Brenz, Johannes - Erster Osterfeiertag.

1543.

Mark. 16,1-8.
Und da der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena, und Maria Jacobi und Salome Spezerei, auf dass sie kämen und salbten ihn. Und sie kamen zum Grabe an einem Sabbater sehr frühe, da die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen dahin, und wurden gewahr, dass der Stein abgewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab, und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein lang weiß Kleid an; und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht. Ihr sucht Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten; er ist auferstanden, und ist nicht hier. Siehe da, die Stätte, da sie ihn hinlegten. Geht aber ihn, und sagt es seinen Jüngern, und Petro, dass er vor euch hingehen wird in Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen schnell heraus, und flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen, und sagten Niemand nichts, denn sie fürchteten sich.

Wäre der Glaube an die Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi so allgemein unter den Menschen, als es die Worte und die Festlieder davon sind: so brauchte man nicht mit ängstlicher Sorgfalt und weitläufig darüber zu zu predigen, weil wir alle Tröstung und Stärkung des Glaubens leichtlich aus jenen öffentlichen Gesängen schöpfen könnten. Obwohl nun aber Nichts unter den Christen bekannter1) ist als die Auferstehung Christi und die aus ihr folgende Auferstehung der Toten, so widerspricht und empört sich doch allezeit unser Fleisch heimlich dagegen. Und die Christen bezeugen es öffentlich durch ihr gottloses, frevelhaftes Leben, dass sie nicht glauben, weder dass Christus auferstanden sei, noch dass die Toten auferstehen werden. Denn wer noch schwelgt, wer noch hurt, wer noch Betrügereien übt, und wer unbußfertig irgend einer Art von Sünden frönt, der leugnet durch seine Werke die Auferstehung Christi und die zukünftige Auferstehung der Toten und kann nicht von Herzen jenes öffentliche Lied singen: „Christ ist erstanden.“ So müssen wir denn allen Fleiß tun, dass wir die wahrhaftige Lehre von Christi Auferstehung aufs Sorgfältigste beachten und rechten Glauben daher empfangen, damit wir getrosten Mutes mit der ganzen Kirche Christi singen können, wie Christus von den Toten erstanden ist. Wir wollen also reden: erstens, dass Christus wahrhaftig von den Toten auferstanden ist; zweitens, welchen Nutzen die Auferstehung Christo selbst gebracht habe; drittens endlich, welchen Nutzen sie uns Menschen bringe.

