Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Rechte des Herrn behält den Sieg über den Rat der Gottlosen.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Rechte des Herrn behält den Sieg über den Rat der Gottlosen.

(Sonntag nach Neujahr 1848)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Matth. 2, 13 - 23,
Da sie aber hinweggezogen waren, siehe da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir, und fliehe in Ägyptenland, und bleibe allda, bis ich dir sage; denn es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen. Und er stand auf, und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich bei der Nacht, und entwich in Ägyptenland, und blieb allda bis nach dem Tode Herodes, auf dass erfüllet würde, das der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: Aus Ägyptenland habe ich meinen Sohn gerufen. Da Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, ward er sehr zornig, und schickte aus, und ließ alle Kinder zu Bethlehem töten, und an ihren Grenzen, die da zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er mit Fleiß von den Weisen erlernet hatte. Da ist erfüllet, das gesagt ist von dem Propheten Jeremia, der da spricht: Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehöret, viel Klagens, Weinens und Heulens; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen. Da aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum in Ägyptenland und sprach: Stehe auf, und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir, und ziehe hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben standen. Und er stand auf und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich, und kam in das Land Israel. Da er aber hörte, dass Archelaus im jüdischen Lande König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich dahin zu kommen. Und im Traum empfing er Befehl von Gott, und zog in die Örter des galiläischen Landes. Und kam und wohnte in der Stadt, die da heißt Nazareth; auf dass erfüllet würde, was da gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazarenus heißen.

Ein Menschenangesicht, in dem Herrn geliebte Freunde, kann man auf ein klein Blättchen Papier zeichnen. Und wenn es gut gezeichnet ist, sieht man doch alle unsere Züge darin, und erkennet uns deutlich darin. So gefällt es Gott oft, dass er unser ganzes Leben in einen einzigen Tag zeichne, oder wir zeichnen es auch selbst mit unserm Glauben und Unglauben, mit unserm Thun und Lassen in demselben. Wenn du einen Tag so recht in deiner Weise, sei es als ein Kind Gottes oder als ein Knecht der Sünde, durchgelebt hast, und die Nacht ist hereingebrochen, so legst du dich entweder mit Loben und Danken und einem fröhlichen Abendsegen auf dein Lager, wirfst deine Sorgen auf den Herrn und schläfst fröhlich ein; - oder du legst dich hin ohne Gebet, und du kannst nicht schlafen, der Tag mahnt und rüttelt als böser Schuldner an deinem Herzen, du wirfst dich hin und her auf deinem Lager. Du schläfst wohl endlich ein, aber die Träume, die dann aufwachen, lösen das Gewissen ab und setzen ihre schweren Bilder an die Stelle seiner schweren Worte. Jenes oben war ein Vorbild der Verheißung: „Die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern“, dieses von dem Strafwort: „Ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht verlöschen.“ Da hast du in einem Tage, auf einem Blättchen aus dem Buch des Lebens dein Lebensbild, ja du hast auch einen fernen Umriss der Ewigkeit mit darauf. - In ähnlicher Weise ist in das heutige Evangelium die ganze Geschichte Jesu Christi und seiner Kirche in kurzen Zügen vorbildlich geschrieben. Da der Herr geboren ward, grollte die Welt. Wo der Glaube zum Leben kommt, wo die Kirche, der Leib Jesu Christi, gebaut wird, da grollt sie auch. Da der Herr geboren war, brach die Verfolgung los. Wo der Glaube zum Leben geboren ist, kann es an der Verfolgung auch nicht fehlen. Aber Gott verbirgt seinen lieben Sohn in sein Zelt, er rettet ihn aus den Händen seiner Verfolger. Und ob Tausende fallen und aber Tausende, der Christ wird erhalten. Und ob er auch selbst zu seiner Zeit den Tod schmecken muss, auch aus dem Tode ruft ihn sein Vater zum Leben. Ja aus dem Tode muss er recht zum Leben kommen. Er muss den Sieg behalten. - Feinde mögen gegen die Kirche des Herrn wüten, wie sie wollen. Wenn Tausende treuer Bekenner umkommen, was hat es für Not - das Evangelium stirbt nicht. Ein Wald kann ausgerottet werden, aber die arme Pflanzung Christi grünet immer aufs Neue. Jene Hingerafften hat der Herr auch in sein Zelt geborgen. Sie sehen die Wunderwege Gottes. Sie jauchzen dem großen Ausgange entgegen, wo aller Welt das Wort klar werden wird: „Der Menschen Rat wird untergehen, Nur Gottes Rat wird ewig stehen.“ - Wir bleiben heute bei dem Trostworte der Kirche stehen:

Die Rechte des Herrn behält den Sieg über den Rat der Gottlosen,

und fassen nach unserm Evangelio seinen Inhalt in die Worte zusammen:

Die blinde Bosheit stellet ihre Netze mit Bedacht,
Doch Gottes Wunderhand zerreißt sie über Nacht,
Die Sünde selber fördert seinen Rat,
Doch hat sie keine Frucht von ihrer Tat.

O Herr, gib in dieser Stunde uns Allen deinen guten Geist, den Helfer und Tröster, dass wir ein rechtes Herz bekommen, uns allein deiner gnädigen Führung anzuvertrauen. Ja Herr, lass ihn uns stärken in unserer Schwachheit, dass wir dem Vorbilde deines heiligen Lebens und deinem Worte fest glauben und nicht wanken und weichen von der Zuversicht, dass deine Rechte zuletzt den Sieg behält. Amen.

l. Die blinde Bosheit stellet ihre Netze mit Bedacht.

Zu Herodes, dem Könige der Juden, kamen die Weisen aus dem Morgenlande. Sie fragten: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Das Wort „neugeborener König der Juden“ hauchte ihn an wie ein kalter Wind, und rüttelte an seiner faulen, blutbefleckten Krone, wie etwa jetzt in den Tagen der Sonnenwende ein Sturm an den alten faulen und morschen Bäumen und an den übrig gebliebenen dürren Ästen rüttelt. Aber er wusste sich zu helfen. Seinen Sohn nennt Christus später einen Fuchs. Und der Vater hatte auch schon etwas von der Natur. Er machte zu der Botschaft eine gar freundliche Miene und sprach zu den Weisen: „Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein. Und wenn ihr es findet, so saget mir's wieder, dass ich auch komme und es anbete.“ Er hatte klüglich das Schafskleid über das Wolfsherz gehängt, und die schöne Schlangenhaut über das inwendige giftige Wesen, Und nun glaubte er das Kindlein ganz gewiss in seinem Netze zu haben. -

