Zuletzt angesehen: 1. Johannes, Kapitel 4

1. Johannes, Kapitel 4

1. Johannes, Kapitel 4

4:1 Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viel falsche Propheten ausgegangen in die Welt.
Wenn Menschen etwas mit großem Ernst und Eifer vortragen; um Andere zu belehren, und sich dabei anstatt anderer Beweise auf die Aufschlüsse oder Offenbarungen, welche sie bekommen haben, berufen, so reden sie aus dem Geist als Propheten. Dergleichen Leute hat es in den alten und neuen Zeiten gegeben; Johannes aber sagt: ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Wie soll man sie aber prüfen? Die Prüfung muß anders angestellt werden, wenn solche Leute zukünftige Dinge weissagen, und anders, wenn sie als Lehrer weissagen oder Lehren im Geist vortragen. Wer aus dem Geist Gottes zukünftige Dinge weissagt, dessen Weissagungen müssen nicht nur den schon bewährten göttlichen Weissagungen, die in der heiligen Schrift stehen, nicht widersprechen, sondern auch pünktlich erfüllt werden, s. 5 Mos. 18,20.21.22. Jer. 28,8.9. Wer aber im Geist Lehren vorträgt, darf der schon geoffenbarten göttlichen Lehre nicht widersprechen. Geister, die nicht von Gott sind, haben zu jeder Zeit unter dem Beistand der bösen Engel solche falsche Lehren ausgebildet, welche damals dem fleischlichen Sinn der Menschen die angenehmsten waren, und den größten Schaden anrichten konnten. Zu den Zeiten der Richter und hernach, da der Hang zur Abgötterei bei den Israeliten groß war, konnte ein falscher Prophet oder Träumer auftreten und sagen: lasset uns andern Göttern folgen und ihnen dienen, 5 Mos. 13,2. Zu der Zeit Ezechiels gab es Propheten und Prophetinnen, welche, von ihrer Armuth gedrückt, den Leuten Kissen unter die Arme und Pfühle zu den Häuptern machten, die Seelen zu fahen, das ist, welche sich im Weissagen dem fleischlichen Sinn der Menschen gefällig machten, um sich einen Anhang zu machen, und alsdann ihren Anhängern das Leben verhießen; überdieß aber auch um einer Handvoll Gerste und eines Bissen Brods willen die Seelen zum Tod verurtheilten, die doch nicht sterben sollten, und die zum Leben, die doch nicht leben sollten. Ezech. 13,18.19. Bei den Korinthern lästerten begeisterte Leute Jesum, weil es dem Teufel daran gelegen war, Juden und Heiden dadurch in ihrem Haß wider das Christenthum zu befestigen, 1 Kor. 12,3. In Asien, wo Johannes lehrte, standen hernach Leute auf, welche sonderbare Offenbarungen von einem ewigen Licht und Finsterniß, oder von einem guten und bösen Gott vorgaben, und die Leiber, und Alles, was körperlich oder materiell war, für ein Werk des bösen Gottes hielten, da sie dann von Jesu Christo behaupteten , Er sei nicht im Fleisch gekommen, oder habe keinen Leib gehabt. Deßwegen schrieb Johannes seinen Zuhörern diese Regel vor: daran sollt ihr (zur gegenwärtigen Zeit und in unserer Gegend) den Geist Gottes erkennen: ein jeglicher Geist, der da bekennet, daß Jesus Christus ist in dem Fleisch gekommen, der ist von Gott, und ein jeglicher Geist, der nicht bekennet, daß Jesus Christus ist in dem Fleisch gekommen, der ist nicht von Gott. Kein Geist, der der heiligen Schrift widerspricht, ist von Gott; die Beschaffenheit der Propheten selbst aber wird aus ihren Früchten erkannt. Matth. 7,15.16. (Magnus Friedrich Roos)

4:2 Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: ein jeglicher Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott;

4:3 und ein jeglicher Geist, der da nicht bekennt, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, daß er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt.
Der Geist des Widerchrists, der Christus nicht als von Gott ins Fleisch ge- kommen annimmt, war auch schon in der ersten Zeit in die Gemeine der Gläubigen eingedrungen, wie wir da hören. Es hat in ihr schon frühzeitig Vernünftler (Rationalisten) gegeben, die Christus nicht so nahmen, wie Er nach dem Evangelium und nach dem Zeugnis der Apostel genommen ist; Vernünftler, die ihn eben auch als einen Menschen von Menschen, als eine Kreatur unter den Kreaturen auffaßten, wenngleich - als müßte man ihnen für ein solches Zugeständnis Dank wissen! - als die erste, höchste, vorzüglichste Kreatur.
Dieser „Geist des Widerchrists“, der wohl 15 Jahrhunderte lang ziemlich geruht hatte - denn in diesem Glaubenspunkt ist nach und nach in aller Christenheit große Sicherheit entstanden -, dieser Geist des Widerchrists ist in unsern Zeiten wieder rege geworden: eben der Geist, der nicht bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. Schon wenn man nur nicht bekennt, liegt der Geist des Widerchrists zugrunde. Es tun ihrer viele so mit, wie wenn sie rechtgläubig wären. Wenn man aber aufmerkt, so schweigen sie davon, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, bekennen es nicht; und wo sie können, kommen sie sachte mit Widersprüchen, zuletzt greller und immer greller und unverhüllter. Da wird es denn ganz das Widerchristliche, das kommen wird, wie es heißt: „von welchem ihr habt gehört, daß es kommen werde.“ Wenn es je und je Aufregungen gibt durch öffentliche Kundgebungen über dergleichen Glaubenspunkte, so kann man zu seinem Schrecken wahrnehmen, wie lau das Bekenntnis vieler geworden ist, von denen man's nicht erwartet hätte, und wie die Meinung herrschend werden will, als ob's nicht so viel zu sagen hätte, wenn man nicht so gar bei dem überlieferten bliebe! Denn damit sei „das Evangelium“ noch nicht gefährdet! Geradeso mögen sie's in den Zeiten des Johannes gemacht haben.
Nehmen wir uns daher in acht vor einem schlaffen Bekenntnis, daß uns nicht sachte etwas Verkehrtes beschleiche! Wir lesen's, was der Geist des Widerchrists ist, was eigentlich sein Wesen ausmacht: nämlich das Aufgeben des Bekenntnisses, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen sei, vom Himmel gekommen, wie sonst auch die Schrift es ausdrückt. Wenn dieser Geist herrschend wird und einwurzelt und zu einer Macht gelangt, so mögen wir den argen Zeiten, die uns noch bevorstehen, nicht mehr ferne sein.
Aber es im Herzen fleißig zu bewegen und es uns als groß zu denken, daß Er vom Himmel ins Fleisch gekommen ist, sollte uns auch ein Anliegen bleiben. Denn großen Segen bringt's und viel Kraft, wenn wir's recht fest so nehmen, um auch einen festen Glauben, ein felsenfestes Vertrauen zu behalten auf den endlichen Sieg unsres hochgelobten Heilandes.(Christoph Blumhardt)

