Arnd, Johann - Passionspredigten - Sechsunddreißigste Predigt.

Arnd, Johann - Passionspredigten - Sechsunddreißigste Predigt.

Am fünften Sonntage in der Fasten, Judica. Joh. 8, 46-59.

Dies Evangelium ist ein Spiegel der grausamen Verfolgung, des grimmigen Zorns und des teuflischen Hasses und Neides der bösen Welt wider Christum, und wider Alle die, in denen Christus lebet; auch ein Spiegel der heiligen Sanftmuth des Herrn, wie er uns ein Exempel gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen, welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht drohete, da er litt; er stellete es aber dem heim, der da recht richtet. Daher hat dieser Sonntag seinen Namen Judica, aus dem 43. Psalm: Richte mich Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Volk, und errette mich von den falschen und bösen Leuten.

Dies ist nicht allein von dem Herrn also geweissagt, sondern es haben die allerheiligsten Leute von Anfang her das Bild seiner Verfolgung getragen, als Abel, den sein Bruder Cain erwürgte, Jacob, den sein Bruder Esau verfolgte, Joseph, den seine Brüder neideten und endlich verkauften, Moses, den sein Volk steinigen wollte. 2 Mose 17, 4 Mose 12 lesen wir, daß sich wider Mosen auflehneten sein Bruder Aaron und seine Schwester Mirjam, wollen ihn nicht für den großen Propheten halten und sprechen: Redet der Herr allein durch dich, redet er auch nicht durch uns? Und der Herr hörete es. Aber Moses war ein sehr geplagter Mann über alle Menschen auf Erden. Siehe, hier ein Bild Christi, deines Herrn.

Nicht lange hernach empörten sich wider Mosen 250 Männer, die vornehmsten unter dem Volk, welche die Erde lebendig verschlang. Also wird die Hölle alle Verfolger und Feinde Christi lebendig verschlingen. Im Gesetz stehet geschrieben: Wer Vater und Mutter fluchet und der Obrigkeit, der soll des Todes sterben. Was wird dann für ein Urtheil gefället werden über die, so Gott fluchen und Christum lästern und ihn mit der Lästerung seiner heiligen Wunden steinigen?

4 Mose 14 wollten die Israeliten den tapfern Held, den Josua, steinigen, der sie doch in's gelobte Land führen wollte. Siehe, hier ein Bild des himmlischen Josua, unsers Herrn Jesu Christi. Was hat er für seine großen Wohlthaten in der Welt für Dank? Diesen, daß man ihn täglich mit Gotteslästerungen steinigt, und auf's neue kreuzigt, ihn in seinen Gliedern verfolgt und tödtet. Sehet den König David an, wie Simei denselben so greulich lästerte und mit Steinen und Erdklößen zu ihm einwarf.

Nun, lieben Kinder, sehet an euern Vorgänger, euern Herzog des Lebens, den Anfänger und Vollender euers Glaubens, Christum, den himmlischen Abel, wie ihn sein Bruder Cain erwürget hat, das sind Juden; den himmlischen Isaac, Christum, wie ihn sein Bruder Ismael verspottet, das sind Juden; den himmlischen Jacob, Christum, wie ihn sein Bruder Esau verfolget, das sind die Juden; den himmlischen Joseph, Christum, wie ihn seine Brüder verkauften; den himmlischen Moses, wie sich sein Volk wider ihn empöret; den himmlischen Josua, wie ihn die Juden wollen steinigen; den himmlischen David, wie ihn Simei, die Juden lästern und fluchen. Siehe, wie ist er vor dir hergegangen, mit denen, die sein Bild getragen. Wollt ihr seine Kreuzbrüder sein, so folget ihm nach, und helfet ihm seine Schmach tragen, auf daß ihr auch seine Herrlichkeit und Ehrenkrone tragen möget.

Wollen darauf hören, wie der Herr seine Person, sein Amt, seine Lehre und sein Leben wider der Juden Lästerung vertheidigt, und dies Evangelium in zween Hauptpunkte abtheilen.

1. Wie der Herr mit seinem unschuldigen Leben und seiner wahrhaftigen Lehre beweiset, daß er der wahre Messias sei, wozu er auch vier Beweise gebraucht.