Zu allererst ist not, dass die Wahrheit der Auferstehung Christi durch die gewissesten Zeugnisse bestätigt ist; denn die menschliche Vernunft glaubt nicht, dass Christus von den Toten auferstehen konnte. Immer haben zudem die Juden, haben auch die Heiden geleugnet, und vielleicht leugnen auch die Türken, dass Christus von den Toten auferstanden ist. Doch was rede ich von Jenen, da es auch Christen gibt, welche das nicht so fest glauben, dass sie ihre Schätze und ihr Leben eher im Stiche ließen, als dies zugeben und bekennen möchten. So erheischt denn die Notwendigkeit, dass die Auferstehung Christi gehörig festgestellt sei, und diese Notwendigkeit hat Christus selbst erkannt, da er so klare Zeugnisse seiner Auferstehung hinterlassen hat. Denn er wollte sich nicht heimlich dem Grabe entziehen, sondern ist in großer Majestät und unter einem gewaltigen Erdbeben auferstanden. Dadurch aber wurden die Hüter des Grabes so erschreckt, dass sie entflohen und, obwohl Feinde, bezeugten, Jesus sei auferstanden. Dazu sind Engel nach der Auferstehung bei dem Grabe erschienen und haben es bestätigt, dass er von den Toten auferstanden ist. Außerdem ist Christus selbst nach seiner Auferstehung seinen Jüngern erschienen, bald den Frauen, bald dem Petrus allein, bald zwei, bald mehreren Jüngern. Er ist in Galiläa, wie er's zuvor gesagt hatte, fünfhundert Jüngern erschienen, die zugleich versammelt waren. Oftmals haben die Jünger nach seiner Auferstehung mit ihm gegessen und getrunken, und er hat sich selber nicht nur sehen, sondern auch betasten lassen. Wahr ist es allerdings: er hat sich nicht vor allen und jeden Menschen sehen lassen. Denn nach seiner Auferstehung hat er das Land nicht in seiner äußerlichen und sichtbaren Majestät durchzogen, um von allen Leuten gesehen zu werden, sondern hat sich nur den früher dazu erwählten Zeugen offenbart. Denn Christus wollte noch nicht, dass der letzte Tag dieser Welt komme, um sich an demselben der ganzen Welt vor Augen zu stellen. Und die offenbare Durchwanderung des ganzen Erdkreises hätte damals doch keinen Nutzen gebracht, weil die Nachkommen der Menschen, die Christum gesehen hatten, Nichts mehr geglaubt hätten, als sie jetzt glauben. Dazu kommt, dass Christus seine Auferstehung bezeugt hat durch seine Himmelfahrt, durch die Sendung des Heiligen Geistes und die Ausbreitung des Evangeliums über den ganzen Erdkreis. So ist denn Nichts gewisser, als dass Christus von den Toten auferstanden ist. Und daran ist nichts Neues geschehen; denn die Propheten haben längst zuvor gepredigt, Christus würde von den Toten auferstehen. David (Ps. 16,10): „Du wirst nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese.“ Und alle anderen Propheten, welche von dem ewigen Reiche Christi reden, bezeichnen eben damit, dass Christus von den Toten auferstehen solle. Alles daher, was Juden, was Heiden, was Türken oder was gottlose Christen meinen und plappern, das geht uns nichts an, die wir hinlänglich sichere Zeugnisse der Auferstehung Christi haben.

Nun aber lasst uns sehen, welchen Nutzen die Auferstehung Christo selbst gebracht habe. Denn Christus ist nicht von den Toten erstanden wie Lazarus und der Sohn der Witwe, um nochmals zu sterben, sondern er ist erstanden zur ewigen Herrlichkeit seines Vaters. Erst war er ein den Leiden unterworfener Mensch, hungerte, dürstete, schwitzte und fror, ward gefangen genommen, gekreuzigt, getötet. Nun aber ist er nach der Auferstehung keinen leiblichen Leiden mehr unterworfen, hungert nicht, dürstet nicht, schwitzt nicht, friert nicht, kann nicht gefangen genommen, nicht gekreuzigt, nicht getötet werden. Erst war er ein verachteter Mann und hatte auf Erden nicht, da er sein Haupt hinlegte; nun ist er in der Herrlichkeit und Majestät seines Vaters und herrscht im Himmel und auf Erden. Auf Erden hätte kein König gelitten, um mit ihm an seinem Reiche Teil zu haben; nun aber ist er durch seine Auferstehung zu Gottes Herrlichkeit eingegangen und sitzt zur Rechten Gottes, d. h. regiert überall mit seinem Vater, und ist doch auf Erden kaum als ein Mensch angesehen worden. War er doch, wie Jesaias sagt (Jes. 53,3), der Unwerteste unter den Menschen. Allein man wird sagen: was nützt das uns, dass Jesus Christus durch seine Auferstehung ein gewaltiger Herr im Himmel und auf Erden geworden ist? Viel in jeder Beziehung. Denn wie Christus für uns sein Leiden auf sich genommen hat, so hat er die Auferstehung zu unserem Nutzen vollbracht. Und wie der Herr Aller Sünden auf ihn gelegt hat, so hat er auch das Heil aller Menschen auf ihn gelegt; denn es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden. Weil denn nun Christus zur Herrlichkeit seines Vaters auferstanden ist, bringt das denen, welche an ihn glauben, erstlich den Nutzen, dass, wie Christus von Gott, seinem Vater, als der Allerunschuldigste und Allergerechteste anerkannt wird, also auch die, welche an ihn glauben, um Christi willen als gerecht und unschuldig gelten. Ferner: wie Christo jetzt Nichts schaden kann, weder Lästerungen, noch Schmerz, noch Verfolgung, noch Gefangenschaft, noch der Tod selber, denn er ist von dem Allen frei geworden, so kann denen, die an ihn glauben, Nichts schaden, weder Armut, noch Krankheit, noch der Tod selbst. Wir leben, sagt Paulus, oder sterben, so sind wir des Herrn; denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden, dass er zugleich über die Lebendigen und über die Toten herrsche. Außerdem, wie Christus nicht im Tode und im Grabe konnte gehalten werden, sondern zum ewigen Leben gelangt ist: so können auch die, welche an Christum glauben, nicht vom Tode und vom Grabe gehalten werden, sondern werden durch den Tod zum wahren Leben eingehen. „Wer an mich glaubt (spricht er), der hat das ewige Leben“ (Joh. 6,47). Endlich, wie Christus das himmlische Erbteil hat, so hat er bewirkt, dass Alle, die an ihn glauben, als seine Brüder und Kinder Gottes am ganzen Erbe im Himmel mit ihm Teil nehmen. Was kann Größeres als dieser Nutzen, als diese Glückseligkeit genannt werden?

