Binde, Fritz - Eine wunderbare Stimme.

Binde, Fritz - Eine wunderbare Stimme.

„Denn meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie; und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen. Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles; und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.“`
Joh. 10,27-30

Hast du, lieber Hörer, schon auf das strenge Lebensgesetz geachtet, das so lautet: Wohin man horcht, dahin gehorcht man; wohin man hört, dahin gehört man; wohin sich unser Ohr neigt, dahin neigt sich über kurz oder lang unser ganzes Leben; des Menschen Leben wird von Stimmen bestimmt? Tagaus, tagein sind wir von vielen Stimmen umgeben, die alle unser Leben bestimmen wollen. Was ist dir heute nicht alles durchs Ohr gegangen! Wie viele Stimmen haben dich doch heute hinzunehmen gesucht! Was hat dich nicht alles umschwatzt, umschwirrt, umtobt, umtost, umworben, umflüstert, umschmeichelt und – umgarnt? Alle diese Stimmen, die heute von allen Seiten her auf dich eindrangen, oder einige wenige Stimmen, denen du hauptsächlich ausgesetzt bist, oder eine ganz besondere Stimme, der du täglich Gehör gibst, alle diese Stimmen stimmten deinen Tag auf einen besonderen Ton, bestimmten den Gang und Inhalt deines heutigen Lebenstages. Sinne darüber nach und prüfe die Wahrheit. In unseren Tagen des vielen Redens und lauten Zeitgeschreies – denn die Menschenwelt ist nie so unruhig, nie so laut gewesen wie heute – ist der Einzelmensch hineingesetzt, hineinverwoben, hineinverstrickt, hineinverwirrt in ein wahres Stimmengewirre. Das Geleise seines Gehörsinns ist dabei oft derart besetzt und überfüllt, daß der geplagte Nervenmensch alle Zugänge sperren und jede weitere An-, Ein- und Zurede ablehnen möchte; denn seine Seele leidet Pein. Ruhe, Ruhe! Nur einmal nichts mehr hören müssen! Tatsächlich gibt es für den seufzenden Kulturmenschen kein begehrteres Gut als – die Stille. Kann er sie nicht auf dem Lande oder im Villenviertel haben, so stopft er sich doch in zwingenden Fällen die Ohrgänge mit Gehörschutzstöpseln zu, und ist froh, ein derartiges Kulturmittel gegen die Kultur zu haben.

Immer sind es zweierlei Stimmen, die auf den Menschen eindringen und ihr Wechselgespräch mit ihm zu führen versuchen, äußere und innere Stimmen. Zu den äußeren Stimmen gehört zunächst die Stimme deines Hauses; deiner Familie. Weißt du schon, daß jedes Familienleben auf einen ganz bestimmten Ton gestimmt ist, der da Heil oder Unheil bestimmt? Wer ein geübtes Ohr hat, merkt da gar bald, welcher Ton da herrschend geworden ist, ob der Ton der nervösen Gereiztheit, der allezeit aufgeregten Zanksucht, des lauten Lärms, der immerwährenden Rechthaberei und des steten Widerspruchs, der Ton der kurzangebundenen Grobheit oder gar des rohen Fluchens, der bittere Ton der Vorwürfe oder der fressende der Eifersucht, der lässige Ton der Trägheit – oder der ungeduldig spornender, peitschender Hast, der kalte Ton der Lieblosigkeit oder der herzerquickende, friedereiche Ton der Liebe. – Gewöhnlich ist dabei eine Stimme in der Familie tonangebend. Sie hat den Tenor und bestimmt die Stimmung im Hause. Ihren Einfluß, lieber Hörer, trägst du in dir und brachtest du mit hierher. Oder bist du gar der Tenor? Dann höre besonders aufmerksam weiter zu. – Eine zweite äußere Stimme ist der „gute Ton“ in der Gesellschaft. Ach, wenn der dem geheiligten Nachsinnen entspräche über das, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, wie der Apostel Paulus den Philippern anratet (Phil. 4,8), dann wäre das ein rechter Ton. Aber es ist meist nur der Ton der Heuchelei, wo man die Worte hat, um die Gedanken zu verbergen und voreinander Komödienspiel treibt. Denn in Gesellschaft ist der Mensch gar sehr anders als in der eigenen Familie, wo er sich meist gehen läßt. Nicht wahr, das konventionelle Puppenspiel kennst du? Seiest du Salonmensch, Stammtischbruder oder Kaffeeklatschschwester. Wie vieler Menschen Leben wird durch die Stimme des gesellschaftlichen „guten Tons“ bestimmt und damit verstimmt für alle Zeit! – Eine weitere äußere Stimme ist die Stimme der öffentlichen Meinung, immer gestimmt auf die Frage: Was sagen die Leute dazu? Sie bestimmt meistens zur gedankenlosen Nachschwatzerei und bringt in elende Menschenknechtschaft. Wenn nachher am Schluß dieses Vortrags sich Menschen nicht durch die „wunderbare Stimme„, von der wir noch hören werden, bestimmen lassen, so ist gewiß bei sehr vielen die knechtende Macht der Stimme der öffentlichen Meinung daran schuld, die den hörenden nachher ins Ohr zischelt: Was würden die Leute dazu sagen? Hüte dich! –

Eine noch bestimmter redende Stimme ist sodann die Parteistimme. Ihr herrschsüchtiger, aufhetzender Ton sucht alle anderen Stimmen zu überschreien, bleibt immer gleich gellend, schreit immer dasselbe. Die sich von ihm bestimmen lassen, haben verstimmte Ohren, hören alles falsch, sind kaum noch zu kurieren.

Nun kommt der Chorus der Zeitungsstimmen. Er ist das breiteste Mundwerk unserer Zeit. Jedes Zeitungsblatt eine flatternde Redewelle, die dir in die Stube auf den Tisch fliegt. Du siehst sie nur an, und sofort schreit sie dir tausend Dinge ins Gesicht, die scheinbar ohne durch deine Ohren von dir gehört und aufgenommen werden.

Und gleich kommst du nicht mehr von ihr los. Keine Stimme findet heute so breiten, willigen Einlaß wie die Zeitungsstimme, diese scheinbar stumme Stimme, mit den Millionen kleiner starrer Buchstabenzünglein, die so lebendig zu schwatzen vermögen und recht wie ein Neuigkeitskrämer nur darauf warten, daß du sie ansiehst, um dir sofort zu verraten, was die Menschheit auf fünf Erdteilen denkt und tut. Was ist's, das so lockt? O, es ist die Stimmung der Neugierde, die durch die Zeitungsstimme erzeugt wird; die besiegt dich. Es ist der Zauber des irdischen Geschehens unter der Sonne, der als Zeitungsneuigkeit dich hinnimmt. Schade um jeden Menschen, der vorwiegend durch Zeitungsstimmen sein Leben bestimmen läßt; er wird nur ein „Allerweltsmensch“. Immer, wenn ich auf meinen Reisen sah, wie die Mitreisenden bei Tagesanbruch nichts Eiligeres zu tun hatten, als das Morgenblatt am nächsten Bahnhof zu kaufen und zu lesen, habe ich denken müssen: Welche Kraft und welchen inneren Gewinn wird ihnen dies Zeitungslesen bringen? Stets fiel mir dabei das Wort eines bibelklaren Engländers ein: Lest nicht zuerst die „Times“ (Zeiten), lest zuerst und zuletzt die Ewigkeit!

