Calvin, Jean - An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Nr. 238 (C. R. – 1053)

Calvin, Jean - An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Eduard Seymour, ein Onkel des Königs Eduard VI., regierte als dessen Vormund unter dem Titel eines Protektors von 1547 – 1549 über England und führte, unterstützt von Cranmer, die Reformation ein.

Widmung zum Kommentar zu den Timotheusbriefen.

Da das herrliche Gerücht, erlauchtester Fürst, das wie von deinen andern Heldentugenden, so besonders von deiner außerordentlichen Frömmigkeit berichtet, im Herzen der Guten überall, auch wenn du ihnen sonst unbekannt bist, Liebe zu dir entfacht, so muss notwendigerweise auch, wer in England gut gesinnt ist, dir mit fast unglaublicher Ehrfurcht und Liebe anhängen. Denn nicht nur dürfen sie sehen, was wir anderen schon vom Hörensagen bewundern, sondern sie genießen auch die Früchte, die durch einen vorzüglichen Herrscher dem ganzen Volkskörper wie jedem einzelnen Gliede zu gute kommen. Auch kann das Lob, das dir das Gerücht spendet, nicht als eitles, von Schmeichlern ausgehendes, Geschwätz gelten, da deine Taten ein leuchtendes Zeugnis dafür ablegen.

Eine Vormundschaftsverwaltung ist auch schon bei einem gewöhnlichen, mäßig begüterten Mündel schwierig. Du führst die dir anvertraute Vormundschaft eines Königs, ja eines mächtigen Reiches, mit solchem Geschick und solcher Klugheit, dass alles deinen Erfolg bewundert. Und damit deine Tüchtigkeit nicht nur in gesetzlichen, friedlichen Zuständen des Staates sich auszeichne, hat Gott sie auch in dem Kriege zur Schau gestellt, den du bisher ebenso glücklich wie tapfer selbst geleitet hast. Und doch waren dir alle diese vielen Schwierigkeiten, die jeder leicht ausrechnen kann und die du überwinden musst, kein Hindernis, vor allem der religiösen Reformation deine Sorgfalt zu widmen. Ein Plan, ebenso würdig der Person des Fürsten, als nützlich für das Wohl des Landes! Denn nur dann ist eines Reiches Glück von Dauer und sein Schutz zuverlässig, wenn der, auf dem alles beruht und durch den allein es erhalten wird, Gottes Sohn, es regiert. So konntest du auch dem Wohl Englands durch nichts mehr Festigkeit geben, als durch die Zertrümmerung der Götzen und die Aufrichtung eines reinen Gottesdienstes. Das kann nämlich nicht geschehen, ohne dass die echte evangelische Lehre eingeführt wird, die allzu lang unterdrückt war durch die frevelhafte Tyrannei des Antichrists in Rom, und das heißt wieder nichts anderes, als Christum auf den Thron erheben. Diese an sich schon treffliche Tat ist aber umso größern Lobes wert, weil unter den heute Regierenden nur wenige zu finden sind, die die Abzeichen ihrer Herrscherwürde dem geistlichen Zepter Christi unterordnen. So ist ausgezeichnet für den allergnädigsten König gesorgt, dass er aus seiner Verwandtschaft einen solchen Leiter seiner Jugend fand. Denn wenn auch jedermann seine edlen Anlagen vor allem preist, so war doch zu seiner Erziehung zu männlicher Standhaftigkeit und zur Einrichtung der englischen Kirche, solange er selbst zu jung war, dieses Amtes zu walten, ein so geschickter Meister mehr als nötig. Ich zweifle nicht, dass er selbst es einsieht, Gott habe ihm dich gegeben, damit er in von deiner Hand nach seinem Wunsch geordnete Verhältnisse bald eintreten könne.

Mich aber konnte weder die weite Entfernung meines Wohnsitzes noch meine unbedeutende Stellung hindern, dir zu deiner edlen Leiterschaft in der Verbreitung des Ruhmes Christi Glück zu wünschen. Und wahrlich, da Gott mich einmal in die Zahl derer aufgenommen, durch deren Wirken er heutzutage der Welt die reine evangelische Lehre wiedergibt, warum soll ich nicht dir, den auch eine besondere Gnade Gottes zum Schützer und Verfechter dieser Lehre gemacht hat, in aller Ehrfurcht nahen, obwohl ich sehr weit von dir entfernt lebe? Da ich nun dafür nicht anders Zeugnis ablegen konnte, so glaubte ich, als Pfand dir diesen Kommentar zu zwei Briefen Pauli widmen zu sollen. Und ich habe nicht etwa zufällig gerade dieses Werk zur Widmung herausgegriffen, sondern mit Überlegung gewählt, was mir am besten schien. Paulus erinnert hier seinen Timotheus daran, mit welcher Art der Lehre man die Kirche erbauen soll, welchen Fehlern und Feinden man widerstehen, wie viel Ärger man dabei schlucken muss; er mahnt ihn, sich von keiner Schwierigkeit überwinden zu lassen, alle Gefahren tapferen Sinnes zu bestehen, die Frechheit der Bösen kräftig im Zaum zu halten, nichts nachzulassen aus Ehrgeiz und um Menschengunst willen. So ist uns in diesen beiden Briefen wie in einem lebenswahren Bild das rechte Kirchenregiment geschildert.

Da du dich nun im Auftrag deines Königs eifrig bemühst, die englische Kirche, die, wie eigentlich alle Kirchen der Christenheit, durch die frevelhafte Gottlosigkeit des Papsttums furchtbar verwüstet war, zu reformieren und dazu manchen Timotheus am Werke hast, so kannst du samt ihnen das Werk nicht besser zustande bringen, als wenn Ihr geradezu diesen Plan Pauli ausführt. Denn weder steht etwas drin, was nicht auch für unsere Zeit trefflich passt, noch ist andrerseits zum Aufbau der Kirche etwas nötig, was man nicht daraus entnehmen könnte. Meine Auslegerarbeit aber wird hoffentlich auch wenigstens eine bescheidene Hilfe dazu bieten. Doch ist es mir lieber, du erkennst das durch eine Probe, als dass ichs mit Worten rühme. Ist sie dann vor dir, hochedler Fürst, bewährt erfunden, so habe ich Grund, mir selbst am meisten Glück zu wünschen. Dass du in deiner außerordentlichen Freundlichkeit meine Widmung wohl aufnimmst, daran ich zweifle ich nicht.

Der Herr, in dessen Hand die Enden der Erde sind, erhalte das Königreich England stark und blühend, gebe dem allergnädigsten König den rechten Fürstensinn und beschenke ihn reichlich mit allem Guten, und dir verleihe er, glücklich weiter zu schreiten auf dem begonnenen herrlichen Weg, damit durch dich sein Name mehr und mehr ausgebreitet werde.

Genf, 1. August 1548.

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