2. Wie er auch aus seiner Gottheit beweiset, daß er der wahre Messias sei, wozu er auch vier Beweise gebraucht.

I. Wie der Herr mit 4 Beweisen aus seinem unschuldigen Leben und seiner wahrhaftigen Lehre beweiset, daß er der wahre Messias sei.

Das ganze 8. Cap. Joh. mit dem vorhergehenden bezeuget, daß der Streit zwischen den Juden und dem Herrn Christo gewesen sei von seiner Person und seinem Amt, ob er der wahre Messias sei. Denn kurz vor diesem Evangelio spricht der Herr: Wenn ihr nicht glauben werdet, daß ich's sei, verstehe der wahre Messias, werdet ihr sterben in euern Sünden. Und abermal: Wenn des Menschen Sohn erhöhet wird, so werdet ihr's erkennen, daß ich's sei. Ueber diese Beweise braucht nun der Herr noch andre 4 in diesem Evangelio. Der Herr beweiset, daß er der wahre Messias sei:

I. Mit seiner Unschuld.

Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Der Herr fragt die Juden, warum sie ihn doch nicht hören, noch ihm glauben wollen, so doch sein Leben ohne Tadel, und seine Lehre Gottes Wort und die ewige Wahrheit sei. Zeiget ihnen und beschreibet hiermit die Person des Messias, und nimmt den ersten Beweis von seiner Unschuld und schließt also: Welchen man keiner Sünde zeihen kann, der ist der Allerheiligste und der verheißene Messias, mich könnt ihr keiner Sünde zeihen, das wisset ihr, darum bin ich der verheißene Christus. Denn dieses Kennzeichen stehet Jes. 53: Mein Knecht, der Gerechte, hat Niemand unrecht gethan, und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden worden. Und Ps. 45: Du liebest die Gerechtigkeit, und hassest gottlos Wesen; und Dan. 9 wird der Messias der Allerheiligste genannt. Deshalb, so schließt nun aus meinem unschuldigen Leben, wofür ihr mich halten sollt.

In diesem Beweise ist ein herrlicher Trost, daß Christus, unser Herr, nicht allein für sich heilig und gerecht sei, sondern uns auch durch seine allerheiligste Unschuld heilige und gerecht mache. Denn er selbst ist unser, und Alles, was sein ist. Deswegen ist auch seine Unschuld und Gerechtigkeit unser, wie St. Paulus 1 Cor. 1 spricht: Er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Siehe, wenn dich nun deine Sünden betrüben, wenn du dich nämlich in dir selbst und deiner unreinen Natur betrachtest, so ist zwar nichts unreiner, denn du vor Gottes Augen; wenn du dich aber in Christo ansiehest, siehe, so bist du rein, so heilig vor Gott, so gerecht, daß auch deine Gerechtigkeit über alle Engel gehet. Denn es ist Christi Gerechtigkeit, die dir zugerechnet wird durch den Glauben, Philipp. 3. Außer Christo ist der Mensch die unreinste, unseligste Creatur, in Christo die schönste, heiligste und seligste. Siehe, wenn du nun betest, so ist dieses der heilige Schmuck, betet den Herrn an im heiligen Schmuck Ps. 29. Und wenn du sterben sollst, so wickle und winde dich fest ein durch den Glauben in die Unschuld, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi. Das sind die rechten Grabtücher, die lege zur Hand, und sprich: Ach, lieber Herr Christe, bekleide meine Seele, die nackt und bloß ist von aller Gerechtigkeit, mit deiner Unschuld und deinem allerheiligsten Gehorsam, daß ich nicht bloß erfunden werde, sondern auf deine himmlische und ewige Hochzeit das rechte hochzeitliche Kleid mitbringe, welches ist Christus selbst, und nicht ewig möge zu Schanden werden. Die Hohenpriester des alten Testaments mußten das Volk heiligen mit dem Blute des Opfers und einen Büschel Ysop eintauchen in's Blut, und über das Volk sprengen. O komm, lieber Herr, und tauche das zarte Ysopsträuchlein deines heiligen Evangelii und meines Glaubens in dein Blut, und sprenge über uns, daß wir rein und heilig werden in dir. Besprenge mich mit Ysop, daß ich rein werde, wasche mich, daß ich schneeweiß werde. Du bist allerdings schön, meine Freundin, sagt der Herr zu seiner Braut, Hoheslied 4.

II. Mit der Wahrheit seiner Lehre.

Der andere Beweis, daß der Herr wahrer Messias sei, ist, daß er ein Lehrer sein sollte, und seine Lehre die ewige Wahrheit sei. Darum spricht er: So ich euch aber die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht. Das ist, der Messias soll die ewige Wahrheit lehren und predigen, und den soll man hören und ihm glauben. Ich sage euch die Wahrheit, darum sollt ihr mir glauben. Dieses Kennzeichen steht Jes. 61.: Der Geist des Herrn ist über mir, darum hat mich der Herr gesalbet, er hat mich gesandt den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden. Und 5 Mose 18: Einen Propheten, wie mich, wird der Herr, dein Gott, dir erwecken, aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen. Und Jes. 50.: Der Herr hat mir eine gelehrte Zunge gegeben, daß ich weiß mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Und will soviel sagen: Habt ihr nicht in den Propheten gelesen, daß der Messias ein Lehrer und Prediger sein solle, mit holdseligen Lippen? Solches sehet ihr ja an mir. Merket ihr denn nicht, wer ich bin? Warum glaubet ihr mir doch nicht? Und zwar war dieser Beweis so augenscheinlich unter den Juden, daß, da der Herr zu Nazareth predigte, sich Jedermann der Holdseligkeit verwunderte, so aus seinem Munde ging. Da der Herr predigte, da erhob ein Weib die Stimme im Volk, und sprach: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast. Da die Diener der Hohenpriester den Herrn greifen sollten, und ihn predigen hören, kamen sie wieder und sprechen: Es hat nie ein Mensch also geredet, wie dieser. Wenn der Messias kommen wird, wird der auch besser reden und größere Wunder thun?

In diesem andern Beweise haben wir einen herrlichen Trost, daß Christus unser Herr sei, unser himmlischer Doctor, Lehrer und großer Prophet, gesalbet von Gott und gesandt alle Traurigen zu trösten, und mit den müden Seelen zu reden zu rechter Zeit.

So komm nun, lieber Herr, und rede immer mit unsern müden und traurigen Seelen. In der Rede dieser Welt und des Fleisches ist eitel Thorheit, Aergerniß und Tod. In deinem holdseligen Munde und in der Süßigkeit deiner Rede ist Ruhe unsrer Seelen, Erquickung und das ewige Leben, wie Ps. 94: sagt: Ich hatte viel Bekümmerniß in meinem Herzen, aber dein Trost erquickte meine Seele. Sonderlich in unsrer letzten Stunde laß unsre Seele hören deine Rede, auf daß sie in dein Wort eingeschlossen, und durch deinen Trost in ein Bündlein des Lebens eingeschlossen werde.

An diesen andern Beweis hänget der Herr eine Schlußrede, damit zu zeigen, welches Geistes Kinder die Juden seien und die, so Gottes Wort nicht hören. Wer aus Gott ist, der höret Gottes Wort. Ihr Juden hört es nicht, darum seid ihr nicht aus Gott. Diesen Beweis hat der himmlische Disputirmeister selbst gemacht, und wird nicht fehlen, sondern gewiß sein. Gregor sagt: Alle die Leben wollen, müssen das Wort des Lebens hören. Unmöglich ist's, daß uns die Strahlen des göttlichen Lichtes scheinen sollten, ohne durch das Wort des Lebens. Er begreift auch die Ursache in sich, warum so viele Leute Gottes Wort nicht hören; denn sie sind nicht aus Gott. Und hiermit theilet der Sohn Gottes die Menschen in zwei Haufen. Der erste Haufen ist aus Gott, und hat dies Kennzeichen, daß er Gottes Wort höret und lieb hat. Hören, das heißet hier also hören, daß man's mit wahrem Glauben annimmt, und sich daraus bessert. Denn was ich lieb habe, das höre ich gern, und das thue ich gern. Der andre Haufen ist aus dem Teufel, und hat dies Kennzeichen, daß er Gottes Wort nicht höret, nicht lieb hat, und nicht thut. Gott, Gottes Wort, der Glaube, Christus und das ewige Leben hangen an einander und können nicht getrennt werden, denn eins folgt aus dem andern. Erstlich aus Gott Gottes Wort, aus dem Wort der Glaube, aus dem Glauben Erkenntniß, daraus das ewige Leben, Joh. 17. Wo nun Gott, Gottes Wort und Christus bleibet, da bleibet auch der, der daran hanget mit dem Glauben. Im Gegentheil der Teufel, der Unglaube, die Verachtung des göttlichen Wortes, und die ewige Verdammniß hangen auch an einander, und können nicht getrennet werden. Wo nun der Teufel bleibet, da bleiben auch die Verächter des göttlichen Worts und die Ungläubigen. Wer nun in seinem Herzen einen heiligen Hunger und Durst fühlet nach Gottes Wort, der hat die Probe und das Zeugniß in sich, daß er aus Gott sei.