Das ist auch von der Bücherstimme zu sagen. Heute wird das Leben vieler Menschen beinahe mehr durch das gedruckte, als durch das gesprochene Wort bestimmt. Mehr als 30 000 Bücher werden allein alljährlich in Deutschland verlegt; und in wie vielen Exemplaren! Da hat jedes Buch seine Stimme und sucht seine Hörer. Ach, und welche Trug- und Lugstimmen reden da! Welche Vergiftung der Phantasie und Irreleitung der Lebenswege durch – nun etwa durch die „Schundliteratur“? Gewiß, aber die ist gebrandmarkt durch sich selbst. Nein, eine viel allgemeinere Schädigung der Menschenseele vollzieht sich sekündlich durch den üblich gewordenen literarisch-ästhetischen Genuß der sogenannten guten Lektüre, die dem Menschen weder Kraft noch Klarheit für sein Denken und Handeln, sondern nur gekünstelten Romanzauber eines routinierten, eitlen Schriftstellerhirns bringt. Wenn ich sehe, was die Menschen alles unter Hingabe von Zeit und Geld lesen und wie sich ihr Ohr und ihre Seele berauscht am Stimmungszauber der Bücherstimme, da möchte ich ausrufen: Entfliehe dem Bann, liebe Seele, ehe du ihm erliegst! Prüfe, prüfe, wem du zuhörst! Denn, wem du zuhörst, dem gehörst du! Bringt dir der Mann, der durch sein Buch zu dir redet, klärendes Licht und erlösende Kraft oder nur schillerndes Farbenspiel und trügenden Rausch?

Aber das führt uns bereits hin zur Rede der inneren Stimmen, die noch viel fleißiger als die äußeren zu uns reden. Denn die Vorgänge des inneren Lebens sind ungleich bewegter, mannigfaltiger und entscheidungsreicher, als diejenigen des äußeren Lebens. Wohl ehe ein Mensch am Morgen zu dir redet, redest du selbst zu dir. Und wenn in der Nacht Schweigen dich umgibt, so schweigt es doch noch nicht in dir. Du weißt auch, daß dich bei aller Tagesarbeit eine innere Rede begleitet. Du weißt, sie ist ein immerwährendes lebhaftes Zwiegespräch. Es sind die Gedanken, die sich untereinander entschuldigen und verklagen, wie der Apostel Paulus sagt. Und da weißt du wohl, es tönt da eine gute Himmelsstimme, die aus der Stille deines Allerinnersten spricht, es ist die Stimme des Gewissens. Die redet nie im Chor; denn sie zeugt immer gegen die anderen Stimmen in dir. Sie ist des Evangelisten treuester Bundesgenosse. Wenn ich einen Satz schließe, beginnt sie schnell einen in dir, der dir das Wahre bestätigt, das du gehört hast. Ja, noch während ich rede, zeugt sie mit. Die Stimme des Gewissens kann jahrelang verstimmt sein, aber wunderbar, sobald das Wort Gottes ihren Sitz erreicht, erinnert sie sich ihrer Herkunft, schlägt sich auf die Seite des Gotteswortes und wird wieder wach und gesund tätig. Nenne ich dann eine Sünde beim Namen, so sagt dir die Gewissensstimme sofort: Das hast du auch schon getan! Du bist der Mann, die Frau! Das gilt dir! Unbestechlich wiederholt dann diese Stimme ihre Anklage allen Gegenstimmen zum Trotz, bis sie zum Schrei des Gewissens in dir wird, der nicht mehr zum Schweigen zu bringen ist, und wenn gleich zehn und dreißig und sechzig und noch mehr Jahre seit der Geburt deiner Sünde vergangen sind. Ah, siehe, du hast den Schrei bereits gehört, magst du auch in anderen Dingen ein gutes Gewissen haben!

Denn du kennst ja auch die andere innere Stimme, die lockende, verführende Stimme der Sünde. Ach, die klingt oft wie eitel Poesie, wie der unschuldigste Ruf zur Schönheit und Lebensfreude! Komm nur, komm! flötet sie so süß, komm, du mußt doch auch etwas haben vom Leben! Nur einmal, und es ist ja auch gar keine Sünde! Andere tun's doch auch! Komm! – Bis deine Seele hineintappt in den Betrug der Lust und hinabsinkt in das Verderben der Sünde. Und du, ernüchtert durch die strafende Himmelsstimme des Gewissens, das dich vorhin vergeblich so bittend mahnte, anfängst, dich mit guten Vorsätzen zu trösten, die natürlich nur bis zum nächsten Betrug durch die Lügenstimme reichen. An einem Gedanken knüpft sie wieder an, diese Trugstimme, auf ein Bild weist sie dich hin, einen Genuß gaukelt sie dir vor, an einer vernünftigen Empfehlung, als Aufruf zur Tat, läßt sie's nicht fehlen, und abermals bist du übervorteilt von ihr. Ach, das kennst du alles so gut! Du weißt auch, daß die Sünde noch eine andere Stimme hat, das ist der Schrei der Sünde nach Strafe und Gericht, nach Tilgung ihrer Schuld bei Gott. Die Sünden von Sodom und Gomorra schrieen zum Himmel. Auch deine Sünde schreit zum Himmel. Sie fordert Gericht und Strafe. Du weißt es sehr wohl; denn dein Gewissen zeigt dir nicht nur die Tat der Sünde an, sondern meldet dir auch den schwarzen Schatten der Sünde, die Schuld. So wird der Schrei deiner Sünden zur Stimme der Schuld in dir, und beides löst schließlich jenen anderen, innersten Schrei in dir aus: den Schrei nach Vergebung der Schuld der Sünde und den Schrei nach Erlösung von der Knechtschaft der Sünde. O Mensch, erst mit diesem inneren Schrei wirst du klug; denn die Sünde macht den Menschen dumm, sie raubt ihm die göttliche Klarheit des Denkens, sei er kulturell noch so geschickt. O Mensch, erst wenn der Schrei nach Erlösung die eine innere Stimme in dir wird, bist du satt, wirklich satt des Stimmengewirrs um dich her, hast genug gehört von Menschen und dir selbst und allen Stimmen des Zweifels und hungerst nach einer ganz anderen Stimme, aus einer ganz anderen Welt. Und von dieser Stimme wollen wir nun hören.

Es ist die Stimme Jesu Christi, die Stimme des Mannes, der sich den Weg zu Gott, die Tür zum Reiche Gottes, den guten Hirten, und die Menschen, die unterm Hören seiner Stimme zu Gott gekommen, seine Schafe nannte. Warum ist denn seine Stimme eine „wunderbare Stimme“?

Erstens, weil sie noch nicht verklungen ist. Sie ist bald zweitausend Jahre alt, aber eigentümlich – sie hat an Klangstärke und Tonfülle nichts verloren, sondern nur gewonnen. Man hat sie immer wieder zu übertönen, ja zu überschreien gesucht; aber es ist nie gelungen. Als man eingesehen, daß man sie nicht totreden konnte, suchte man sie totzuschweigen. Aber auch das gelang nie. Unzählige Male suchte man sie zu fälschen, ihr einen anderen Klang unterzuschieben; aber auch das blieb vergeblich, sie setzte sich immer wieder mit ihrem Urtone durch. Ja, man suchte sie selbst als eine Fälschung oder Täuschung, als sagenhaften Märchenklang, der nie in eines Mannes Munde, sondern nur im Ohre süchtiger Menschen gelegen, zu entwerten, aber auch das gelang nicht; ihre Urlebendigkeit wirkte zu stark. Schließlich suchte man sie als „veraltet“ zum Ausklingen zu bringen, als „unmodern“ den Ohren zu verleiden, aber sie redet und tönt mit Gegenwartskraft unüberhörbar weiter, ja ihr lockender, siegender Wohlklang umkreist immer deutlicher hörbar den ganzen Erdball. Ist das nicht eine wunderbare Stimme? Ja, Jesus ist noch immer der modernste aller Menschen, und seine Stimme und Rede hat noch immer den Tenor.

Sie ist auch wunderbar, wegen ihrer Durchdringungskraft und Allgemeinverständlichkeit. Sie durchdringt nämlich bald die ganze Breite und Dichte der Menschheit. Keine Stimme und Rede eines Menschen erklingt in so vielen Sprachen auf Erden wie die Stimme und Rede Jesu. In über sechshundert Sprachen redet Jesus zu der Menschheit; denn in so viele Sprachen sind die Evangelien übersetzt. Denke darüber nach, was das besagen will. Gibt es sonst noch eines Menschen Stimme, die so vieltönig und weithinhallend redet? Nein, siehe, es gibt keine. Darum sei es noch einmal betont vor deinen Ohren, lieber Hörer – ich betone aber auch das Wort „Hörer“ – Jesu Stimme hat den Tenor auf Erden! Eben jetzt, während ich rede, redet keine Stimme zu so vielen Menschen wie die Stimme Jesu. Denke an all die Evangeliumsleser auf Erden, an all die Beter, die sich an Jesu Wort halten, an all die Bibel-, Evangelisations- und Missionsstunden auf dem Rund dieser Erde, und du mußt zugeben, auch heute Abend redet keine Stimme so weithin wie die wunderbare Stimme Jesu. Denke auch darüber nach, wie viele Boten im Dienste dieser Stimme tätig und unterwegs sind. Keines Mannes Rede wird sekündlich so tätig verbreitet, wie Jesu Rede. Keines Menschen Worte werden auf Erden so oft gesprochen, wie seine Worte. Wie viele Füße seiner Boten sind jetzt unterwegs, der Ausbreitung des Evangeliums des Friedens zu dienen. Wie viele Menschen haben sich heute angeschickt, seiner Stimme zu begegnen. Ich nannte vorhin die Chorstimme der Zeitungen das breiteste Mundwerk auf Erden; aber eben, dort reden viele, hier redet einer. Dort reden viele von vielem zu vielen, hier redet einer zu vielen von dem einzig Einen, was allein nötig und allein eint. Und wiederum die vielen Boten des Einen, durch die er redet, reden nur von ihm, dem Einen, und immer nur wieder von ihm! Ist das nicht eine wunderbare Stimme, die sich so vervielfältigt, so zerteilt, so ausbreitet und doch so einheitlich sich durchsetzt und immer sich selber gleichbleibt?

Aber das macht eben auch, Jesu wunderbare Stimme wird auf der ganzen Erde verstanden. Reise mit einer sogenannten „Kulturoffenbarung“, der du deine Stimme leihst, nach Zentralafrika und rede zu den Schwarzen von deiner europäischen Bildungsangelegenheit, sie laufen dir davon; denn sie verstehen deine Botschaft nicht. Gehe mit neuesten „wissenschaftlichen Ergebnissen“ zu den Papuanern oder Grönländern oder halte „Kunstvorträge“ bei den Chinesen oder philosophische Vorlesungen bei unseren Bauern oder sprich von den neuesten Literaturerscheinungen zu einfachen deutschen Haus- und Großmüttern, sie kommen gar nicht oder gehen gleich wieder oder schlafen bei deinen Worten allesamt ein. Siehe, es fehlen ihnen alle Voraussetzungen zum Verständnis deiner Rede; sie haben nicht das geringste Bedürfnis für deine Sache. Aber sage ihnen von diesem Jesus oder noch besser, laß seine eigene Stimme in ihrer eigenen Sprache zu ihnen reden und: Sag das noch einmal! Wie war das? bitten und fragen die ganz Aufmerksamen, und ihre Seele hebt sich mit Beben zu der eben gehörten wunderbaren Stimme. Gewiß, manche bleiben vorerst gleichgültig und scheinbar fremd, andere streiten gegen den gehörten Klang und dritte laufen geärgert davon. Aber wer nur einmal das Ohr ein wenig tiefer hinneigt, der kommt nie – ich sage nie – nie wieder von dieser wunderbaren Stimme los. Der Papuaner lauscht, sinnt und nickt, der Eskimo lauscht, sinnt und nickt, der Chinese lauscht, sinnt und nickt, unsere Bauern lauschen, sinnen und nicken, unsere deutschen Frauen und auch die willigen Männer lauschen, sinnen und nicken. Sie alle wissen: Das ist es!

Das ist es! – Sie verstehen. Über die ganze Erde hin verstehen sie … Immer war es mir wunderbar – mit ein und derselben Bibel gehen die Missionare nach allen fünf Erdteilen, und die willigen Hörer verstehen alle unter demselben Eindruck. In ihrer eigenen Volkssprache hören sie die wunderbare Stimme und können kaum glauben, daß diese Stimme jemals in einer anderen Sprache geredet habe; nein, jedes empfindet den Klang der wunderbaren Stimme als Wesenston der eigenen Muttersprache. Auch wir hier in Europa. Hast du je Deutscheres gehört, als die Sprache des Johannesevangeliums? Wunderbar, wunderbar! Wie kommt das denn? Ach, höre! Denn das ist ja das Geheimnis der wunderbaren Stimme! Wir haben alle etwas in uns, das ist auf den einen Ton der wunderbaren Stimme gestimmt! Ja, höre ganz deutlich: Unser Innerstes ist auf die Stimme Jesu gestimmt! Wie eines Kindes Wesen auf den Klang der Mutterstimme gestimmt ist, so und noch viel unverlierbarer ist der Menschen Wesen auf den Ton der wunderbaren Stimme Jesu gestimmt. Trotz alles Unglaubens, trotz aller Christusfeindschaft ist unser Herz der ursprünglichste, echteste Resonanzboden für den Klang der Rede Jesu. Es ist in jedem Menschenherzen ein stillstes Winkelchen, da hängt – man möchte sagen am zartesten Fädchen – ein kleines silbernes Glöckchen das schwingt nicht mit, wenn der Mensch um sich greift und schreit und seine Sprünge in die Welt macht; nein, da bleibt's ganz wehstumm, als wenn's gar nicht da wäre. Und doch wartet's dein Leben lang darauf, dir sein helles Klingen zu schenken, bei dem dein Herz zerspringen und doch genesen soll. Und auch dir selbst ist's immer, als warte etwas in dir auf ein Klingen und Schwingen, das dich einmal ganz zu dir selber zu deinem ureigensten, echtesten Wesen hinbringen und damit wahrhaft froh und frei machen soll. O du weißt es, du weißt es! Die Stunden und Tage deines Lebens werden dir geschenkt wie goldene Gelegenheiten, beim Glockenschlag der Zeit jenem anderen Klange nachzusinnen, dessen Ton auf die Ewigkeit gestimmt ist. Schon vielleicht werden die Pendelschwingungen deines Daseinsganges kürzer und die Schatten deiner Taten fallen länger; da bringt dir ein Tag – deine Stunde. Es ist dir, als müßtest du das Haupt stützen und die Hand über die Augen legen. Es ist dir, als müßtest du dich einmal ausweinen über das große, wehe Nichts deines Lebens, das du immer wieder ausfüllen wolltest mit dem Eifer deiner Hände, mit dem Gewicht deiner Mühe, mit dem Werte deines Tuns, mit der jagenden Lust deiner Sinne und der Beute an Genuß und Gut. Es ist dir, als müßtest du aufschreien über der großen Leere, die dein inneres Auge schaut, über dem gähnenden Fehlbetrag deiner Tage und Jahre. Und zugleich ist's dir, als müßtest du einmal den ganzen geräuschvollen Gang deines bisherigen Lebens abstellen und ganz, ganz tief und gründlich stille werden, als müßtest du den Atem anhalten und den Herzschlag dazu, nur um nichts mehr zu hören von dir, ach von dir! Aber auch nichts mehr von Menschen. O nur nichts mehr von Menschen! Du hast sie genug gehört; du weißt, was sie dir geben können. Da, während du mit Seufzen zu Boden sinken möchtest, ist‘s dir, als lege sich eine Hand auf dein Haupt und als treffe ein Hauch dein Ohr.

Eine Stimme beginnt zu reden: „Komm her zu mir!“ hörst du, „du mühselige und beladene Seele; ich will dich erquicken! Komm, ich bin auch für dich der Weg, die Wahrheit und das Leben! Komm, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Ich habe dich erlöst – du bist mein!“ Da – da klingt das silberne Glöckchen in dir: Jesus …!

Siehe, das ist deine Stunde! Die Stunde, wo du deinem Retter und Erlöser Jesus Christus begegnest, dem Manne mit der wunderbaren Stimme!

Hast du diese Stunde schon erlebt? Wenn nicht, ich glaube, dann solltest du sie jetzt erleben. Es ist die Stunde, in der dein Dasein neu werden soll. Es ist die Stunde, in der du vom Tode zum Leben hindurchdringst. Es ist die Stunde, in der du umkehrst, heimkehrst zu Gott, deinem Vater. Denn er ist es, der dich mit der wunderbaren Stimme Jesu sucht. Er, dein Gott, redet in Jesus. „Nachdem er vorzeiten manchmal und auf mancherlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, welchen er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die Welt gemacht hat; welcher, da er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und alles trägt mit dem Worte seiner Kraft, nachdem er durch sich selbst vollbracht hat die Reinigung unserer Sünden, hat er sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe; und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name“ (Hebr. 1,1-4).

Ei, wenn Jesus der ist, nicht wahr, dann ist es ja beinahe kein Wunder, daß er der Mann mit der wunderbaren Stimme ist? Und er ist der. Er ist der Sohn Gottes. Er ist der Abglanz der Herrlichkeit und das Ebenbild des Wesens Gottes. Er ist der, durch den Gott die Welt geschaffen. Er ist der, der mit dem „Worte seiner Kraft“ – höre nur! – alles trägt. Und er ist auch der, der die Reinigung unserer Sünden gemacht hat. – Herz, wenn du darauf mit ganzem Ohre hörst, löst sich dir auch das Rätsel, wieso das Innerste unseres Wesens auf ihn gestimmt ist, wie du vorhin gehört hast. Siehe, es ist das Geheimnis unserer Zusammengehörigkeit mit ihm. Höre, wir sind nur deshalb so im Innersten unseres Wesens auf ihn und seine wunderbare Stimme gestimmt, weil wir seit Ewigkeit für ihn bestimmt sind! Das kannst du nicht ohne weiteres fassen. Das steht ja in keiner Zeitung und in keinem Roman, aber es steht in der Bibel und in deinem Innersten. Lerne es an beiden Orten mit willig hörendem Ohr nachlesen. Ja, der alleinige Zweck unseres Lebens ist: Christus erleben, Christus erkennen, Christus gewinnen. Es ist das der Zweck des Lebens der ganzen Menschheit. Sie hat ihren Ursprung, ihren Bestand und ihre Vollendung nur in Christus. Ja, sogar die ganze Welt besteht allein in Christus, ist durch und für ihn geschaffen.

Höre! Er ist der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Denn durch ihn ist alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht in ihm (Kolosser 1,15-17). Christus ist der Zentral- und Schwerpunkt der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Er ist nicht nur der Werkmeister Gottes für die Erschaffung des Alls, er ist auch der Bürge Gottes für den Bestand der Welt. Und er ist auch der Erbe des Bestehenden, der zukünftige Herr des Seins. Denn auf ihn hin ist alles angelegt, alles ist zu ihm hin geschaffen, alles für ihn bestimmt. Auch du, auch du! Höre! –: auch du!

Kein Kind wird in dieser Stadt geboren, das nicht sein Leben aus, in und für Christus hat. Denn schon unser natürliches Leben haben wir nur um seinetwillen; er verbürgt es, er trägt es. Auch die Gottesleugner und Christushasser verdanken dennoch ihr Dasein nur ihm. Sie wissen nicht, was sie tun, und um Christi willen erträgt sie Gott und vergibt ihnen. Sie sind aber unglückliche, unselige Menschen, gleichwie alle, die Christus Jesus noch nicht erlebt haben.

Wie könnten sie auch glücklich sein – sie haben ja ihre Bestimmung noch nicht gefunden! Glück? – Was ist denn Glück? Was ist denn Glückseligkeit? O, ich weiß es und will es dir sagen! Höre ganz gut zu! –: Glückseligkeit ist Übereinstimmung mit unserer Bestimmung!

So nun weißt du es, und jede Stunde deines Daseins bestätigt es. Glückseligkeit ist Übereinstimmung mit unserer Bestimmung. Darum kann kein Mensch wahrhaft glückselig sein, ehe er Jesus erlebt hat; denn wir haben gehört, wir sind für ihn bestimmt. Nur für ihn, für nichts, nichts, gar nichts anderes! Nicht für ein Leben in der Lust der Sinne – das ist nur grausiger Selbstbetrug und unselige, verzehrende Qual – nicht für ein Leben als Aufhäufung irdischer Güter – das ist Narrheit vor Gott und auch nichts als Sorge und Qual – nicht für ein Leben als Ehresuchen und Ehrenehmen von Menschen – das ist Fluch vor Gott und nichts als eitle Mühe und erbärmliche Knechtschaft – auch sind wir nicht bestimmt für ein Leben im Dienste wissenschaftlicher oder künstlerischer, nationaler oder internationaler, familiärer oder sozialer Kultur, denn auch dies alles gibt unserem Leben keinen Endsinn und Endgewinn, und läßt uns deshalb bei ganz ehrlichem, gründlichem Nachsinnen doch unbefriedigt; denn auch die erfolgreichste Kulturarbeit ohne Jesus hat und bringt keine Glückseligkeit, weil wir nicht für die Kultur, sondern für Christus Jesus erschaffen und bestimmt sind.

Siehe, wenn du nun die Wahrheit des Gehörten ganz still innig auf dein Innerstes einwirken läßt, dann begreifst du, daß das silberne Glöckchen in dir zu klingen anfangen muß, wenn Jesu wunderbare Stimme dich erreicht. Du bist für ihn bestimmt – ehe du geboren wurdest, ja seit Ewigkeit bist du für ihn bestimmt – und da ist's – ich wiederhole es – beinahe kein Wunder mehr, daß dein Innerstes so auf Jesus Christus gestimmt ist, um dir deine Zusammengehörigkeit mit ihm und deine alleinige Glückseligkeit in ihm klingendem Freudentone anzumelden, wenn seine Stimme in dich eindringt. Und nun weißt du auch, warum es in deinem Leben nie recht „gestimmt“ hat, und warum du nie wahrhaft glücklich warst! Dir fehlte die Übereinstimmung mit deiner Bestimmung – dir fehlte Jesus!

Statt dessen lebtest du in tausend Sünden und Übertretungen, die du dir wohl nicht eingestehen wolltest, und die doch da waren und dich alle Tage knechteten, grob oder fein. Sieh, die immer bestimmter wiederkehrende Einsicht, daß dein Leben nicht ist, wie es sein sollte, die fortwährenden Selbstverbesserungsversuche, die dir so gut wie gar keinen wirklichen Erfolg brachten, dazu die bittere Erkenntnis, daß alles, was du kannst und bist und hast, deinem Dasein nicht den erlösenden Sinn gibt, sieh, alles dies ließ dich nicht eine Stunde wirklich frei, froh und glückselig werden. Darum wirst du es jetzt ganz begreiflich und notwendig finden, daß Jesus, wenn er dir wirklich wohl tun soll, erst einmal deine Vergangenheit ordnen muß. Er muß dir die Gewissensschuld deines verfehlten Lebens abnehmen. Und das hat er getan, lange getan; du wußtest es nur nicht. So wie du für ihn bestimmt warst, ehe du geboren wurdest, so war auch er für dich bestimmt, ehe du wandeltest und sündigtest.