4:4 Kindlein, ihr seid von Gott und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer, als der in der Welt ist.
Johannes hatte vor diesen Worten von falschen Propheten geredet, welche in die Welt ausgegangen seien, und deren Hauptirrthum darin bestand, daß sie nicht glaubten, folglich auch nicht bekannten, daß Jesus Christus in dem Fleisch gekommen sei. Sie leugneten also, daß Jesus Christus ein Fleisch oder einen Leib gehabt habe. An diesem Irrthum hingen viele andere Irrthümer; diese Irrlehrer aber und ihre Lehren waren so beschaffen, daß Johannes V. 5. sagen konnte: sie sind von der Welt, folglich nicht aus Gott geboren; darum reden sie von der Welt, oder aus einem ungeänderten Weltsinn, und die Welt höret sie, und gibt ihnen Beifall. Hingegen gab er den Rechtglaubigen, an die er schrieb, dieses Zeugniß: Kindlein, ihr seid von Gott und durch die Wiedergeburt Kinder Gottes worden, und habt Jene überwunden. Wie mag aber dieses zugegangen sein? Haben sie etwa jene Irrgeister von der Wahrheit überzeugt und bekehrt? Dieses war nicht geschehen; denn Johannes gibt V. 5. zu verstehen, daß sie damals, da er dieses schrieb, ihre Irrthümer noch ausgebreitet haben. Oder haben die Rechtglaubigen alle spitzfindigen Scheingründe der Irrgeister beantwortet, und ihnen durch Beweise der Wahrheit wenigstens den Mund gestopft? Johannes scheint auch auf diesen Sieg nicht zu deuten, wie es denn den wenigsten Christen gegeben ist, sich mit Irrlehrern in eine Disputation einzulassen, und sie darin mit Worten zu überwinden. Johannes leitet den Sieg der Glaubigen daraus her, daß er in ihnen ist, größer sei, denn der in der Welt ist. In ihnen ist der ewige und allmächtige Geist Gottes, der Geist der Wahrheit, wie auch der ewige Vater, der größer als Alles ist, und der Sohn Gottes, welcher das Licht der Welt, und der Amen und treue Zeuge heißt. In der Welt aber ist und herrscht der Teufel, der Lügner und Mörder, und der Feind aller Wahrheit und Gerechtigkeit. Wenn nun böse Menschen von dem Teufel unterwiesen werden, kräftige Irrthümer auszubreiten, welche andern bösen Menschen angenehm sind, und deßwegen von diesen ohne einen scheinbaren Beweis gern angenommen werden, so hält der große Gott die Seinigen in Seiner Hand, zeigt ihnen die Wahrheit deutlich, läßt sie die Kraft derselben empfinden, läßt sie einsehen, wie jene Irrthümer kraftlos, schädlich, und dem Weltsinn gemäß seien, macht ihre Herzen in der Erkenntniß der Wahrheit fest: und so überwinden sie alle Irrlehrer. Die Salbung, welche sie von Gott empfangen haben, lehret sie vielleicht nicht disputiren, hingegen lehret dieselbe sie Alles klar und mit fester Ueberzeugung erkennen, was zur Seligkeit nöthig ist; da sie dann das Gegentheil leicht als etwas Fremdes verwerfen können, weil keine Lüge aus der Wahrheit kommt,1 Joh. 2,20.21.7. Ein solcher sieg über Verführer ist edel, und auch zu unserer Zeit sehr nöthig. Der Geist des Widerchrists regt sich sehr. Viele Leute gegen der Wahrheit mit dem Munde noch Beifall, weil sie noch keine starke Versuchung zum Abfall bekommen haben, und bei der wahren Lehre ihr zeitliches Glück finden; wenn aber scharfe Versuchungen kommen, so wird offenbar, daß Niemand überwinden könne, als derjenige, der von Gott und in dem Gott ist. (Magnus Friedrich Roos)

4:5 Sie sind von der Welt; darum reden sie von der Welt, und die Welt hört sie.

4:6 Wir sind von Gott, und wer Gott erkennt, der hört uns; welcher nicht von Gott ist, der hört uns nicht. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.

4:7 Ihr Lieben, lasset uns untereinander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebhat, der ist von Gott geboren und kennt Gott.

4:8 Wer nicht liebhat, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.
Das auszeichnende Merkmal eines Christen ist sein Vertrauen auf die Liebe Christi, und die Erwiderung dieser Liebe durch seine Liebe zu Christo. Der Glaube versiegelt fürs erste den Menschen und setzt die Seele in den Stand, mit dem Apostel zu sprechen: „Der Sohn Gottes hat mich geliebet und sich selbst für mich dargegeben.“ Dann gibt die Liebe ihre Mitunterschrift und drückt dem Herzen das Siegel der Dankbarkeit und der Liebe zu Jesu auf. „Lasset uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebet.“ In jenen großen Tagen der ersten Christen, der Heldenzeit des Glaubens an Jesum, war diese doppelte Versiegelung an allen Gläubigen deutlich zu erkennen; sie waren solche Menschen, welche die Liebe Christi kannten und sich darauf verließen, wie sich ein Mann auf einen Stab lehnt, dessen Tüchtigkeit er schon erprobt hat. Die Liebe, die sie gegen den Herrn empfanden, war nicht bloß eine Gemütsstimmung, welche sie in den geheimen Kammern ihrer Herzen zu verbergen suchten, und von welcher sie nur in ihren Versammlungen zu sprechen wagten, wo sie am ersten Tag jeder Woche zusammen kamen und Lieder zur Ehre Jesu Christi des Gekreuzigten miteinander sangen; sondern es war eine innige Liebe von so gewaltiger und verzehrender Kraft in ihnen, dass sie sich in allem ihrem Tun offenbarte, in allen ihren Reden äußerte und bei den gewöhnlichsten Vorfällen aus ihren Augen leuchtete. Die Liebe zu Jesu war eine Flamme, welche sich von dem Fett und Mark ihres Wesens ernährte, und darum aus eigener Kraft sich ihren Weg in den äußern Menschen bahnte und hier hervorleuchtete. Der Eifer um die Ehre des Königs Jesu war das Siegel und Kennzeichen aller wahren Christen. Wegen ihres Vertrauens auf die Liebe Christi wagten sie viel, und aus Liebe zu Christo taten sie viel; und so ist‘s noch heute. Die Kinder Gottes werden in ihren innersten Kräften von der Liebe getrieben; die Liebe Christi dringet sie; sie freuen sich, dass die göttliche Liebe sich ihnen zuneigt, sie fühlen dieselbe ausgegossen in ihre Herzen durch den Heiligen Geist, welcher ihnen geschenkt ist; und durch die Macht der Dankbarkeit lieben sie den Heiland aus reinem Herzen, inbrünstig. Liebe Seele, hast auch du Ihn lieb? Gib eine aufrichtige Antwort hierauf. (Charles Haddon Spurgeon)


