Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (261).

Nr. 261 (C. R. – 1187)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (261).

Bullinger hatte Calvin geschrieben, dass einer dogmatischen Einigung auf ein schweizerisches Bekenntnis wenig mehr im Wege stehe; die Erneuerung des Bündnisses der Eidgenossen mit Frankreich lehnte Zürich ab, unter Hinweis auf 1. Kön. 22, den unglückseligen Bund Josaphats von Juda mit Ahab von Israel. Pharao = Heinrich II. von Frankreich; die an seinem Hofe das Regiment hatten, sind die Guisen, Antiochus = Karl V.

Calvins Verteidigung eines Bündnisses mit Frankreich.

Weil mir Zeitmangel nicht erlaubt, deinen Brief zu beantworten, so möchte ich dir nur bezeugen, das mir noch keiner von dir willkommener war, so dass er sogar nicht wenig dazu beitrug, meinen häuslichen Kummer zu lindern, der mich durch den Tod meiner Frau kurz vorher überfallen und gar sehr geängstigt hatte. Denn es freut mich sehr, dass nun nichts oder doch nur verschwindend wenig mehr übrig ist, worüber wir uns nicht auch im Wortlaut einigen können. Wenn du es für gut hältst, weigere ich mich gewiss nicht, eigens dazu nach Zürich zu kommen, damit du die ganze Gesinnung meines Herzens noch besser kennen lernst. Und an mir soll es nie liegen, wenn wir uns nicht zu einem dauernden Frieden zusammenfinden, so dass wir alle auch im selben Wortlaut Christum bekennen.

Aber jetzt veranlasst mich ein anderer Grund, dir zu schreiben. Du deutest in gewissem Sinn an, was Euch von dem Bündnis mit Frankreich abhält. Mit Recht, das gebe ich zu, schreckt fromme Leute das Beispiel Josaphats ab, der zum Unheil seines Reiches sich durch Bündnis mit dem gottlosen Reich verknüpfte. Doch lege ich das so aus, dass er nicht deshalb gestraft wurde, weil er ein Bündnis schloss mit dem König von Israel, sondern weil er eine böse, ungerechte Sache auf sich nahm, um den Eroberungsgelüsten seines Alliierten zu Gefallen zu sein. Den trieb sein Ehrgeiz, die Syrer weiterhin anzugreifen. Josaphat ließ sich verleiten, tollkühn zu den Waffen zu greifen. Kommt dazu, dass beide, trotz Gottes ausdrücklichem Verbot durch den Propheten Micha, trotzig dahinfuhren. So ist dieses Beispiel mir nicht dafür beweiskräftig, dass jedes Bündnis mit Gottlosen unerlaubt sei. Ich sehe, dass den Abraham kein religiöses Bedenken hindert, mit Abimelech Freundschaft zu schließen [1. Mose 21, 22 ff.]. Ich sehe Isaak, David und andere dasselbe tun, ohne dass es getadelt oder gestraft wird. Zwar das finde ich auch, Bündnisse dieser Art sind durchaus nicht erstrebenswert, weil immer irgendwelche Gefahr dabei ist. Aber wenn uns ein guter Grund dazu treibt, ja eigentlich dazu zwingt, so sehe ich nicht ein, warum man es durchaus verabscheuen müsste. Dieses Bündnis nun gerade, um das es sich eben handelt, fürchte ich so sehr, dass ich der Ansicht wäre, man müsse es durchaus vermeiden, wenn mich nicht die gegenwärtigen politischen Verhältnisse zur entgegen gesetzten Ansicht zwängen. Ihr habt es mit einem erklärten Feinde Christi zu tun, der Tag für Tag unsere Brüder wütend verfolgt. Wer uns samt Christo ausgerottet sehen möchte, verdient allerdings wenig Vertrauen. Widersinnig ists, wenn wir Freundschaft schließen mit dem, der Krieg führt gegen alle Knechte Christi miteinander, wenn wir die Hand als Freundeshand ergreifen, die von unschuldigem Blute trieft. Gewiss möchte ich nichts abgeschlossen sehen, ohne dass namentlich und ausdrücklich für die frommen Brüder Schonung verlangt wird. Denn eben wüten seine Statthalter mit unerhörter Grausamkeit überall gegen sie. Dazu kommt noch die Befürchtung eines Krieges gegen England. Das hielte ich nämlich für Sünde, wollten wir unsere Hilfe ihm bieten zur Bekämpfung eines Reiches, in dem man Christo dient. Und auch allein die Ungerechtigkeit des Vorwands ist schon ein Hindernis. Andrerseits wiederum, wenn ich bei mir überlege, wie schlimm unsere Verhältnisse liegen, welch weiteres Unheil uns noch droht, das geradezu eine vollständige Verwüstung der Kirche herbeiführen müsste, so fürchte ich, man könnte es mehr einer sträflichen Sicherheit als dem frommen Gottvertrauen zuschreiben, wenn wir Hilfskräfte außer acht lassen, die [wenn auch nicht erwünscht] doch erlaubt sind. Freilich ist mir das auch nicht verborgen, dass Gottes mächtige Hilfe uns dann am nächsten ist, wenn alle Menschenmacht versagt. Ich weiß auch wohl, dass nichts schwerer ist, als wenn irgendwo ein Schatten Ägyptens sich zeigt [Jes. 30, 2] nicht darauf die Augen zu richten, die doch immer zu ihrem eigenen Schaden in der Irre gehen, wenn sie sich nicht fest auf Gott allein richten. So ist denn dieser Gefahr mit Eifer entgegenzutreten. Dabei müssen wir uns aber doch in acht nehmen, dass wir nicht in unsern Nöten eine Hilfe abweisen, die wir annehmen könnten, ohne Gott zu beleidigen, und dann zu unserm Schaden erfahren müssen, dass wir allzu sicher waren. Das fürchte ich am meisten, dass unser Pharao, wenn er alle Hoffnung auf Freundschaft mit uns scheitern sieht, sich dem Antiochus wieder nähert. So schwerwiegend die Ursachen ihres Zwistes sein mögen, so ist doch dieser letztere ein wunderbarer Künstler im Aussinnen solcher Machinationen. Und die Leute, die heute an unserm Hofe das Regiment haben, wünschen nichts mehr, als den Sinn des jungen, unerfahrenen und wenig mutigen Königs zur Annahme des Friedens unter jeder Bedingung zu bewegen. Sicher wirft er sich, wenn er nicht [von uns] etwas erreicht, ihm bald ganz in die Arme, und es wird nicht an Leuten fehlen, die ihn dazu drängen. Wären nur bei uns keine, die sich und uns dem Antiochus verkauften, wenn sich dazu Gelegenheit böte! Was dieser dann aber unternähme [gegen uns], würde er nicht nur mit Zustimmung [des französischen Königs], sondern sogar mit seiner Hilfe tun können, weil dieser damit die erlittene Zurückweisung [seiner Freundschaft] rächen zu können meinte. Unterdessen würde dann in Frankreich selbst die grausamste Verfolgung überall entbrennen. Denn nach Weiberart würde er seine Wut anderswo auslassen. Wir müssen auch dieser Stadt [Genf] Rechnung tragen, und zwar nicht in letzter Linie. Wollte ich nur für mein Leben oder für meine eignen Verhältnisse Sorge tragen, so könnte ich gleich anderswohin gehen. Aber wenn ich erwäge, wie wichtig dieser Weltwinkel zur Ausbreitung des Reiches Christi ist, so bin ich wohl mit Recht darauf bedacht, ihn zu schützen. In gewissem Sinn steht auch Euer Nutzen und Eure Ruhe auf dem Spiel. Wo könnte den schlecht beratenen Mann die Verzweiflung nicht hintreiben, wenn er Euch entfremdet wird? Glaubst du etwa, es gäbe bei uns keine Leute, die teils aus Unruhe und Umsturzgedanken, teils aus Ehrgeiz ihm die Hand böten? Besonders aber, so oft ich an die armen Brüder denke, die unter dieser grausamen Tyrannei schmachten, wird mein Herz weich und neigt sich zu dem Vorgehen, das am ehesten zur Erleichterung ihres Loses etwas nützen kann. Es ist leicht zu sehen, gegen wen dann die Wut des Tyrannen sich wenden wird, wenn er sich verachtet und zurückgestoßen sieht, wie viel mehr Freiheit dann die Bösen bekommen werden, die Unschuldigen zu plagen. Kommt aber ein neues Bündnis zustande, so wird Pharao selbst für den Moment etwas milder gestimmt, und seine Henker werden weniger wagen, und ebenso wird in Zukunft die Möglichkeit offen gelassen, die Verfolgungsfeuer etwas zu dämpfen. Ich bitte und beschwöre dich also, lieber Bullinger, dies alles zu bedenken, solange es Zeit ist. Und wenn Eure Obrigkeit sich auf irgendwelche Verhandlung einlässt, so bestrebe dich und bewirke, dass sie auch an ihre Brüder in Frankreich denken, deren Lage so schwer und hart ist. Obwohl ich weiß, wie sehr dir ihr Wohl am Herzen liegt, und dass du bei jedem Anlass bereit bist, für sie zu sorgen, so wollte ich doch auch meine Pflicht nicht versäumen. Zwar ist die Verfolgungsleidenschaft so, dass sie sich jedenfalls kaum etwas Bestimmtes vorschreiben lassen wird. Aber ich hoffe doch, es sei zu erreichen, dass sie sich einige Mäßigung auferlegt.

Lebwohl, trefflicher Mann und hochverehrter Bruder im Herrn. Den Herren Theodor, Pellikan, Gwalther, Werdmüller und den anderen Kollegen viele Grüße. Auch meine Kollegen lassen grüßen, unter ihnen besonders des Gallars. Ich bitte den Herrn Jesus, er möge Euch leiten mit seinem Geist, Euch beistehen und Euer Wirken segnen. Für den Band Predigten, den mir Haller in deinem Namen schickte, danke ich dir herzlich.

7. Mai 1549.

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