Calvin, Jean - An Johannes Brenz in Basel (248)

Nr. 248 (C. R. – 1090)

Calvin, Jean - An Johannes Brenz in Basel (248)

Der schwäbische Reformator Brenz war durch das Interim aus Württemberg vertrieben und hatte nach gefahrvollen Irrfahrten in Basel Zuflucht gefunden. Calvin antwortet auf diesen Brief Brenzens.

Von der Heimsuchung der Kirche.

Wenn in diesen ganz traurigen Zeitläufen mir noch etwas angenehm sein könnte, so wäre mir dein Brief vor allem angenehm und süß gewesen. Ja, er war mir willkommen und hat mir in mancherlei Schmerzen viel Trost gebracht, weil er mir meldete, dass du, um dessen Leben schon alle Guten gebangt hatten, aus dem Rachen des Todes gerettet bist. Wohl kann es nicht anders sein, als dass dir das Leben unter den gegenwärtigen Verhältnissen herb ist, wenn du bedenkst, dass du von der Gemeinde losgerissen bist, die du in Christo gezeugt und mit solcher Sorgfalt erzogen hast, und wenn du siehst, wie sie ihres Hirten beraubt und fast der Willkür des Satans preisgegeben ist, und doch musst du denken, dass du nicht umsonst vom Herrn gerettet worden bist. Du hättest bei deinem Alter, so rüstig du auch noch bist, doch schon lebenssatt sterben können, und tatsächlich, was ist jetzt in der Welt, was uns Lust zum Leben machen könnte? Aber ich zweifle nicht, dass der Herr, der bisher deine Dienste mit Glück und überreicher Frucht gebraucht hat zur Erbauung seiner Kirche, auch jetzt noch irgendetwas uns Unbekanntes zu tun hat, wozu er dich weiter brauchen will. Freilich will sich noch keine bessere Hoffnung, die bald erfüllt werden könnte, zeigen, vielmehr bieten sich, wohin wir sehen, unserm Blicke immer neue Unglückszeichen dar, so dass scheinbar nichts übrig bleibt als der vollständige Untergang der Kirche. Und so sehr unsere Sünde und unser Undank den Anlass boten zu solchen Nöten, so wird uns unsere Verstocktheit auch heute in Bedrängnis bringen, und wir müssen mir Recht noch Entsetzlicheres befürchten, als wir bisher erlebt haben. Aber ein Gedanke richtet mich trotzdem wieder auf und gibt mir neuen Mut, nämlich, dass ich mir sage: Gott hat die wunderbare Erneuerung seiner Kirche begonnen, so wollte er doch wohl nicht leere Hoffnung erwecken, die bald zunichte wird, sondern er wird sein angefangenes Werk nicht nur dem Satan zum Trotz, sondern auch trotz der widerstrebenden Böswilligkeit der Menschen, schützen und festigen. So wollen wir unterdessen die Sichtungszeit, die wir nötig haben, geduldig ertragen: wenn einmal die Wut des Leuen bis hierher vordringt, so wird er mit uns noch viel grausamer umgehen. Tatsächlich hat er es [bei uns] bisher mehr mit Drohungen versucht, als wirklich mit seiner Wut uns heimgesucht, aber nun lässt er heraus, was er bisher in sich verschloss, als ob ihm kein Hindernis mehr im Wege stünde. So darf uns auch nicht anders zu Mute sein, als wenn ein gezücktes Schwert über unserm Halse schwebte und der Scheiterhaufen schon lohte. Übrigens zweifle ich, wie gesagt, nicht daran, dass eine Art Züchtigung kommt, dann aber Gott in Bälde seine Kirche aus dieser kläglichen Zerstreuung sammeln wird. Nur eines fürchte ich, er könnte zuerst die schmähliche Schwäche Deutschlands samt der damit verbundenen gottlosen Untreue schwer strafen. Weil er aber doch sehen muss, dass viele unschuldige Schäflein von den starken Böcken verraten worden sind, hoffe ich, dass er doch nach seiner Barmherzigkeit dem Rechnung trägt und seinem gerechten Zorn nicht den Lauf lässt. Wir hier, da wir sonst nichts tun können, gedenken deiner und deinesgleichen beständig im Gebet; könnten wir dir doch noch mit andern Diensten helfen! Doch ist das Hauptsache, dass wir miteinander Gott demütig anflehen, wie er jetzt, durch unsere Sünden beleidigt, der Wut der Gottlosen für eine Weile die Zügel habe schießen lassen, so möge er nun auch, von ihrem frechen Spott gereizt, wieder an sich und die Seinen denken. Christum aber wollen wir bitten, er möge nicht nur unser Fürsprecher beim Vater sein, sondern sich auch als den gerechten Rächer seiner Kirche erweisen. Lebwohl, trefflicher Mann, hochverehrter Bruder im Herrn. Der Herr, dem du dienst, fahre fort dich zu leiten mit seinem Geiste und segne dein frommes Wirken. Amen.

Genf, 5. November 1548.

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