nur nach, sondern fielest geradezu darauf herein. Bald drauf merkst du deinen Fehler. Es reut dich. Ja, du hättest ihn wieder aufnehmen können ohne Reue, wenn du nur dabei nicht alles Maß überschritten hättest. Klar ists also, dass es mir einen gewissen Trost bieten musste, dich anzuklagen der Schuld wegen, die mir nun so großen Ärger machte. Hätte ich dich vor mir gehabt und mit dir reden können, ich hätte das ganze Unwetter auf dich losgelassen, das sich nun über andere ergossen hat. Nachdem ich mich etwas erholt hatte, ließ ich Jakob Bedrot zu mir kommen. Ich erforschte von ihm, was man mit Caroli verhandelt habe. Er berichtete einiges, das mich wieder sehr aufregte. Ich verlangte nun, dass der Satz gestrichen werde, in dem Caroli die Schuld seines Abfalls auf andere schiebt, und dass die Bedingungen, unter denen Ihr ihn in Bonneville in Gnaden aufnahmt, genannt und bestätigt würden. Ich hätte etwas Besseres erreicht, wenn du mich nicht gehindert hättest. Schreibe es also dir selbst zu, wenn etwas daran böse ist. Erstens, dass du die Versöhnung nicht mit der nötigen Besonnenheit maßvoll vornahmst, d. h. dass du ihn nicht ohne feierliche Bezeugung seiner Schuld und Reue hättest aufnehmen sollen. Zweitens, dass du mir nicht alles, was geschehen war, genau geschrieben hast. Ich hoffe, dass das Schriftstück, wie es nun ist, dir erträglich ist; mich hat es viel gekostet. Es bleibt uns jetzt nur noch übrig, da wir ihn einmal in Gnaden aufgenommen haben, beständig in solcher Gesinnung gegen ihn zu bleiben. Denn da wir ihn nicht weg weisen durften, müssen wir ihn wenigstens mit allem Eifer bei uns festhalten. Das kann aber nicht anders geschehen, als wenn du alle deine Freunde davon abhältst, hochmütig gegen ihn zu sein. Das Schriftstück wird dir gesandt werden, sobald es abgeschrieben ist. Er ist darin fest verpflichtet, nicht wieder etwas Neues anzustellen. Nur bewahret Ihr ihm nun auch die Freundlichkeit, die Ihr allzu früh ihm erwiesen habt. Doch ich will das und anderes weiter behandeln, wenn das Schriftstück gesandt wird. Jetzt wollte ich dir nur in kurzem andeuten, welches Ende die Sache nahm.

Jetzt ist Caroli zu Herrn de Rognac gereist; in welcher Absicht erfuhr ich nicht, wohl nur, um eine Zuflucht zu suchen, bis er bei Euch eine Tätigkeit findet. Mit ihm gereist ist Alexandre; zur Entschuldigung sagte er, er habe ihn nach Barbarins Rat als Begleiter genommen. Du hast aber keinen Grund, ihn für dich oder für uns zu fürchten. Denn wir sind hier nicht so gar bereitwillig, Leute aufzunehmen, die aus ihrer Kirche ausgeschlossen sind. Nämlich auch er wünschte, angehört zu werden, aber man hatte keine Zeit. Wenn er es auf der Rückreise wieder wünscht, bin ich nicht dagegen, dass er gehört wird. Melde mir noch vorher seine ganze Geschichte, damit man ihn nach Verdienst empfangen kann.

Auf deinen Brief will ich bald antworten. Denn jetzt hat mich ein schwerer Schnupfen befallen, der mich nicht weiter schreiben lässt. Der Überbringer dieses Briefes wurde uns von Herrn de Rognac empfohlen, dem zu lieb wir ihm hier eine Stellung zu verschaffen suchten; aber wir fanden nichts. Von allen Handwerken hätte er am meisten Lust zur Buchbinderkunst. Jetzt reist er dahin, wo man alles probieren kann. Ich wünsche, er sei dir empfohlen und hoffe für ihn das Beste. De Rognac ist es wert, dass man ihm das und noch mehr zu lieb tut. Alle grüßen dich freundlich, vor allem Capito, Butzer, Sturm, Bedrot, Claude, Gaspard, Jacques und sein Begleiter, Enard und alle Franzosen. Weil ich weiß, dass du genügend an meine Bitterkeit gewöhnt bist, so schreibe ich keine Entschuldigung, dass ich mit dir zu unhöflich umgesprungen bin. Grüße mir alle Brüder, vor allem Cordier und Chaponneau und Thomas. Mit dem Sadolet-Brief tue, was dir gut scheint, aber schreib mir, was du getan hast. Cordier tut mir einen großen Gefallen, wenn er mir die Psalmen [in Versen], die er abgeschrieben hat, verschafft.

8. Okt. Straßburg.
Dein Calvin.

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