Dieses theure Wort findet wohl nicht leicht unter den Menschen Widerspruch, sondern im Allgemeinen nur Zustimmung. Auch die Verachter des Evangeliums, denen das Wort vom Kreuze Aergerniß oder Thorheit ist, sagen es nach und sagen es mit: „Gott ist die Liebe.“ Dieses Wort ist ihnen sehr wichtig und geläufig, sie gebrauchen es, um andere, ihnen unangenehme, aber darum nicht weniger wahre Schriftworte zu entkräften, zu verdrehen und zu beseitigen. Redet die heilige Schrift von dem Zorn Gottes, von seiner unpartheiischen, drohenden, richtenden und rächenden Gerechtigkeit, so läugnen sie das und sprechen: „Wie sollte Gott zürnen, drohen, zeitliche und ewige Strafen über seine schwachen und sehlenden Geschöpfe verhängen? Er ist ja die Liebe!“ Die Schrift kann aber nicht gebrochen werden und wenn die Menschen mit einer Schriftstelle andere Schriftstellen bestreiten, so beweisen sie damit, wie wenig sie verstehen, was sie sagen. Fragt man bei ihnen näher nach: „Wie seid ihr denn dieser Wahrheit, daß Gott die Liebe ist, inne geworden, und warum stimmet ihr darin der heiligen Schrift unbedingt bei, während ihr derselben doch sonst so vielfältig widersprechet?“, - so sind es die viel tausend Wohlthaten Gottes, als des Schöpfers, Erhalters und Regierers der Menschen, woraus sich ihre Zustimmung zu dem Worte, daß Gott die Liebe ist, gründet. Wer möchte auch läugnen, daß sich die Liebe Gottes in vielen tausend solcher Wohlthaten über die Welt ergießt, und daß man in denselben unzählige Beweise derselben findet? Aber wird damit die Liebe Gottes in die Herzen ausgegossen? Werden durch solche Zeugnisse die Herzen völlig überzeugt? Heut sagst du im Gefühl deines Wohlbefindens, im Genuß der Freuden. des Lebens, im Besitz zeitlicher Güter und bei heiterer Aussicht in die Zukunft: „Nun weiß ich, daß Gott die Liebe ist!“ - und was wirst du morgen sagen, wenn du krank, traurig, verarmt und für die Zukunft besorgt bist? In und an dir, und um dich her ist alles ungewiß, und dem mannigfaltigsten Wechsel unterworsen; und darauf wolltest du eine Ueberzeugung gründen, die dir zu allen Zeiten und unter allen Umständen noth ist, ja dann am meisten noth ist, wenn die Zeiten, welche über dich kommen, und die Umstände, welche eintreten, dem zu widersprechen scheinen, daß Gott die Liebe ist? Einen andern unwandelbaren Grund muß deine Ueberzeugung haben, daß Gott die Liebe ist. Das ist aber der Grund, davon Johannes sagt: „Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß er seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen!“ und Paulus bezeugt: „Gott preiset seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“ Auf solchem Glaubensgrunde im Herzen steht die Ueberzeugung fest, daß Gott die Liebe ist. Da heißt es: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Gefahrlichkeit, oder Schwerdt? In dem allen überwinden wir weit, um deßwillen, der uns geliebet hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur, mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist unserm Herrn.“ Ja, Gott ist die Liebe. Das bezeugt er uns durch die Hingabe seines Sohnes, und wer solches Zeugniß im Glauben annimmt, der bekommt eine feste, selige Herzensüberzeugung von dieser Wahrheit, und bringet Frucht derselben, welche ist die Liebe. (Philipp Spitta)

4:9 Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen.

4:10 Darin steht die Liebe: nicht, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.

4:11 Ihr Lieben, hat uns Gott also geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.

4:12 Niemand hat Gott jemals gesehen. So wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist völlig in uns.
Völlig, ganz, vollkommen - das hat für manche Christen einen wehmütigen Klang - für andere ist's ein Trompetenstoß, bei dem das Schlachtroß, das seine Signale kennt, vorwärtsdrängt! Wehmütig? Warum? „Weißt du das nicht?“ lautet die Antwort. „Erreichen können wir das doch nie! Es bleibt alles Stückwerk.“ Und jene anderen? Die sagen: „Haltet uns nicht auf. Nur wer strebend, kämpfend, vorwärts sich entwickelt, wird mit der Vollendung gekrönt.“ Wer hat recht? Natürlich die zweiten. Nur kein Aufhebens machen von einer überwundenen Sünde, kein Zurückblicken, wie viel Stufen man schon von der Treppe erklommen - das macht schwindlig und kann einem den Hals kosten! - Wir haben nur vorwärts nach der Völligkeit seiner Liebe, nach unserer Vollkommenheit, nach dem Ziel zu blicken. Streben wir so, dann spüren wir: dieses ist kein totes Ziel, sondern es hat magnetische Kräfte und zieht uns mehr, als wir selbst durch unser Emporsteigen gewinnen würden. Es wird nicht lang mehr währen, dann sind wir am Ziel. An dem Tage wird's erreicht sein, wo das Fleisch im Sterben zerbricht und der Geist den Hemmschuh los wird.
Du bist unser Ziel, Herr Jesus Christus! Stärke uns den Glauben, fache den Eifer an, entflamme die Liebe. Herr, sieh in Gnaden auf deine müden Pilger, die höher und höher klimmen. Ziehe uns vorwärts zu dir durch dich! Amen. (Samuel Keller)

