Ahlfeld, Johann Friedrich - Freut euch der Ankunft des Trösters.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Freut euch der Ankunft des Trösters.

(Cantate 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi. die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Joh. 16, V. 5-15.
Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat, und Niemand unter euch fragt mich- Wo gehst du hin? Sondern, weil ich Solches zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch gut, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn derselbige kommt, der wird die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht. Um die Sünde, dass sie nicht glauben an mich. Um die Gerechtigkeit aber, dass ich zum Vater gehe, und ihr mich hinfort nicht seht; um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnet es jetzt nicht tragen. Wenn aber Jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von ihm selbst reden; sondern was er hören wird, das wird er reden; und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbige wird mich verklären; denn von dem Meinen wird er es nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein; darum habe ich gesagt: Er wird es von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Wenn uns, in dem Herrn geliebte Freunde, ein harter Verlust bevorsteht, oder wenn er uns schon betroffen hat - was ist dann unsere gewöhnliche Weise? Man sitzt zusammen und weint, so lange man noch eine Träne im Auge hat. Das Tränentüchlein wird immer nässer. Man wühlt in dem Gedächtnis herum, stellt sich die schönen Bilder von ehemals vor die Seele und hält den jetzigen Zustand dagegen: So war's sonst, und wie ist es jetzt! Man sitzt wie Hiob auf dem Aschenhaufen seines untergegangenen Glücks, sucht in der Asche und sieht die verkohlten Stücke an: Das war die Schwelle von meinem Glücksbau, das war die Tür, durch die ich in denselben einging, das waren die Dachsparren, die ihn deckten! Damit ist aber gar Nichts gewonnen. Mit Asche und verkohlten Baustücken kann man nichts Neues bauen, kann man sich nicht trösten. Und mit Tränen kannst du dir das Herz wohl eine Weile leicht weinen; aber du kannst es dir nicht voll weinen, nicht voll von neuem Glauben, nicht voll von neuer Kraft. Sollen Glaube und Kraft kommen, so musst du vor allen Dingen fragen: Herr, wo willst du denn damit hin? -

Unser Evangelium, teure Brüder und Schwestern in dem Herrn, fällt wieder in die letzten Tage vor Christi Leiden. Er kündigt den Jüngern in demselben seinen Weggang an: „Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat.“ Er hatte es ihnen schon vorher verkündigt: „Seht, wir gehen hinauf gen Jerusalem, und es wird Alles vollendet werden, was geschrieben steht durch die Propheten von des Menschen Sohn. Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und verschmäht und verspeiet werden, und sie werden ihn geißeln und töten und am dritten Tag wird er wieder auferstehen.“ Da saßen sie nun um ihn, ihr Herz war voll Trauerns geworden. Ihre Angesichter sahen aus wie der Himmel in diesen Tagen. Düstere Wolken hüllten dieselben ein. Sie ergingen sich in dem Gedanken: „Er geht fort, er geht fort.“ Dabei blieb es aber. O wenn sie doch eher gefragt hätten, dann hätte er ihnen auch eher gesagt, wo er hinginge. Wenn sie doch eher gefragt hätten, dann hätte er ihnen auch eher gesagt, dass er den Tröster zu ihnen senden wolle. Und ihre Herzen wären im Tröster eher getröstet worden. -

Vergiß du ja nicht, wenn dir dein Herr fortzugehen scheint, zu fragen: Wo gehst du hin, und was hast du mit mir vor? - Endlich erbarmet diese tote Trauer den Herrn selber, und er sagt ihnen, was sie nicht gefragt haben: „Es ist euch gut, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. So ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden.“ Und sodann entwickelt er ihnen, wozu er ihnen den Tröster senden will. Und diese Entwicklung ist so lieblich, dass sie, wenn sie sie ganz hätten fassen können, im Tröster getröstet gewesen wären und ausgerufen hätten: Freut euch auf die Ankunft des Trösters! - Wir können sie fassen, wenn wir wollen. Wir haben das Kommen des Heiligen Geistes in die Kirche am ersten Pfingstfest erfahren, wir wissen, welche Taten der Barmherzigkeit er sonst in der Kirche getan hat. Wir rufen aus:

Freuet euch auf die Ankunft des Trösters.