O geliebte Gemeinde, hässlich ist die Sünde überall. Hässlich ist sie, wenn sie nackt einhergeht, wenn sie sich zeigt, wie sie ist. Aber am hässlichsten, am abscheulichsten ist sie, wenn sie sich noch in den Mantel der Frömmigkeit hüllt, wenn sie sich verbrämt mit Sprüchen aus dem Worte Gottes oder mit Gebet. Gottes Wort im Munde, Teufelstück' im Grunde, da verstellet sich der Teufel in einen Engel des Lichts. Gott bewahre uns Alle vor solcher Verhärtung! - Aber der Wolf und die Schlange kam hier bald hervor. Als die Weisen nicht wiederkamen, als Herodes sah, dass er von ihnen betrogen war, da ward er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und an ihren Grenzen, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er mit Fleiß den den Weisen erlernet hatte. Als er sah, dass das feine Netz zerrissen war, spannte er das grobe aus. Da meinte er, müsse er das Kindlein gewiss fangen. - Du Menschenkind, wenn dir deine leise und seine Bosheit misslungen ist, dann hast du zweierlei Wege. Entweder wirst du dann noch verhärteter und stürzest dich jählings und öffentlich in die Sünde hinein. Scham und Scheu wird bei Seite geworfen; an die Stelle der schleichenden Bosheit tritt offene Frechheit; du bekennst es der Welt mit deinem Leben - „Ich bin fertig, ich habe mich weggesetzt über göttliches und menschliches Gesetz.“ O wehe dem, bei dem auch Scheu und Scham gestorben ist! Ist sie auch keine Sonne, so ist sie doch die Abendröte einer untergehenden Sonne, Sie zeugt, dass eine Sonne geschienen hat; sie lässt doch noch Hoffnung übrig, dass sie wieder aufgehen kann. Dann aber ist es ganz aus. Oder du schlägst den andern Weg ein. Wenn deine leise und seine Bosheit vereitelt wird, fängst du an zu fragen: „Wer war es denn, der die Fäden des Netzes auseinander wirrte, dass der Angefochtene einen geraden Weg hindurch fand? Wer hat es so verhängt? Wer hat es so gelenkt?“ Und du musst sagen: „Es war Gottes Finger. Er wollte den Bedrängten retten, er wollte deiner Sünde einen Riegel vorschieben.“ Und wenn du erkennest, mit wem du in den Kampf trittst, dann wirst du zurückschrecken, damit du nicht als Einer erfunden werdest, der wider Gott streitet. Wenn wir dies doch recht zu Herzen nähmen, dass wir in jeder Sünde gegen Gott streiten! Wenn wir doch recht auf seine Fingerzeige achteten! Aber leider ist die Sünde blind. Sie sieht die Zeichen der Zeit nicht. Gott hatte seinen Sohn durch Engelsverkündigung angemeldet, Gott hatte ihn durch seine himmlischen Heerscharen in die Welt geleiten, ihm sein Geburtslied singen lassen, und Herodes konnte glauben, er sei schlau und stark genug, alle Verheißungen Gottes und alle diese Lobgesänge auf immer stille zu machen. „Aber,“ könnte man sagen, „Herodes hatte Nichts von dem erfahren, was sich in jener Nacht in dem stillen Bethlehem zugetragen hatte.“ Mag es sein. Es kamen aber die Weisen aus dem Morgenlande und sprachen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen und sind gekommen ihn anzubeten.“ Wie blind ist die Sünde! Sollte Gott diesen Stern haben ausgehen und herausziehen lassen, damit Herodes auf seine vielen Mordtaten noch eine neue häufe, zu seinen alten Blutschulden noch eine neue füge? Sollte Gott jene Männer, die in stiller Hoffnung gewartet und geschaut hatten nach dem Stern des Heils, die weite Wanderung machen lassen, damit sie Verräter des unschuldigen Kindes, damit sie Handlange, eines ergrauten Mörders würden? Nein, nimmermehr. - Die Sünde ist blind. Sie bildet sich ein, dass sie allein die Welt regiere. Wenn der Gottlose sich in seinen Plänen ergeht, so tut er dies allein. Oder er ist umgeben von Seinesgleichen, von seinen Genossen. Sie legen sich ihre Geschichte zurecht, sie spannen ihre Fäden in Gedanken. Sie ordnen sich Alles. „So oder so wollen wir es machen.“ Du Menschenkind, in jeder solchen Minute oder Stunde gehörst du zu jenen Toren, die da sprechen in ihrem Herzen: „Es ist kein Gott.“ Du willst es machen? Hast du denn ihn gefragt, der Alles macht? Hat er denn Ja dazu gesagt? Ach, du hattest ja nicht an ihn gedacht. Vergiss es nicht, hinter dem Vorhang, den deine Sünde vor die Augen gezogen hat, sitzet der alte Gott. Jede Minute, jeden Augenblick greift er hinter dem Vorhang hervor. Und wenn du gesagt hast: „So soll es sein,“ dann sagt er: „So soll es sein!“ Und wenn du gesagt hast: „Schwarz soll es sein,“ dann sagt er - „Weiß soll es sein!“ Und weißt du wohl, wessen Wort gilt? Seins gilt. Wenn auch das deine eine Weile zu gelten schien, es schien nur so. Schon vor der Reformation waren die Böhmen fromme Vorgänger der Reformatoren. Es waren die Anhänger des Huß, gewöhnlich die Böhmischen Brüder genannt. Blutige Verfolgungen sind über sie hereingebrochen, bis sie in der Lausitz und zum Teil in der neuen Welt Ruhe gefunden haben. Einst war beim Könige Georg Podiebran vom Rat und von den Ständen beschlossen worden, dass sie ganz ausgetilgt werden sollten. Ein hoher Edelmann kam von der Sitzung nach Hause, setzte sich zu Tafel und erzählte, dass nun die letzte Stunde dieser Hussiten geschlagen habe, sie seien Alle einig gewesen im Rat. „Was meinst du nun?“ sprach er zu seinem alten Diener, der immer ein Freund der Bedrückten gewesen war und ihm gegenüber hinter einem Stuhle stand. Der Alte antwortete: „Einen weiß ich doch, der nicht eingestimmt hat.“ „Wer wäre denn der Bube, der Landesverräter, der nicht eingestimmt hätte?“ schrie ihn sein Herr an. „Der große Gott droben,“ antwortete sein Diener ruhig, „und so lange der nicht Ja sagt, wird doch nichts daraus.“ Und er sagte nicht Ja, und es ward auch nichts daraus. - Wenn nun der gnädige Gott so wacht über die armen Bekenner Christi, deren Licht und Leben doch nur ein Widerschein ist von dem aus Gott geborenen Lichte und Leben, wie sollte er nicht über dieses, wie sollte er nicht über seinen eingebornen Sohn wachen.

II. Die blinde Bosheit stellet ihre Netze mit Bedacht, Doch Gottes Wunderhand zerreißt sie über Nacht.

Das Netz war gespannt, die Schlinge war gelegt. Aber wir haben gesungen:

„Weg hat Gott allerwegen,
An Mitteln fehlts ihm nicht.
Sein Thun ist lauter Segen,
Sein Gang ist lauter Licht.
Sein Werk kann Niemand hindern;
Sein' Arbeit kann nicht ruhn,
Wenn er, was seinen Kindern
Ersprießlich ist, will tun.“

Wenn Israel da steht im Gedränge, hinter sich der Feinde Menge, vor sich das Meer, dann muss auch das Meer eine Bahn geben. Wenn Moses in seinem Schilfkästchen auf dem Nil liegt, und Gott ihn retten will, dann muss die Tochter des Pharao baden gehen, sie mag vorher gewollt haben oder nicht; dann muss sie Erbarmen haben mit dem weinenden Knäblein, und wenn ihr Herz bisher von Stein gewesen wäre. Wenn David in der Höhle ruhet, und Saul setzet sich in ihren Eingang, und Gott will den David retten, dann muss Saul schlafen mit seinen Leuten, und wenn er eben erst vom Schlaf aufgestanden wäre. Wenn Gott den Daniel erhalten will in der Löwengrube, so müssen die Löwen satt sein, und wenn sie sieben Tage gehungert hätten. Also weiß er auch hier Rat. Mit leisem Finger rührte Gott die Herzen der Weisen an. Er hat ja Wege in alle Herzen, die sich ihm nicht in Verstockung verschlossen und verriegelt haben. Er hat Boten, die bei Tage gehen, und Boten, die in der Nacht gehen. Zu den Weisen schickt er einen Nachtboten. Er befiehlt ihnen im Traum, dass sie nicht wieder zu Herodes umkehren sollen. Er hat wohl den Traum mehr denn Einem von ihnen gegeben, damit sie seine Gewissheit recht erkennen sollten. Und sie ziehen auf einem andern Wege wieder in ihr Land. Da war ungesehen und unbemerkt das erste Netz zerrissen. -

Aber das zweite drohte noch. Da sendet Gott denselben Boten zum zweiten Male. Er geht ja sicher, kein Wächter kann ihn aufhalten, kein Laurer kann ihn ausfragen. Gott befiehlt dem Joseph im Traum: „Steh auf, und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir, und fliehe in Ägyptenland, und bleibe allda, bis ich dir sage, denn es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen.“ Und Joseph säumte nicht lange. Er dachte nicht: „Morgen ist auch noch ein Tag.“ Er stand auf, und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich in der Nacht, gleich in derselben Nacht, und entwich in Ägyptenland. Gottes Befehl war sein Pass, Gottes Engel sein Geleite, und so zog er in die Weite. Es hat ihn unterwegs kein Mensch angehalten. Er kam hin nach Ägypten. Dies Land, das wohl selber voll Sünde war, brauchte Gott doch zur Bergestätte seiner Heiligen. Dem römischen Reiche war es die Brotkammer in Hungerjahren; dem Reiche Gottes musste es ein Zufluchtsort werden für den heiligen Samen, aus dem der Welt das Brot des Lebens erwachsen sollte. Dahin ist Abraham geflohen in teurer Zeit, da ist Jakob errettet von den sieben Hungerjahren. Dahin fliehet Joseph mit Maria und dem Kinde, und sie bleiben allda, bis Herodes gestorben ist. -

Auch das zweite Netz ist zerrissen, das Kindlein war nicht darunter, als Herodes ausschickte, alle Kinder zu Bethlehem und an seinen ganzen Grenzen zu töten. Mit dem einen Mann Joseph hatte Gott den Rat des Herodes zunichte gemacht, - „Aber,“ möchtet ihr hier einreden, „warum hat ihn denn Gott nicht auch verhindert, anderes unschuldiges Blut in Bethlehem zu vergießen? Warum riss er denn die Kinder nicht aus seinen Händen? Warum musste man ein Geschrei hören auf dem Gebirge, viel Klagens, Weinens und Heulens? Rahel, die alte Stammmutter der Bethlehemiten, die dicht dabei begraben lag. beweinet ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen. Hatte denn Gott für ihre Rettung keinen Traum, keinen Menschen, keinen Engel? Wie lieblich wäre es gewesen, wenn diese Kindheitsgenossen des Herrn, mit ihm herangewachsen, als seine ersten Bekenner um ihn gestanden hätten!“ Sei stille Herz und hadre nicht! Wir können nicht ergründen die Tiefe des göttlichen Rates, aber etliche Zeilen am Rande können wir lesen. Diese Kinder sind die ersten Märtyrer gewesen, sie haben zuerst ihr Blut für Christum vergossen. Sie sind vor Gott getreten mit dem Freibrief in der Hand: „Vater, wir sind für deinen lieben Sohn gestorben.“ Im Kalender steht der Gedenktag dieser Ungenannten gleich nach Weihnachten neben den ersten und treuesten Freunden Jesu Christi, neben Johannes und Stephanus. Aber nicht allein im Kalender, sondern auch im Reiche der Gnade und Herrlichkeit stehen sie neben ihnen. „Wie lieblich wäre es gewesen, wenn diese Kindheitsgenossen, mit dem Herrn herangewachsen, als seine ersten Bekenner um ihn gestanden hätten!“ Ja wenn! Es heißt aber nur: wenn. Es konnte auch anders kommen, und das weiß Gott am Besten. Wenn sich nun die Bethlehemiten auch verstockt hätten gegen den Glauben wie die Nazarener - und ihre Stadt lag nahe vor Jerusalem -: dann hätten diese Knaben, wenn sie 33 Jahr alt geworden wären, mit vor Pilatus Richthaus gestanden und hätten geschrien: „Kreuzige, Kreuzige!“ Und wenn sie 70 Jahr alt geworden wären, hätten sie die Zerstörung Jerusalems mit erlebt, und hätten geschrien: „Ihr Berge fallet über uns, und ihr Hügel decket uns! Wehe meiner Mutter, dass sie mich geboren hat!“ - Ein seliges Kind ist besser, denn ein unseliger Alter. - Dem Dr. Luther war im Jahre 1542 sein Töchterchen Magdalene 13 Jahr alt in fröhlichem Glauben gestorben. Nach ihrem Tode sagte er, als die erste Trauer gewichen war: „Wenn meine Tochter Magdalene wieder sollte lebendig werden, und sollte mir das türkische Kaisertum mitbringen, so wollt' ich's nicht tun. O sie ist wohl gefahren. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben. Wer also stirbt, der hat das ewige Leben gewiss. Ich wollte, dass ich und alle meine Kinder sollten so hinfahren, denn es werden böse Zeiten hernach folgen.“ - Ehe die Wetter hereinbrechen, führt der Hirte, der sie heranziehen sieht, seine Schafe von der Weide in den Stall. Ehe die Stürme anfangen zu toben, liest der kluge Gärtner die Früchte von den Bäumen, Dein Gott ist ein guter Hirte und ein kluger Gärtner. Aber du klagst: „Die Früchte waren noch nicht reif.“ Was weißt du wann sie reif sind? Er hat Jedem sein Ziel gesteckt, das wird er nicht überschreiten. Wenn das kommt, ist er reif. Der Kinder, die der Herr frühe hingenommen hat, müssen wir uns vielleicht einst mehr freuen, als derer, die er uns gelassen hat. Doch wolle Gott dies in Gnaden abwenden! Wenn jene Hirten von Bethlehem den Tod des Herrn erlebt und gesehen haben, wie Alte und Junge sein Blut auf sich luden und dann hingestorben sind: dann haben sie die Kinder selig gepriesen, die wohl ihr Blut vergossen, aber an seinem Blute keine Schuld hatten. Dann ist auch das dritte Netz zerrissen. So will der Herr einst auch das Netz der Traurigkeit zerreißen, das sich um eure Herzen über den Tod früh verstorbener Kinder schlingt. Gott macht Alles wohl, auch das Bittere, und das Böse endet und wendet er zu gnädigem Ausgang.