4:13 Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben und er in uns, daß er uns von seinem Geiste gegeben hat.
Hättest du gern ein Haus, eine Heimat für deine Seele? Du fragst: „Wie hoch steht der Preis?“ Ja, dieser Preis ist etwas geringer, als was die stolze Menschennatur gern dafür gäbe. Es heißt: Umsonst und ohne Geld. Ach! du möchtest gern eine erkleckliche Summe dafür darlegen! Du möchtest gern etwas tun, um Christum zu gewinnen! Dann kannst du diese Heimat nicht erwerben, denn sie hat keinen Preis! Willst du meines Herrn Haus und Heimat zur Miete nehmen für alle Ewigkeit, ohne etwas andres dafür zu bezahlen, als den Bodenzins deiner Liebe und deines Dienstes, die du Ihm ewig gelobst und bewahrst? Willst du Jesum empfangen und in Ihm wohnen? So siehe denn, dies Haus ist ausgestattet mit allem, was du brauchst; es ist angefüllt mit Schätzen, die du dein Leben lang nicht erschöpfen kannst. Hier kannst du täglich den innersten Umgang haben mit Christo und am Gastmahl seiner Liebe sitzen; hier sind reich besetzte Tafeln, mit köstlichen Speisen beladen, die dich ewiglich nähren; hier findest du eine sanfte Ruhe in Jesu, wenn du matt und müde bist; und du hast ringsum eine herrliche Aussicht und siehest den Himmel offen. Willst du dies Haus? O! wenn du noch nirgends eine Heimat gefunden hast, eine Stätte deiner Ruhe, so wirst du sagen: „Ich möchte dies Haus gern besitzen, aber werde ich es haben können?“ Ja, siehe, hier ist der Schlüssel; der Schlüssel ist: „Komm zu Jesu.“ „Aber,“ sprichst du, „ich bin zu schlecht gekleidet für ein so herrliches Haus.“ Glaube das nicht; es sind Kleider genug für dich darin. Wenn du dich schuldbeladen und verdammungswürdig fühlst, so komm; und wenn gleich das Haus zu gut für dich ist, so wird dafür der Herr Jesus dich gut machen für dies Haus. Er wird dich waschen und reinigen, und alsdann wirst du fröhlich singen: „Wir bleiben in Ihm.“ Gläubige Seele! Dreimal selig und glücklich bist du, dass du solch eine Wohnstätte gefunden hast! Du bist sehr wohl bedacht, denn du hast „eine feste Burg“, in welcher du sicher wohnest. Und, „wenn du in Ihm bleibst,“ so hast du nicht nur eine vollkommene und sichere Wohnung, sondern eine ewige Heimat. Wenn diese Welt vergeht wie ein Traum, so wird unser Haus bleiben, und wird unvergänglicher und unerschütterlicher dastehen als Marmor, unzerstörbarer als Granit, ewig wie Gott, denn es ist Gott selber: „Wir bleiben in Ihm.“ (Charles Haddon Spurgeon)

4:14 Und wir haben gesehen und zeugen, daß der Vater den Sohn gesandt hat zum Heiland der Welt.
Es ist ein lieblicher Gedanke, dass der Herr Jesus Christus sich nicht eingestellt hat ohne seines Vaters Willen, Wunsch, Rat und Beistand. Er wurde vom Vater gesandt, dass er die Menschen erlösen sollte. Wir vergessen gar zu leicht, dass bei allem Unterschied der Personen des dreieinigen Gottes kein Unterschied der Ehre bei ihnen ist. Gar zu oft schreiben wir den Ruhm unsrer Erlösung, oder wenigstens den Abgrund der darin geoffenbarten Liebe mehr dem Herrn Jesu zu, als dem Vater. Das ist ein großes Missverständnis. Wie kommt‘s, dass Jesus in die Welt gekommen ist? Hat Ihn nicht der Vater gesandt? Wenn seine Rede gewaltig und lieblich war, war‘s nicht wieder sein Vater, der seine Lippen holdselig gemacht hat, auf dass Er ein beredter Verkündiger des neuen Bundes würde? Wer den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist so erkennt, wie er sie erkennen sollte, der weiß von keinem Vorzug in der Liebe etwas; er sieht sie zu Bethlehem, in Gethsemane, auf Golgatha in gleichem Maße zusammenwirken zum Werk der Erlösung. O Christenmensch, hast du dein Vertrauen ganz allein auf den Menschen Jesus Christus gebaut? Hast du deine ganze Zuversicht einzig auf Ihn gesetzt? Und bist du mit Ihm vereint? Dann glaube auch, dass du vereint bist mit dem Gott des Himmels. Da du den Menschen Jesus Christus zum Bruder hast, und in innigster Gemeinschaft mit Ihm stehst, so bist du dadurch mit Gott dem Ewigen verbunden und „der Alte der Tage“ ist dein Vater und dein Freund. Hast du dich je versenkt in den Abgrund der Liebe im Herzen Jehovahs, als Er seinen Sohn aussandte zum großen Werk der Gnade? Wenn nicht, so sei es heute deiner Betrachtung wert. Der Vater sandte Ihn! Bewege das in deinem Herzen. Denke daran, wie Jesus wirkt, was der Vater will. Schaue in den Wunden des sterbenden Heilandes die Liebe des großen „Ich werde sein.“ Alle eure Jesus-Gedanken lasst angeknüpft sein an den ewigen, hochgelobten Gott, denn „der Herr wollte Ihn also zerschlagen mit Krankheit.“ (Charles Haddon Spurgeon)

4:15 Welcher nun bekennt, daß Jesus Gottes Sohn ist, in dem bleibt Gott und er in Gott.1)