  1. Freuet euch um deswillen, der ihn sendet,
  2. Freuet euch um deswillen, das er tut.

Komm, Heiliger Geist, erleuchte und erwärme unsere Herzen. Du bist einst in deine Kirche gekommen an dem ersten heiligen Pfingstfest und willst nun in derselben bleiben alle Tage bis an der Welt Ende. O so bezeuge uns heute deine Nähe. Einige uns in einem Glauben, heilige uns in einer Liebe, stärke uns in einer Hoffnung, auf dass wir wieder näher kommen an die Tage, wo es hieß: „Und die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.“ Gib uns die Gnade, in rechter Inbrunst beten und das Wort in's Herz fassen zu können. Amen.

1. Freuet euch um deswillen, der ihn sendet.

Der Heilige Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht, wird von dem Herrn vorzugsweise der Tröster genannt. Warum der Tröster? Weil er durch den Freudengeist, den er in die Herzen der Gläubigen ausschüttet, dieselben trösten soll über den Hingang Christi zum Vater; weil er ihnen das sagen soll, was Christus ihnen noch zu sagen hatte, sie aber noch nicht tragen konnten. Und er soll es in aller Welt sagen. Er kann es in aller Welt sagen. Christus selber war in dem Stande seiner Erniedrigung nur an einer Stätte; der Geist geht hin durch alle Welt, er pocht an alle Herzen, er bietet überall seine Gnadengüter an. -

Diesen Tröster sendet uns Jesus Christus. Und was er uns sendet, muss heilsam und lieb und wert sein, ehe wir es kennen. Es können aus seiner Hand für seine Gläubigen nur Gaben der Gnade kommen. Ein Vater, dessen Sohn um Brot bittet, kann diesem keinen Stein geben. Ein Vater, den sein Sohn um einen Fisch bittet, kann diesem keine Schlange geben. Noch weniger kann der Herr denen, die um sein Bleiben bei ihnen bitten, einen Geist des Verderbens geben. Wenn ein Vater von seinen Kindern, wenn ein lieber Freund von seinen Freunden Abschied nimmt und in die Ferne geht, und er sendet ihnen von dort Etwas zu, so setzt man gleich voraus: es ist eine Gabe der Liebe. Er kann nichts Anderes geben. Christus kann den Seinen auch nichts Anderes geben. Er hat für sie nichts Anderes. Darum freue dich, dass dein Herr den Geist sendet. Und noch dazu sendet er ihn recht aus seiner heiligsten Liebe heraus. Jetzt, da sein Leiden herannaht, da er sein Leben für uns in den Tod gibt, redet er von der Sendung des Heiligen Geistes. -

Wie aber der Geist der Tröster ist, so ist auch schon die Verkündigung voller Trost. Christus redet von seinem Leiden nur so, dass er es leicht berührt. Er geht nicht in die Tiefen desselben ein, sondern hinauf zu den Höhen, die darauf folgen: „Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat.“ Als aber seine Liebe völlig geworden war, als er unter Marter und Geißel, als er am Kreuz und im Tod um unsere Seelen geworben hatte, da sandte er den Geist. Ein Quell, der aus den Tiefen der Berge kommt, muss labend und erquickend sein. Der Tröster, der von der höchsten Liebe des Heilandes ausgeht, muss ein rechter Tröster sein, muss trösten bis an's Kreuz, bis in's Grab, bis in die tiefsten Gründe des trauernden Herzens hinein. Freue dich, der Tröster kommt von dem Herrn, der für dich in den Tod gegangen ist! -

Christus sagt aber in unserm Text, er will den Tröster, den heiligen Geist erst senden, wenn er hingeht. Geht denn der Heilige Geist nicht auch schon durch den alten Bund? Hat denn das Gesetz Nichts von ihm? Haben die Väter und die Propheten seine Hand nicht gefühlt? Es heißt doch so oft: „Der Geist des Herrn kam über ihn?“ Hört: wie Christus im alten Bund da ist, so ist der Geist auch da. Im Gesetz und in den Opfern ist der verhüllt, der alles Gesetz erfüllen, der sich selbst als einmaliges, vollgültiges Opfer darbringen soll. In diesem Gesetz und in den Opfern rührt der Geist auch hin und wieder die Herzen an zu einem wunderbaren Sehnen, aus der Knechtschaft zur Kindschaft erhoben zu werden und den freien Geist der Kindschaft zu empfangen. Die Propheten nehmen hin und wieder den Vorhang weg, mit dem damals Bethlehem und Golgatha, die Erlösung unseres ganzen Geschlechts, noch verhüllt war. Und durch diese Spalten und Risse in dem alten Vorhang bricht der Geist der freien Gnade in die hoffenden Seelen hinein. Christus selber war den Frommen des alten Bundes ein Gast. Der Glaube griff hinein in die Erfüllung. In großen Vorbildern trat Christus in das alte Bundesvolk. In Gesichten schauten die Propheten die neue Zeit, und es wehte sie an der Geist der neuen Zeit. Aber die Bilder gingen vorbei, die Gesichte schwanden, und der Christ und der Geist waren wieder verborgen im Gesetz. Das ist der Unterschied des alten und neuen Bundes, dass Jesus Christus und der Heilige Geist durch jenen nur hingehen als Gäste, dass sie in diesem wohnen als Hausgenossen. Da die Zeit erfüllt war, ist Gottes Sohn zu uns gekommen in der Gestalt unseres Fleisches. Und da seine Zeit erfüllt war, ist der Heilige Geist ausgegossen als der neue Odem der erneuerten Menschen. -

