Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (320).

Nr. 320 (C. R. – 1500)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (320).

Der Bote, der Calvins Bücher nach England brachte, war Nicolas des Gallars; der englische König sandte Calvin 100 Kronen und eine von ihm verfasste Schrift. Erzbischof von Canterbury war Thomas Cranmer. Andreas Osiander, früher in Nürnberg (vgl. 123), war z. Z. Professor in Königsberg und verbreitete über die Rechtfertigung Ideen, die den andern Theologen als ketzerisch galten. Der „alte Freund mit neuer Miene“ ist wohl Ami Perrin, der General-Kapitän. Es war ein frommer Genfer durch einen Unfall beim Geschütz in Stücke zerrissen worden; darauf geht wohl der Satz von der unglückseligen Truppenmusterung. Galeazzo Carraccioli, Marchese di Vico, ein Neffe des Papstes Paul IV., durch Vermiglis Predigt für das Evangelium gewonnen, flüchtete um seines Glaubens willen nach Genf. Magdeburg wurde noch immer im Namen des Kaisers von Moritz von Sachsen belagert.

Erfolg in England. Refugianten in Genf.

Endlich ist Nicolas aus England zurück, nachdem ihn widrige Winde fast elf Tage lang aufgehalten hatten; er wurde dann auch noch von so wildem Sturm herumgeschleudert, dass er kaum dem Schiffbruch entrann. Er erzählt, es sei so liebenswürdig und freundlich aufgenommen worden, dass ich mir mit Recht Glück wünschen könne, mein Werk so wohl angebracht zu haben. Als er dem Herzog von Somerset meinen Brief gab und sagte, er habe auch einen an den König, anerbot sich der Herzog von selbst, diesen bestellen zu wollen und reiste gleich andern Tags an den Hof. Wenn mir nicht nur Redensarten geboten werden, so hat mein Geschenk sowohl dem königlichen Rat sehr gefallen, als auch dem König selbst außerordentliches Vergnügen gemacht. Der Bischof von Canterbury sagte, ich könne nichts Nützlicheres tun, als öfters an den König schreiben. Das ist mir viel lieber, als wenn ich mit einer ungeheuren Summe Geldes beschenkt worden wäre. Die Verhältnisse des englischen Reichs lassen noch viel zu wünschen übrig. Unter anderm ist vor allem ein Übelstand unheilbar, bis der König mündig ist, dass nämlich die gesamten Einkünfte der Kirche vom Adel verschlungen werden; dabei mieten sie sich dann um geringen Lohn nichtswürdige Leute, die die Pflichten der Pfarrer übernehmen oder wenigstens ihren Platz ausfüllen sollen. Ich werde nicht aufhören, sie alle deswegen zu tadeln.

Über Butzers Tod habe ich [im letzten Brief] nichts bemerkt, um nicht meine Herzenswunde von neuem aufzureißen. Denn wenn ich mirs überlege, welchen Verlust die Kirche Gottes im Todes dieses einen Mannes erlitten hat, so quält mich immer wieder unwiderstehlich neuer Schmerz. England hätte er noch viel nützen können. Ich hatte auch noch mehr Wirkung für die Nachwelt von seiner Schriftstellerei erwartet, als er bisher schon geleistet hat. Dazu kommt, dass ich jetzt die Kirche ganz von treuen Lehrern entblößt sehe. Wie groß war bei den Schweizern das Ansehen von Watts; der Herr hat ihn weggenommen. Osiander ist ja ganz unsinnig geworden. So müssen wir denn unsern Mut beisammen halten, bis vollbracht ist, was uns noch zu tun bleibt bis zum Ziel. Aber ich fürchte, ich bin wohl unter denen, die laufen sollen, den andern ein Beispiel der Säumigkeit. Nur das tröstet mich nicht wenig, dass du, der alle an Eifer übertrifft, mir so mild verzeihst und Nachsicht übst. Es mag genug sein, wenn wir uns nicht abziehen lassen durch die unklaren Irrlehren anderer und auf dem rechten Wege weiter wandeln. Mögen dann die einen weit vorauseilen, die andern kommen eben hinten nach.

Was unsern alten Freund mit der neuen Miene angeht, so will ich ihn auf dein Mahnen und Raten eifrig warm halten, und meine Kollegen veranlassen, das Gleiche zu tun. Doch glaube mir, ehrlich scheint mir die Freundschaft nicht; ich habe von Anfang gemerkt, was er will. Doch verschweige ichs, dass ichs bereits erfahren und sozusagen in der Hand habe. Die Böswilligen sind sehr in Gunst bei ihm; schlimme Dinge schützt er ebenso sehr [wie früher]. Von seinem Stolz und seiner Leidenschaft hat er nichts abgelegt. Sein Gefolge triumphiert noch frecher als gewöhnlich. Doch will ich so an mich halten, dass er leicht erkennt, dass ich eine Aussöhnung mit ihm von Herzen wünschte. Ich denke, du hast gehört, welch unglückselige Truppenmusterung sie neulich gehalten haben, und doch hat nicht einmal die klägliche Zerstückelung eines so guten Bürgers vermocht, ihrem Mutwillen Einhalt zu tun. Wenn Christophe mich mahnt, ich solle doch an ihre Ratsherrn-Schmäuse gehen, so darf ich sagen, ich habe bisher keinem von ihnen abgesagt; aber als die Reihe an Amblard Corne kam, hat er durch Hinausschieben die ordentliche Reihenfolge unterbrochen. Unterdessen widme ich mich den fremden Gästen, die täglich in großer Zahl durchreisen oder hierher ziehen, um ihren Wohnsitz in Genf aufzuschlagen. Unter andern ist der Marchese di Vico aus Neapel kürzlich hier angekommen; ein andrer wird bald folgen. Wenn du uns nächsten Herbst besuchst, wirst du die Einwohnerzahl unserer Stadt beträchtlich vermehrt finden. Ein mir angenehmes Schauspiel, abgesehen davon, dass mir der Andrang sehr viel Arbeit macht. Viret war neulich hier, enteilte aber schneller wieder, als ich wollte. Es wird nun zwischen dem Papst und den Franzosen schon offen Krieg geführt. Die dem König günstig gesinnten Kardinäle sollen aus Rom geflohen sein, sagt ein Gerücht. Wird auch der Kaiser in diesen Krieg verwickelt, so muss er Magdeburg und seinen Bundesgenossen wenigstens etwas Erleichterung gönnen. Lebwohl, bester Bruder, grüße mir deine Kollegen und die übrigen Amtsbrüder und Freunde vielmals. Die unsern lassen dich auch vielmals grüßen, meine Kollegen, de Normandie, Bude, de Trie, Saint-Laurent, beide Colladons und mein Bruder. Der Herr erhalte dich uns lange gesund, stärke dich mit seinem Geiste, segne, was du Frommes unternimmst, und leite die dir anvertraute Kirche mit seinem Schutz.

Genf, 15. Juni 1551.
Dein
Johannes Calvin.

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