4:16 Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.2)
Gott ist Liebe, und: unser Gott ist ein verzehrend Feuer: Hebr. 12,29. Beides ist wahr, weil beides in der Bibel steht. Gott ist Liebe gegen alle Geschöpfe, welche entweder ohne Sünde sind, oder als Sünder durch Christum Seinen Sohn Ihm gehörig begegnen, sich von der Sünde reinigen lassen, und Seine Liebe annehmen und preisen. Er ist aber ein verzehrend Feuer gegen Alle, die Ihm widerstreben, die Sünde beibehalten wollen, und Seine Liebe verschmähen. Hohel. 8,6. wird von der Liebe gesagt, daß sie stark sei wie der Tod, und daß ihr Eifer fest sei wie die Hölle, ihre Gluth sei feurig, und eine Flamme des HErrn. Diese Stärke, dieser Eifer und diese Gluth ist für die Geliebten, die sich lieben lassen, erquicklich, für die widerstrebenden Hasser aber verzehrend. Johannes sagt: wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott, welcher die Liebe ist, und Gott in ihm, und 1 Joh. 4,7.8.: ihr Lieben, laßt uns unter einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer lieb hat, der ist von Gott geboren, und kennet Gott, wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht, denn Gott ist Liebe. Es soll also nach der Lehre Johannis ein Jeder, der mit Gott vereinigt sein will, und aus Gott geboren sein, und Ihn kennen soll, in einer Aehnlichkeit mit Gott stehen; wie sich denn freilich nie zwei Dinge, die einander zuwider sind, mit einander vereinigen lassen, und ein jedes Kind mit seinem Vater eine Aehnlichkeit hat, und wer einen Andern kennen soll, etwas von demjenigen, das der Andere ist oder hat, in sich haben und in sich empfinden muß. Nun ist Gott Liebe. Darum sollen wir in der Liebe leben und bleiben, damit wir in Gott bleiben, und ER in uns. Sind wir aus Gott geboren, so hat Er uns gewißlich durch die Wiedergeburt die Liebe als Sein Bild eingeprägt, und wenn wir die Liebe, die von Gott ist, und 1 Kor. 13. nach ihren verschiedenen Erweisungen, ihrer ewigen Dauer und ihrem hohen Werth beschrieben wird, in uns empfinden, so kennen wir Gott, und wissen einigermaßen, was der Name Liebe bedeute, den Johannes Ihm beilegt. Wenn Paulus von der Rechtfertigung und Begnadigung des Sünders handelt, so weiset er uns auf nichts als den Glauben. Er lehrt aber auch, daß, wenn wir gerechtfertigt werden, die Liebe Gottes in unsern Herzen durch den uns gegebenen Heiligen Geist ausgegossen werde, Röm. 5,5. Nun kann es nicht anders sein, als daß diese ausgegossene Liebe Gottes eine Verwandlung in uns wirke, und eine Liebe, deren Ursprung Gott selber ist, in uns anrichte: da dann ein Jeder, so lange er in dieser Liebe bleibt, seinen Gnadenstand behält, und die Gemeinschaft mit Gott behauptet. Wenn Gott in uns ist, so ist die Liebe in uns: und wenn wir in Gott sind, so sind wir in der Liebe. Die Gemeinschaft mit Gott kann also ohne die Liebe nicht gedacht werden. Die erste Liebe verlassen, ist also eine gefährliche Sache, und ganz aus der Liebe verrückt werden, und in Grimm, Neid, Bitterkeit, falschen und tödtenden Eifer und Unbarmherzigkeit hinein gerathen, ist ein gewisses Zeichen, daß man vom Licht in die Finsterniß, vom Leben in den Tod zurückgefallen, und von der Gemeinschaft mit Gott ganz abgekommen sei. Lasset uns also in der Liebe bleiben, damit Gott in uns bleibe, und wir in Gott. (Magnus Friedrich Roos)


Das heisset wahrlich hoch angefangen, die Liebe trefflich gepreiset und erhoben, und starck vermahnet und gereitzet mit dem allerhöchsten und vollkommensten Exempel. Wenn man lange sagt, die Liebe sey die köstlichste und vollkommenste Tugend, so ist es noch nichts gegen das, wenn er saget: GOtt ist selbst die Liebe, daß wenn jemand wolte GOtt mählen und treffen, so müßte er ein solch Bild treffen, das eitel Liebe wäre, als sey die göttliche Natur nichts, denn ein Feur-Ofen und Brunst solcher Liebe, die Himmel und Erde füllet, und wiederum/ wenn man könte die Liebe mahlen und bilden, müste man ein solch Bild machen, das nicht wercklich, noch menschlich, ja nicht Englisch noch Himmlisch, sondern GOtt selbst wäre. (Martin Luther)


Gott ist die Liebe. Wer in Ihm bleibt, wird mehr und mehr von Seiner Liebe erfüllt. Er wurzelt in der Liebe Gottes und kann Gott lieben über alles und seinen Nächsten lieben wie sich selbst. Je länger jemand ununterbrochen mit Gott gewandelt hat, desto gottähnlicher ist er geworden. Der Umgang mit Gott erhöht und verklärt in Sein Bild und Wesen. Da mehrt sich der Friede. Jesus ist unser Friede. Wer nun stets mit Ihm wandelt, genießt Ihn stets. Sein Friede kann deshalb nicht ab-, wohl aber zunehmen. Frieden haben heißt eins sein mit Gott, erfüllt sein von seinem Gott, geborgen sein in Ihm. - Es mehrt sich auch die Kraft. „Mein Gott ist meine Stärke“ rühmt jeder, der mit Gott wandelt. Er kann nicht unterliegen, weil er mit Gott ist, vielmehr weil Gott mit ihm ist. Ohne den Herrn vermag er nichts, aber im Bunde mit dem Allmächtigen alles. - Und es mehrt sich auch das Bewusstsein der Nähe, der Gegenwart Gottes. In dieser Stellung bedarf man keiner Beweise für Seine Allgegenwart, der Herr beweist es selbst. Wandle nur mit deinem Gott, wandle stets mit Ihm, so wirst du unerhörte Erfahrungen machen, dass du nur danken und loben kannst. Nicht nur in Sturmesnot, auch wenn sie „unter Lilien weiden“, ist es der Kinder Gottes größte Freude, sagen zu dürfen: Ich bin in des Herrn Hand; Er offenbart sich mir auf allerlei Weise. Und wie sich ein reines Herz nach dem Schauen Gottes sehnt, so sehnt sich Gott noch viel mehr danach, endlich Seinen Liebling in der ewigen Heimat zu begrüßen. (Markus Hauser)