Wir können aber Solches nicht aus uns selbst erkennen, sondern es muss aus dem Worte Gottes erkannt werden. Was soll daher jene Trägheit und Nachlässigkeit, dass, während die öffentlichen Predigten des Evangeliums immer zugänglich sind, Wenige nur dieselben besuchen und beachten? Es gibt Leute, die im ganzen Jahre kaum ein oder das andere Mal Predigten hören. Was, ich bitte euch, hindert, dass ihr zu anderen Zeiten nicht ebenso zahlreich bei der Predigt zugegen seid, als an diesen wenigen Tagen? Und doch ist dies, so viel ich verstehe, zu eurem Heil durchaus notwendig; denn die rechte Erkenntnis Christi ist uns zum Heile nötig. Wir können nicht selig, nicht gerechtfertigt werden, können den Himmel nicht erlangen ohne Christum. Christus aber wird nicht erlernt hinter dem Pfluge und dem Webstuhl, sondern er wird erlernt aus der Lehre des Evangeliums. Er wird auch nicht erkannt durch menschliche Vernunft, sondern vermöge der himmlischen Lehre durch den Heiligen Geist. Wie schmachvoll ist es, fünf oder sechs Tage der Sorge für den Leib zu widmen, und nicht einen Tag, ja nicht eine Stunde in der Woche der Sorge für die Seele oder das wahrhaftige Heil widmen zu wollen! In den hundertundachtundsechzig Stunden einer Woche wollen wir nicht Eine Stunde darangeben, um für unser Heil Sorge zu tragen: was soll da Gott tun? Wir wundern uns, dass bisweilen Hagel die Saat verwüstet; allein das ist wunderbar, dass auch nur Ein Körnlein wächst. Wir sind geschaffen und dazu berufen, dass wir Gottes Wort lernen; aber wir lassen es im Stich und folgen den Lüsten des Fleisches. Greift danach der Satan uns an, so können wir den Kampf mit ihm nicht aufnehmen, sondern geben uns ihm fortwährend gefangen und werden zu jeder Art von Sünde geführt. Werden wir sodann vor Gottes Gericht gestellt und der Sünden angeklagt, da wissen wir von Christo viel weniger als die Tiere, und verzweifeln daher unablässig. Was wird also geschehen? Türken, Juden, Heiden werden beim Gerichte aufstehen und uns verdammen, weil uns das Evangelium so deutlich gepredigt worden ist, und wir haben es um unserer Trägheit willen nicht erkannt.

So müssen wir denn die Predigten fleißig besuchen, um Christum, die Kraft und den Nutzen seiner Auferstehung zu erkennen, auf dass wir in diesem Leben auferstehen von den Sünden und danach von den Toten zum ewigen Leben, durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

1)
Im Lateinischen steht der freilich bezeichnendere, aber unedlere Ausdruck: „abgeleiert“.
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