Textor, Gustav Adolph - Am Sonntag Quinquagesimae

Textor, Gustav Adolph - Am Sonntag Quinquagesimae

(Estomihi)

Wir danken Dir, o Vater im Himmel, dass Du uns Deine Gnade geoffenbart, und uns durch Deine große Barmherzigkeit zu Kindern Deines Reiches berufen hast. Wir danken Dir, dass Du uns Dein heiliges Wort gegeben, und uns dasselbe durch den Glauben im heiligen Geist zur hellen Leuchte hast werden lassen. Siehe, hier sind wir versammelt an der Statte, da Deines Namens Ehre wohnt, und unsere Seelen warten auf Dich, dass Du ihnen Speise gibst; so erquicke uns denn wieder mit Deiner Gnade! Segne uns mit Glauben und Geisteskraft, dass auch diese Stunde dazu diene, uns näher hin zu ziehen zu dem Erlöser, der der Welt das Leben gibt! Amen!

Geliebte Christen! Wir lesen in den Sprüchen Salomonis 24,20 diesen Ausspruch: „Der Böse hat nichts zu hoffen, und die Leuchte der Gottlosen wird verlöschen.“ - Wir tragen uns fast Alle mit der Hoffnung umher, dass wir nach diesem Leben in ein besseres, seliges Leben eingehen werden, und diese Hoffnung ist so tröstlich und köstlich, dass wohl selten jemand zu finden ist, der sein Herz nicht an dieselbe hängte. Zwar heißt es im Buch der Weisheit von denen, welche von den Lüsten dieser Welt gefangen sind: „Sie haben die Hoffnung nicht, dass ein heiliges Leben belohnt werde, und achten die Ehre nichts, so unsträfliche Seelen haben werden.“ Der Zustand aber der gänzlichen Leichtfertigkeit pflegt sich doch mit den Jahren dahin zu verändern, dass der Mensch von den Tröstungen des Glaubens ergreift und an sich reißt, was er ergreifen kann. Dies nun geschieht nicht selten ohne Erneuerung des Sinnes und Wandels, ohne Widergeburt durch den Glauben, und dann ist es eine gefährliche und verderbliche Täuschung unserer selbst. Wie kann man ernten, da man nicht gesät hat? Man will sich des Todes Bitterkeit damit vertreiben, dass man sich in süßen Gedanken die Unsterblichkeit, das Wiedersehen im ewigen Leben ausmalt. Das ist freilich ein seliges Ziel, wohl dem, der es errungen hat; aber ihr habt den Ausspruch des göttlichen Worts gehört: „Der Böse hat nichts zu hoffen, und die Leuchte des Gottlosen wird erlöschen.“ Man geht in das Reich der seligen Unsterblichkeit nicht als durch einen Traum, oder durch einen Zaubersprung: „Die Pforte ist enge, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und ihrer sind Wenige, die ihn finden.“ Hoffst du auf das selige himmlische Leben nach dieser Zeit, die Sache ist sehr wichtig, so musst du doch untersuchen, ob die Leuchte deiner Hoffnung nicht, erlöschen werde, wenn es darauf ankommen wird, musst untersuchen, ob deine Hoffnung auf den rechten Grund gebaut ist. Die Lehre von der seligen Unsterblichkeit spielt auch mitten in der Welt eine große Rolle, da wo der Feind der Seelen sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens; er gebraucht diese Lehre zu einer Wiege, um seine Jünger in süßem Schlummer zu erhalten. Ich habe wohl öfters gehört und gelesen, wie Menschen sich an dem Gedanken der Unsterblichkeit ergötzten, - welche keinen Fuß auf den schmalen Weg zu setzen geneigt waren, und das Kreuz Jesu Christi mit keinem Finger anzurühren gedachten. Da sah ich den großen Betrug, dass man sich Hoffnungen machte, da nichts zu hoffen war, und träumte, da man hätte wachen sollen.

Wir werden auf Veranlassung unserer Epistel, und unter Gottes Beistand heute fragen, auf welchem Grund die Hoffnung der ewigen Seligkeit ruhen soll, und erflehen uns dazu zuvor den Segen des Herrn in einem stillen und andächtigen Gebet.

Epistel Titum 3,4-7.
Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unseres Heilandes, nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die Wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig, durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unseren Heiland; auf dass wir durch desselbigen Gnade gerecht, und Erben sein des ewigen Lebens, nach der Hoffnung.

Diese Epistel gehört zu den Abschnitten, welche uns in kurzen und lebendigen Zügen die Grundwahrheiten des Evangeliums vor die Augen stellen. Der Apostel hat kurz zuvor gesagt: „Wir waren auch weiland unweise, ungehorsame, irrige, dienende den Lüsten und mancherlei Wollüsten, und wandelten in Bosheit und Neid, und hassten uns untereinander. „Da aber erschien die Freundlichkeit, und Leutseligkeit Gottes, unseres Heilandes.“ Nun zeigt er in den folgenden Worten, und das ist es, was wir näher mit einander beherzigen wollen: auf welchem Grund unsere Berufung zum ewigen Leben ruht.

„Gott macht uns selig, nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit.“ So redet die göttliche Torheit, die doch weiser ist, als die Menschen sind. Nicht aus Verdienst, sondern aus Gnaden. Darin liegt ein Stein des Anlaufens und Fels der Ärgernis für die, welche nicht glauben, aber ein köstlicher, auserwählter Eckstein und Fels der Zuflucht für die, welche glauben. Diese Lehre, dass Gott uns selig macht, nicht um der Werke willen, sondern nach seiner Barmherzigkeit, sollen sich heute drei Arten von Christen einprägen, denn sie ist eine heilsame Arznei der Seelen, welche uns jederzeit in frischem Andenken bleiben muss. Drei Arten von Christen sagen wir, nämlich zuerst die, welche mit Werken umgehen, und die Gerechtigkeit als aus den Werken suchen, dann die, welche zwar dem Evangelio glauben, aber ihren Glauben und ihre Frömmigkeit als ein Verdienst anzusehen geneigt sind, endlich die, welche im Glauben aufrichtig bekümmert und geängstigt sind darum, dass es mit der rechten Nachfolge Christi nur so geringen Fortgang hat.

Wir können es nicht leugnen, dass unter den Christen überall, und gewiss auch bei uns, Viele sind, welche die Gerechtigkeit vor Gott als aus den Werken suchen. Sie üben sich eine gewisse Anständigkeit und Ehrbarkeit des Lebens ein, erwerben sich eine gewisse Rechtschaffenheit der Gesinnung, meinen dann am Ziele zu sein, und zweifeln gar nicht, dass Gott ihre kleinen Mängel zudecken, und nach seiner Gerechtigkeit ihnen den Lohn ihrer Taten dort in der Ewigkeit reichlich zumessen werde. Ehrbarkeit des Lebens, und Rechtschaffenheit der Gesinnung ist ja allerdings etwas Gutes, und wenn mir das Wort Gottes die Augen nicht anderes geöffnet hätte, so müsste ich nach menschlicher Einsicht diesen beipflichten und sagen: So ist es recht. - Nun aber dringt das Wort Gottes, gleich hellen Strahlen, in die Nacht, die uns umgibt. Wir dachten in guter Ruhe und Sicherheit mit unserem Streben nach Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit, mit unsern Werken der Gerechtigkeit zu sein, wir, dachten, unser Lohn würde groß sein im Himmel; da kommt es wie ein Blitz aus heiterem Himmel, das Wort der Wahrheit, und spricht: „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan haben, macht Gott uns selig.“ Aller menschlichen Weisheit zum Trotze sprechen diese Worte uns das ab, was uns gewiss und unumstößlich däuchte. Ja, hört es Alle, vom Größten bis zum Geringsten, und wenn alle Welt deine Tugenden preisen und deine Gerechtigkeit rühmen müsste, das ist es nicht, was dich selig machen kann; des Ruhmes, den du an Gott haben solltest, mangelst du dennoch; und wenn du Alles getan hättest, was du zu tun schuldig bist, du müsstest dennoch sagen: „Ich bin ein unnützer Knecht, ich habe getan, nur getan, was ich zu tun schuldig war.“ - Das klingt hart, aber der es geredet hat, wüsste wohl, was im Menschen ist, er wusste wohl, dass das Dichten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf; er wusste wohl, dass da nicht ist, der gerecht sei, auch nicht Einer, dass da nicht ist, der nach Gott frage, er wusste wohl, dass sie allesamt abgewichen sind, und untüchtig geworden. Wenn ein Mensch nur anfängt, das scheinbare Gute, was er an sich selber zu finden glaubt, aufrichtig und sorgfältig zu richten und zu sichten, wie schwindet es dann schon zusammen, wie erkennt man schon mit menschlicher Einsicht überall die verwerflichen, ungöttlichen Triebfedern und Gesinnungen, welche das ganze Innere durchweben. Da wird man schon klein bei sich selbst, und beruft sich darauf, dass Gott den Willen werde für die Tat ansehen, und die tausendfachen Mängel unserer Unvollkommenheit zu Gute halten. Da wagt man es nicht mehr, sich auf die eigene Gerechtigkeit zu berufen, denn man sieht, welche schwache Stütze sie ist. Tritt man nun weiter in das Licht des göttlichen Wortes, hält man sich den Spiegel des Gesetzes, oder das Bild des Erlösers vor die Augen, so entdeckt man Tiefen des Verderbens in sich selbst, einen Abgrund, aus welchem nur Gottes Hand erretten kann. Da sieht man, dass es uns von Natur nicht allein an der Tat, sondern auch an dem Willen zum Guten fehlt. Da sieht man, dass wir nicht allein nichts zu hoffen haben von Gottes Gerechtigkeit, sondern viel zu fürchten. Da sieht man, dass die Sünde nicht allein wohnt, sondern auch herrscht in unserem sterblichen Leib. Da lernt man die Knie beugen vor dem Herrn der Herrlichkeit, und mit ihm ausrufen: „Wir liegen vor dir nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern, auf deine große Barmherzigkeit.“ Da versteht man, was es heißt: „Gott macht uns selig, nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten.“ Dies bezeugt uns das Wort Gottes an allen Enden, und wir führen außer den schon hingeschobenen und angedeuteten Stellen, welche denen, die der Schrift kundig sind, nicht werden entgangen sein, noch folgende an: Gal. 2,16 „Weil wir wissen, dass der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesum Christ, so glauben wir auch an Christum Jesum, auf dass wir gerecht werden durch den Glauben an Christum und nicht durch des Gesetzes Werke, denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht. Röm. 4,2.4.5: „Ist Abraham durch die Werke gerecht, hat er wohl Ruhm, aber nicht vor Gott. Dem, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht. Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“ Röm. 3,23-24: „Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder, und mangeln des Ruhms, den sie an Gott haben sollten; und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade, durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist.“ Wer ist denn nun so entfremdet von den Zeugnissen des göttlichen Wortes, dass solche scharfen Pfeile der Wahrheit ihn nicht treffen sollten? Haben wir nicht in unserem eignen Innern noch einen Zeugen, welcher der göttlichen Predigt beipflichten, und sagen muss: Gerecht, gerecht vor Gott im strengen Sinn des Wortes, ist kein Mensch? Ist nicht das Gewissen in uns, dazu auch die Gedanken, die sich untereinander verklagen, oder entschuldigen? Wer aber dies als Wahrheit erkennt, der säume doch nicht, die Gnade zu suchen, welche Gott uns so reichlich darbietet in seinem Sohne, Jesu Christo!

Dass Gott uns selig macht nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit, sollen sich ferner diejenigen aufs Neue einprägen, welche dem Evangelio zwar glauben, aber geneigt sind, ihren Glauben und ihre Frömmigkeit als ein Verdienst anzusehen. Ja, so geht es, ist man einer Klippe entgangen, so erhebt sich eine andere. Ist man durch die Kraft der Wahrheit, und durch das Wirken des Heiligen Geistes so weit überwunden, dass man dem Kreuz Jesu Christi getrieben ist, so ist man wiederum in Gefahr, sich aus dem Glauben und aus der Frömmigkeit einen Ruhm zu machen, nicht allein vor Menschen, sondern auch vor Gott. Wer auf die seinen Ränke des Satans, so wie auf die Unergründlichkeit des eigenen Herzens gemerkt, und die Macht der Sünde ihren Tiefen zu erkennen gestrebt hat, der weiß das. Haben den Glauben gefunden, und halten uns nicht nüchtern und wachsam im Geist, so kann das letzte mit uns ärger werden, denn das Erste. Da spricht man bei sich selbst: Nun hast du erst den rechten Weg des Lebens gefunden, der Glaube ist die Kraft, die uns selig macht. Nun erst kann dein Leben Gott gefallen, ohne den Glauben war es unmöglich. Nun erst sind deine Werke Gott angenehm, denn nun tust du sie von Herzen um Christi willen. Nun erst kannst du ein Licht sein der finsteren Welt, und ein Leiter der Blinden. Nun willst du die Sünde strafen, wo sie dir begegnet, und Alle, die es annehmen wollen, hinführen zu dem rechten Bischof der Seelen. Nun willst du in der Kraft des Glaubens die Welt überwinden, dem Satan widerstehen, dein Fleisch kreuzigen samt den Lüsten und Begierden, so wird dir der Herr, der gerechte Richter, am Ziel deiner Bahn beilegen die Krone der Gerechtigkeit. -

Seht, das klingt Alles so klar und wahr, als ob es den allerrichtigsten Grund hätte, und doch - Eines, eine Hauptsache fehlt in dem Allen, nämlich diese, dass unsere Kraft nichts ist, als lauter Ohnmacht, dass wir aus Gnaden, aus lauter Gnaden sind, was wir sind, dass wir nur aus Gnaden in diesem Kampf stehen und das Feld behalten können, und dass wir nur aus Gnaden das ewige Leben erwarten können, ohne das allermindeste Verdienst von unserem Teil. Es trete der allergläubigste und gottseligste Mensch unter uns, der etwa in Kämpfen grau geworden ist, hervor, wir wollen ihn fragen: Gedenkst du zu bestehen, wenn Gott mit dir ins Gericht geht, oder hoffst du auf seine grundlose Barmherzigkeit in Christo Jesu? Kannst du dich dessen trösten, dass Gott doch deine Frömmigkeit und Gerechtigkeit mit ansehen werde, und um derselben willen dich nicht verstoßen, oder baust du deine Hoffnung einzig und allein auf seine große Barmherzigkeit? - Doch wer soll nun antworten unter uns? wer kann es wissen, welches der gläubigste und gottseligste Christ ist? Lasst uns die Antwort des Apostel Paulus hören; an einem Ort sagt er: „Ich will mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne.“ In unserer Epistel spricht er: „Nicht, um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit macht Gott uns selig.“ Und im Brief an die Epheser 2,8-9: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf dass sich nicht jemand rühme.“ Also, meine Teuren, wie Viele unserer den Glauben an den Sohn Gottes zum ewigen Leben ergriffen haben, die lasst uns allezeit demütig bedenken: Nur die Gnade Gottes hat uns bis hierher gebracht; allein die Gnade Gottes ist unsere tägliche Zuflucht; allein die Gnade Gottes ist unsere Hoffnung auf den Tag des Gerichtes, durch welche wir von dem Tod zum ewigen Leben hindurchdringen werden, um Jesu Christi willen, der uns die Gnade erworben hat. An uns selber aber haben wir nichts zu rühmen, auf dass aller Ruhm sei Gottes und nicht der Menschen.

Dass Gott uns nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, sondern nach seiner Barmherzigkeit selig macht, sollen endlich diejenigen sich aufs Neue fest einprägen, welche im Glauben zwar trachten nach dem ewigen Leben, welche aber dabei durch die Sünde, die ihnen allenthalben anklebt, bekümmert und geängstigt werden. Unterscheidet wohl, was wir sagen, Wir wollen nicht die Schlafenden beruhigen und sicher machen, sondern die wahrhaft um ihr Heil bekümmerten Seelen wollen wir auf den Trost des göttlichen Wortes aufmerksam machen. Dieselbe göttliche Wahrheit, welche den Verstockten und Ungläubigen als ein Fels der Ärgernis im Wege liegt, und fest widersteht, welche den Gläubigen allen eigenen Ruhm entzieht, - dieselbe göttliche Wahrheit ist den Zitternden und Zagenden ein fester und lebendiger Trost, den keine Zweifel zum Wanken bringen können. Die da wahrhaft zagen, zittern und geängstigt sind, die zagen darüber, ob sie auch das Ende, des Glaubens erreichen, ob sie auch werden selig sein. Sie sehen ihr tägliches, mannigfaltiges Fehlen, die Schwachheit ihres Willens; die Regungen des Bösen in ihnen treten ihnen vor die Augen; sie erwägen die unendliche Geduld und Gnade, womit Gott sie bis dahin getragen hat, und vergleichen damit die so geringe Dankbarkeit, den so schwachen Glauben, die so große Kälte und Lieblosigkeit, welche sie dem Vater aller Gnaden entgegenbringen. Darüber erschrickt man, zweifelt und spricht: Ich bin zu gering, zu schlecht, ich kann nicht selig werden, ich habe die Gnade Gottes viel zu schlecht angewandt, die Früchte fehlen an mir. Wenn das ein Mensch sagte, der bis dahin ohne Gott in der Welt gelebt hätte, so wollten wir sagen: du hast recht geredet, nun tue Buße, und bekehre dich von deinen Sünden; wer aber mitten im Kampfe des Glaubens, mitten im Trachten nach dem ewigen Leben von solchen Gedanken angefochten wird, der höre und schreibe es sich ins Herz: „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit macht Gott uns selig.“ Das ist der Ruhm und die Herrlichkeit der reinen, freien Gnade Gottes, dass er sich durch Jesum Christum ohne alles unser Verdienst und Würdigkeit erbarmt hat. Davon spricht er: „Lass dir an meine Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ - Haben wir Jesum im Glauben gefunden, sind wir gewaschen in seinem Blut, sind wir wiedergeboren durch den Geist der Gnade, so ist der einzige Fels, auf welchem alle unsere Hoffnung steht, die Gnade Gottes, ein Fels, der nicht wankt. Wer also zagt, der zagt darum, weil er auf sich und sein Elend sieht; siehe vielmehr auf Den, der sich der Sünder erbarmt hat; wer also zittert, der zittert darum, dass er auf sich und seine Schwachheit sieht; siehe vielmehr auf die Kraft dessen, der in den Schwachen mächtig ist; wer also geängstigt wird, der wird darüber geängstigt, dass er sich mit Not und Tod allenthalben umgeben sieht, siehe auf den, der alle unsere Not auf sich genommen, die Welt überwunden und den Tod getötet hat, so wird deine Seele sich der Gnade Gottes freuen, und dem die Ehre geben, der da würdig ist, zu nehmen Preis, Ehre, Lob und Anbetung in Ewigkeit! Amen.

So komm ich denn mit meiner Not,
Herr Christ zu Deinen Gnaden,
Verkehr' zum Leben meinen Tod,
Zum Wohlsein meinen Schaden.
Lass mir Dein Sterben Leben sein.
Lass Deine Pein von meiner Pein
Mich gnädiglich befreien.
Was ich nicht kann erfülle Du,
Doch Du hast's längst erfüllet:
Gib Du nur meinem Herzen Ruh',
Die reichlich aus Dir quillet:
Lass mich ergreifen Deinen Tod,
So bin ich selig, kein Gebot
Mag mich sodann verdammen.

Amen!

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