Wir bleiben in Gott, wenn wir in der Liebe bleiben, mit der uns Gott geliebt hat. Hier ist der Lebensborn, die immer frisch sprudelnde Quelle, hier ist das Geheimnis der Kraft aller Überwinder. Blickt auf den Gekreuzigten, und es wird euch klar, dass die Liebe Gottes die alles umgestaltende Lebensmacht ist. Der Vater war in Ihm, Er blieb im Vater, und jedermann verspürte eine gewaltige Kraft. Was die Apostel und die ersten Christen gelitten und gewirkt, durchgekämpft und ausgerichtet haben, das taten sie alles vermöge der Macht der Liebe, mit der sie sich von Gott in Christo geliebt wussten. Es wäre eine sehr bedenkliche Sache, wenn von dem einen oder andern von uns gesagt werden müsste: Es ist kein Leben in ihm! Lasset uns in der Liebe bleiben, so wird Gottes Leben in uns bleiben. Gereizt, mürrisch, unzufrieden sind wir in unserer Arbeit, wenn uns diese Lebensmacht abgeht. Dann aber ist unser Dienst befleckt. Solange die Liebe Gottes als ein normales Leben in uns ist, wird sich niemand mit Recht über uns beklagen können. Die Elenden haben Gewinn davon, wenn diese Lebensmacht unser Herz bewegt. Alles geht leichter, wo unser Dienst in der Liebe geschieht. Ja, wir können wohltun, denn uns durchströmt das göttliche Leben der ewigen Liebe. Bleiben wir nicht in Gott, so bleibt diese Lebensmacht nicht in uns. Dann zerfallen wir mit unseren Freunden, zerfallen mit dem Werke, an dem wir stehen. Das ist ein höchst trauriger Zustand! Wirf dich darum nieder vor dem, der Herz und Nieren prüft, wenn du leer bist an Liebe, lass dich unter Jesu Kreuz wieder erfüllen mit ihr. Dann wirst du wieder aufleben und mit Freudigkeit deinem Herrn dienen. (Markus Hauser)


1 Joh. 4, 8. 16. liesest du: „Gott ist die Liebe.“ Dieses theure Wort findet wohl nicht leicht unter den Menschen Widerspruch, sondern im Allgemeinen nur Zustimmung. Auch die Verachter des Evangeliums, denen das Wort vom Kreuze Aergerniß oder Thorheit ist, sagen es nach und sagen es mit: „Gott ist die Liebe.“ Dieses Wort ist ihnen sehr wichtig und geläufig, sie gebrauchen es, um andere, ihnen unangenehme, aber darum nicht weniger wahre Schriftworte zu entkräften, zu verdrehen und zu beseitigen. Redet die heilige Schrift von dem Zorn Gottes, von seiner unpartheiischen, drohenden, richtenden und rächenden Gerechtigkeit, so läugnen sie das und sprechen: „Wie sollte Gott zürnen, drohen, zeitliche und ewige Strafen über seine schwachen und fehlenden Geschöpfe verhängen? Er ist ja die Liebe!“ Die Schrift kann aber nicht gebrochen werden und wenn die Menschen mit einer Schriftstelle andere Schriftstellen bestreiten, so beweisen sie damit, wie wenig sie verstehen, was sie sagen. Fragt man bei ihnen näher nach: „Wie seid ihr denn dieser Wahrheit, daß Gott die Liebe ist, inne geworden, und warum stimmet ihr darin der heiligen Schrift unbedingt bei, während ihr derselben doch sonst so vielfältig widersprechet?“, - so sind es die viel tausend Wohlthaten Gottes, als des Schöpfers, Erhalters und Regierers der Menschen, woraus sich ihre Zustimmung zu dem Worte, daß Gott die Liebe ist, gründet. Wer möchte auch läugnen, daß sich die Liebe Gottes in vielen tausend solcher Wohlthaten über die Welt ergießt, und daß man in denselben unzählige Beweise derselben findet? Aber wird damit die Liebe Gottes in die Herzen ausgegossen? Werden durch solche Zeugnisse die Herzen völlig überzeugt? Heut sagst du im Gefühl deines Wohlbefindens, im Genuß der Freuden. des Lebens, im Besitz zeitlicher Güter und bei heiterer Aussicht in die Zukunft: „Nun weiß ich, daß Gott die Liebe ist!“ - und was wirst du morgen sagen, wenn du krank, traurig, verarmt und für die Zukunft besorgt bist? In und an dir, und um dich her ist alles ungewiß, und dem mannigfaltigsten Wechsel unterworfen; und darauf wolltest du eine Ueberzeugung gründen, die dir zu allen Zeiten und unter allen Umständen noth ist, ja dann am meisten noth ist, wenn die Zeiten, welche über dich kommen, und die Umstände, welche eintreten, dem zu widersprechen scheinen, daß Gott die Liebe ist? Einen andern unwandelbaren Grund muß deine Ueberzeugung haben, daß Gott die Liebe ist. Das ist aber der Grund, davon Johannes sagt: „Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß er seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen!“ und Paulus bezeugt: „Gott preiset seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“ Auf solchem Glaubensgrunde im Herzen steht die Ueberzeugung fest, daß Gott die Liebe ist. Da heißt es: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Gefährlichkeit, oder Schwerdt? In dem allen überwinden wir weit, um deßwillen, der uns geliebet hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur, mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist unserm Herrn.“ Ja, Gott ist die Liebe. Das bezeugt er uns durch die Hingabe seines Sohnes, und wer solches Zeugniß im Glauben annimmt, der bekommt eine feste, selige Herzensüberzeugung von dieser Wahrheit, und bringet Frucht derselben, welche ist die Liebe. (Carl Johann Philipp Spitta)