Warum aber kommt der Geist erst, nachdem Christus gekreuzigt, gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren war? Die Natur kann euch darauf Antwort geben: Wenn eine Blume verblüht ist, wenn ihr Stengel welk geworden ist, dann erst verstreut sie ihren Samen in alle vier Winde. Das Leben, oder vielmehr das Sterben frommer Christen kann euch darauf Antwort geben. Wenn diese Kinder haben, wollen sie ihnen gern ihren Geist, den Geist des Glaubens, des Gebetes, der Furcht des Herrn, den Geist christlicher Liebe zurück lassen. Wißt ihr, welche Stunde dazu die gesegnetste ist? Ihre Sterbestunde. Warum denn die? Da hat sich der Geist, der in den Eltern wohnte, bewährt. Da ist er, so zu sagen, reif geworden. Und indem der Sterbende auffahren will zu seinem Vater und zu seinem Heiland, fährt der Geist auch am häufigsten in die Herzen derer, die Zeugen des Heimganges sind. Selige Pfingstfeste sind schon an den Leichen von Vater und Mutter gefeiert. Und ob auch das Fest nicht bekränzt war mit Maien, ob vielmehr das düstere Trauergewand um dasselbe wehte: inwendig fing die Maie des Glaubens und der Umkehr aus der Sündenlust an zu grünen. Viele, viele begnadigte Christen hat es gegeben, und vielleicht ist auch ein solcher unter uns, der bekennen muss: Als mein Vater oder meine Mutter vollendete im Glauben, da fing ich an im Glauben, und ihr Sarg war die Wiege meines neuen Lebens. Ehe Christus den heiligen Geist ausgießen konnte, ehe er den neuen Odem in die neuen Menschen hauchen konnte, musste das Werk ihrer Erlösung ganz vollbracht sein, musste er seine Heilandsarbeit ganz vollendet haben. Dazu gehörte sein Leben und Lehren, seine Wunder und Taten, sein Leiden und sein Sterben, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. Die einzelnen Apostel bläst er wohl gleich nach seiner Auferstehung an und spricht zu ihnen: „Nehmt hin den Heiligen Geist.“ Aber über die ganze Gemeinde gießt er ihn erst aus, da er völlig erhöht ist, da ihm gegeben ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden. -

Freue dich Christ auf den Geist, der von deinem erhöhten Herrn und Heiland über dich ausgegossen wird! - „So ich nicht hingehe, spricht er, so kommt der Tröster nicht zu euch. Es ist euch gut, dass ich hingehe.“ Ja, es ist uns gut. In seinem Hingang haben wir die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. In seinem Wiederkommen aus dem Grab haben wir die Auferstehung und das Leben. Durch seinen völligen Hingang zum Vater haben wir den heiligen Geist, durch den uns Vergebung der Sünden, Auferstehung und Leben erst zum eigensten Eigentum werden. Lasst uns freuen und fröhlich sein. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er siegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. Der Herr lässt sein Heil verkündigen, vor den Völkern lässt er seine Gerechtigkeit offenbaren. Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Haus Israel. Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes. Jauchzt dem Herrn alle Welt, singt, rühmt und lobt! Darum heißt auch unser Sonntag Cantate, weil der Herr uns den Tröster, den Geist der Weisheit und des Verstandes, den Geist des Rates und der Stärke, den Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn zu senden verheißt, in dem wir singen lernen von den Siegen in den Hütten der Gerechten.

