Calvin, Jean - An Christophe Fabri in Thonon.

Nr. 131 (C. R. – 636)

Calvin, Jean - An Christophe Fabri in Thonon.

Christophe Fabri, genannt Libertetus, Pfarrer von Thonon (vgl. 10), war verreist als ihn Calvin besuchen wollte; Calvin hinterließ ihm folgenden Brief.

Von einem verfehlten Besuch.

Es tat mir und meinen Begleitern aus manchen Gründen leid, dass wir dich nicht zu Hause trafen; besonders weil wir uns mit dir über verschiedene Dinge zu besprechen wünschten. Dazu kam aber noch das eine, dass wir deine Frau nicht dazu bringen konnten, uns einfach als Hausgenossen zu behandeln. Denn sie trieb es so verschwenderisch, dass es mir vorkam, wir seien bei jemand ganz Unbekanntem zu Besuch. Zwar ließ sie sich zureden. Öfters bat sie, ich möchte nur befehlen, was mir beliebe. In allem andern folgte sie mir, nur darin bestand sie auf ihrem Willen, dass sie viel zu viel Aufwand machte für unsere Verpflegung. Es stand immer doppelt so viel Essen da, als nötig gewesen wäre. Das hat uns aber keineswegs gehindert, ganz ungeniert von deiner Gastlichkeit Gebrauch zu machen. Jedenfalls waren wir so gut aufgehoben, wie wenn du da gewesen wärest. Da ich Viret geschrieben hatte, an welchem Tage ich hier sein werde, hatte ich gehofft, er werde mit dir gleich herüberfahren. Nun habt Ihr unterdessen stets widrigen Wind gehabt.

Nun aber vernimm noch kurz einiges, damit ich dich nicht, nachdem wir dein Haus leer gegessen, auch an Neuigkeiten leer lasse. Mein Claude de Senarclens hat mir von Wittenberg geschrieben, jenes ganze Gebiet Deutschlands sei schrecklich erregt; Sachsen werde von fünf Feinden belästigt, die zwar nicht sehr mächtig, aber doch stark genug seien, Schaden anzurichten. Er selbst wurde auf der Reise von Räubern ausgeplündert. Gott sei gelobt, dass er ihn aus dieser drohenden Todesgefahr gerettet hat. Der Kaiser wütet in Belgien grausamer als je. Eins aber muss uns in solchen Nöten trösten, dass wir sehen, wie standhaft und freudig die Brüder in den Tod gehen. Ich denke, es steht auch für dich und Jean etwas in dem Brief. Wenn du, wie ich hoffe, bald nach Genf kommst, sollst du mehr hören. Der Kaiser ist endlich vom Krankenbett aufgestanden, um an den Reichstag zu Worms zu kommen. Unterdessen ist der Herzog von Orleans vor vierzehn Tagen zu ihm gereist, um seine Nichte, die Tochter Ferdinands, zu heiraten. Die Waldenser in der Provence werden unmenschlich behandelt. Kürzlich sind drei Dörfer niedergebrannt worden. Einige Leute verbrannten in den Häusern; einige sind zusammengehauen, andere auf die Galeeren geschleppt worden. Wir haben noch nicht erfahren, welches Ende die Feinde ihrem Raubzug gaben. Ich schreibe nicht mehr, um deinen Besuch bei uns nicht hinauszuschieben. Aus der sorglichen Geschäftigkeit meiner lieben Frau Gevatterin um uns sahen wir, wie gut wir bei dir empfohlen sind. Aber wir kündigen dir hiermit an, dass wir in Zukunft nie mehr hierher kommen werden, ohne vorherige feste Abmachung unter uns. Lebwohl, bester Bruder und liebster Freund. Wir danken dir alle ungeheuer für die uns bewiesene Freundlichkeit.

In deinem Haus, gerade vor der Abreise.

[Ende April 1545.]

In meinem und meiner Begleiter Namen

Johannes Calvin.

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