O des wunderbaren, seligmachenden Wortes, das uns das Größte und Herrlichste von Gott offenbart und das Vaterherz Gottes vor uns aufschließt! Wohl preisen wir Gott als den Ewigen, dessen Jahre kein Ende nehmen, als den Allmächtigen, dem kein Ding unmöglich ist. als den Allgegenwärtigen, der Himmel und Erde erfüllet, als de n Allwissenden, vor dessen Augen Alles bloß und entdeckt ist, als den Alleinweisen, der Alles löblich und herrlich ordnet, als den Heiligen und Gerechten, vor dem das Böse nicht besteht - aber daß, er seinem innersten Wesen nach die Liebe ist, nicht nur Liebe hat, daß er in Allem, was er denkt und will, beschließt und ausführt, lauter Liebe ist, das ist's, was uns in seine Nähe bringt, uns seiner Seligkeit theilhaftig macht. Begreifen und verstehen können wir dies Wort freilich nicht, und Luther sagt mit Recht: „Wenn Jemand Gott malen wollte, so müßte er ein solches Bild malen, das eitel Liebe ist.“ Aber die Offenbarungen seiner Liebe stehen uns klar vor Augen.
Gott ist die Liebe! das predigt uns das Reich der Natur: die Vögel unter dem Himmel, die Saaten auf den Feldern, die Blätter an den Bäumen, die Thautropfen im Grase - wie aus Einem Munde rufen sie uns zu: Gott ist die Liebe! die die Welt erschaffen und erhält. Gott ist die Liebe! davon zeugt vor Allem das Reich der Gnade: die Krippe zu Bethlehem, das Kreuz auf Golgatha, das leere Grab am Ostermorgen, die lichte Wolke über'm Oelberg, die feurigen Zungen am Pfingsttage - das Alles verkündet uns: Gott ist die Liebe, die in Christo unsere Seligkeit ernstlich will und uns zur Seligkeit einladet. Unser Gott ist die allerhöchste, ewige Liebe; in dieses Evangelium stimmen alle Engelschaaren im Himmel und alle Gotteskinder auf Erden auf's Freudigste ein. Ja, diese Botschaft ist das Heil jeder Menschenseele und der Trost jedes Sünderherzens.
Daran will ich mich hatten in Freud und Leid, im Leben und im Sterben. Bon dem Lichte dieser Liebe will ich wich durchleuchten lassen - ich in Gott, und Gott in mir durch die Liebe, in ihm bleiben, an seinem Vaterherzen ruhen, an seiner Vaterhand wandeln. Das ist das höchste Liebesglück auf Erden. Denn lieben und geliebet werden, ist der Himmel schon auf Erden. Diese Liebe, die aus dir stammt und zu dir führt, gieße aus in mein Herz, lieber Vater im Himmel, damit ich dich und den du gesandt hast, deinen lieben Sohn, Jesum Christum, immer gründlicher erkenne, die beseligende Kraft deiner Liebe schmecke, dich von ganzem Herzen und von ganzer Seele und über alle Dinge liebe und in dir zur Ruhe komme, damit ich einst dich schaue in deiner Liebesfülle und Himmelsherrlichkeit. (Christian Wilhelm Spieker)

4:17 Darin ist die Liebe völlig bei uns, daß wir eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts; denn gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt.

4:18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe.
Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott, und Gott in ihm. So schrieb Johannes 1 Joh. 4,16. Nun kann aber das Bleiben in der Liebe, folglich auch das Bleiben in Gott schwächlich bei dem Menschen angerichtet sein: wenn aber die Liebe völlig bei ihm ist, wenn sie sein Herz so eingenommen hat, daß sie alle Furcht daraus vertrieben hat, so ist der Mensch so weit gestärkt, daß er eine Freudigkeit hat am Tage des Gerichts. Die Rede des Johannis ist hier sehr kurz. Nach seiner Anzeige hat der Mensch, bei dem die Liebe völlig ist, diese Freudigkeit jetzt schon, obschon der Tag des Gerichts noch nicht vorhanden ist. Er hat sie aber, wenn er sich denselben lebhaft, als ob er gegenwärtig wäre, vorstellt, und aus dem Wort Gottes einen tiefen Eindruck davon bekommt. Noch gewisser und vollkommener aber wird er diese Freudigkeit haben, wenn der Tag des Gerichts wirklich erscheinen wird. Sonst fürchtet man sich auf eine peinliche Weise vor dem Tag des Gerichts: aber diese Furcht ist nicht in der Liebe, und wen ich von ganzem Herzen liebe, den kann ich nicht mehr auf eine Art, die mich peinigt, fürchten. Wenn also die Liebe mein ganzes Herz eingenommen hat, so fürchte ich auch den Tag des Gerichts nicht mehr, ob ich gleich weiß, daß an demselben die Herrlichkeit Jesu Christi der ganzen Welt sichtbar werden wird. Die Liebe zu Jesu läßt dieser Furcht keinen Raum bei mir. Wenn ich Jesum liebe, so habe ich auch Seine Erscheinung lieb.
Ach, wie selten findet man Christen, bei denen die Liebe völlig ist! Man muß froh sein, wenn man einige findet, welche den HErrn Jesum und Seine herrliche Erscheinung zum Gericht mit einer untermengten Furcht lieb haben. Wir sollen aber darnach ringen, daß wir eine völlige Liebe zu Jesu erreichen, welche die Furcht austreibt. Liebe und Furcht sind einander entgegengesetzt. Nun hat die Furcht Pein, wie Johannes V. 18. sagt: je völliger also die Liebe bei dem Menschen ist, desto weniger Pein ist in ihm, und desto größer ist seine Seligkeit schon bei Leibesleben. Gott ist Liebe, der HErr Jesus führte Seinen Wandel auf Erden in der lautersten Liebe. Auch wenn Er die Leute bedrohte, auch da Er den Petrus einen Satan nannte, blieb Er in der Liebe. Auch im Stand der Herrlichkeit ist Er voll von Liebe. Bei welchen also die Liebe vollendet ist, die können sagen: wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Durch die Liebe wird man also dem himmlischen Vater und Seinem Sohn Jesu Christo ähnlich. Die Liebe ist das Bild Gottes in der Seele. Gleichwie Johannes V. 17. sagt: die Liebe müsse bei uns völlig werden, also sagt er V. 18.: der Mensch müsse in der Liebe völlig sein. Eine völlige Liebe macht also einen völligen oder ganzen Christen. Wer im Christenthum zu wachsen meint, und doch immer stolzer und zanksüchtiger wird, ist nur nach seiner eitlen Einbildung und nicht nach der Wahrheit gewachsen. Wir wollen uns durch die Lehre Johannis unsere Schwachheit und unsern Mangel aufdecken lassen, und zugleich darnach streben, daß wir durch die Kraft des Heiligen Geistes die Völligkeit, von welcher er redet, erreichen.(Magnus Friedrich Roos)

4:19 Lasset uns ihn lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.
Planeten strahlen nur das Licht zurück, das ihnen von der Sonne zuströmt; und aus dem Herzen geht keine wahre Liebe zu Jesu hervor, die ihm nicht von dem Herrn Jesus selber zufließt. Aus diesem überströmenden Quell der unendlichen Liebe Gottes muss all unsre Gottesliebe entspringen. Es wird in alle Ewigkeit eine große und gewisse Wahrheit bleiben, dass wir Ihn aus keinem andern Grunde lieben, als weil Er uns zuerst geliebt hat. Unsre Liebe zu Ihm ist der zarte Sprössling seiner Liebe zu uns. Kühle, Mark und Bein durchschauernde Bewunderung kann jeder, der die Werke Gottes anschaut und sich darein vertieft, empfinden, aber die Flamme der Liebe im Herzen kann nur durch den Geist Gottes angezündet werden. Welch ein Wunder, dass überhaupt unsereins je dazu konnte gebracht werden, den Liebenswürdigsten zu lieben! Wie wunderbar, dass Er, gegen den wir uns aufgelehnt und empört hatten, durch Offenbarung einer solch erstaunlichen Liebe uns wieder zu sich zu ziehen sucht! Nein, nie hätten wir je ein Körnlein Liebe gegen Gott in uns gefunden, wenn es nicht wäre durch die liebliche Saat seiner Liebe in uns gepflanzt worden. Unsre Liebe ist ein Spross der Liebe Gottes, die in unser Herz ausgegossen wird; aber nachdem sie in uns göttlich geboren ist, muss sie göttlich ernährt werden. Die Liebe ist eine Treibhauspflanze; sie ist kein Gewächs, das von sich selbst im menschlichen Boden Blüten treibt, sie muss mit Tau von oben befeuchtet werden. Die Liebe zu Jesu ist eine Blume von gar zartem Bau, und wenn sie keine andre Nahrung empfinge als die, welche der Fels unsers Herzens zu geben vermag, so müsste sie bald verwelken. Wie die Liebe vom Himmel stammt, so muss sie auch mit himmlischer Speise ernährt werden. Sie kann nicht in der Wüste gedeihen, wenn sie nicht mit Manna von oben gespeist wird. Liebe muss von Liebe leben. Die Seele und das Mark unsrer Liebe zu Gott ist seine Liebe zu uns. (Charles Haddon Spurgeon)


Gott ist die Liebe, und weil Gott die Liebe ist, so will er auch, daß alle seine Kinder und Gläubigen in der wahren Liebe stehen sollen. Die Liebe ist das Band, welches Gott und unser Herz, aber auch uns und unsers Nächsten Herz aufs genaueste verbindet. Ein gläubiger Christ demnach bittet 1) Gott, daß er sein Herz mit seiner heiligen Liebe erfüllen wolle. 2) Er muß auch die Mittel nicht verachten, dadurch Gottes Liebe in ihm kann angefangen und vermehrt werden, nämlich die andächtige Anhörung und Betrachtung des Worts Gottes, und den würdigen Gebrauch des heiligen Abendmahls. 3) Steht er in der Liebe Gottes, so muß er auch solche beweisen in einem heiligen christlichen Wandel, anständigen Reden, Gott wohlgefälligen Werken; denn die Liebe ist gleich einem Feuer, welches seine Flammen und Rauch nicht kann verbergen. 4) Er muß sich aber wohl vorsehen, daß er nicht wie Damas die Welt wieder lieb gewinne; denn wer die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Derohalben muß er aus Liebe zu Gott die Welt meiden, weil sie ihn von der Liebe Gottes abführt. 5) In solcher Liebe soll er auch verharren bis in den Tod. 6) Die Liebe Gottes soll mit den zunehmenden Jahren sich immer vermehren; man soll sich schämen, wenn man zwanzig, dreißig, ja vierzig Jahre in der Lust und Liebe der Welt hingebracht, aber darüber die Liebe Gottes vergessen hat. (Johann Friedrich Stark)

4:20 So jemand spricht: „Ich liebe Gott “, und haßt seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?

4:21 Und dies Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebt, daß der auch seinen Bruder liebe.
Unseres Glaubens Wurzel, Leben und Seligkeit ist die Liebe; denn er ist darauf gegründet, daß Gott die Liebe ist. Gott will nicht allein selig sein, sondern auch Andere selig machen, will mit Wesen Gemeinschaft haben, die seine Liebe erkennen, sie genießen und Ihm wieder Liebe geben können. Ja, Er hat uns fast mit Gewalt zum Glauben an seine Liebe gezwungen, indem Er uns seinen eingebornen Sohn gesandt und für uns in den Tod gegeben und uns durch Ihn aus Feinden wieder in Kinder Gottes verwandelt hat. „Darin stehet die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß Er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ – Haben wir aber erst lebendig erkannt, daß Gott uns liebt, dann können wir es nicht lassen, Ihn wieder zu lieben. Gott ist jetzt das einzige Ziel unseres Lebens geworden. Was dem Gesetz unmöglich war, das wird durch unsern Glauben an die Liebe erfüllt. Der Gläubige liebt die Feinde, liebt die Bösen selbst. Er hört darum nicht auf, seinen Brüdern Gutes zu thun, weil sie es nicht verdienen; denn auch er ist ja ohne Verdienst nur aus Gnaden selig geworden. Er vergiebt, weil ihm vergeben worden ist; er liebt jedes Geschöpf Gottes, weil er Gott selbst liebt. – Und diese Liebe allein ist auch unseres Glauben Seligkeit; denn Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Einen ganz eignen Muth giebt die Liebe, und sie fühlt die Kraft in sich, durchaus Alles zu tragen. Liebe kann Alles. Wahrhaft Liebende, fürchten nur Eins, ihre Liebe zu verlieren oder getrennt zu werden. Was kann der gläubige Christ fürchten, der Gott über Alles liebt? Kann er auch die Liebe Gottes verlieren? Schmerzen kann es ihn wohl, daß seine Liebe zu Gott noch nicht völlig ist, daß sie oft wieder kalt wird, und dann Furcht und Pein wieder eintreten, aber sie wird völlig werden und das einzige Gnadengeschenk unseres Glaubens im Himmel wird vollendete Liebe und damit vollendete Seligkeit sein. So kommt der Glaube aus der Liebe, so lebt er in der Liebe, so führt er zu der Liebe. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, dabei wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt. Also beschreibet Christus das Kennzeichen seiner wahren Jünger und Jüngerinnen, Joh. 13, v. 34 nämlich, daß man sie daran erkennen sollte, wenn sie würden ihren Nächsten lieben. Es soll Niemand meinen, daß er in der Liebe Gottes stehen könne, wenn er schon seinen Nächsten hasset, o nein! es ist aber unser Nächster 1) unser Freund, Wohlthäter und Verwandter. 2) Auch unser Nachbar, Fremder und Mitbürger, selbst wenn er uns neidet, vervortheilet und hasset. 3) Gegen die Feinde soll man alle Bitterkeit, Unversöhnlichkeit, Haß und Bosheit aus dem Herzen verdammen, mit Worten und Werken beweisen, daß man ein liebreich Herz zu ihnen trage, und thue in der That und Wahrheit, was Christus sagt: Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seyd eures Vaters im Himmel, Matth. 5, v. 44.45. (Johann Friedrich Stark)

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
bibel/nt/23_1joh/1_joh_kapitel_4.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain