Calvin, Jean - An Francois de Connan in Orleans.

Nr. 1 (C. R. – 3)

Calvin, Jean - An Francois de Connan in Orleans.

Die Juristen Alciato, Professor zu Bourges, und Pierre de l´Estoile (Stella), Professor zu Orleans, standen in wissenschaftlicher Fehde. Calvin hat seinem älteren Freund Nicolas Du Chemin (Chemynus) Beihilfe geleistet bei einer Schutzschrift für de l´Estoile und rechtfertigt dies vor seinem Freund Francois de Connan (1508 – 1551). Zasius war ein deutscher Rechtsgelehrter, mit dem de l´Estoile in Fehde stand.

Calvin nimmt als Korrektor an einer juristischen Fehde teil.

Endlich erscheint die Verteidigungsschrift unseres Du Chemin und versucht ihr Glück wie alle Bücher, obwohl sie eigentlich nicht in der Absicht geschrieben wurde, einmal in die Öffentlichkeit hinaus zu treten. Doch war es Recht, auch das, was dieser Mann nur spielend geschrieben, um seinen Geist anzuregen und zu üben, zu veröffentlichen, damit seine Verteidigung dem de l´Estoile nicht fehle, und nicht irgendein unbekannter Albucius Siegeslieder anstimme, ohne Blut oder auch nur Schweiß vergossen zu haben. Wenn einer lieber Alciato setzt für Albucius, - zu bejahen wag´ ichs nicht und verneinen will ichs nicht -, aber einige besonders Scharfsinnige wittern, Alciato habe unter dem geborgten Namen versteckt bleiben wollen, damit nicht der übermäßig bissigen Beredsamkeit einer ungeduldigen Zunge Gleiches mit Gleichem vergolten werde. Es darf auch niemand meinen, de l´Estoile sei selbst hilflos gewesen, und sein Schweigen darf nicht als ein Bekenntnis aufgefasst werden, als hätte sich Albucius bis jetzt des Sieges rühmen dürfen, sondern man muss bedenken, dass ein Mann, der mit ernsten Dingen beschäftigt ist und auch in dieser Sache auf die Wahrheit sich stützt und ihr vertraut, mit so ganz unwichtigen Dingen keine Zeit verlieren wollte, da die Sache ja genügend für sich selbst spricht. Sonst hätte er schon gegen tausend Gegner wie Albucius die Feder gezückt, da er ja mit solcher Geistesschärfe begabt ist, mit solchem Fleiß und endlich mit solcher Rechtskenntnis, dass er darin in unsern Tagen über jeden andern unstreitig die Meisterschaft davon trägt.

Diese Überzeugung hegte auch Du Chemin und hätte seine Gedanken gar nicht auf die Herausgabe eines solchen Werkchens richten können, wenn er nicht von einigen Andern mit stichhaltigen Gründen dazu gebracht worden wäre, die ihm zeigten, wie dem de l´Estoile sein geduldiges Schweigen Schaden bringe. Denn einige Erzzänker argumentieren so: er hätte sich selbst in dieser Sache nicht im Stich gelassen, wenn er irgendwie sich hätte verteidigen können, da er doch dem Zasius immer Widerstand geleistet habe. Dadurch notwendiger Weise gezwungen, änderte unser Du Chemin seinen Plan und legt nun öffentlich dar, was er fast zwei Jahre lang hatte unveröffentlicht lassen wollen, um die Verleumdung dieser Leute zu vernichten. Er wollte aber in erster Linie dafür gesorgt haben, dass es unverstümmelt und unverderbt dem Publikum in die Hände komme. Deshalb hat er, als er hörte, dass ich mich zur Reise nach Paris rüste, mir unserer vertrauten Freundschaft wegen den Teil der Arbeit anvertraut, fleißig dafür zu sorgen, dass sich keine Druckfehler einschlichen. Ich übernahm dieses Amt gerne, aber nur unter der Bedingung, dass ich für keine andere Schuld als die der Nachlässigkeit haften sollte. Dann scheint mir, habe ich mein Amt gut verwaltet, wenn ich die Sorgfalt angewendet habe, die er wünscht. Auch Alciato darf es nicht übel nehmen, wenn er einsieht, dass er vor allem rechtmäßig bekämpft wird, aber auch bescheiden und ehrerbietig und nicht ohne ein seiner Ehre geziemendes Einleitungswort. Ich meine, er sei so sehr fürs Gemeinwohl eingenommen, so der Wahrheit ergeben, dass er nicht über ihr stehen wollte seines persönlichen Ansehens wegen. Nun er also einsieht, dass die Wahrheit in der Tiefe versunken ist, wird er auch zugeben, dass man sie wieder suchen muss in Rede und Widerrede, wenn nur dafür gesorgt wird, dass die Wahrheit, die man sucht, nicht über dem Zanken erst recht verloren geht. Das wollte ich gelegentlich gesagt haben, um mich zugleich vor Alciato und dir zu verteidigen; denn ich fürchte, du seist auch der Sache des Gegners zugetan, weil du ihn persönlich liebst, und werdest auch mir zum Vorwurf machen, dass ich nicht auf Alciatos Seite stehe. Ich weiß wohl, wie sehr dir sein Lob zur Gewohnheit geworden ist, dir, dem für den ausgezeichneten Lehrer in der Tat dankbarsten Schüler. Dass du aber auch von de l´Estoile, den du ja auch gehört hast, die beste Meinung hast und mit Ehrerbietung redest, das hab ich neulich aus unserm Gespräch und auch oft aus deinen früheren Briefen erfahren, so dass ich eigentlich gar nicht denken dürfte, du trügest in diesen Streit irgendein Vorurteil hinein. Besonders da dir ja der zur Genüge bekannt ist, der sich anschickt, diese ganze Sache nach seinem Urteil zu behandeln, unser Du Chemin, den du ja kennst als einen Mann, wohl erfahren in strenger Arbeit, durchdringenden Verstandes, und, was das Wichtigste ist, peinlich genauen Urteils. In seinem literarischen Wissen bis zur Vollkommenheit durchgebildet, beschäftigt er sich jetzt mit Glück, und hat sich auch vorher schon lange beschäftigt, mit juristischen Studien. Was nun unsere Sache angeht, so sollen die Leser darüber ihr freies Urteil haben, natürlich nicht die Laien, sondern solche, die etwas tiefer in die Geheimnisse der Rechtswissenschaft eingedrungen sind. So kannst auch du, hochgelehrter de Connan, es beurteilen, nicht als einer aus der Masse, sondern wirklich durch tiefere Erkenntnis aus der großen Zahl ausgeschieden. Freilich wie es nun liegt, glaub ich, dass diese Streitschrift der Art ist, dass ihr leicht und gewiss ein günstiges Urteil auch von dir, wie übrigens von einem jeden ernsthaften Leser, den sie sich erringt, gebührt. Lebe wohl.

Paris, 6. März 1531.

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