III. Die Sünde selber fördert seinen Rat, Doch hat sie keine Frucht von ihrer Tat.

Ein guter Musiker, der einen Gesang oder ein Spiel leitet, fasset alle Stimmen und Töne zusammen, dass sie ein Ganzes, eine Harmonie werden. Freilich die falschen Töne schreien hervor, sie lassen sich nicht mit hineinbinden. So fasset Gott aller Menschen und Völker Taten und Gedanken zusammen, dass sie auch eine Harmonie werden. Er vermag aber noch mehr, denn jener Musiker. Bei ihm müssen auch die falschen Töne, die gottlosen Gedanken, die ruchlosen Taten mit in seinen Chor. Und dieser Chor lautet: „Allein Gott in der Höh sei Ehr. Gott allein sei Preis und Ruhm und Anbetung.“ Sie müssen alle mit am Reiche Gottes bauen. Die Ungerechten dienen zum Zeugnis, dass Gott gerecht ist in allem seinem Thun. Die Lügner dienen zum Zeugnis, dass er wahr ist. Die Mörder werden einst zum Zeugnis dienen müssen, dass er das Leben ist. Siehe, wie er diesen Herodes braucht. In dem alten Bunde, in dem Propheten Haggai, da steht ein Wörtlein: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ Herodes treibet das Kindlein nach Ägypten, und der Lügner offenbart wider seinen Willen Gottes Wahrhaftigkeit, denn nach seinem Tode kehrte Joseph mit dem Kinde zurück. Die Kinder zu Bethlehem müssen sterben, müssen dieses kurze arme Leben verlieren, damit sie in dem reichen ewigen Leben die Erbarmung Gottes preisen, deren unbewusster Handlanger dieser Herodes gewesen ist. Wiederum sagen andere Prophetenworte: „Er soll Nazarenus heißen.“ Aber Maria und Joseph waren wohl gern wieder nach Bethlehem gezogen, denn auf dieser Stadt ruhet für sie das heiligste Andenken. Da steht in Judäa ein anderer Tyrann auf. Der alte Herodes war gestorben. Aus der bösen Wurzel war aber ein böser Zweig gewachsen. Sein Sohn Archelaus war nicht besser denn er. Er hat ein Regiment voll Grausamkeit und Blut geführt. Nach neunjähriger Herrschaft verklagten ihn seine beiden Brüder samt dem jüdischen Volke beim Kaiser Augustus. Dieser fand die Klage nur zu gut begründet, stieß ihn vom Throne und verbannt ihn nach Frankreich. -

Aus Furcht vor diesem zieht Joseph nicht wieder nach Bethlehem, sondern nach Nazareth in Galiläa. Wie also Herodes in seiner Grausamkeit das eine Wort der Propheten wahr gemacht hatte, so machte sein Sohn das andere wahr. Auch an dir will Gott die Sünde zu seiner Ehre nutzen. Alle Drangsal, die du leidest um seines heiligen Namens willen, soll dazu dienen, deinen Glauben zu stärken und dein Christentum in seiner Siegeskraft zu offenbaren. In den Ländern, wo die Sonne am heißesten scheint, blühen die schönsten Blumen, Und in den Zeiten, wo die Trübsalsglut am glühendsten auf die Kirche brannte, haben sich die schönsten Glaubensblumen entfaltet. Aber murre nicht im Kreuze, suche Gottes Last nicht abzuschütteln mit Ungeduld, du zerknickst sonst seine Blumen, ehe sie aufbrechen. -

Doch Geliebte, wenn die Bosheit solche Früchte zeitigt, wenn durch sie die alten Prophetenstimmen wahr werden, wenn durch sie Gott gerecht und wahrhaftig, und als Fürst des Lebens erscheint, wenn durch sie seine Heiligen wachsen und völliger werden müssen in der Heiligung: ei dann hat sich wohl der Böse seiner Werke zu rühmen vor Gott, dann kann er wohl an seine Brust schlagen und sagen: „Ich habe auch tüchtig mitgebaut am Reiche Gottes!?“ O mit Nichten. Die Sünde selber fördert Gottes Rat, Doch hat sie keine Frucht von ihrer Tat. Gott sieht das Herz an und das, was wir vorhatten. Nie wird Herodes, nie wird Archelaus sich rühmen können: „Herr, ich habe den alten Propheten dazu verholfen, dass sie wahr geredet haben; ich habe dir auch Selige in deinen Himmel, ich habe dir auch Lämmer zu deiner Herde geschickt,“ Sonst könnte sich der Wolf auch rühmen, er habe die Herde zusammengehalten, dass sie dicht bei dem Hirten blieb, und sich Keins von ihr verirrte. -

Der Sünder hat von der Sünde Nichts denn die Schuld. Ist seine Bosheit ein Feuer gewesen, das das Gold von den Schlacken geläutert hat, so behält er das Feuer, - aber Gott das Gold. Ist seine Bosheit der Stein gewesen, der die harte Schale um einen edlen Kern zerschlagen hat, so behält er den Stein, - aber Gott den Kern. Herodes hatte Nichts von seinen Untaten als die Blutschuld, den Brand im Gewissen, den Stein auf dem Herzen; und die haben ihn bis in den Tod gebrannt und gedrückt, und noch weiter. Werden die Kinder von Bethlehem an dem großen Tage des Gerichts für Gott ein himmlischer Lobechor, zu preisen seinen wunderbaren Rat und seine Barmherzigkeit, so bleiben sie doch für Herodes Ankläger, so bleiben sie doch für ihn eine Macht, zu vertilgen den Feind und den Rachgierigen. Gotte allein bleibt die Ehre. Er hat klar gemacht, was Herodes verwirret hatte; er hat hell gemacht, was jener dunkel gemacht hatte. Gotte gehört die Klarheit und das Licht, darum auch die Ehre. Du nun, lieber Christ, nimm dir aus diesem Evangelium zum Schluss das noch mit nach Hause, dass du unter keiner Anfechtung, unter keiner Trübsal verzagest. Der Herr weiß sicher einen Ausweg, wenn du auch keinen siehst. Bist ja wohl schon einmal in einem Bergtal gewandert, wo es plötzlich vor dir aussah, als ob es dort vor dir zugeschlossen sei, als ob du nun nicht weiter könntest. Wenn du aber hinkamst, tat es sich wieder weit auf, und du fandest einen Steg weiter zu kommen. Siehe, so ist es in dem finstern Tale der Anfechtung auch. Es tut sich in der Enge wieder auf, wenn auch nicht sehr weit; doch so weit, dass du hindurch kannst. - Und zuletzt denke daran, dass es ein schlechtes Amt und eine schlechte Ehre ist durch seine Sünde am Reiche Gottes mitzubauen. Du bist dann nichts, als ein armer toter Stein. Wider deinen Willen verbauet er dich in dem Bau seiner Macht und Herrlichkeit an einen harten Ort. Elend, ohne Gnade, ohne Frieden, dienst du seiner Ehre. Werde lieber, da es noch Zeit ist, ein lebendiger Stein im Reiche seiner Gnade. Da dienst du auch seiner Ehre, aber auch deiner Seligkeit. Solcher Dienst ist Gott der liebste und dir der seligste. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/a/ahlfeld_friedrich/ahlfeld_sonntag_nach_neujahr.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain