Jakobus, Kapitel 3

3:1 Liebe Brüder, unterwinde sich nicht jedermann, Lehrer zu sein, und wisset, daß wir desto mehr Urteil empfangen werden.

3:2 Denn wir fehlen alle mannigfaltig. Wer aber auch in keinem Wort fehlt, der ist ein vollkommener Mann und kann auch den ganzen Leib im Zaum halten.
Wer wagt das von sich selbst auszusagen! Kein Wort falsch, kein Wort vorschnell, kein Wort übertrieben, kein Wort lieblos - nein, solche Menschen findet man nicht. Wohl habe ich welche kennengelernt, die aus Angst, mit einem Wort zu fehlen, sich angewöhnt hatten, ganz still zu schweigen. Ist das richtig? Dann fehlten ihnen auch die freundlichen, tröstenden, bekennenden, werbenden Worte. Nun, dann ist dieser Ausspruch nur zu unserer Demütigung geschrieben. Aber Sündenerkenntnis allein bessert noch nicht; sie lähmt sogar, wenn sie allein auftritt, alle Bemühung auf Änderung. Dasselbe helle Licht bestrahlt auch den einzigen, in des Munde kein Betrug erfunden und der in keinem Wort gefehlt hat: Jesus. Unsere Fehlerhaftigkeit und seine Reinheit muß zusammengebunden werden durch den Glauben, daß er gekommen sei, um uns von der Sünde zu scheiden. Beide Stücke sind nun notwendig: Erkenntnis meines Mangels und Nähe seines Reichtums. Das kann eine Hilfe werden. Denn Zunge und Herz gehören zusammen: die Zunge kann nicht gereinigt werden, wenn das Herz nicht anders wird.
Lieber Herr Jesus! Nimm dich unserer Armseligkeit und Schwäche an! Vergib unsere bösen Worte und lege uns statt dessen deine Worte in den Mund. Laß im Grunde unserer Seele, von innen heraus, die Genesung durchbrechen, bis wir dir ganz gehören mit Herz und Mund! Amen. (Samuel Keller)

3:3 Siehe, die Pferde halten wir in Zäumen, daß sie uns gehorchen, und wir lenken ihren ganzen Leib.

3:4 Siehe, die Schiffe, ob sie wohl so groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wo der hin will, der es regiert.

3:5 Also ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet's an!
Eine Welt voll Ungerechtigkeit, Trug und Lüge und eitel bös Wesen kann aus dem Munde gehen, aber auch eine Fülle von Liebe und Segen, Weisheit und Verstand, Lob und Preis des Allerhöchsten. Durch die Zunge loben wir Gott den Vater, und durch sie fluchen wir den Menschen nach dem Bilde Gottes gemacht. Aus einem Munde gehet Loben und Fluchen. Quillet auch ein Brunnen aus einem Loche süß und bitter? Die Zunge ist ein wildes, muthiges Roß; wird es von Zorn und Leidenschaft regiert, sprühet es Funken des Hasses und richtet viel Zerstörung an. Sie hat ihren Sitz zwischen Kopf und Herz; gehorcht sie beiden, so wird sie keinen Schaden anrichten. Aber die Erkenntniß muß lebendig, das Herz rein sein. Wie man aus dem Meere nur salziges und bitteres Wasser schöpfen kann, so können auch aus einem verdorbenen Herzen keine heilsamen Reden kommen. Weß das Herz voll ist, deß gehet der Mund über. Ein guter Mensch bringet Gutes hervor aus seinem guten Schatz, und ein böser Mensch bringet Böses hervor aus seinem bösen Schatz. Daß nur Herz und Mund nicht in Widerspruch gerathen und die Zunge nicht heuchelt, wovon das Herz nichts weiß. Was der Mund redet, soll das Herz empfinden, und wie es das Herz meint, soll der Mund reden. Ich habe mir vorgesetzt, sagt David, mich zu hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge; ich will meinen Mund zähmen. Darum langsam zum Reden! Das Wort werde wohl erwogen und gehörig bedacht, ehe es über die Lippen geht. Es soll belehren, ermahnen, trösten, erheitern; aber nicht verletzen, wehe thun, den Zorn erregen und Böses stiften. „O daß ich könnte ein Schloß an meinen Mund, legen und ein fest Siegel darauf drücken, damit ich nicht zu Falle käme und meine Zunge mich nicht verderbte! Sir. 22, 33. So will ich mit dem weisen Sirach sprechen, und sorgsam achten auf meine Rede, auf daß ich die Wahrheit nicht verläugne, dem Nächsten nicht wehe thue, und immer so rede, wie mein Herz es meinet und wie dem Herrn es wohlgefällig ist. (Christian Wilhelm Spieker)

3:6 Und die Zunge ist auch ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Also ist die Zunge unter unsern Gliedern und befleckt den ganzen Leib und zündet an allen unsern Wandel, wenn sie von der Hölle entzündet ist.

3:7 Denn alle Natur der Tiere und der Vögel und der Schlangen und der Meerwunder wird gezähmt und ist gezähmt von der menschlichen Natur;

3:8 aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel, voll tödlichen Giftes.
O wie schwer ist es, unsere Zunge zu hüten! Ein Wort ist bald gesagt und bald verhallt, und von einem jeglichen unnützen Wort, das wir geredet haben, müssen wir Rechenschaft geben am jüngsten Tage. Wie viel tausend Worte reden auch die Besseren unter uns in der Langeweile, in der Leidenschaft, im Leichtsinn, die nie über unsre Lippen gekommen wären, hätten wir uns zuvor besonnen. Ach, mit wie viel leichtfertigem, nichtssagendem, boshaftem Geschwätz haben wir so manche Stunde hingebracht! Wohl haben sie keine Spur in der Luft zurückgelassen und sind längst in unserem eigenen Gedächtniß verwischt, aber im Schuldbuche des Lebens sind sie doch verzeichnet und werden uns einst schwer auf die Seele fallen, wenn vielleicht unsere Zungen und Lippen längst in Staub zerfallen sind. „Wer auch in keinem Wort fehlet, der ist ein vollkommener Mann.“ Es giebt nur Einen so vollkommenen Mann: Jesus Christus, welcher keine Sünde gethan, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden worden. Seine Worte waren holdselig zu hören, ob er ein Kindlein herzte oder einen Sünder zur Buße rief, ob er im Tempel predigte oder am Hochzeitstische saß, ob er zu seinem Vater im Himmel betete oder mit seinen Brüdern auf Erden redete. Auf ihn laßt uns sehen! Von ihm laßt uns lernen, die Zunge zu hüten vor Lug und Trug, vor Spott und Bosheit, vor Zorn und Unsauberkeit. Obwohl das köstlichste Leibesgeschenk und das lauteste Zeugniß unserer göttlichen Abkunft, wie viel Schaden richtet sie doch an, diese redende Zunge, dieses unruhige Uebel voll tödtlichen Giftes. Sie entflammt im Herzen die unreinen Begierden; sie säet im Hause Zwietracht zwischen Mann und Weib, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Herrschaft und Dienstboten; sie entzündet im Staate Haß und Feindschaft zwischen Obrigkeit und Unterthanen; ja die Schlangenzunge wird zum Leibes- und Seelenmörder. Aber soll meine Zunge gezähmt werden, so muß vor Allem mein Herz behütet sein. Das Herz ist die Quelle, die Zunge die Rinne. Aus dem Herzen kommen die argen Gedanken. Darum, lieber Vater im Himmel, reinige mein Herz durch deinen heiligen Geist, und thue meinen Mund auf, daß meine Lippen allzeit reden was wahrhaftig ist, lieblich und wohllautet zu des Nächsten Nutz und zu deiner Ehre. (Christian Wilhelm Spieker)

3:9 Durch sie loben wir Gott, den Vater, und durch sie fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes gemacht sind.

3:10 Aus einem Munde geht Loben und Fluchen. Es soll nicht, liebe Brüder, also sein.

3:11 Quillt auch ein Brunnen aus einem Loch süß und bitter?

3:12 Kann auch, liebe Brüder, ein Feigenbaum Ölbeeren oder ein Weinstock Feigen tragen? Also kann auch ein Brunnen nicht salziges und süßes Wasser geben.1)

3:13 Wer ist weise und klug unter euch? Der erzeige mit seinem guten Wandel seine Werke in der Sanftmut und Weisheit.

3:14 Habt ihr aber bitteren Neid und Zank in eurem Herzen, so rühmt euch nicht und lügt nicht wider die Wahrheit.

3:15 Das ist nicht die Weisheit, die von obenherab kommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch.

3:16 Denn wo Neid und Zank ist, da ist Unordnung und eitel böses Ding.

3:17 Die Weisheit von obenher ist auf's erste keusch, darnach friedsam, gelinde, läßt sich sagen, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei.
Weisheit und Klugheit steht einem jedem Christen wohl an und keiner soll sie verachten, denn schon der Weise des Alten Bundes spricht: „Wohl dem Menschen, der Weisheit findet, und dem Menschen, der Verstand bekommt. Denn es ist besser, um sie handthieren, weder um Silber, und ihr Einkommen ist besser, denn Gold. Sie ist edler denn Perlen, und Alles, was du wünschen magst, ist ihr nicht zu gleichen.“ (Spr. 3, 13-15.) Es giebt aber eine doppelte Weisheit, die eine stammt von unten her. die andere von oben her. Die Weisheit von unten her, die weltliche Weisheit, taugt nur in menschlichen Händeln und weltlichen Dingen, als da sind Länder regieren, Aecker bestellen, Häuser bauen. In allen geistlichen, göttlichen Dingen kann nur die Weisheit von oben her recht urtheilen. Wie unserer dunkeln Erde das Licht von oben herabkommt, so kommt auch das Licht der Wahrheit und Erkenntniß von oben in unser finsteres Herz durch Jesum Christum, das Licht der Welt. Er ist . uns von Gott gemacht zur Weisheit und Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. Die Weisheit, die wir aus seinem Wort und seinem Wandel lernen, ist über alle irdische, menschliche Weisheit, denn sie thut uns die Augen auf über Gott und Welt, über Leben und Tod, über Zeit und Ewigkeit. Ob wir nun diese himmlische Weisheit besitzen, davon giebt' unser Wandel Zeugniß. Ist unser Wandel keusch? Verleugnen wir das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste und wandeln züchtig, gerecht und gottselig in dieser Welt? Wir wissen /a, daß unser Leib sein soll ein Tempel des heiligen Geistes, daß, wer auf das Fleisch säet, vom Fleische das Verderben erndtet. Sind wir friedsam, gelinde, lassen uns sagen? Oder haben wir bittern Neid und Haß in unserem Herzen? Suchen wir dem Nächsten den Rang abzulaufen und uns über ihn zu erheben, statt in Demuth und Friedensliebe Dem nachzufolgen, der von sich sagen konnte: Lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig? Sind wir voll Barmherzigkeit und guter Früchte? Suchen wir ernstlich Segen um uns her zu verbreiten, den Bedrängten, Bekümmerten und Nothleidenden beizustehen, soweit wir können in edler Selbstverleugnung und Aufopferung, ohne nach dem Lohn, nach der Ehre vor Menschen zu fragen im Aufblick zu Dem. der spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist? - Um diese Weisheit bitte ich dich, lieber Vater im Himmel. Mache du mich weise zur Seligkeit. Laß mich das Gute lieben und üben zu deiner Ehre nach dem Vorbild, das mir dein lieber Sohn gelassen hat. Amen! (Christian Wilhelm Spieker)

3:18 Die Frucht aber der Gerechtigkeit wird gesät im Frieden denen, die den Frieden halten.2)
O Herr, der Du uns zur Buße einladest und langmüthig unsere Bekehrung erwartest, gieb mir einen Reichthum an Langmuth und Sanftmuth. Es kocht in meinem Herzen des Zornes Gluth, so oft ich von meinem Nächsten einen geringen Schaden erleide. Ich bitte Dich daher demüthig, daß Du durch Deinen Geist diese Leidenschaft tödtest. Wie harte Worte, härtere Schläge und die härtesten Strafen hat Dein geliebter Sohn um meinetwillen ertragen, und schalt nicht wieder, da er gescholten ward, sondern stellte Alles dem heim, der da recht richtet! Welcher Stolz ist dies daher, welcher Trotz, daß ich, Staub und Asche, nicht einmal ein etwas hartes Wort ertragen und mit sanftmühtigem Herzen besiegen kann “Lernet, lernet von mir, denn Ich bin sanftmüthig,„ rufst Du aus, bester Christus; ich flehe Dich an, nimm mich in jene Uebungsschule des Geistes auf, daß ich wahre Sanftmuth in ihr lerne! Mit wie schweren und mannichfaltigen Sünden beleidige ich Dich, den gütigsten Vater, deren tägliche Vergebung ich bedarf! Warum wollte ich also, der ich ein Mensch bin, gegen den Menschen Zorn halten, und wagte von Dir, dem Herrn Himmels und der Erde, Vergebung zu fordern? Wenn ich dem Nächsten nicht seine Fehler vergebe, so werde ich auch nicht die Vergebung meiner Sünden hoffen können. Darum, Herr, voll Erbarmung und Langmuth, gieb mir den Geist der Geduld und Sanftmuth, daß ich wegen der Beleidigungen des Nächsten nicht sogleich in Zorn gerathe, sondern denselben als einen Feind der Seele fliehe, oder wenigstens, wenn ich unvorsichtiger Weise hineingerathen bin, ihn eiligst dämpfe! Der Sonne Glanz soll über meinem Zorn nicht untergehen, daß er nicht als Zeuge meiner Wuth entweiche. Im Zorn soll mich der Schlaf nicht überfallen, daß er mich nicht im Zorn dem Tode übergebe. Wenn ich mich an einem Feinde zu rächen wünsche, warum wende ich mich nicht gegen meinen Zorn, der sicher der größte und schädlichste Feind ist, da er die Seele tödtet, und mich dem ewigen Tode aussetzt? Gieb auch meinem Munde eine Wache und bei meinen Verrichtungen Klugheit, daß ich nicht durch Wort und That den Nächsten beleidige! Gieb, guter Jesu, daß ich in die Fußtapfen Deiner Sanftmuth trete, und mit aufrichtigem Herzen den Nächsten liebe. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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