III. Mit der Ehre seines Vaters.

Der dritte Beweis: Von der Ehre Gottes. Darauf hätten nun die Juden antworten sollen 1. Daß der Herr nicht ohne Sünde wäre. 2. Daß er kein wahrhaftiger Lehrer wäre; aber sie können nicht, sondern geben sich auf's Lästern und Schmähen. Sagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist und hast den Teufel? Welches eine solche greuliche Lästerung ist, daß sie nicht ärger sein könnte; aber das sanftmüthige Herz antwortet darauf ohne alle Bitterkeit und Wiederschelten: Ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr unehret mich. Ich suche nicht meine Ehre, es ist aber einer, der sie suchet, und richtet. Das ist, daß ihr mich so greulich lästert, und für einen Teufelsboten achtet, das wird Gott richten, und meine Ehre retten. Und schließet nun also: Wer alles thut zu Gottes Ehren, und in allen Dingen Gottes Ehre suchet, der ist von Gott und nicht vom Teufel. Ich thue Alles zu Gottes Ehre, und suche in allen Dingen Gottes Ehre, darum bin ich von Gott und nicht vom Satan, wie ihr mich lästert. So ist auch vom Messias geweissaget, daß er Gottes Ehre soll ausbreiten bis an's Ende der Welt. Wie wir Ps. 22 lesen: Ich will deinen Namen predigen meinen Brüdern, ich will dich in der Gemeine rühmen. Rühmet den Herrn Alle, die ihr ihn fürchtet. Es ehre ihn aller Same Jacobs; dich will ich preisen in der großen Gemeine. Und Jes. 53: Durch seine Hand wird des Herrn Werk fortgehen. Ich thue solches Alles, darum bin ich der wahre Messias. Sehet, wie könnte doch ein sanftmüthiger, geduldiger und demüthiger Herz sein? Und eben damit hat er bewiesen, daß er der Messias sei. Will soviel sagen: Habt ihr nicht gelesen im Jesaias am 42. und 53, Cap. daß der Messias durch hohe Demuth, heilige Geduld und große Sanftmuth sein Amt führen, und seinen Vater ehren werde, und im geringsten Werk nicht seine eigene Ehre suchen? Siehe, das ist mein Knecht, ich erhalte ihn, und mein Auserwählter, an welchem meine Seele Gefallen hat. Er wird nicht mürrisch noch greulich sein, er wird nicht rufen und auf der Gasse seine Stimme hören lassen, als ein Wiederschelter. Solches sehet ihr ja an mir, wie ich mich nicht räche, nicht meine Ehre suche, sondern Gottes. Darum sollt ihr ja erkennen, daß ich von Gott gesandt bin. Siehe, jetzt ist der Fluch in einen Segen verwandelt; denn die heilige Unschuld Christi wird gelästert, und der Herr antwortet sanftmüthig. Deswegen ist er der wahre Heiland. Bitte hier deinen Heiland, daß seine heilige Demuth, Sanftmuth und Geduld in deinem Herzen wirken möge. Tertullian sagt: Wirst du deine Schmach beim Herrn hinterlegen, so wird er dich rächen, oder deinen Schaden, so wird er dir denselben erstatten, oder deine Schmerzen, so wird er dich heilen, oder deine Traurigkeit, so wird er dich trösten, oder deinen Tod, so wird er dich wieder auferwecken. Bitte ihn, daß er alle Feindseligkeit, allen Zorn und alle Rachgier in dir tilgen möge, sonderlich in deiner letzten Stunde, daß du nicht in deinem Zorn sterbest, und das feindselige Herz ewig behalten mögest. Denn wie du stirbst, so wirst du wieder aufstehen, was du mitnimmst in deiner Seele, das wirst du ewig behalten. wirst du gelästert, ei, es ist einer, der deine Ehre suchet, und richtet; laß dein ganzes Leben und Amt Gottes Ehre sein, wie Christus, dein Herr, mit seinem ganzen Leben, Amt und Beruf, mit Leben und Tod Gottes Ehre gewesen. Ach, ein seliger Mensch, der in allen Dingen Gottes Ehre suchet; wie hoch wird ihn Gott ehren an jenem Tage? Wer seine eigne Ehre suchet, der ist vom Teufel und nicht von Gott, und wird mit dem Teufel zu Schanden werden. Siehe, jetzt ist der Fluch in einen Segen, verwandelt, und Christus bleibt der wahre Messias.

IV. Mit der Kraft seines Wortes.

Der vierte Beweis: Von der Kraft des göttlichen Wortes, Welches Wort den ewigen Tod vertreibt und das ewige Leben giebt, der ist der verheißene Messias. Wer aber mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht schmecken ewiglich. Darum sollt ihr ja aus meinem Wort, welches zum ewigen Leben führet, erkennen, wer ich sei. Dies Kennzeichen des Messias stehet Jes. 45: Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig aller Welt Ende; und 55: Wohlan Alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser und trinket, höret mir zu, so werdet ihr leben. Und will der Herr soviel sagen und also schließen: Gleichwie ihr gesehen habt, daß ich durch mein Wort Todte auferweckt habe und den zeitlichen Tod vertrieben, also vertreibet mein Wort auch den ewigen Tod. Daraus sollt ihr ja erkennen, wer ich sei. Habt ihr nicht gelesen Jes. 25: Der Herr wird den Tod Verschlingen ewiglich, Hosea 13: Ich will sie vom Tode erretten und aus der Hölle erlösen. Wer diese Kennzeichen hat, der ist ja der Messias.

Hier haben wir einen herrlichen Trost wider die Bitterkeit des zeitlichen und ewigen Todes. Warum aber Gottes Wort eine kräftige Arznei sei wider den ewigen Tod, zeigt uns Gottes Wort die Ursachen:

1. Daß Gottes Wort nicht ist eines pur lauteren Menschen Wort, sondern des lebendigen Gottes Wort. Deswegen ist's ein Wort des Lebens, und nichts anderes, denn ein lebendiger Geist und eine Kraft Gottes, so aus Gottes Munde gehet, davon alle Kreaturen leben. Gleichwie Gott aus seinem Munde dem Menschen das Leben einblies, und ihn lebendig machte in's natürliche Leben, also kommt das ewige Leben aus Gottes Wort, wie 1. Mose 1 und Joh. 1 zu sehen. Und darum lebet auch der Mensch nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes gehet. Und der Herr sagt Joh. 6: Die Worte, die ich rede, sind Geist und Leben. Eben daselbst bekennt Petrus: Du hast Worte des ewigen Lebens. Wer das ewige Leben selbst ist, der hat auch Worte des ewigen Lebens. Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, Röm. 1, Jes. 59. Gottes Wort und Geist sind beisammen.

2. Ist Gottes Wort darum eine kräftige Arznei wider den Tod, weil Gottes Gnade und Vergebung der Sünde im Wort, mit dem Wort, und durch's Wort uns gegeben und mitgetheilt wird. Wenn ein Mensch Gottes Gnade empfindet, davon lebt er, wie Hiskia spricht: Herr, davon lebt man, und der Geist meines Lebens stehet ganz und gar in demselben. Nun ist solche Gnade im Wort, darum lebet man vom Wort.

3. So ist auch Gottes Wort, das allein die traurige betrübte Seele trösten kann, wegen der großen Liebe und Gnade Gottes und ewigen Wahrheit, und dieser Trost ist der Seelen Ruhe, Friede, Erquickung und Leben. Darum ist Gottes Wort um des kräftigen Trostes willen eine solche Seelen-Arznei, die auch den zeitlichen Tod in einen sanften Schlaf verwandeln kann, in eine selige Friedenfahrt, da keine Todesfurcht, keine Seelenqual und Angst, kein Schrecken, Zittern und Zagen, kein böses Gewissen, kein nagender Herzenswurm, kein Zorn Gottes gefühlt wird, sondern ein herzliches Verlangen nach Christo, nach der ewigen Freude, ein Begehren aufgelöst zu sein, ein himmlisches Labetrünklein aus dem Trostbecher des himmlischen Joseph, das rechte Freudenöl des herzlabenden und lebendigmachenden Geistes Gottes, das kräftige Zeugniß des heiligen Geistes, welches er giebt unserm Geiste, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater, der das Herz durstig machet nach Gott, wie einen Hirsch nach frischem Wasser, der da seufzet und rufet: Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue! Siehe, das heißet den Tod nicht schmecken ewiglich. Das ist die Frucht des Wortes Christi.

Denn man muß Christi Wort nicht für ein pur lauter Menschenwort achten, sondern für ein Wort des lebendigen Gottes; darum sind's auch Worte des ewigen Lebens. Und wie das Wasser das Feuer auslöschet, also Gottes Wort das Angstfeuer des Gewissens. Gleichwie ein Baum immer grünet, in dem der grünende Geist und Kraft ist, also wird die Seele immer grünen und blühen, in welcher das Wort und der Geist des Lebens wohnet, wie Hiob 8 stehet: Kann auch das Schilf aufwachsen, wo es nicht feucht steht, oder Gras wachsen ohne Wasser? Psalm 92 lesen wir: Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, und wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein. Dies bezeuget: 1. Das Vorbild derer, so in der Wüste von feurigen Schlangen gebissen waren, die weder Kraut, noch Pflaster heilete, sondern Gottes Wort. 2. Die Zertheilung des rothen Meeres durch Gottes Wort und Mosis Stab. Also zertheilet Gottes Wort das Angstmeer des Todes und alles Unglücks, und macht einen freien freudigen Durchgang. 3. Das Exempel der heiligen Märtyrer, in welchen das lebendige Wort Gottes und der freudige Geist, und der Glaube die Welt überwunden hat. Der Seelenfrieden ist des Leibes sanfte Ruhe und Schlaf. Wenn aber die Seele unruhig und ungeduldig ist, so kann man nicht wohl schlafen. Wenn aber die Seele sein ruhig und friedsam ist, so schläft der Leib sanft ein. Also verwandelt der Seelenfrieden den Tod in einen Schlaf.

Dies ist das erste Stück, wie der Herr beweiset, daß er der rechte Messias sei: 1. Mit seiner Unschuld. 2. Mit der Wahrheit seiner Lehre. 3. Mit der Ehre seines Vaters. 4. Mit der Kraft seines Wortes.

II. Wie der Herr mit vier Beweisen aus seiner Gottheit beweiset, daß er der wahre Messias sei.

Nun folget das andre Stück, wie er beweiset, daß er der wahre Messias sei, nämlich aus seiner ewigen Gottheit, auch mit vier Beweisen.

Erstlich, daß er Gottes Sohn sei. Zum Andern, vom Zeugniß Abrahams. Zum Dritten, von seiner Ewigkeit. Zum Vierten, daß er sich verborgen und aus ihren Händen gegangen. Was nun der Herr von der Kraft seines Worts gesagt hatte, das verstehen die Juden nicht, darum werfen sie ihm vor, daß Abraham und die Propheten gestorben feien; ob er denn mehr sei denn sie?

1. Darauf antwortet der Herr: So ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehret, von dem ihr sprechet: Er sei euer Gott, und kennet ihn nicht. Das ist der erste Beweis, daß der Messias Gottes Sohn sein solle. So schließet der Herr: Der ist Gottes Sohn, den der Vater ehret, und der Gottes Werke thut. Mich ehret der Vater, indem er mir Zeugniß giebt, daß ich Gottes Sohn bin, denn ich thue seine Werke. Darum bin ich auch Gottes Sohn, und darum ist mein Wort ein lebendig machendes Wort. Der ist der wahre Messias und Gottes Sohn, welchem der Vater die höchste Ehre gegeben hat, wie Psalm 8 geschrieben stehet: Du wirst ihn zum Herrn machen über deiner Hände Werk; Alles hast du unter seine Füße gethan. Mich aber ehret der Vater also, wie ihr aus meinen Werken sehet, daß ich göttliche Werke thue; darum bin ich Gottes Sohn und der wahre Messias. Der ist mein Vater, von dem ihr sprechet, er sei euer Gott, und kennet ihn nicht. Denn so ihr ihn kennetet, würdet ihr wissen, daß Gott einen Sohn habe, der Mensch werden solle und des Vaters Werke thun. Habt ihr nie im 2. Psalm gelesen, daß Gott zum Messias sagt: Du bist mein Sohn; und Psalm 89: Ich will ihn zum ersten Sohne machen, allerhöchst unter den Königen auf Erden; und daß ihn Jeremias den Gott unserer Gerechtigkeit nennet, und daß Psalm 45 stehet: Gott, dein Stuhl bleibet immer und ewig. Dies ist ein herrlicher Trost, daß wir wissen und glauben, daß Jesus Gottes Sohn sei. Das ist unser Sieg des Glaubens wider den Teufel und die Welt. Wer ist, der die Welt überwindet ohne der da glaubet, daß Jesus Gottes Sohn ist? Das ist der Grund unsers Glaubens und unser höchster Trost. Diesen Trost werden die Pforten der Hölle nicht überwältigen. Ist unser Heiland Gottes Sohn, so wird auch sein Wort ein lebendig machendes Wort sein, und uns vom ewigen Tode erretten. Daran sollen wir gedenken, so oft wir Gottes Wort hören, daß auch seine Worte, weil es Worte des lebendigen Gottessohnes sind, in unserer Seele kräftig sind, sie zum ewigen Leben zu erhalten. So können wir mit St. Paulus sagen: Wer will verdammen? Gott ist hier, der gerecht macht.

2. Der andre Beweis ist vom Zeugniß Abrahams genommen, daß auch Abraham an Christum geglaubet hat. Der ist der Messias, an welchen Abraham geglaubet und in welchem er sich gefreuet hat. Abraham hat den Messias also erkannt, daß er Gott und Mensch sein würde, und hat ihn aus der Verheißung nach beiden Naturen erkannt. Denn daß er Abrahams Samen sein sollte, ist so viel, daß er wahrer Mensch sein sollte; daß aber in ihm alle Völker gesegnet werden, ist eine Beschreibung der ewigen Gottheit. Durch diesen Glauben ist Abraham selig geworden; er hat ihn aber in der Verheißung gesehen und erkannt, und hat ihn in Menschengestalt gesehen, und nennet ihn Jehova, einen allmächtigen Gott, 1 Mos. 18. Da hat Abraham den Tag des Herrn gesehen, im Glauben, und hat sich gefreuet. Das ist das rechte geistliche Sehen, an Christum glauben, und all sein Hoffen und Trost auf ihn setzen, wie der Herr Joh. 6 sagt: Das ist der Wille meines Vaters, daß, wer den Sohn siehet und an ihn glaubet, das ewige Leben hat. Und will der Herr so viel sagen: Ich bin der, welcher dem Abraham verheißen ist, der Samen Abrahams, an welchen Abraham geglaubet, durch welchen er gerecht und selig geworden, den Tod überwunden, und in Ewigkeit lebet. Das wird Allen widerfahren, die des Glaubens Abrahams sind. Denn es ist Ein Glaube an Christum, der selig machet von Anfang der Welt. Darum wird Christus das Lämmlein Gottes genannt, so von Anfang erwürget ist, Offenb. 13. Hebr. 13: Jesus Christus gestern und heute, und derselbe in Ewigkeit.

Wer den Herrn Christum also siehet, der muß sich freuen, so oft er an ihn gedenket; denn aus einem solchen gläubigen Sehen kommt die geistliche Freude, wie der Prophet Jesaias am 61, spricht: Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gotte; und Psalm 84: Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Denn, wie der Tod betrübet, so erfreuet der lebendige Gott, wie Psalm 116 sagt: Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr thut dir Gutes. Er hat deine Seele aus dem Tode gerissen, dein Auge von den Thränen, deinen Fuß vom Gleiten. Ich will wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen. Psalm 118: Ich werde nicht sterben, sondern leben, und des Herrn Werk verkündigen. Joh. 14: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Sollte das nicht fröhlich machen? Das heißet: Abraham, euer Vater, ward froh, daß er meinen Tag sehen sollte, und er sahe ihn und freuete sich. .

3. Der dritte Beweis. Du bist noch nicht fünfzig Jahr alt, und hast Abraham gesehen? Höret doch diese großen Narren, die da meinen, man kann nirgend mehr mit sehen, denn mit leiblichen Augen! Der Herr redet vom geistlichen Sehen, vom Glauben, so verstehen sie es vom leiblichen Sehen. Laß die Narren fahren, und höre, was Christus spricht: Ehe denn Abraham war, bin ich. Das ist der siebente Beweis des Messias. Habt ihr nicht Micha am 5. gelesen, daß des Messias Ausgang von Ewigkeit her sein soll, ehe denn Abraham oder irgend eine Creatur war? Deswegen muß der Messias wahrer Gott sein. Ach, lieber Herr, bist du denn eher denn Abraham, ja vor der Welt? Und du hast mich vor der Welt, von Ewigkeit her, geliebet und erwählet, so muß ich ja in dir verborgen gewesen sein? So bist du ja mein erster Ursprung, der Fels, daraus ich gehauen bin, so hat ja meine Gerechtigkeit und Seligkeit einen ewigen Ursprung? Hast du mich denn geliebet und erwählet, da ich noch nichts war, ei, so wirst du ja nun mich vielmehr lieben und zum Leben erhalten, da ich durch deine Barmherzigkeit etwas geworden bin, zu Lobe deiner Gnade?

4. Der vierte Beweis. Da hoben sie Steine auf, daß sie auf ihn würfen. So höre ich wohl, wenn man der Welt vom Leben predigt, so saget sie einem vom Teufel: Ja, das ist lange so gewesen! Was thut denn der Herr? Er verbarg sich, und ging zum Tempel hinaus. Er ist in ein unsichtbares verborgenes Wesen getreten, dahin kein menschlich Auge sehen kann, und damit bezeuget er für's achte, daß er der wahre Messias sei. Habt ihr nicht im 31. Psalm gelesen: Viele schelten mich übel, daß Jedermann sich vor mir scheuet; sie rathschlagen mit einander über mich, und denken mir das Leben zu nehmen. Du verbirgest mich heimlich bei dir vor Jedermanns Trotz; Du verdeckest mich in der Hütte vor den zänkischen Zungen. Siehe, wie stehen nun die Humpler, wie ist ihnen? Du blinder Jure, kannst du Wohl sehen, so siehe doch, wo der Herr hingegangen ist! Er ist aber einmal aus ihrer Mördergrube und aus ihrer Versammlung weggegangen, und wird nicht wieder in ihr Haus kommen. Also bedecket der Herr die Seinen in seiner Hütte zur bösen Zeit, er verbirgt sie in seinen Gezeiten, heimlich vor Jedermanns Trotz, und erhöhet sie auf einen Felsen, schlägt die Feinde mit Finsterniß und Blindheit, Nahum 1: Der Herr ist gütig und eine Feste zur Zeit der Noth, und kennet die, die auf ihn trauen. Wenn die Fluth überherläuft, so macht er's mit derselben ein Ende, aber seine Feinde verfolgt er mit Finsterniß, wie die Sodomiten, die Syrer und die Feinde Elisas. Psalm 97: Dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen, und Freude den frommen Herzen. Wir wollen beschließen mit dem 43. Psalm: Richte mich, Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Volk, und errette mich von den falschen und bösen Leuten. Amen. -

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