Blumhardt, Christoph - Andachten zum Brief des Paulus an die Galater

Blumhardt, Christoph - Andachten zum Brief des Paulus an die Galater

Gal. 1,16.

Wenn ich den Menschen noch gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.

Die Apostel, so auch Paulus, sollten das Werk fortsetzen, das unser Heiland angefangen und bei Seinem Weggehen in ihre Hände gelegt hatte. Sie sind Christi Knechte, wie der Heiland bei Jesaia der Knecht des HErrn heißt. Als solche dürfen sie Niemanden wider den HErrn sich gefällig machen, dürfen nur Ihm folgen. Wie Er's haben will, müssen sie's machen und dürfen nicht aus Menschengefälligkeit in etwas von dem, wie's ihr HErr will, abweichen. Solches haben wir Alle uns zu merken, die wir gerne, wie man sagt, den Mantel nach dem Wind hängen, d. h. mehr nur, nach dem's die Leute wollen, die Sachen nehmen. Gar leicht sieht man auch unredlichen Menschen, wie man sagt, durch die Finger und thut, wie man ihnen zu verstehen geben wollte, es mache nichts aus, wenn sie auch dieß und das beibehalten oder thun wollten, das nicht recht ist, und werden sie dennoch vom Heiland angenommen. Oder man benimmt sich den Leuten zu Gefallen etwas leicht und weltlich, mit Verleugnung eines ächten christlichen Sinnes und Denkens, aus Furcht bei ihnen anzustoßen, oder aus Sucht, bei ihnen zu gewinnen. Bei dem Allem hören wir auf, Christi Knechte zu sein.

In dieser Menschengefälligkeit kann man so weit gehen, daß zuletzt das ganze Evangelium verkehrt wird, indem man den Leuten, auch wenn man mit ihnen reden könnte, unchristliche Art und Gedanken läßt, oder ihnen gegenüber verschweigt, was nicht verschwiegen werden soll, ihre unchristliche widergöttliche Art in Schutz nimmt, oder, was bestimmt und klar im Worte Gottes gegründet und als Sein Wille unzweideutig zu erkennen ist, wendet und dreht und in ein falsches Licht stellt, nur um den Menschen zu gefallen. So war's auch bei den Galatern, an welche Paulus schreibt. Sie wollten von Andern bethört werden, sich, da sie früher Heiden waren, beschneiden zu lassen, und waren so nahe daran, vom Glauben weg wieder auf des Gesetzes Werk zu fallen und von Aeußerlichem ihre Seligkeit abhängig zu machen. Da konnte auch ein Paulus versucht werden, wie einmal selbst Petrus (Gal. 2,11 ff.), den Juden zu gefallen, die jenes mit Ungestüm verlangten, als ob Alles daran hinge, nachzugeben und die Beschneidung der Heiden vor sich gehen zu lassen. Das würde aber Paulus eine unerlaubte Menschengefälligkeit nennen, bei der ein Apostel aufhörte, Christi Knecht zu seyn, und anfinge, der Menschen Knecht zu werden. Er wollte in dieser Sache so wenig den Menschen gefällig seyn, daß er sogar zweimal niederschrieb (Gal. 1,8.9): „So auch wir, oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen, anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ So weit trieb ihn das Bewußtsein, Christi und nicht der Menschen Knecht zu seyn.

Wie dienlich wäre es doch auch in unserer Zeit, wenn man sich's mehr sagte, in wessen Dienst man stehe, und wem man als Knecht zu gefallen habe. Man würde nicht so oft aus Menschengefälligkeit vor so Vielem, was eigenmächtig auftritt, den Bückling machen, nicht so leichthin Thorheit und Lüge neben der Wahrheit herlaufen lassen. Der HErr erhalte uns nüchtern und treu, in Allem nur Ihm ergeben, wenn auch Alles wider uns wäre!

Mel. Mein Jesu, der Du mich.

HErr, habe Acht auf mich;
Tödt' in mir mächtiglich
Die Eigenliebe,
Trägheit, Lust, Furcht und Neid,
Menschengefälligkeit,
Unlaut're Triebe!

Zusatz (Richtige Menschengefälligkeit.)

Uebrigens müssen wir uns in Acht nehmen, solche Sprüche, die wider die Menschengefälligkeit reden, nicht zu schroff aufzufassen, indem wir jedes geduldige Zuwarten, jede schonende Nachsicht, jede schweigende Vorsicht ohne Weiteres eine sträfliche Menschengefälligkeit nennen. Menschen gefällig sind wir nur, wenn wir durch unser Reden oder Benehmen aus Scheu vor den Menschen der Wahrheit wirklich etwas vergeben, und so dem HErrn oder Seiner Sache zu nahe treten. Dieß ist nicht immer, ja oft nicht, der Fall, wenn wir Gründe haben, vor der Hand uns still zu verhalten, auch bei Manchem nachsichtig zu seyn, Gründe, bei denen wir gleichfalls die Ehre des HErrn und Seine Sache im Auge haben. So sagt derselbe Paulus (1. Kor. 9,19f.), „er habe sich selbst Jedermann zum Knechte gemacht, auf daß er ihrer Viele gewinne, sei den Juden geworden ein Jude, auf daß er die Juden gewinne, denen die unter dem Gesetz seien, sei er geworden als unter dem Gesetz, auf daß er die, so unter den Gesetz wären, gewinne, denen, die ohne Gesetz seien, sei er als ohne Gesetz geworden.“ Die Rücksicht auf eigentliche Juden, die noch nichts von Christo wußten, bestimmte den Paulus sogar, den Timotheus, der eines griechischen Vaters Sohn war, zu beschneiden, um nicht gleich zum Voraus bei den Juden anzustoßen, wenn er mit einem Unbeschnittenen umherzöge und das Evangelium predigte. Bei dem Allem aber zeigte er sich nicht in tadelnswerther Weise menschengefällig.

Hieraus können auch wir entnehmen, daß man Unbekehrten gegenüber für den Anfang in Vielem nachsichtig und schweigsam seyn darf und muß, um sie nicht abzustoßen, ehe man recht mit ihnen angefangen hat, ohne damit menschengefällig zu werden. Wo die Leute das Verständniß noch nicht haben oder haben können, muß man nicht, in der Meinung, sich ihnen nicht gefällig zu benehmen, schroff und hart gegen sie auftreten und nur gleich gerade mit dem kommen, was sie augenblicklich unempfänglich macht. Das heißt man mit der Thüre ins Haus fallen. Schweigsam aber und gefällig seyn ist immer Zweierlei. Bei jenem thut man nichts, was wider den HErrn wäre, handelt man vielmehr weislich und aus der Liebe, weil man nur das im Auge hat, zu gewinnen, und die Herzen anzufassen, bis man in diesen einen Boden hat, auf welchem das Weitere nach der Ordnung gepflanzt werden kann. Denn zuerst muß man eine Brücke bauen, um zu den Herzen zu kommen; und mit einem harten, oder geistlich gesetzlichen Wesen, das mehr abstößt als anzieht, gewinnt man keine Seele. Mit Schonung und Rücksicht, wie sie Liebe und Barmherzigkeit eingibt, kann man an solchen, die noch ferne stehen, etwas ausrichten. Da muß man an ihnen erst noch viel Thörichtes und Verkehrtes übersehen können bis auf Weiteres, Vieles mit Nachsicht so gehen lassen, bis man sie ganz unter die Zucht des Geistes stellen kann. Thun wir das nicht, so sind wir auch nicht Knechte Christi, des Heilandes, der sich gemüthlich zu Zöllnern und Sündern setzen kann, nicht um ihnen den Eindruck zu geben, als sei es Ihm einerlei, wer sie wären, sondern um ihre Seelen anzuziehen, und so erst von der Sünde wegzubringen. Wer aber den Leuten nur gleich von ihrer Thorheit und Sünde strafend vorpredigt, um ja nicht ihnen gefällig zu seyn, ehe er sie angezogen hat, der wirds zu nichts mit ihnen bringen.

So haben wir heutzutage viele wohlmeinende Eiferer, die nichts als Strafpredigten halten, immer nur die Sünden vorhalten, meinend, damit Buße zu wecken; und sie thuns, um nicht den Menschen gefällig zu seyn. Aber nicht gefällig und ungefällig seyn ist auch wieder Zweierlei. Sie sollten vor Allem ungefälliges, abstoßendes Wesen meiden, sollten's lernen, geduldiger, schonender, langmüthiger, schweigender zu werden, bis ihre Liebe und Barmherzigkeit gefühlt wird, an dem, daß sie den Barmherzigen anpreisen. Dann erst bekommen sie Macht, die Leute zur Buße und Bekehrung zu bringen. In der Regel kommts dann den Leuten von selber, wie dem Zachäus, dem der Heiland nur Liebe erzeigt, ohne die geringste Strafrede, obgleich er ein Dieb und Betrüger war, und der dann doch vor Jedermann seine Umkehr anzeigt, mit den Worten: „er wolle vierfältig wiedergeben, was er betrogen habe“.

In unrechter Weise menschengefällig aber ist man, wenn man Menschen zu lieb der Wahrheit etwas vergibt, den Verkehrten ihre Verkehrtheit läßt, als hätte sie nichts zu bedeuten, in Lehre und Wandel fortgehend die Augen zudrückt, oder gar aus Menschengefälligkeit an sich es fehlen läßt. Hier ist's ein Verleugnen des HErrn, und kommt man vom Dienste Christi weg in den Dienst der Menschen hinein.

Galater 2,19f.

Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe aber, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben.

Christus ist für unsre Sünden gekreuzigt worden. Das ist die große Tatsache, die ein echter Christ nimmer aus den Augen verliert. Der, bei dem's so ist, fühlt sich selbst als mit Ihm gekreuzigt, fühlt die Macht des natürlichen Menschen in sich gebrochen, ertötet, weil ja um ihretwillen Christus gestorben ist. Wie wichtig ist es doch, so im Glauben zu stehen, daß der Gedanke an Christi Kreuzestod die natürlichen, sündlichen Triebe zu ertöten, wirkungslos zu machen vermag, sooft sie sich geltend machen wollen. Es kann das nur bei dem geschehen, der die Sünde in ihrer Größe erkannt und gefühlt hat. Wer nur schläfrig ohne innere Zerknirschung es so hinnimmt, daß Christus für die Menschen gestorben sei, auf den hat's keine sonderliche Wirkung; und seine alte Natur behält in der Regel ihre Stärke. Wie sollten die Marter Christi uns doch tiefer ins Herz dringen, damit wir sagen und fühlen können, wir seien mit Christus gekreuzigt!

„Ich lebe aber“, sagt Paulus. Wie Christus nicht im Tode verblieben ist, so leben auch wir, die wir mit Ihm gekreuzigt sind. Aber es ist bei uns nun kein eigenes Leben mehr, sondern nur ein Leben Christi in uns. Nur was Er innerlich in uns zeugt und lehrt und mahnt und tröstet, gilt uns etwas. Und alles andere außer Ihm bleibt tot, hat alle Macht und Bedeutung für uns verloren. Das sagen die Worte: „Doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Ach, wie wenige mögen's zu solchem Leben Christi in sich gebracht haben!

Unterdessen leben wir doch noch im Fleisch, sind noch nicht über die Schwachheiten eines irdischen leiblichen Lebens hinübergekommen, müssen daher immer noch viel leiden, wie auch Christus im Fleisch gelitten hat. Aber Paulus sagt: „Was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben an den Sohn Gottes.“

In diesem Glauben hält er zweierlei fest, das sein Leben im Fleisch zu einem neuen verklärt. Denn er sagt erstlich vom Sohne Gottes: „der mich geliebt hat“, und zweitens: „der sich selbst für mich dargegeben hat“. In unsrem Glaubensleben nämlich sollten wir immer wieder an die Liebe Jesu einerseits und an Seine Hingabe andrerseits kommen - nicht nur zu unsrer Stärkung und Belebung, sondern auch zur Erneuerung und Verklärung unsres Lebens im Fleische. Im Herzen des Glaubenden sollte sich dasselbe ausprägen, was er an seinem Heiland wahrnimmt und hochhält. Hat Jesus uns geliebt - wie sollte es uns schwer werden, auch zu lieben? Hat Er sich für uns hingegeben - wie sollten wir uns sträuben, Ihm auch Opfer zu bringen und in Verleugnungen treu zu sein? Christus lebt in uns, wenn beides, Seine Liebe und Seine Hingabe, in uns verwirklicht wird.

Aber wie leicht bleibt unser so genanntes Glaubensleben doch nur ein Leben im Fleische, als wäre kein Glaube da! Weil wir nicht lieben und nichts verleugnen können!

Galater 3,27.

“Wie viele euer auf Christum getauft sind, die haben Christum angezogen.“

Wenn es heißt: „Auf Christum getauft,“ so meint der Apostel damit, wenn man soll Christum dabei angezogen haben, nicht das äußerliche Getauftsein allein, sondern auch das Bewußtsein und die gläubige Empfindung davon, daß man auf Christum getauft sei, wobei dann die innerliche Vergebung der Sünden gewiß ist. Denn das macht's, daß wir Christum angezogen haben. Bei getauften Kindern wird’s immer damit völlig, - und das kann schon in frühester Kindheit sein, - daß sie die gläubige Empfindung von dem bekommen, was an ihnen geschehen ist. Sobald ich fühle, ich sei auf Christum getauft, mit allem, was dazu gehört, dann gilt mir's, daß ich Christum und Seine Gerechtigkeit angezogen habe. Denn getauft heißt eigentlich abgewaschen, gereinigt sein, darum los vom bösen Gewissen, besprengt, wie es im Hebräerbriefe heißt, mit reinem Wasser und mit dem Blute des Lammes Gottes, das der Welt Sünde trug. Habe ich aber Christum, also daß Er mich wie ein Kleid überdeckt, so habe ich den ganzen Himmel und alle Gottesherrlichkeit in Hoffnung.

Aber freilich, wie ein Kleid schmückt, so soll auch Christus als ein Kleid dich schmücken. Solches geschieht, wenn Sein Bild, Sein ganzes Wesen, insbesondere Seine Sanftmut und Demuth, - wie Er sagt (Matth. 11,29): „Lernet von Mir, denn Ich bin sanftmütig und demütig,“- an dir zu sehen ist. So ist das Wort des Apostels nicht nur ein Trost für uns wider die Anklagen des Gewissens, sondern auch eine ernste Ermunterung, uns zu reinigen und von alle dem frei zu erhalten, was sich mit dem Bilde Christi nicht verträgt. Üben wir uns darinnen durch Wachen und Beten!

Galater 6, 4.

“Ein jeglicher prüfe sein selbst Werk.“

Jeder prüfe nicht nur einmal im Leben oder einmal im Jahr, sein selbst Werk, sondern alle Tage, ob er nämlich, wollen wir für jetzt nur sagen, beim HErrn stehe, oder ob er sich ohne seinen HErrn geriere 1). In dem liegt das meiste. Sobald wir uns an Seiner Seite fühlen, mit allem, was wir sind und tun, so geht's vorwärts, auch mit Hilfen, die wir erwarten. Fühlen wir uns getrennt, wenn auch nur in einzelnen Dingen, getrennt von Ihm, so macht solche Trennung in dem Grad, als sie vorhanden ist, Aufenthalt. Nur, was wir in dem HErrn sind und tun, gerät; alles andere wird zuletzt Schaum, und oft schneller, als wir daran denken. Insofern muß eigentlich unser selbst Werk das Werk des HErrn in uns seyn. Die Prüfung also, ob's so sei, sollte alle Tage geschehen, eigentlich in jedem Moment, indem man bei allem, was man anfängt, nur immer aufmerkt und sich fragt: Ist's mit Gott oder ohne Gott? Habe ich Seine Regeln und Gesetze im Auge, oder gehe ich eben so dem Triebe nach, gleichgültig, ob's mit dem HErrn, oder ohne Ihn gehe?

Merken wir uns von dem Spruch für jetzt nur so viel. Tun wir's, wie wir's da hören, so lernen wir richtig wandeln, freudig pilgern, in der Hoffnung wachsen, werden auch viel Gnaden und Freundlichkeiten Gottes erfahren, weil Er, bei dem wir sind, immer auch Sich fühlbar kund gibt. So mögen denn die lieben Abreisenden sich noch etwas daraus entnehmen; und wir, die wir bleiben, wollen's uns auch merken. Es bleibt gewiß, wer mit dem HErrn geht, wird und muß mit Ihm zu Seiner Herrlichkeit endlich gelangen; und dahin versammeln sich alle von nah und fern, von Ost und West, von Nord und Süd. Welche Freude aber wird’s für uns seyn bei dieser großen Versammlung!

Mel. Seelenbräutigam.

JEsu, geh' voran
Auf der Lebensbahn;
Und wir wollen nicht verweilen,
Dir getreulich nachzueilen,
Führ' uns an der Hand
Bis in's Vaterland.

Soll's uns hart ergeh'n,
Laß uns feste steh'n,
Und auch in den schwersten Tagen
Niemals über Lasten klagen;
Denn durch Trübsal hier
Geht der Weg zu Dir.

1)
betrage - Anm. d. Bearbeiters
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