2. Freuet euch um deswillen, das er tut.

Der Herr nennt den Geist den Tröster. Kann er aber überall ein Tröster sein? Der Weg des Trösters und des Trostes in die Herzen ist der Glaube. Nur wo er diesen findet, kann er zum Trost einziehen. Wo sie glaubten und getauft wurden, da ward er ausgegossen. Wo sie aber nicht glauben, geht er da vorüber? Kümmert er sich um diese nicht, als ob da sein Gebiet nicht sei? O nein. Es scheidet sich hier seine Tätigkeit. Anders ist sie in der Welt, anders ist sie im Reich Gottes. Sehen wir zuerst seine Tätigkeit an der Welt. Er wird sie strafen. -

Können wir etwa sagen: der Teil geht mich noch Nichts an, ich gehöre nicht zur Welt? O Christ, ja es gibt eine Welt, die völlig draußen ist. Zu dieser Welt gehören Alle, die nicht glauben an ihn, ungetaufte und getaufte Heiden. Zu dieser Welt gehören Alle, deren Wandel in Christo nicht erneuert ist. Aber drinnen in dir ist die Welt auch, Augenlust, Fleischeslust, hoffärtiges Wesen ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und eher werden die Urwälder der neuen Welt ausgerottet werden, ehe diese alte Welt aus dir ganz ausgerottet wird. Wenn also der Geist die Welt straft um der Sünde willen, so straft er uns allzumal mit. Wie straft er? Ehe er anfängt an dir zu arbeiten, ist in dir Totenstille und tiefes Schweigen. Die Sünde gehört dir zu deinem Leben. Es grämt dich nicht, es schämt dich nicht, dass du ihr frönst. Nun fasst er dich an. Da wird dir die Sünde zur Sünde. Da wachsen dem Gewissen die Zähne. Da bekommt das Wort Gottes Schärfe. Vorher sind seine Gebote und Strafworte tote Klänge gewesen, nun bekommen sie Bedeutung, aber nur erst Bedeutung zur Angst und Züchtigung. Eine andere können sie nicht haben, so lange du der Welt angehörst. Willst du recht fühlen, wie der Geist straft um der Sünde willen, so denke dich in ein Haus, wo man bisher ganz ruhig seiner Sünde nachgelebt hat. Nun zieht ein Freund mit hinein, der etwas Besseres kennt, die Furcht Gottes, die der Weisheit Anfang, die Liebe Christi, die des Gesetzes Erfüllung ist. Er wandelt im Geist und vollbringt nicht die Werke des Fleisches. Da straft der Geist die Andern. Der Freund braucht kein Wort zu sagen. Sie sind in seinem Wandel gezüchtigt. Sie lernen entweder von ihm und mit ihm dem Herrn dienen, oder sie fangen an, ihn zu hassen, wie die Welt die Jünger des Herrn gehasst hat. Er wird ihnen entweder ein Geruch zum Leben, oder ein Geruch zum Tod. -

Der Grund der Sünde ferner, um die die Welt gestraft wird, ist, dass sie nicht glaubt an Christum. Der Glaube besteht darin, dass ich mit Herz und Gemüt in ihn hinein wachse, dass ich als ein neues Reis in den Lebensbaum gepflanzt werde. Leben, heiliges Leben ist allein in ihm. Wer nun nicht in ihm gepflanzt ist, der kann nicht in ihm leben. Darum ist der Unglaube der Vater aller Sünde, und die Mutter derselben, die Lieblosigkeit, findet sich bald dazu. Der Heilige Geist muss natürlich alles Unheilige strafen. Er straft es, selbst wenn er kein einziges Strafwort ausspricht. -

Der Heilige Geist wird die Welt strafen um die Gerechtigkeit. Das Drängen und Suchen liegt in allen Menschen, dass sie gern vor Gott gerecht sein wollen. Er soll keine Ursache zu zeitlichen und ewigen Strafen an ihnen haben. Nun gibt es, um dahin zu kommen, nur einen Weg: demütig vor dem Herrn seine Sünde und Ungerechtigkeit bekennen, demütig das alte Kleid der Sünde ausziehen und ihn bitten, dass er uns einkleide in seine Gerechtigkeit und erneuere zu einem neuen Leben, dass wir geziert mit seinem Schmuck vor dem Vater erscheinen. Dazu hat aber die Welt keine Lust. Sie macht sich aus ihren Werken eine Maske, womit sie Gott und Menschen blenden will. Aber der Geist, der die Tiefen der Gottheit erforscht, der sollte wohl ein armes flaches Menschenherz nicht durchschauen können! Er sieht, wie hohl es hinter dieser vollen Maske ist. Und hinter der Verhüllung schlägt er das Herz und sagt ihm: „Gott wolltest du betrügen und hast dich betrogen. Dein Herr hat dir mit so großem Kampf, mit Schweiß und Blut eine Gerechtigkeit erworben, die vor Gott gilt, die wirfst du weg. Einen Königsmantel wirfst du weg und behängst dich dafür mit Spinneweb und Mottenfraß.“ Und trotz deiner Maske wird es dir dahinter doch bange. Der Geist sieht hindurch und kommt hindurch. Freilich immer noch strafend, weil du aus Hochmut nach der Gnade nicht greifen willst. Der Geist straft die Welt um der Gerechtigkeit willen. Ja auch die Welt in der Kirche Christi. Du stützt dich auf Christi Verdienst, rechnest dir seine Gerechtigkeit zu, und willst doch in der alten Sünde fortleben. Du willst die Gnade des neuen Menschen haben und seine Mühe nicht auf dich nehmen. Da ruft dir der Geist zu: „So Jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen. Ohne den Tod des alten Menschen kann kein neuer leben. Und wo der neue Mensch nicht lebt, hat er auch keinen Teil an der Gerechtigkeit, die vom neuen Menschen, von Christo, ausgeht. Aus einem dürren Ast wächst keine Blüte.“ -

Der Geist wird die Welt strafen um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Als das Reich Christi anging, da war das Reich des Fürsten dieser Welt gebrochen. Seine Macht ist dahin, Christus hat sie ihm genommen. Er spricht: „Ich sah den Teufel vom Himmel fallen, als einen Blitz.“ Wenn sein Reich sich auch noch hinschleppt durch Jahrtausende, wenn es in gewissen Zeiten auch scheinen will, als ob er der Herr der Welt sei, so ist es doch nur ein trügerischer Übergang. Der Herr ist Herr, und Keiner mehr. In ihm haben wir den siegreichen Beistand gegen den alten Feind. Wenn nun der Fürst und Vater der Sünde überwunden ist, wie wollen seine Diener noch stehen, wie wollen dann die Sünder das Feld behalten? Dass aber der Feind überwunden ist, erkennst du aller Orten, wo der Heilige Geist sein Werk anfängt. Wenn man auch anfangs dagegen tobt - wird es nur in stiller Demut und in getrostem Glauben fortgeführt, so geht es unaufhaltsam zum Sieg; nicht im Sturmschritt, nicht mit vollen Segeln, nicht mit großem Geschrei, aber umso gewisser. Der Herr ließ sein Geschrei nicht hören auf den Gassen. Endlich sprach er doch: „Es ist vollbracht.“ So wird es in der Welt auch gehen. Das fühlt auch die Welt selbst hin und wieder. Es fährt ihr ein Schauern durch die Gebeine. Das ist das Gericht des Heiligen Geistes. Ihr Fürst ist gefallen, sie ringt umsonst. -

Liebe Brüder, liebe Schwestern, gebt auch ihr dem Gericht des Geistes in euch Raum. Nur wenn er die Sünde richtet, erkennt ihr sie als eure Todfeindin, und dann gebt ihr der Gnade Raum. Nur wenn er eure falsche Gerechtigkeit in euch zerscheitert, findet ihr den Weg zu der evangelischen Gerechtigkeit. Nur wenn in euch das Gericht über den Fürsten dieser Welt ergangen ist, wird der Herr euer Fürst und Herzog zum ewigen Leben. - „Aber,“ möchtet ihr sagen, „wo bleibt denn da der Tröster - das ist ja eitel Straf- und Gerichtsarbeit!“ Ehe man säen kann, müssen die Dornen ausgerottet, muss gepflügt werden. Auch in dieser Strafarbeit liegt Liebe und Trost. Das ist ein gar Geringes, dass ich den Sünder laufen lasse, dass ich denke: „Geh du nur, du wirst am Ende über deine eigenen Beine fallen. Du wirst dem Gericht Gottes nicht entlaufen.“ Es gibt keine kältere Lieblosigkeit, als dies Gehenlassen. Das ist nicht Art des Heiligen Geistes. Ihr Väter, ihr Eltern wisst, dass in der Strafe auch eine Liebe liegt. Wenn ihr ein Kind hättet, aber Gott bewahre euch davor, von dem ihr sagt: „An das verliere ich kein Strafwort mehr, jedes Wort ist verloren, Hopfen und Malz ist an ihm verloren:“ ihr könnt es doch nicht fallen lassen, wo ihr es seht, müsst ihr es doch zurecht weisen. Von dieser Liebe ist die Strafe des Heiligen Geistes gegen die Welt durchdrungen. Es ist eine Strafe zur Erweckung der göttlichen Traurigkeit, und diese führt zu einer Reue, die Niemand gereut, diese aber zum Leben. So ist der Geist auch hier ein Tröster. Und wenn du dich nicht gleich freuen kannst über das, was er bringt, so wirst du dich doch zuletzt freuen. -

Freilich ist der andere Teil seiner Arbeit lieblicher, der Teil, den er an den Gewonnenen, an den Gläubigen vollbringt: Er wird sie in alle Wahrheit leiten. „Der Lügengeist,“ sagt ein alter frommer Zeuge Jesu Christi, „ist wie eine Spinne, er spinnt Alles aus sich heraus. Der Geist der Wahrheit ist wie eine Biene, die den Honig aus den Blumen saugt.“ Die Blume ist das göttliche Wort. Von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. -

Dies bleibt auch der Prüfstein für alle Geister. Wir sollen nicht einem jeglichen Geist glauben. Mag einer in noch so gewaltiger Rede einherfahren, mag er es dem Fleisch noch so angenehm darstellen; wenn er es nicht von dem Seinen genommen hat, wenn es nicht mit Gottes Wort übereinstimmt, ist es doch ein Lügengeist. Dass aber der Geist in alle Weisheit führt, haben wir schon tausendmal erkannt. Die am fleißigsten und demütigsten waren im Gebet, die sind auch am reichsten gesegnet mit christlicher Weisheit. „Fleißig gebetet ist halb studiert,“ sagt ein altes Sprichwort. Woran du dir tagelang den Kopf zerbrochen hattest, das gab dir der Geist nach treuem Gebet oft in einer Stunde. Männer, die wenig durch die Schulen gegangen sind, aber umso mehr durch die Schule dieses Geistes, haben gewaltiger reden und Seelen aufwecken lernen, als solche, die sich aller Weisheit Meister dünkten. Wer es sehen will, der lese das Evangelium und die Briefe und Offenbarung des Fischers Johannes und die Briefe des Teppichmachers Paulus. Dazu führt der Heilige Geist die Weisheit nicht in den Kopf allein, sondern auch in Herz und Seele und den ganzen Menschen. Es ist nicht eine Weisheit, mit der du etwa alle Jahre einmal prunken kannst; nein, eine solche, die du alle Tage brauchst, die das tägliche Brot deines Geistes, die lieblichste Erquickung deiner Seele wird. Freue dich, diese bringt dir der Heilige Geist mit! Noch spricht der Herr: Derselbige wird mich verklären. Er hat den Herrn schon in der Welt verklärt. Er hat ihn groß und herrlich gemacht in der Welt. Vom Aufgang bis zum Niedergang erschallet ihm der Lobgesang Geretteter Gemeinen. Wo ein Herz ist, das an den Herrn glaubt und dieses Glaubens lebt, da ist eine klare Stätte auf der Erde, da ist Christus verklärt; sonst ist eitel Finsternis. Er will ihn in dir verklären.

Ein helles Licht verklärt die ganze Stube.
Bis in das letzte Winkelchen fällt sein Schein.
So soll es durch den Geist in dir geschehen.
Bis in das letzte Winkelchen deines Herzens soll sein Gnadenlicht fallen.
Das leuchtet mit so hellem Schein
Dir Glaubensmut in's Herz hinein,
Dass du niemals verzagest.
Das leuchtet mit so hellem Strahl
Dir Himmelstrost in's Trauerthal,
Dass du es fröhlich wagest.
Das sendet dir auch früh und spat
Demut, Geduld und guten Rat,
Wenn du demütig fragest.

Der Geist macht dich stark und weise, demütig, gesellig, fröhlich und selig. Und weil er alle diese Güter nicht von dem Seinen nimmt, sondern von dem Eigentum Christi, verklärt er ihn in dir. Es geht durch deine Seele wie Himmelsodem, wie Himmelsbürgschaft, wie Himmelskraft. Du fühlst, du weißt, wem du angehörst. Der Geist hat Christum in dir verklärt. Freue dich, das ist das Köstlichste, das er dir mitgebracht hat. Amen.

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