Siehe, er ist vor Grundlegung der Welt bestimmt, der Bürge für deine vorausgesehene Sündenschuld zu sein und als Gotteslamm deine Sünden zu tragen. Die Sünde ist die Unstimmigkeit in deinem und der Menschheit Dasein. Die Sünde ist das große Hindernis auf dem Wege zu deiner Bestimmung. Die Sünde ist die Zerstörerin des Menschheits- und deines Glücks. Sollte uns also Jesus Glückseligkeit als Übereinstimmung mit unserer Bestimmung bringen, so mußte er unsere Sündenschuld tilgen und die Macht der Sünde brechen; denn wir konnten beides niemals. Das hat er getan am Kreuz von Golgatha. Er, der Werkmeister Gottes, durch den alles im Himmel und auf Erden geschaffen ist, ist auch der Bürge Gottes, wie ich schon vorhin sagte, durch den auch alles im Himmel und auf Erden versöhnt ist. Denn es gefiel Gott, daß alles in Christus versöhnt würde zu ihm selbst, damit daß er zum Frieden brächte durch das Blut seines Kreuzes, durch sich selbst, sowohl, was im Himmel, als auch was auf Erden ist (Kol. 1,19-20). Das konnte nur er. Nur das vom Himmel gekommene makellose Gotteslamm konnte mit dem Opfer seines unvergleichlich kostbaren Blutes uns wieder zum Himmel bringen. Darum ist der schönste Klang seiner wunderbaren Stimme der: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Keine Symphonie eines Beethoven, kein Klang bei den größten Dichtern ist auch nur von fernster Ferne mit dem Einklang, Vollklang und Ausklang dieser Erlöserworte der wunderbaren Stimme Jesu zu vergleichen. Wie mag der „großen Sünderin“ zumute gewesen sein, als sie aus Jesu Gottesmund diesen Wunderklang hörte! (Luk. 7,48)

Und wie mögen des Gottessohnes Wunderworte, die er beim letzten Nachtmahl zu den Seinen gesprochen, später durch den Heiligen Geist im Innersten der Jünger zum Schwingen und Klingen gebracht worden sein, die Worte: „Nehmet, esset; das ist mein Leib … Trinket; das ist mein Blut vergossen zur Vergebung der Sünden.“

Hast du diesen Glockenklang der Liebe Gottes mit seiner erlösenden Vollmacht aus Jesu Munde schon gehört? Ich meine: für dich gehört, dir urpersönlich zugesprochen, von dir urpersönlich hingenommen! Siehe, deine Glückseligkeit kann nur mit dem Vernehmen dieses Friedensklanges anbrechen. Vergebung der Sünden und Versöhnung mit Gott sind die ersten Berichtigungen und Zusicherungen, die dir durch die wunderbare Stimme zuteil werden sollen.

Denn durch beides muß deine Vergangenheit und Gegenwart stimmend gemacht werden, damit du für die Zukunft in Übereinstimmung mit deiner Bestimmung gelangen und immer völliger glückselig werden kannst. Du hast nichts zu tun, als wirklich nur auf Jesu Stimme zu hören, denn die ihn wirklich hören – höre: wirklich hören, das heißt, ganz sich seinem Worte öffnen, neigen, hingeben, nur auf ihn hören, nicht auf die Zweifels-, Vernunfts-, Satans- und Sündenstimme – bei denen erfüllt sich unser Einleitungswort: „Wohin man hört, dahin gehört man“; die gehören Jesus, und ihnen gehört er mit seinem Wort der Versöhnung und Sündenvergebung.

Wer sind die, die so auf ihn hören, um ihm glückselig zu gehören? Die wunderbare Stimme selber gibt die Antwort. Sie spricht: „Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme“ (Joh. 8,37). Wer ist denn aus der Wahrheit? O, aus der Wahrheit ist noch nicht, wer etwa einem christlichen Hause oder aus einer sonstigen frommen Stube ist! Im Gegenteil, dort gedeihen die dicken Ohren leider besonders gut. Aus der Wahrheit ist auch noch nicht, wer zunftmäßig das Wort der Wahrheit kennt und predigt; er kann dabei vortrefflich aus der Lüge sein und viele gelehrte Künste üben, die Wahrheit zur Lüge und die Lüge zur Wahrheit zu machen. So ist man also noch nicht aus der Wahrheit, wenn man dort ist, wo man sie hört oder äußerlich das Wort der Wahrheit kennt und es gar selber im Munde führt. Ja, man ist selbst dann noch nicht aus der Wahrheit, wenn man dem Worte der Wahrheit zustimmt, aber die Wahrheit nicht in sich hat. Zahllose haben das Wort der Wahrheit, aber nicht die Wahrheit des Wortes. Also wer ist aus der Wahrheit? Ich sage so: Aus der Wahrheit ist, wem alles um der Wahrheit willen feil ist. Bist du ein solcher, dann macht's gar nichts, ob du das Wort der Wahrheit schon kennst und glaubst oder noch nicht. Bist du bereit, alles um der Wahrheit willen zu lassen, dann wird dir kein Wort der Lüge und des Irrtums auf die Dauer genügen und dich davon abhalten, das Wort der Wahrheit zu suchen, und du wirst es finden, und es wird dich finden. Und kämest du gleich aus dem Verbrecherkeller oder gar aus dem Zuchthaus, wohin dich aber sicher nicht dein Wahrheitssuchen, sondern dein Irren gebracht hat, und wär dir nun um nichts, als um die Wahrheit für dein Leben zu tun, so würdest du sie finden. Und wärest du eine auf frischer Tat ertappte Ehebrecherin, wie die, von der im Johannesevangelium, Kapitel 8, berichtet wird, oder ein Oberspitzbube wie der Oberzöllner Zachäus, Evangelium Lukas, Kapitel 19, aber all dein Sündenleben wäre dir sofort für die Wahrheit feil, so wärest du doch aus der Wahrheit und würdest sie wohl eher finden, als der Herr Oberkonsistorialrat, der noch lange nicht gleich alles für sie fahren ließe.

Siehe, ich war ein gottesleugnerischer Anarchist – aber ich war's, weil ich's für den Besitz der Wahrheit hielt – lebte in ganz unfrommer Gesellschaft, kümmerte mich nichts ums Bibelwort, verachtete es nur; aber ich hungerte fiebernd nach Wahrheit. Bald glaubte ich sie hier, bald da zu haben, sah ich aber näher zu, so reichte es nicht aus. Da ließ ich sofort fahren um jeden Preis, und suchte neu um jeden Preis. Das hat mein Leben gewaltig durcheinandergeworfen und ist ein teures Ringen gewesen; aber ich habe dabei die Wahrheit gefunden; denn ich bin dem König der Wahrheit begegnet und habe mich seiner wunderbaren Stimme ergeben. Sobald ich seine Stimme deutlich genug hörte, gehörte ich ihm. Abertausende habe ich seitdem kennen gelernt, die haben es ebenso gemacht, mögen auch die allermeisten von ihnen auf geraderen und glätteren Wegen den Mann mit der wunderbaren Stimme gefunden haben.

Nun prüfe dich jetzt, ob du aus der Wahrheit bist! Frage dich, ob du alles um der Wahrheit willen lassen könntest! Frage dich, ob das Finden der Wahrheit deine brennendste Lebensfrage geworden ist, ganz unvergleichlich brennender als die Brotfrage und jede andere Frage. Prüfe dich ob du kein eigensinniges Spiel mit der Wahrheit treibst. Manche nennen sich ihr Leben lang „Wahrheitssucher“ und wollen damit ihre Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit dartun. In Wirklichkeit suchen sie nur an der Wahrheit vorbeizukommen; denn wenn jemand graue oder gar weiße Haare bekommen, aber als „Wahrheitssucher“ noch nicht die Wahrheit gefunden hat, so liegt das nicht an der Wahrheit, sondern an ihm; spricht doch der Mann mit der wunderbaren Stimme: „Suchet, so werdet ihr finden“ (Matth. 7,7), und: „Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme!“ Also sind sie nicht aus der Wahrheit, wenn sie schließlich nicht Jesu Stimme hören und ihn selber finden. Nein, sie sind nicht aus der Wahrheit; denn es ist ihnen nicht alles um der Wahrheit willen feil. Sie wollen nicht ihre Vorurteile, ihre Vernunftbedenken, ihre Zweifel, ihr stolzes Wissen, ihren Ichdünkel, ihre Ehre vor Menschen, ihre Lebensstellung und ihre Lebensgewohnheiten, ihre Selbstgerechtigkeit hin- und ihre Sünde zu- und hergeben; kurz – sie wollen nicht ihr eigenwilliges Leben lassen und ihr Ohr allein der Wahrheit neigen; denn sonst kämen sie „zweifellos“ in einer Stunde ihres Lebens mit Jesus zusammen, der sie ja längst mit dem Lockruf seiner wunderbaren Stimme sucht, um ihnen Heil und Glückseligkeit zu bringen. Und weil sie sich ihm, dem König der Wahrheit, nicht beugen wollen, so sprechen solche Pseudo-Wahrheitssucher lieber komödiantenhaft mit ihrem Kollegen Pilatus: Was ist Wahrheit? und bringen den Gottessohn um ihrer Ehre vor Menschen willen noch einmal ans Kreuz.

Aber solange ich ihn kenne, habe ich den Bettler Bartimäus aus dem Evangelium Markus 10,46, als einen, der mit Leib und Seele aus Wahrheit war, lieben müssen. Der war blind, aber hören konnte er noch, und – wunderbar! – hörend ward er sehend. Wie die meisten Jesus-Jünger hörte er zunächst nur von Jesus, ehe er ihn selber hörte. Aber schon das bloße Echo der wunderbaren Stimme ging ihm durch und durch. Kaum hatte er von der Heilandsmacht Jesu gehört, so schrie er: „Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich mein!“

Und obgleich ihn sofort viele bedrohten, er solle schweigen, schrie er noch viel mehr: „Du, Sohn Davids, erbarme dich mein!“ Bis er Jesus selber hörte und durch ihn äußerlich und innerlich sehend gemacht wurde. Was macht den Mann so vorbildlich? Sein verzweifeltes Durchhalten! Jawohl, er war verzweifelt. Verzweifelt an aller Selbst- und Menschenhilfe. Wie viele Jahre schon mochte er am Wege gebettelt haben. Wieviel Münze, ja sogar gute Worte mochte er so empfangen haben. Aber er blieb bei alledem ein blinder Bettler. Die Menschen konnten ihn weder reich noch sehend machen.

Aber einen stillen wahren Reichtum hatte er doch – die brennende Sehnsucht nach einem Heil, dem er doch einmal irgendwie begegnen müsse. Dem horchte er entgegen mit dem erkennenden Ohr des Blinden. Und so faßte er das Echo der wunderbaren Stimme und sog sich an dieser Stimme fest und schrie nach ihrem rettenden Munde, als wollte er ihn mit Fäusten an sich ziehen. Es war die Kraft eines Verzweifelten, der wußte: entweder – oder! Entweder blind und bloß weiter betteln, abhängig von Menschen, oder geheilt werden von dem erkannten Einen, dem endlich Gekommenen, und dem Retter anhängen. So suchte, hörte, schrie er und ward erhört, um Jesus zu gehören. – Du armer, blinder Bettler an der Landstraße des Lebens, der du vom Almosen der Vorübergehenden dein Betteldasein fristest, suche, höre, schreie, finde und gehöre geradeso! Denn anders wirst du je weder sehend noch reich!

Und damit dies geschehe, höre noch deutlicher auf Jesu Lockruf, wie ich ihn am Anfang verlas.

Um seine gute Absicht und treue Sorgfalt zu verdeutlichen, erklärt der Träger, Erretter und Erbe aller Dinge seine Stimme und Rede als eines Hirten Stimme und Rede, und nennt die Hörenden unter den Menschen seine Schafe. Sein Ruf ist ein Hirtenruf, seine Stimme eine Stimme der Leitung. Wie die Schafe als unvernünftige Tiere die leitende Stimme des menschlichen Hirten suchen und hören, so benötigen die Menschen der göttlichen Leitung, die ihnen die wunderbare Stimme Jesu verheißt. Die aus der Wahrheit sind, das sind die, die erkannt haben: „Wir gingen alle in der Irre“ (Jes. 53,6), und die, des Umherirrens satt und übersatt, den Kopf über das menschliche Trugspiel hinausheben und die leitende Stimme der Wahrheit suchen, die nicht mehr trügt. Die sind's, die die Ohren für Jesus offenhalten, den göttlichen Menschenhirten. Und sie sind es, denen der Unterhirte Petrus, nachdem sie, gleich wie er den kostbaren Glauben an Jesus erlangt, schreiben konnte: „Ihr waret wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Aufseher eurer Seelen“ (1. Petr. 2,25). Und sie sind es, von denen Jesus selber sagt: „Ich kenne sie.“

Ach, was geben die Menschen doch darum, ge- und bekannt zu sein! In der ganzen Stadt bekannt! Im ganzen Land bekannt! Und er und gekannt zu sein in den selbsteigenen Tugenden und Leistungen –: für Milliarden das einzige Lebensziel! Und nun gar bei Hofe bekannt, von fürstlicher Huld anerkannt sein –: o, wie scharwenzeln sie danach! Und wie viele jammern verbittert, man habe sie verkannt; sie hätten nicht die verdiente Anerkennung gefunden; niemand habe sich die Mühe gegeben, sie wirklich kennen zu lernen: sie sterben darüber vor Gram. Wie schade sowohl um die ersteren wie um die letzteren! Denn sie sind beide im gleichen Verderben. Ach, daß sie sich anstatt nach menschlicher, nach göttlicher Zustimmung, das heißt, nach Jesu wunderbarer Stimme sehnten! Ach, daß sie auf ihn hörend seine Schafe würden, um dann aus seinem Munde das beseligende Wort: „Ich kenne sie!“ zu hören! Welche Sättigung mit Glückseligkeit: Jesus kennt die Seinen! Jesus kennt – mich! Wie – der, durch den und zu dem alles geschaffen ist, der kennt mich, mich? Ja, denn das ist ja eben das Kennzeichen unserer Zusammengehörigkeit! Als der Träger aller Dinge kannte er mich im Bilde meiner gefallenen Natur und suchte mich als der Menschensohn, der auf die Erde gekommen ist, das Verlorene zu suchen, mit aller Liebe seines Wesens und aller Kenntnis meiner Hilfsbedürftigkeit, und nun, da ich seiner wunderbaren Stimme mich geneigt, kennt er mich als den Seinen. O ich weiß mich von ihm gekannt, erwählt, gerettet, gesegnet; gekannt mit allen Kräften seiner Liebe, seiner Weisheit und seines Reichtums. Und das alles nur dadurch und deshalb, weil ich mein Ohr ganz seiner wunderbaren Stimme neigte. Welche entscheidende Wirkung meines Hörens auf ihn! Auf seine Stimme des Trostes! Ja, völlig entscheidend! Denn siehe, die auf seine Stimme hören, können nicht mehr ohne ihn leben. Sie können noch leben, wenn sie ihr Geld, ihre Ehre bei Menschen, ihre Lieben und sich selbst verloren haben – sonderbar, nicht wahr? Denn viele Menschen sagen in schon einem dieser Fälle: Nun habe ich alles verloren; nun ist mir das Leben nicht mehr des Lebens wert! und werfen unselig ihr entleertes Leben als langsame oder plötzliche Selbstmörder ab.

Ach, daß sie sich doch ihr Leben von dem Manne mit der wunderbaren Stimme nehmen ließen! Denn die hörend ihm gehören, sind so von ihm hin- und eingenommen, daß sie um der Erkenntnis seiner selbst willen alles für Schaden achten, alles loslassen, sich von allem trennen können, nur um ihn und sein Wort nicht wieder zu verlieren, und ihm nun nachzufolgen, wohin er geht. Seht, so hat sie seine wunderbare Stimme hingenommen! Höre! er spricht von ihnen: „… und sie folgen mir.“ Früher folgten sie der Stimme ihrer Natur und ihres Temperaments, wodurch ihre Umgebung so viel zu leiden hatte, folgten vielleicht dem guten Tone der Gesellschaft, folgten der Stimme der öffentlichen Meinung, folgten einer Parteistimme, folgten der Zeitungs-, der Bücherstimme, folgten der Stimme der Lüge und der Sünde, des Zweifels und Unglaubens, und damit der Stimme Satans, des mörderischen Widersachers Gottes und Christi – und nun folgen sie Jesus! Siehe, das ist Umkehr, das ist Bekehrung, nämlich unbedingte Abkehr von allem – höre, von allem! – und endgültige Hinkehr zu Jesus. Johannes, Petrus, Jakobus, denkt an eure Netze, Schiffe, Eltern, Heimat! Matthäus, denk an deinen Zoll! Paulus, denk an deine geehrten Tugenden! Antwort: Laß fahren dahin, sie haben's kein Gewinn …! Und sie folgten ihm nach; ei, sie konnten einfach nicht mehr anders! Und doch trieb er sie mit keinem Stecken eines Treibers und versprach ihnen zunächst nur Schmach, Schande und wehen Tod. Und doch …? Ja und doch!

Seine wunderbare Stimme … „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Joh. 6,69). Das war es. Und das ist es noch. Und wo man sich billiger Christ nennt, da lügt man. Und wo du solche triffst, die Jesusnachfolger sein wollen, und sagen nicht innerlich und, wo es sein muß, auch äußerlich allem ab, das sie haben, und hassen (mit bosheitsfreiem, göttlichem Haß) und lassen nicht alles um seinetwillen, die können – er sagt's – im Evangelium Lukas 14,25-34 mit viermaligem unerbittlichen: „… kann nicht …“ – nicht sein Jünger sein. Nie hat sich ihr Ohr seiner wunderbaren Stimme ganz geneigt. Nie sind sie als Hörende Jesu Hörige, das heißt Leibeigene Jesu geworden. Eben darum mangelt ihnen aber auch die Glückseligkeit, die er denen verspricht, die wirklich als seine Schafe seine Stimme hören und hörend ihm gehören und nachfolgen. Was bietet er diesen denn an? Höre, er sagt alles in allem zusammenfassend: „Ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Das ist ein Angebot, nicht wahr? So einzigartig, wie er selbst. So groß, wie er selbst. Ich staune einfach. Nicht wegen der Größe dieses Angebotes; denn von ihm ist nichts geringeres zu erwarten – sondern wegen des Verhaltens der Menge der Menschen diesem unerhörten Angebot gegenüber. Da steht in jedem Johannesevangelium, in jedem Neuen Testament, in jeder Bibel dies unvergleichliche Angebot des ewigen Lebens, das man einfach um des willigen Hörens der wunderbaren Stimme Jesu willen bekommt – und die Menschen? Sollte man nicht meinen, es müßte mindestens gehen wie auf dem Weihnachtsmarkt, wo alles kauft um der Freude willen. Aber da steht Jesus das ganze Jahr in der Bibel und bietet an „Ewiges Leben!“, und die Menschen hören noch nicht einmal auf anbietet? Lies alle Zeitungsangebote zur Weihnachts-, Karnevals-, Oster- oder Reisezeit, studiere alle Theater-, Kino-, Konzert- und Kunstanzeigen, und sieh, ob dir da einer ewiges Leben anbieten kann oder auch nur etwas ähnliches. Keiner kann's, auch nicht einer.

Oder denke dir einen Dichter oder Professor, der sich dir empfehlen würde mit den Worten: Ich gebe Ihnen das ewige Leben! Das brächte doch der selbstbewußteste Schreihals nicht fertig. Und bei Jesus ist es untrüglich echt, und sie reißen sich nicht um die unermeßlich kostbare Gottesgabe? Fällt ihnen gar nicht ein. Siehe, da kannst du sehen, wie sie sind: fleischlich irdisch sind sie gesinnt, und was sie sind: gottfeindliche Toren sind sie. Dennoch gibt's viele unter ihnen, denen geht es wie der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen. Sie leben in Sünde und Unwissenheit, weil sie noch nicht gehört haben: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der … sie dir anbietet, du bätest ihn, und er gäbe dir …“ (Joh. 4,10). Sie haben sich eben noch nie um ewiges Leben gekümmert. Sie wissen gar nicht, was das ist, und deshalb haben sie bisher den Geber mitsamt seiner Gabe für nichts geachtet (Jes. 53,3). Es ist auch beinahe unmöglich, dem Menschen begreiflich zu machen, was ewiges Leben ist, so daß er wirklich Verlangen bekommt, es zu ergreifen; denn es heißt: „Ergreife das ewige Leben!“ (1. Tim. 6,12).

Aber höre folgende Geschichte! Während einer der kleinasiatischen Christenverfolgungen im zweiten Jahrhundert wurde ein Höriger Jesu vor den römischen Prokonsul geschleppt. „Schwöre deinen Glauben ab und lästere Christus!“ Die Antwort war: „Wie könnte ich dem absagen, der mir nie etwas zuleid getan hat?“ – „So werde ich deine Güter einziehen lassen, und du wirst arm sein!“ – Selig lächelt der Hörige Jesu und spricht: „An meine Güter, edelster Prokonsul, kannst du nicht drankommen. Meine Schätze sind im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und die Diebe nicht nachgraben und stehlen können. Nein, edelster Prokonsul, du kannst mich nicht arm machen!“ Der römische Gewalthaber, erbost über diese bisher unbekannte Begrenzung seiner Macht, droht: „So werde ich dich aus deinem Vaterlande verbannen lassen, und du wirst heimatlos sein!“ Noch glückseliger lächelt der Christ und entgegnet: „Auch heimatlos kannst du mich nicht machen, edelster Prokonsul, denn ich habe längst auf Erden keine bleibende Stätte mehr; mein Bürgertum ist im Himmel, aus dem kannst du mich nicht vertreiben.“ Und noch mehr empört über diese bisher unbekannte Begrenzung seiner Macht, entscheidet der römische Gewalthaber: „Gut, so werde ich dich töten lassen!“ – „Auch töten kannst du mich nicht lassen, edelster Prokonsul,“ antwortet in glückseliger Ruhe der Hörige Jesu; „denn ich bin seit dreißig Jahren gestorben, und mein Leben ist mit Christus verborgen in Gott, das kannst du nicht töten. Du kannst mir wohl den Leib töten lassen, aber du kannst meine Seele nicht töten; denn ich habe in Christus ewiges Leben!“ – Siehe, das ist ewiges Leben! Nämlich unberaubbares Leben, unvertreibbares Leben, unvernichtbares Leben! – Solches Leben bringt und gibt Jesus allen denen, die seiner wunderbaren Stimme der Zuneigung Gehör und Herz geben. Solltest du nicht dieses allein wahre ewige Leben wünschen? Ei, so werde ein Höriger Jesu, und dies ewige Leben ist dein! Höre! –: „Der Tod ist der Sünde Sold, aber die Gabe Gottes ist ewiges Leben“ (Römer 6,23). – Wähle!

Und dann höre zur Vollendung deiner Entscheidung die von der Macht und Hoheit seiner Hirtentreue gleichsam bebenden Schlußworte! Höre die wunderbare Stimme feierlicher Entschlossenheit! Du hast gehört, wie sich die Hand dessen, der alle Dinge durch die Kraft seines Wortes trägt, öffnet, zu geben ewiges Leben – nun höre noch, wie sich dieselbe allein gewaltige Hand schließt, um ewig festzuhalten, was sich ihr gegeben hat und gegeben worden ist und ihr zugehörig bleibt, bis dieselbe Hand einst alles dem Vater übergibt. Höre die hohe Stimme der Bewahrung! –: „… und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen. Der Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer denn alles; und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.“

O wie sorgen und mühen sich doch die Menschen ab, daß sie nur ja nicht umkommen! Welche Sicherheitsmaßregeln treffen sie doch für die Erhaltung ihres geliebten Lebens! Und doch müssen sie unerbittlich dahin, und ihre Herrlichkeit verdirbt wie des Grases Blume. Aber hier verheißt die wunderbare Stimme bleibende Sicherheit in feierlicher Gewährleistung eines ewigen glückseligen Lebensbestandes innerhalb ihrer allein kraftvollen, zukunftsgewaltigen Schallweite. – Mensch, du mühst dich um Sicherheit? O tue Ohren und Herz auf! –: Hier ist unüberbietbare, unermeßliche, unendliche Sicherheit in der Hand des Urhebers, Erretters und Herrn deines Lebens! Unfaßbar groß, und doch faßbar wahr und nah! Nichts, nichts trennt dich von dem Schoße dieser Sicherheit und ihrer ewigen Glückseligkeitsfülle, als nur – o höre zu! – als nur dein unwilliges Ohr! Werde nur ein ganzer Hörer des Wortes, so wirst du ganz von selbst ein ganzer Täter des Wortes. Entfliehe allen Stimmen und Händen der Sünde, die dir nichts brachten und ließen, als unbeständige Lust und beständige Qual! Enteile den Stimmen und Händen der Menschen, die dir nur gaben und ließen Trug und Fluch! Entrinne allen Stimmen und Händen, ja Fingern Satans, des Vaters der Lüge, der dich hineinlocken und zerren will in das ewige Verderben der Trennung von Jesus und Gott! Und damit du das Höchste hörst: siehe, Gott selbst will dich der Hand Jesu zuführen. „Der Vater, der sie mir gegeben hat,“ spricht Jesu Stimme; und: „Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater“ (Joh. 6,44), und: „Alles, was mir mein Vater gibt, das kommt zu mir, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen (Joh. 6,37). Ah, nun verstehst du recht, was du vorhin gehört hast, nämlich, daß du deshalb im Innersten auf Jesu Stimme gestimmt bist, weil du ewig für Jesus, den Werkmeister, Träger und Erben der Welt bestimmt bist! Siehe, des Vaters Zug zum Sohne hin ist's, der das silberne Glöckchen in dir bewegt, wenn dein Ohr Jesu wunderbare Stimme recht hört. Und darum ist solche Freude im Himmel, wenn ein Sünder Buße tut –: Siehe, Gottes Wille ist allemal wieder erfüllt, wenn ein Mensch in die Hand Jesu gekommen ist. Wieder hat einer die Übereinstimmung mit seiner göttlichen Bestimmung erreicht, wieder ist ein Mensch am Herzen Jesu glückselig worden! – Und darum läßt auch Gott selber nicht mehr los. Er ist ja größer als alles. Es ist gerade, als ob er seine ewige Vaterhand um die bergende Sohneshand schlüge und sagte: In dir habe ich die Seelen geschaffen, dir habe ich sie zugesprochen als ihrem Erbherrn, der sie zum Lohne haben soll für das Lösegeld seines Bluts, dir habe ich sie zugeführt; niemand soll sie nun aus deiner und meiner Hand reißen. – Welch ein doppeltes Geborgensein in der Hand Jesu! Denn auch der Sohn bezeugt: „Ich und der Vater sind eins!“

Ja – eins in dem ewigen Liebeswillen der sündererrettenden göttlichen Erbarmung! Ja – eins in der starken Hoheitsmacht göttlicher Treue!

Darum brauche ich dir eigentlich kaum noch zu sagen, daß nie Betrug in der wunderbaren Stimme Jesu gefunden worden ist. Einmal im Alten- und einmal im Neuen Testament ist's bezeugt: „Es ist kein Betrug in seinem Munde erfunden worden“ (Jes. 53,9; 1. Petr. 2,22). Wenn ich diese Versammlung jetzt fragen würde: Wer von Ihnen ist durch Satan, Sünde und Menschen betrogen worden, müßten alle antworten: Ich! Aber wenn ich fragen würde: Welcher hier anwesende Hörige Jesu ist von der wunderbaren Stimme betrogen worden? Niemand könnte und würde sagen: Ich! –

Solltest du aber nach all dem Gehörten dennoch der wunderbaren und treuen Stimme deines Retters dich verschließen und sie überhören wollen, so höre, daß du sie einst dennoch als Stimme deines Richters hören wirst. Dann aber wird sie nicht mehr wundersam ein silbern Glöcklein in dir zum Klingen bringen wollen, sondern der „Treu und Wahrhaftig“ heißt, wird dann mit Gerechtigkeit wider dich, seinen Widersacher, streiten, und aus seinem Munde wird statt lockender Worte ein scharf Schwert gehen, das Richtschwert für dich, und seine Hand wird mit eisernem Stabe über dich regieren (Offb. 19,11-16). Du hast den Urheber, Erretter und Herrn deines Lebens verworfen – wehe dir! Du hast den Gnadenruf seiner wunderbaren Stimme abgelehnt – nun mußt du unter Stimmen großer Wasser und starker Donner den Ruf und das Urteil des Richters hören! Wähle! –

Indes schweigt Gott, der in diesen Tagen nur durch seinen Sohn zu dir reden will, und prüft mit großer Geduld, ob du aus der Wahrheit bist und Jesu wunderbare Stimme hören willst – oder nicht. „Darum, wie der Heilige Geist spricht: Heute, so ihr hören werdet seine Stimme, so verstockt euer Herz nicht …“ (Hebr. 3,7). Denn noch einmal sei das strenge Lebensgesetz dir ins Ohr gesagt. Höre! –: Wohin man horcht, dahin gehorcht man; wohin man hört, dahin gehört man; wohin sich unser Ohr neigt, dahin neigt sich über kurz oder lang unser ganzes Leben; denn unser Leben wird von Stimmen bestimmt. – Auf, wer Ohren hat, zu hören, der lasse sein Leben zu seiner Glückseligkeit bestimmen von der wunderbaren Stimme! Dann, o teurer Hörer, wird es zum ersten Male und für immer in deinem Leben „stimmen“.

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