Ahlfeld, Johann Friedrich - Jesus Christus unser Panier im neuen Jahr.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Jesus Christus unser Panier im neuen Jahr.

(Neujahrstag 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Lucas 2, 21. Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde, da ward sein Name genannt Jesus, welcher genannt war von dem Engel, ehe denn er im Mutterleibe empfangen ward.

Wenn wir, in dem Herrn geliebte Gemeinde, die Grenzen eines Landes überschreiten und hinüberkommen in das andere Land, dann sind wir nicht lange im Zweifel, unter wessen Botmäßigkeit wir dort stehen, wem das Land angehöret. Schon die Grenzpfähle sind mit den Landesfarben bezeichnet, und bald sieht man auch das Wappen des Landes mit den Namenszügen seines Königs oder Fürsten. Hat nun der Name dieses Fürsten einen guten Klang, so gibt dies gleich eine gute Freudigkeit für die Wanderung. - In dem Herrn geliebte Freunde, heute Nacht um 12 Uhr sind wir ausgewandert aus einem alten uns wohlbekannten Land, aus dem alten Jahr, in das neue Land, in das neue Jahr. Ob wir denn wohl diesen Übergang gemacht haben mit dem Liede: „Unsern Ausgang segne Gott, Unsern Eingang gleichermaßen“ oder ob wir mit anderem Sang und Klang den großen Schritt getan haben? Mag sich Jeder selbst Rede stehen. Wenige Schritte sind wir darin vorwärts gegangen. Niemand weiß, was uns der Herr in demselben aufbehalten hat. Es kann gar viel darin liegen. Ein Tag kann so viel Schmerz und so tiefes Herzeleid in sich schließen, dass das ganze Leben die Falte dieses einen Tages im Herzen nicht wieder auszuglätten vermag. Und was können dann nicht 365 oder gar 366 Tage in sich verborgen halten! Da kann dem Herzen wohl bange werden. Aber seid getrost, Geliebte, Wer ist denn Herr in dem neuen Jahr, in dem neuen Gebiet? Wir schauen uns um an der Grenze, ob wir keine Farben, kein Wappen, keinen Namen sehen. Und da tritt uns Christus entgegen in dem Weiß und Roth. in der Farbe seiner Unschuld und seines vergossenen Blutes. Da steht das rote Kreuz im weißen Felde, da steht der teure Name Jesus, der über alle Namen ist. Nicht wahr, der hat einen guten Klang? Und wenn in dieser Nacht hier oder dort der Übergang aus dem alten in das neue Jahr unter den schönsten Melodien und Harmonien gemacht ist, eine schönere Neujahrsmelodie gibt es doch nicht, als die: „Jesus Christus, der eingeborne Sohn Gottes, ist Herr und Pförtner der neuen Zeit. Jesus Christus gestern und heute, und derselbe in alle Ewigkeit. Der die Gebundenen löset, der die Gefangenen frei macht, der die zerschlagenen Gewissen heilet, der den Blinden das Gesicht, der den Toten das Leben gibt, der da predigen lässt das gnädige Jahr des Herrn, der uns auftut die Perlenpforten zu dem himmlischen Jerusalem, ruft uns am Eingange des Jahres zu: „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfen dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. Ich heiße Wunderbar, Rat, Kraft. Held, Ewig-Vater, Friedefürst. Ich will das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und das glimmende Docht nicht auslöschen.“ - Wir wollen, geliebte Gemeinde, unserm Evangelio heute den Gedanken entnehmen:

Jesus Christus unser Panier im neuen Jahr.

Es ist uns aufgepflanzt zum Glauben, zum Gehorsam und zur festen Zuversicht.

Herr Jesu Christ, um deines Namens, um deiner Ehre willen neige und beuge heute unsere Herzen in deinen guten gnädigen Willen, Segne diesen ersten Tag des Jahres mit stiller Andacht, mit reichem Gebet, mit festem Glauben, dass du uns wohl oft wunderlich, aber zuletzt doch gnädig führst. Bleibe denn bei uns mit deinem heiligen Geiste. bis zur letzten Jahresstunde, auf dass du auch hier der Erste und der Letzte, Alles in Allem seist. Amen.

Jesus Christus, unser Panier im neuen Jahre, ist uns hingestellt

I. zum Glauben.

Von heute an, in dem Herrn geliebte Gemeinde, zählen wir das Jahr 1848 des Heils. Wenn nun ein Christ, ein Getaufter, von Jesu Christo weiter nichts hätte, als diese Jahreszahl; wenn er ihm in Nichts diente, als dass er in seiner Unterschrift ein totes Zeugnis ablegte, wie in Christo eine neue Zeit begonnen hat: der wäre überaus arm. Sein Heil wäre ihm zu einer armen Jahreszahl zusammengeschrumpft. Ob denn wohl solche Arme unter uns sind? Ich weiß es nicht. Aber das wissen wir, dass vor etwas mehr denn 50 Jahren das ganze französische Volk, wenigstens in seinen Stimmführern, auch diesen letzten Rest von Angedenken an Christum abschaffte. Es wollte die Jahre nicht mehr nach der Erneuerung der Welt in Jesu Christo, sondern nach seiner Revolution zählen. - .Nein, nicht bloß als Anfangspunkt in der Zeitrechnung, sondern als Lebenspunkt in unserm Herzen soll der Name Jesus heute am Jahresanfange stehen. Dieser Name war von dem Engel genannt, ehe denn das Kindlein im Mutterleibe Empfangen ward. Dieser Name bedeutet nichts Anderes, als: Heiland, Erlöser. Dieser Name ist und bleibt ewig das einzige völlige Siegel der Barmherzigkeit Gottes. Der diesen Namen getragen hat, hat ihn auch nie zu Schanden werden lassen. - Ein rechter Kämpfer glaubet an seine Fahne. Und wir haben allen Grund dazu, siehe hinein in die Geschichte. Ehe die Zeit der Erfüllung da war, ging die Zeit des Hessens und Harrens voran. Wer sind denn die, die unter den Männern des alten Bundes ihre Wallfahrt so fröhlich und selig zurücklegten, die auch im dunkeln Tale Licht sahen? „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie die Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ Siehe hinein in die Zeit nach Christo. Wo sind denn die Völker, an denen das Herz seine Lust hat, bei denen es ausruhen möchte beim Durchlesen der Geschichte, wie ein Wanderer ausruhen mag unter einem schattigen Baume, der gepflanzt ist an den Wasserbächen? Es sind die, so unter dem Schirm des Höchsten sitzen und unter dem Schatten des Allmächtigen bleiben, die da sprechen zum Herrn: „Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe,“ Wenn du hinein siehst in die Häuser und fragest: „Wo wohnt denn der lieblichste Friede, wo umschlingt denn das innigste Band Eltern und Kinder, wo ist denn das Haus eine Hütte Gottes bei den Menschen?“ so lautet die Antwort: „Da, wo des Vaters und der Mutter Losungswort ist: , Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Erforsche die Herzen und siehe zu, wie es drinnen aussieht. Welche finden denn Trost in äußerer Drangsal, welche haben denn auch in diesem Hunger- und Notjahre ohne Verzagen am stillsten getragen? Die, welche an den glauben, der da spricht: „ Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheuern, und euer himmlischer Vater nähret sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“ Und wer hat denn Trost gefunden gegen das Gewissen und gegen das Gesetz? Der, welcher seine Knie beugen und sagen konnte: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ - Wo ist man denn gestorben so fröhlich und so selig? Wo umschwebte denn ein Lichtglanz stiller Freudigkeit das Schmerzensangesicht der Scheidenden? Nicht, wo man sich stark machen und die Zähne zusammenbeißen wollte; nicht, wo man wie Agag, der Amalekiter König, mit Lachen des Todes Bitterkeit vertreiben wollte. Nein, wo man bekannte: „Herr nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ - Wo der Name Jesu als heilige Himmelssahne über den Völkern, über den Häusern und Herzen schwebte, wo man sang: „Zu dir hab ich geschworen, Und dich verlass ich nicht; Da bin ich unverloren, Wenn alles wankt und bricht,“ da war den Leuten wohl auch in der tiefsten Trübsal. - Nun lieber Christ, wenn du je gezweifelt hast an dem großen Namen Jesus, Heiland und Gottessohn, wenn du je gezweifelt hast an dem Gottmenschen, den die Schrift krönet mit höchster Ehre und Herrlichkeit, und du siehst so herüber auf seine Taten im Leben und Sterben: - da spricht Leben und Tod zu dir: „Es ist doch Etwas mit diesem Heiland und Gottessohne. Es muss sich doch unter seiner Fahne gar fröhlich dienen.“ O tritt darunter! Eingeschrieben hat er dich schon unter sein Heer. Tritt ein in den aktiven Dienst! Tue es, tue es dies Jahr, fange heute an, und du wirst bald inne werden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob er von sich selber rede. Hänge dich an ihn im Glauben. Du glaubest ja sonst so gern an Namen. Wenn du unter einer Handschrift einen ehrenwerten Namen siehst, so hast du Verlass. Am Weihnachtsfeste ist dir die höchste Gnadenurkunde gegeben; und heute stehet der Name „Jesus, Heiland“ darunter. Er hat ihn später noch mit Blut geschrieben. Ist sein Name nicht aller Ehren wert, der doch über alle Namen ist? Wenn du schon deinem natürlichen Wesen nach sagst. Dies und das ist köstlich in dem Evangelio, und es hat kein Mensch so wahr, so trefflich gelehrt wie dieser Jesus; es hat keiner die Falten und Gänge des menschlichen Herzens so tief, so genau gekannt wie er;“ so gedenke doch, dass dieser Jesus, der hierin alle Andere überbietet, auch der Bürge geworden ist für das, was du nicht begreifen kannst, was du im Glauben ergreifen sollst. Der als wahrer Mensch das Menschenherz so genau kannte, der war als Gottes einiger Sohn aus dem Schoße des Vaters gekommen und kannte Gottes Rat und Gedanken eben so genau. So wahr er aus dem Menschen heraus reden konnte, so wahr konnte er auch aus Gott heraus reden. Er hat es getan. Und gerade diese Reden aus Gott heraus, die sind die echten Kleinodien im Evangelio, die werfen auch auf jene andern Wahrheiten erst das rechte Licht. Sie machen sie zu ewigen Gottesgedanken.

Diese Wahrheiten aus der Tiefe des göttlichen Rats, sie sind es eben, die uns lehren, mutig tragen, nie verzagen, fröhlich leiden, selig scheiden. Dass wir in Jesu, Gottes eingebornem Sohne, haben die Vergebung der Sünden durch sein Blut, dass wir in ihm haben die Auferstehung und das Leben, dass wir uns seiner rühmen wider das Gericht, das ist ja der rechte Inhalt, die rechte Fülle des Heilandsnamens. - Ach, wenn uns doch heute zur Neujahrgabe der Name Jesus, der volle Name mit seinem ganzen Glaubens- und Bußinhalte, lebendig in das Herz geschrieben würde! Ein alter Kirchenlehrer, Ignatius, der noch bei dem Jünger, den der Herr lieb hatte, bei Johannes, in die Schule gegangen war, rühmet von sich, dass ihm der Name Jesu Christi mit goldenen Buchstaben ins Herz geschrieben sei. Und die Sage berichtet, dass, als er in Rom den wilden Tieren vorgeworfen war, die Feinde in dem zerrissenen Leibe gesucht hätten, ob das Wort von de n goldenen Buchstaben wahr sei. Nun, geliebte Freunde, inwendig können Menschenaugen diesen Namen, diese Buchstaben, nicht sehen. Aber der Herr, der Herzenskündiger soll sie sehen. Er soll sich selbst in uns wiederfinden. Doch ins äußere Leben sollen sie auch für Menschenaugen herausleuchten. Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen! -

Jesus Christus, unser Panier im neuen Jahr, ist uns hingestellt

II. zum Gehorsam.

Mit Gehorsam hat die Erniedrigung Jesu Christi begonnen. Er äußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und ward wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Auch in unserm Evangelio tritt dieser Gehorsam hell und deutlich hervor. Er unterwirst sich dem Gesetze. Er ist geboren unter den. Gesetze. Er will es erfüllen. Es soll nicht der kleinste Buchstabe, es soll kein Titelchen des Gesetzes verloren gehen, bis dass es alles geschehe. Das Gesetz sagt: „Nach acht Tagen soll jegliches Mannsbild beschnitten werden.“ Und es geschieht. Die Seinen - obgleich durch die Verkündigung und durch die große Offenbarung Gottes in seiner Geburtsnacht eine wunderbare Glorie um das Kind schwebt, gehorchen und beugen sich und ihn unter das Gesetz. Sie gehorchen auch, indem sie ihm den Namen Jesus beilegen, den der Engel der Marie vorher verkündigt hatte. -

Ist Christus nun im neuen Jahre unser Panier, unsere Fahne, so ist er auch unsere Fahne zum Gehorsam. Kein rechter Kämpfer verlässt seine Fahne. Auf sie richtet er seine Augen. Wo die vorangehet, ziehet er nach; er zieht nach, wenn es auch durch feindliche Speere und Gewehre geht. „Mir nach, spricht Christus unser Held, Mir nach ihr Christen alle,
Verleugnet euch, verlasst die Welt,
Folgt meines Rufes Schalle,
Nehmt euer Kreuz und Ungemach
Auf euch, folgt meinem Wandel nach.
Ein böser Knecht darf stille stehn.
Wenn er den Feldherrn sieht angehn.“ –

O liebe Christen, Jesu Namen im Munde führen, das ist nicht schwer. Sich Jesu Christi rühmen, das ist eine geringe Arbeit. Auf seinem Verdienste ruhen, das ist eine gar bequeme Sache. Was aber dem, der mit seinem Heil und Heilande schnell fertig war, erst wie ein weicher Flaum däuchte, das wird ihm werden wie Steine unter dem Haupte und unter den Gliedern. Ja der Herr wird ihn selbst herunterjagen von dem bequemen Ruhekissen. Wir sind gar schnell damit fertig zu sagen: „Ich habe Christum, was kann mir fehlen?“ Aber was hilft es dir, dass du ihn hast, wenn er dich nicht hat? Erst wenn er dich hat, dann hast du ihn. Und das Zeugnis, dass er dich hat, das ist dein stiller, demütiger Gehorsam, das ist deine Nachfolge. Ein Christ sein am Sonntage, am Festtage, wenn das Glaubensbekenntnis vorgelesen wird, wenn alte Glaubenslieder gesungen werden, und in der Woche, wenn du deine Morgen - und Abendgebete hältst, das ist gar wenig. Das sind nur wenige Stunden. Wahrlich um diese armen Minuten mit einiger Erhebung, die noch dazu ein Selbstbetrug ist, ist Christus nicht ein armes Kindlein geworden, hat er sich nicht an das Kreuz schlagen lassen. Da wäre dieser Schein zu teuer bezahlt. Nein, wenn du gräbst und hackst, wenn du hungerst und dürstest, wenn du issest und trinkest, wenn du studierst und schaffst, wenn du handelst und wandelst, wenn du rechnest, zusammenzählest und abziehest, wenn du lebest und stirbst: dann sollst du ein Christ sein. Wenn deine Hoffnungen fehl schlagen, wenn dein Feld schlecht getragen hat, wenn deine alten Freunde dich nicht mehr kennen, wenn Kreuz auf Leib und Seele fällt: dann sollst du ein Christ sein. Das Bekenntnis im Leben ist die Feuerprobe für alles Bekenntnis. Hält es hier nicht Stich, so ist es Schlacke und Stroh gewesen. - „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach,“ spricht Christus, So lasset uns ihm denn nachfolgen in der Beschneidung, in der Beschneidung des Herzens. Schon Moses hat dem Volk Israel dieses alttestamentliche Sakrament geistlich gedeutet: „Der Herr dein Gott wird dein Herz beschneiden, dass du den Herrn deinen Gott liebest von ganzem Herzen und von ganzer Seele, auf dass du leben mögest.“ Ob nun wohl dieses alttestamentliche Sakrament abgeschafft ist, so bleibet doch diese Beschneidung des Herzens ein ewiges Gebot. Und wie viel ist da wegzuschneiden! Wie viele Auswüchse, wie viele wilde Ranken haben unsere Herzen! Wo der Glaube wachsen soll, da wächst ein hochmütiges Wissen. Wo die Liebe zum Herrn wachsen soll, da wächst die Liebe zur Welt. Wo die Freude an den ewigen Gnadengütern wachsen soll, da wächst Freude an den Hindernissen der Gnade, an eitler Lust. Wo Friede Gottes gedeihen sollte, da wachst Hader, Zank und Zorn. Das schöne Feld der Demut ist überwuchert von üppigen Gewächsen des Hochmuts. Anstatt dass das Herzensfeld besteckt sein sollte mit grünen Pflanzen und Früchten der Gerechtigkeit, wachsen graue Giftpflanzen der Sünde daraus. Sie saugen den Herzensacker aus und überwuchern ihn. Wenn dann einmal eine edle Gottespflanze, der Glaube, die Liebe zu dem Herrn, die Verleugnung des ungöttlichen Wesens, die Aufopferung für die Brüder, Treue, Geduld, Sanftmut und wie sie heißen, hindurch will, kann sie nicht empor vor jenen Schlingpflanzen; und wenn sie noch etwa zu Tage kommt, ist sie malt, hat keinen Lebenstrieb und verkümmert bald. Da ist gar viel an den Herzen zu beschneiden. Sehet den Weinstock an. Er treibt wilde Reben die Fülle. Sie stehlen den edlen Reben den Saft. Sie müssen weggeschnitten werden, sonst trägt er keine Frucht, oder sie wird kümmerlich. Da versäumest du auch die Beschneidung nicht. Sind dir nun die guten Trauben lieber, als die Früchte deines Herzens vor Gott? Willst du dich um jene mehr mühen, als um diese? - O liebe Christen, wenn wir alle die Zeit, wenn wir all das Denken, die Kräfte auf die Früchte der Gerechtigkeit gewendet hätten, die wir im Dienst der Welt, die wir auf diese hohlen Früchte verbraucht haben: wahrlich es stünde um uns Alle besser. Wir wären reich und fröhlich und selig in dem Herrn. - Darum säume nicht, folge Christo nach, nimm das scharfe Messer des Gesetzes, beschneide dein Herz, bitte den Herrn um Kraft dazu. Wehe wird es dir tun. Das Gesetz Gottes ist so kalt, wenn es an unsere Schoßsünden kommt. Das Messer des Gesetzes ist so hart, wenn es an den Herzen hinfährt oder einschneidet. Zage nicht, wenn das Herz auch eine Weile blutet. Der Friede des Herrn heilet es bald. Der Weinstock blutet auch, wenn er beschnitten wird. Aber die Wunde trocknet zu, und dann trägt er reichliche Frucht. O wenn doch der Herr sein Panier, seine Fahne in diesem neuen Jahre wehen ließe zu diesem ehrlichen Kampfe gegen uns selbst! Wenn wir doch unter demselben den Mut hätten, gerade da gehorsam zu sein, wo unsere eigenste Natur, seit langen Jahren mit uns zusammengewachsen, den Widerstreit erhebt! Wer da siegt, der wird auch weiter siegen; wer da nachfolgt, der wird überall nachfolgen. Er in dir und du in ihm. Dann kann das eigene Wesen nicht mehr aufkommen. Wer da saget, dass er in ihm bleibe, der soll wandeln, gleich wie er gewandelt hat. Als Josua über den Jordan gegangen war bei Jericho, hub er seine Augen auf und sah vor sich einen Mann stehen, der hatte ein bloßes Schwert in seiner Hand. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: „Gehörst du uns an oder unsern Feinden?“ Er sprach: „Nein, sondern ich bin ein Fürst über das Heer des Herrn und bin jetzt gekommen.“ Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde und sprach zu ihm: „Was saget mein Herr seinem Knechte?“ Und der Fürst über das Heer des Herrn sprach zu Josua: „Ziehe deine Schuhe von deinen Füßen, denn die Statte, da du stehest, ist heilig.“ Und Josua tat also. - Auch du hast den Jordan, die Grenze des alten Jahres zum neuen durchschritten. Der Fürst über das Heer Gottes ist Christus. Er ist jetzt gekommen im Weihnachtsfeste. Frage ihn, was du tun sollst. Er spricht: „Ziehe deine Schuhe von den Füßen, beschneide dich an der Vorhaut deines Herzens,“ dann wird die Stätte, da du stehest, ein heiliges Land, ein Kanaan; dann wird das Jahr ein Gnadenjahr. Dann ist dir Jesus Christus, die Fahne im neuen Jahr, auch hingestellt

III. zur festen Zuversicht.

Wenn unsere Väter, in den ersten Jahrhunderten nach ihrer Bekehrung zum Evangelio ins Feld, in die Schlacht zogen, so war ihr Feldgeschrei: „Kyrie Eleison,“ d. i. „Herr, erbarme dich.“ Wenn Bernhard von Weimar, jener Held im dreißigjährigen Kriege, dessen Schluss wir übrigens in dem Jahre 1848 feiern werden, merkte, dass er einen starken Feind vor sich habe, dass der Tag heiß werde, dann wählte er sich zum Feldgeschrei: „Immanuel,“ oder „Gott mit uns,“ oder „Jesus.“ Dann wurde aber auch der Feind nicht gezählt, denn der Herr stehet die Zahl nicht an. Unter diesem Feldgeschrei ward mancher teure Sieg erfochten. - Liebe Brüder, für uns soll der Name Jesu unser Panier im neuen Jahre sein. Scharen wir uns heute um diese Fahne. Wir können unter ihr einen getrosten Mut haben. An Kämpfen wird es auch in der neuen Zeit nicht fehlen. Wer ist denn der Feind? Wo sitzt er denn? Die Schrift redet von schlimmen Zeiten, wo des Menschen Feinde seine eigenen Hausgenossen sein werden. Er hat aber noch einen schlimmeren Feind, der sein eigner Herzensgenosse ist. Das Fleisch gelüstet wider den Geist. Du kennst in dir einen Teil, dem der Name Christus, dem Buße und Glauben so widerwärtig ist, wie dem Vogel der Strick des Jägers. Gegen diesen Feind ist der Hauptkampf. Er weiß seine Gestalt zu wechseln wie eine Wolke. Er weiß sich so an dich zu schmiegen und zu schmeicheln, dass du ihn gar nicht für einen Feind, dass du ihn für dich selbst hältst. Wie aber die Herzkrankheiten die gefährlichsten sind, so ist auch dieser Feind im eignen Herzen der gefährlichste. Halte du ihm diesen Namen entgegen: „Jesus, mein Heiland,“ ich sein Nachfolger - dann lässt er die Maske fallen, dann siehst du ihn, wie er ist. Ost wird es dir bange werden, mit ihm anzubinden. Du hast es schon zu oft versucht, und er ist Sieger geblieben. Du hast zuletzt mit ihm kapituliert. Beginne aber den Krieg unter deiner rechten Fahne. Steh da als Streiter Jesu Christi, und der Herr wird es herrlich hinausführen. Heißt dein Feind etwa Freude und Lust, so sage dir, wenn er gegen dein Herz andränget: „Jesus Christus, ob er wohl Freude haben konnte, erwählte um meinetwillen das Kreuz, und ich bin sein Nachfolger.“ Heißt er Gier nach irdischer Habe, so sage dir, wenn er gegen dein Herz andränget: „Jesus Christus, ob er wohl reich sein konnte, ward er doch arm um meinetwillen, und ich bin sein Nachfolger.“ Heißt er Hoffart, so sage dir, wenn er gegen dein Herz andränget: „Jesus Christus entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an um meinetwillen, und ich bin sein Nachfolger.“ Und so kannst du diese Fahne weiter wenden. In welcher Gestalt der Feind auch komme, sie hat eine Schreckensseite für ihn. Glaube es, wenn du mit kindlichem Flehen dich vor deinen Herrn stellest, und i h n vor dich stellest: alle diese Feinde werden fliehen wie die Eulen vor der Sonne fliehen. Habe nur Mut, geh nur fröhlich unter ihr vorwärts. - Es gibt aber noch andere Feinde, es gibt äußeres Kreuz die Fülle. Und das äußere Kreuz wird zum innern Feinde, weil wir es noch nicht in Demut und Stillesein zu tragen verstehen. Mangel, Krankheit, Anfechtung durch Feindschaft können auch im neuen Jahre kommen. Unter welcher Fahne willst du denn dagegen kämpfen? Willst du sie abwenden mit eigner Kraft? O die wird bald erliegen. Hier ist Jesus, hier ist Immanuel. Er macht das Herz stille, er gibt Demut und Zufriedenheit. Er gibt ein gesundes Herz im kranken Leibe. Dabei wird auch dem Leibe wohl. Darum ziehe getrost hinaus ins Feld, es steht bei dir der Gottesheld. Siehe, der Herr, der seine Kirche 1847 Jahre regiert hat, der sie wohl durch viel Trübsal geführt hat, er regiert und führt auch in diesem Jahre. Ost schien es, als ob der Feind diese Fahne erobert, niedergetreten und besudelt hätte. Aber es währte nicht lange, dann flatterte sie wieder schneeweiß mit dem roten Kreuz in der Mitten hoch in den Lüften. Das Feld muss er behalten. Und die unter ihm streiten, die werden mit ihm siegen. - Noch einen andern Feind gibt es. Du weißt nicht, was das Jahr in seinem Schoße verborgen hält. In einer Wolke kann linder Regen ruhen, aber auch verheerender Hagel und der tötende Blitz. Das Jahr ist solche Wolke. Der Tod kann in ihr ruhen, der letzte Feind. - Von dem heißt es nun zwar in menschlicher Rede: „Gegen den Tod kein Kraut gewachsen ist.“ Es lässt sich auch nicht mit ihm dingen und handeln, dass er doch noch einmal fortgehen und erst später wiederkommen möchte. Tragen müssen wir ihn, er ist der Sünden Sold, und wir sind Sünder. Wenn er aber kommt, halte du ihm nur getrost den Namen Jesu des Todesüberwinders entgegen. Er wird dich darum nicht stehen lassen; aber er wird dich nicht wegmähen mit kalter Sichel, die durch Mark und Bein schneidet, sondern aus Scheu vor dem großen Namen wird er dich mit milder Hand in die Scheuer deines Herrn sammeln. Von Lazarus steht geschrieben: „Er ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoß,“ - So geh denn mit freudiger Zuversicht in das Jahr 1848 hinein. Verlass dein Panier nicht. Das ist ein schlechter Krieger, der der Fahne den Rücken kehrt. Noch weniger besudele und verspotte deine Fahne. Das ist ein Verräter, der seine Fahne verspottet. Und an der alten evangelischen Fahne, dem Namen Jesu, haftet doch kein Spott und Schmutz, er fällt auf die Spötter zurück. - Ihr, die ihr schon Jahrelang diesem heiligen Zeichen gefolgt seid, folgt weiter. Alles, was ihr tut mit Worten und Werken, das tut Alles in dem Namen Jesu Christi. Je weiter ihr folget, um so fröhlicher werdet ihr ziehen. Wenn wir irdische Berge hinaufsteigen, wird es je höher, desto schwerer, und es wehet uns eine kalte Bergluft an. Wenn wir die Gnadenhöhe hinaufsteigen, da wird es uns je höher je leichter, und der Odem der Freundlichkeit Gottes umwehet uns immer lieblicher. Habt nur getrosten Mut, der Herr macht alles gut. Und ihr, die ihr noch kein rechtes Herz zu dieser Fahne hattet, o versuchet es doch, beuget euren Verstand unter den Gehorsam des Glaubens, beuget euren Willen unter den Gehorsam der heiligen Nachfolge Christi. Glaubet es, wenn uns der Herr das Leben lässt, und wir feiern wieder ein neues Jahr zusammen, dann werdet ihr bekennen: „Es ist doch das lieblichste und seligste Jahr in meinem Leben gewesen, ich will bei der Fahne bleiben.“

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