Spurgeon, Charles Haddon - Tröstet mein Volk - Trost für die Verzweifelnden.

Spurgeon, Charles Haddon - Tröstet mein Volk - Trost für die Verzweifelnden.

(Gehalten am 7. Dezember 1873.)
Denn ich sprach in meinem Zagen: Ich bin von deinen Augen verstoßen; dennoch hörtest du meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie.“ Ps. 31, 23.
„Denn ich sprach in meiner Hast: Ich bin von deinen Augen verstoßen; dennoch hörtest du meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie.“ (Nach d. engl. Übers.)

Ich wünsche heute zu denen zu sprechen, die sehr niedergeschlagenen Geistes sind, den Söhnen der Verzagtheit und den Töchtern der Traurigkeit, welche an den öden Grenzen der Verzweiflung wohnen. Es mag Einwand dagegen erhoben werden, dass ich in einer so großen Versammlung meine Rede an eine verhältnismäßig so kleine Zahl richte, aber ich muss es eurem Mitleid überlassen, mich zu entschuldigen; nein, ich meine, dass ich dies kaum zu tun brauche, sondern meinen Beruf als meine Verteidigung geltend machen kann. Wenn der Hirte am frühen Morgen zu seiner Herde kommt, findet nicht sein Auge dann sogleich die Kranken heraus, und hat er Vergebung nötig, wenn er für eine Weile all seine Kunst und Sorgfalt denjenigen Schafen widmet, die derselben bedürfen? Er sagt nicht zu sich selber, die Größe seiner Herde und seine Sorge dafür, dass alle geweidet würden, mache es ihm unmöglich, das Zerbrochene zu verbinden und die Kranken zu heilen, sondern im Gegenteil er beweist seine Sorge für alle durch die besondere Aufmerksamkeit, welche er denen zuwendet, die sie am meisten nötig haben.

Ich habe tiefes Mitgefühl mit den Trauernden in Zion und bete zum Herrn, dass er sein Wort durch meine Predigt zu einem Freudenöl für sie mache. Gewiss dürfen wir die Hilfe des heiligen Geistes erwarten, wenn wir uns bemühen, sie zu trösten, denn das besondere Amt des heiligen Geistes in der gegenwärtigen Weltzeit ist das, der „Tröster“ zu sein, der bei uns bleibt ewig. Wenn wir aus seinem eigenen Vorrat das Öl und den Wein herbeibringen, so dürfen wir hoffen, dass er beides in die Wunden der Leidenden gießen wird, denn dies ist sein Amt, und es wäre Lästerung, zu meinen, dass er es vernachlässigen würde. Er tröstet in einer allgenugsamen und allmächtigen Weise.

Ich beabsichtige nicht, den Text genau in seinem Zusammenhang zu betrachten, sondern werde ihn gebrauchen als einen passenden Ausdruck für den geistigen Schmerz derjenigen, die ich trösten möchte. Ich bemerke, dass er ein innerliches Leiden andeutet; er spricht von einem übereilten Ausdruck: „Ich sprach in meiner Hast: Ich bin von deinen Augen verstoßen;“ er spricht von einem flehentlichen Schrei; und er bezeugt eine erfreuliche Folge dieses Schreies: „dennoch hörtest du meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie.“

I. Zuerst bemerkt, dass in dem Texte ein tiefes, bitteres, innerliches Leiden angedeutet wird.

Der Mann, der diesen Spruch schrieb, litt in seinem Herzen. Es sind viele in diesem Augenblick in gleichem Falle. Ihr Herz ist so schwer, dass es matt wird, und das Leben ist ihnen eine Last. Wie kamen sie dahin? Wahrlich, es gibt viele Ursachen der Schwermut. Bei einigen sind die Fenster ihres Hauses sehr enge und gehen nicht hinaus auf Jerusalem, sondern auf die Wüste. In ihrem körperlichen Zustande ist etwas nicht in Ordnung, das Tauwerk ist lose, sie können den Mast nicht gut befestigen und das Schiff arbeitet schrecklich. Wenn ein Leck im Fahrzeug ist, so ist es nicht zu verwundern, dass die Wasser selbst bis an die Seele gehen.

Bei andern Traurigen war es eine schwere Prüfung, durch welche die Niedergeschlagenheit verursacht wurde. Wie wir von einigen gehört haben, deren Haar in einer einzigen Nacht vor Kummer grau wurde, so gibt es ohne Zweifel viele Seelen, die in einer einzigen schweren Stunde alt vor Schmerz wurden. Ein Schlag hat den Stängel der Lilie zerbrochen und sie welken gemacht; eine einzige Berührung einer rauen Hand hat die Kristall-Vase zerbrochen.

In einigen Fällen, Gott weiß, in wie vielen, ist es eine geheime Sünde gewesen, die dem himmlischen Vater nicht gebeichtet ward, eine Wunde, die in Eiterung überging und Elend erzeugte. Es mag Vermessenheit da gewesen sein oder Stolz des Herzens oder Unzufriedenheit oder Empörung gegen den Willen Gottes oder eigensinnige Vernachlässigung der Gnadenmittel oder Geringschätzung der Gemeinschaft und Freude des heiligen Geistes, und deshalb mag der Herr sich zur Züchtigung eine Weile verborgen haben. Oder kleinere, lang anhaltende und ermüdende Verdrießlichkeiten mögen den Geist abgespannt und das Herz matt gemacht haben, wie beständiges Tropfen den Stein höhlt. Unaufhörlicher Widerstand oder auch Vernachlässigung von denen, die wir lieben, mag zuletzt bewirken, dass der Geist ermattet, und dann wird das Leben zur Knechtschaft.

Ich habe auch gesehen, dass ein unweiser Prediger des Leidenden Wehe vermehrte; ein gesetzlicher Prediger wird es tun und auch der, welcher die Menschen heißt, in ihrem Innern Trost zu suchen und eine gleichförmige Erfahrung als Maßstab für alle Kinder Gottes aufstellt. Die Ursachen sind verschieden, aber die Sache selbst ist immer schmerzlich. O ihr, die ihr im Lichte wandelt, verfahrt sanft mit euren Brüdern, deren Gebeine zerbrochen sind, denn auch ihr könnt einmal an gleicher Niedergeschlagenheit leiden. Bemüht euch, solche Traurige zu trösten. Sie sind keine gute Gesellschaft und machen euch leicht unglücklich, wie sie sich selber so machen; aber seid dennoch sehr milde gegen sie, denn der Herr Jesus will, dass ihr es sein sollt. Gott wacht sehr sorgsam über seine kleinen Kinder, und wenn die kräftigen Glieder der Familie nicht freundlich gegen sie sind, mag er ihnen vielleicht ihre Kraft nehmen, so dass sie sogar die Kleinen beneiden, die sie einst verachteten. Ihr könnt niemals darin irren, dass ihr freundlich gegen Niedergeschlagene seid.

Wenn die Lebensgeister bei denen sinken, die keinen Gott haben, zu dem sie gehen können, so nimmt die Niedergeschlagenheit ihre eigne besondere Form an. Jeder Arzt kann euch erzählen von Beispielen des Trübsinns, in denen Leute sich mit eingebildeten Übeln umgaben und sich dadurch zu Märtyrern der Einbildung machten. Wir haben Fälle gesehen, die einen Beobachter fast zum Lachen gezwungen hätten, wenn sie nicht so furchtbar ernst für die Kranken selber gewesen wären. Wenn ein Mann ein Christ ist, so ist es sehr natürlich, dass sein Leiden eine geistliche Form annimmt. Die einzigen Schatten, welche wirklich im Stande sind, seinen Tag zu verdunkeln sind die, welche aus heiligen Dingen entstehen; die Befürchtungen, welche ihn verfolgen, sind nicht die wegen des täglichen Brotes sondern Befürchtungen wegen des Brots des Lebens und seines Eingangs in das Himmelreich. Die Krankheit ist, was die leibliche Seite betrifft, im Grunde wahrscheinlich dieselbe bei dem Christen wie bei dem Nichtchristen, aber da seine meisten Gedanken sich auf göttliche Dinge richten, so verweilt er in seinem Trübsinn am meisten bei den Angelegenheiten seiner Seele und ist zu solcher Zeit voll der entsetzlichsten Befürchtungen. Was, lasst mich euch fragen, ist die entsetzlichste Furcht, die ein Christ haben kann? Ist es nicht die des Textes: „Ich bin von deinen Augen verstoßen?“ Nichts macht einen Christen so unglücklich, als die Furcht, ein von Gott Verworfener zu sein. Ihr werdet keinen wirklichen Christen in Verzweiflung finden, weil er arm wird, ihr werdet ihn nie gänzlich niedergeschlagen finden, weil weltliche Güter ihm genommen sind; aber lasst den Herrn sein Angesicht verbergen, und er wird unruhig; lasst ihn an seiner Kindschaft zweifeln, und er ist niedergedrückt; lasst ihn seinen Anteil an Christo in Frage stellen, und die Freude ist geflohen; lasst ihn fürchten, dass das göttliche Leben nie in seiner Seele gewesen, so werdet ihr ihn „girren“ hören, wie eine Taube. Wie kann er leben ohne seinen Gott?

Doch ist dieser bittere Schmerz von nicht wenigen der besten Menschen erduldet. Heilige, die jetzt zu den strahlendsten im Himmel gehören, haben ihrer Zeit weinend an den Pforten der Verzweiflung gesessen und um die Brosamen gebeten, welche die Hunde unter ihres Herrn Tische essen. Lest das Leben Martin Luthers. Nach dem, was allgemein bekannt ist von dem kühnen Reformator, sollte man annehmen, dass er ein Mann von Eisen gewesen, unbeweglich und unverwundbar. So war er, wenn er seines Herrn Kriege gegen Rom zu führen hatte; aber zu Hause, auf seinem Bette, in seinem stillen Zimmer hatte er oft geistliche Kämpfe zu bestehen, wie wenige sie je gekannt. Er hatte so viel Freude in seinem Glauben, dass er zu Zeiten in lautes Frohlocken ausbrach; aber zu andern Zeiten sank der Mut so tief, dass er sich kaum aufrecht halten konnte, und das geschah sogar in seinen letzten Augenblicken, so dass der schlimmste Kampf seines Lebens in jenem geheimnisvollen Lande gekämpft ward, das sich bis an die Tore der himmlischen Stadt ausdehnt. Verdamme dich nicht meine liebe Schwester, verwirf dich nicht, mein lieber Bruder, weil dein Glaube viel Kämpfe zu bestehen hat und dein Mut sehr tief sinkt. David selbst sprach in seiner Haft: „Ich bin von deinen Augen verstoßen,“ doch dort sitzt David im seligen Chor des Himmels und sogar hier auf der Erde war er ein Mann nach Gottes Herzen.

Es soll viel Gutes aus diesen schweren Anfechtungen und Zeiten der Niedergeschlagenheit kommen. Es ist ein Muss dafür da, dass wir eine Zeitlang in Schwermut fallen. Man kann nicht große Soldaten ohne Krieg machen und kann nicht tüchtige Seeleute am Ufer ausbilden. Es scheint notwendig, dass, wenn ein Mann groß im Glauben werden soll, er große Anfechtungen ertragen muss; wenn er ein großer Helfer anderer Menschen werden soll, muss er durch die Versuchungen anderer hindurch gehen; wenn er in den himmlischen Dingen sehr viel unterwiesen werden soll, so muss er durch Erfahrung lernen; und wenn er ein lauter Sänger der unumschränkten Gnade werden soll, so muss er die „Fluten rauschen hören, dass hier eine Tiefe und da eine Tiefe braust und alle Wasserwogen und Wellen über ihn gehen.“ Der ungeschliffene Diamant hat nur wenig Glanz, das ungedroschene Korn nährt niemand, und ebenso hat der ungeprüfte Bekenner Christi wenig Nutzen und wenig Schönheit. Viele haben einen vergleichungsweise ebenen Pfad im Leben, aber ihre Stellung in der Kirche ist nicht die, welche der erfahrene Gläubige einnimmt, und sie könnten auch nicht dessen Arbeit unter den Leidenden tun. Der Mann, der viel gepflügt und oft geeggt worden, mag Gott danken, wenn das Ergebnis davon eine größere Ernte zum Preise und zur Ehre Gottes durch Jesum Christum ist. Die Zeit wird kommen für euch, deren Antlitz mit Kummer bedeckt ist, wo ihr Gott für diesen Kummer danken werdet; der Tag wird kommen, wo ihr eure Leiden und Trübsale hoch schätzen werdet und die für glücklich halten, welche dulden.

II. Ich will nicht mehr von diesem innerlichen Leiden reden, eine Handvoll bitterer Kräuter ist genug.

Ich werde nun dazu übergehen, den übereilten Ausdruck des Psalmisten zu betrachten: „Ich sprach in meiner Hast.“ Wir haben in den Psalmen andere Beispiele, in denen der Psalmist hastig sprach. Er hätte besser getan, sich auf die Zunge zu beißen. Wir können in einem Augenblick Worte sprechen, und würden später die Welt darum geben, wenn wir sie zurücknehmen könnten. O, wenn einige hastige Reden ungesprochen. gemacht werden könnten! Kein Preis würde zu teuer sein, dies zu erkaufen - unfreundliche, erbitternde, schneidende Worte gegen Menschen und ungläubige, verdrießliche, mürrische, beleidigende Worte gegen Gott. Besser zwölf zu zählen, ehe wir sprechen, wenn wir in aufgeregtem Gemütszustande sind. Es ist eine gewöhnliche Sünde von Leuten, deren Herz in Knechtschaft ist, dass sie ihrer Zunge zu viel Freiheit verstatten. David sprach: „Ich bin von deinen Augen verstoßen“; und viele haben dies nicht nur in Hast gesagt, sondern haben es lange Zeit wiederholt, was viel schlimmer ist. Einige haben Monate lang so gesprochen, ja, und einige Jahre lang. Traurig ist es, dass sie es getan, aber sie haben es getan.

Nun, diese voreilige Rede ruht ganz und gar auf ungenügenden Gründen. Warum zieht ein Mann in seiner Verzagtheit den Schluss, dass Gott ihn verworfen habe? Er behauptet zuerst, seine Lage zeige es, er ist von viel Schwierigkeiten und Trübsalen umgeben und daraus schließt er, dass Gott zornig auf ihn sei. Aber ist irgend welche Kraft in diesem Beweise? Ihr könntet ebenso wohl sagen, dass Gott seinen eigenen lieben Sohn verworfen habe, als er ihm gestattete, zu sprechen: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.“ Ihr könnt ebenso wohl sagen, dass Gott die Märtyrer verworfen habe, als er zugab, dass sie im Gefängnis lagen oder verbrannt wurden. Viele von den liebsten Kindern des Herrn haben einen rauen Weg zur Herrlichkeit. Steht nicht geschrieben: „In der Welt habet ihr Angst?“ Wisst ihr nicht, dass die Trübsal eine der Bundessegnungen ist? Deshalb ist kein aus euren Schicksalen hergenommener Beweis wert, dass man ihn anhört. Aber andere folgern aus ihren Gefühlen; sie fühlen, als wenn Gott sie verworfen hätte. Kann etwas ungewisser sein, als unsere Gefühle, wenn wir damit eine Sache beweisen wollen? Ich mag heute ganz sicher sein, dass ich in den Himmel komme, wenn ich nach meinen Gefühlen urteile; morgen mag ich ebenso sicher sein, dass ich ein Verworfener bin, wenn ich nach derselben Regel urteile. Man könnte ein dutzendmal am Tage verloren und errettet sein, wenn man nach veränderlichen Gefühlen urteilte. Der Wind dreht sich nicht launischer, als der Lauf unserer Empfindungen. Zieht Schlüsse aus den Wellen, ehe ihr aus euren Gefühlen folgert. Wisst ihr nicht, dass viele, die voll zuversichtlicher Gefühle sind, dennoch sich täuschen. und betrügen? „Friede, Friede, da kein Friede ist,“ ist ein sehr gewöhnlicher Ruf. Diese Leute beurteilen sich nach ihren Gefühlen. und halten dafür, dass sie des Himmels sicher seien, aber ihr Leben zeigt das Gegenteil; und andererseits halten sich einige für Verworfene, die wahre Christen sind. Wendet dieses auf euch selber an. Ge fühle sind ein sehr ungewisses und irreleitendes Eichmaß, und man kann sich nicht auf sie verlassen; und einen so furchtbaren Schluss wie den, dass ihr verloren seid, auf ein paar trübe Gefühle zu bauen, oder auch auf viele derselben, ist im höchsten Grade abgeschmackt. Habt ihr nie die Geschichte von dem Manne gehört, der im Dunkeln in einer ihm fremden Gegend wanderte und plötzlich an eine Stelle kam, wo die Erde unter seinen Füßen nachgab. er glaubte, dass er in einen furchtbaren Abgrund stürzen würde und hielt sich mit beiden Händen an einem Baume fest, fürchtend, dass er in Stücke zerschmettert werden würde, wenn er ihn fahren ließe. So hing er, bis seine Hände es nicht auszuhalten vermochten, dann gab er sich verloren und fiel, aber er fiel auf eine weiche Rasenbank, die einen oder zwei Zoll unter seinen Füßen war.

So entspringt häufig große Furcht aus gar nichts. Die Einbildungskraft mit ihrem Zauberstab ist geschäftig, Leiden zu erschaffen. In vielen Fällen könnte der Kranke, wenn er die Wahrheit glauben wollte oder wenigstens aufhörte, an seine eignen unvernünftigen Vermutungen zu glauben, sofort zum vollkommenen Frieden gelangen. Der Grund der geistigen Leiden sehr vieler Menschen liegt nirgends anders, als in ihrem eignen festen Entschluss, unglücklich zu sein. Sie haben sich vorgenommen zu glauben, dass alles verkehrt mit ihnen geht, und diese hartnäckige Entschlossenheit vertritt bei ihnen die Stelle eines Grundes. Sie sind taub wie die Ottern für allen Trost, aber sie sind nicht stumm in Betreff ihrer Leiden; sie wünschen den Prediger zu sehen, aber sie wollen ihm keine Gelegenheit geben, ihnen zu helfen. Habt ihr je eine Zusammenkunft mit einer verzweifelnden Frau gehabt? Wenn ihr im Stande gewesen seid, sechs Worte zwischen ihre unaufhörlichen Reden hineinzuschieben, so müsst ihr sehr geschickt gewesen sein, denn es ist durchaus keine leichte Sache. Solche Leute bitten um Rat, aber sie beabsichtigen nicht, ihn anzuhören oder ihn zu befolgen, denn sie wissen alles besser als ihre Ratgeber; sie wollen nur die Gelegenheit, ihre Klagen auszuschütten, allein Trost wollen sie nicht annehmen. Vergeblich versucht ihr Beweisgründe bei ihnen; sie lassen sich nicht überzeugen: es würde ebenso weise sein, wenn ihr versuchtet, einen Typhus mit Vernunftgründen zu heilen oder durch Beweise einen zerbrochenen Knochen zurechtzubringen. Neulich sprach ich mit einem, der behauptete, die unvergebliche Sünde begangen zu haben. Ich weiß nun ebenso viel von der Schrift wie er, aber über die unvergebliche Sünde ist er vollständig unterrichtet, und ich bin im Dunkeln. Ich kann beweisen, dass mein verzagter Freund nach der Schrift die unvergebliche Sünde nicht begangen hat; aber er weiß, dass er sie begangen hat und ist dessen so gewiss, als wenn er es mit Vernunftgründen beweisen könnte. Um Schriftbeweise kümmert er sich wenig, er wiederholt nur immer wieder, dass er es weiß und ganz gewiss ist, und niemand ihn je vom Gegenteil überzeugen soll. Ihr könnt ebenso gut mit einer Flasche Essig reden, in der Hoffnung, sie in Wein zu verwandeln. Es gilt ihm nichts, dass alle Theologen der Christenheit, die je über diesen Gegenstand geschrieben haben, ihn als einen dunklen betrachten, er ist klüger als sieben Männer, die einen Grund angeben können. — In vielen Fällen ist die Ursache ihrer Traurigkeit ungreifbar, gespenstisch, neblig; sie können sie nicht beschreiben; sie ist unvernünftig und abgeschmackt, sonst könnte eine ruhige kleine Unterhaltung ein Gnadenmittel für sie sein. Aber sie ziehen es vor, in hoffnungsloser Melancholie sitzen zu bleiben. Arme Seelen arme Seelen! Was für eine Wahl treffen sie!

Hier lasst uns sagen, dass die Erklärung, Gott habe uns verlassen oder irgend einen verlassen, der ihn sucht, im geraden Widerspruch mit der Schrift steht. Auf allen Blättern der Bibel ist kein einziger Spruch, der jemanden rät, an der Barmherzigkeit Gottes zu verzweifeln. Ich fordere den fleißigsten Leser auf, eine einzige Stelle zu finden, in welcher einer suchenden Seele befohlen wird, zu glauben, dass keine Gnade für sie da ist. Ich gehe noch weiter und sage, dass es keine Schriftstelle gibt, die eine Seele berechtigt, sich in Verzweiflung aufzugeben, einerlei, ob es eine starke Stelle über die Erwählung ist oder eine furchtbare Drohung des göttlichen Zornes gegen die Sünde; es gibt keinen Spruch oder etwas, was einem Spruch ähnlich sieht, der einer Seele das Recht gibt, zu sagen, dass keine Gnade bei Gott für sie ist. Noch mehr, es ist kein Spruch in der Schrift, der einem Menschen eine Entschuldigung für Verzweiflung gewährt. Wenn Gott selber erschiene und zu dem Verzweifelnden spräche: „Du hast gewagt, an meiner Barmherzigkeit zu zweifeln und dich für ganz aufgegeben zu erklären: bringe mir ein einziges Wort aus meinem Buch, welches dich dafür entschuldigen kann, dass du dies sagst,“ so könnte kein solcher Spruch vorgebracht werden. In der Tat, die ganze Schrift verdammt den Unglauben. Der Glaube ist es, den die Schrift lobt, nie treibt sie zur Verzweiflung an. Sie ist voll Verheißungen für die Sündigsten, sie geht bis zu den äußersten Grenzen unserer Not und ruft: „Er kann retten bis zum Äußersten, die durch ihn zu Gott kommen.“ Der Herr Jesus spricht: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen.“ Aber doch sprichst du: „Ich weiß, dass keine Hoffnung für mich ist.“ Mein lieber Freund, du weißt nichts derartiges; es ist ein Traum, ein furchtbarer Nachtmahr, und es ist keine Wahrheit darin. Vom Kreuze tönt zu dir wie liebliche Musik der Ruf: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ So lange du atmest, brennt die Lampe der Gnade noch. „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, machet uns rein von aller Sünde.“

Und gedenkst du daran, mein verzweifelnder Freund, dass dein Glaube, Gott hätte dich verworfen, seine Ehre schmälert? Weißt du, wie barmherzig er ist? Willst du hart von ihm denken? Rettete er nicht Manasse? Tilgte er nicht die Sünden des Saul von Tarsus aus? Hat er nicht erklärt: „So wahr als ich lebe, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe.“ Willst du die Feder aus der Hand der Barmherzigkeit reißen und dein eigenes Todesurteil damit schreiben? Willst du lieber Gott Unehre antun, als das Heil durch Jesum Christum annehmen? Warum so wahnwitzig der Verzweiflung dich hingeben? Weißt du nicht, wie sehr du den heiligen Geist betrübst und wie viel Unehre du Jesu antust? Alle Schmerzen, die er auf Golgatha ertrug, tun ihm nicht so wehe wie dieser unfreundliche Gedanke, dass er nicht willig sei, zu vergeben. Wie, du hasst deine Sünde, und doch hasst Jesus dich? Unmöglich! Was, du mit einem starken Verlangen nach dem ewigen Leben, doch dem Verderben überlassen? Unmöglich! Was, du, der du dich auf seine Barmherzigkeit wirfst und hoffst, das silberne Zepter seiner Gnade anzurühren, doch von seinem Antlitz vertrieben? Unmöglich! Unter den Verdammten in der Hölle ist keine Seele, die je kam und sich auf das Blut Christi verließ, und es wird nie eine solche da sein. Himmel und Erde werden vergehen, aber es soll nie gesagt werden, dass Suchende verworfen worden oder dass die, welche sich der Bundesgnade Gottes ergaben, verstoßen worden sind.

Eins möchte ich hier noch einschalten: Dieses Sich-Hingeben an die Verzweiflung ist dem so ungleich, was wir gewöhnlich in andern Dingen tun, dass es um so weniger zu verteidigen ist. Jenes Schiff ist bei einem Zusammenstoß zerbrochen; es wird bald sinken, die See dringt wütend ein. Lasst uns eins der Boote nehmen. Dies Boot lässt sich nicht losmachen, was nun? Wir wollen zu einem andern eilen. Wir wollen einen Schwimmgürtel ergreifen oder uns an ein Brett anklammern. Jedenfalls wollen wir kein Mittel unversucht lassen, um uns möglicherweise zu retten. Ein vernünftiger Mensch wirft sich nicht aufs Deck und gibt alles verloren; seine Furcht treibt ihn an und er gebraucht alle seine Fähigkeiten mit äußerster Anstrengung. Seht einen an, der eine tödliche Krankheit hat. Seinen Hausarzt hat er gebraucht und er ist nicht besser; aber er hört von einem andern und geht sofort zu ihm. Ja, und wenn man ihm fünfzig Quacksalber empfehlen würde, so würde er es lieber mit ihnen versuchen, als sterben. Doch hier sind Leute, die wissen, und nicht leugnen können, dass sie es wissen, dass Christus die erretten kann, welche zu ihm kommen, und doch wollen sie, weil sie unvernünftiger Weise behaupten, dass ihre Sache hoffnungslos sei, nicht zu Jesu gehen, sondern ziehen es vor, in ihren Sünden zu sterben. O, Wahnsinn, Wahnsinn, an dem unendlich Liebenden zu zweifeln! Die Unvernunft erreicht den höchsten Gipfel, wenn sie zu denken wagt, dass der, welcher auf Golgatha starb, einen Sünder, der zu ihm kommt, verstoßen wird. Ich wünschte, ein Künstler versuchte es, ein Bild von Jesus Christus zu malen, wie er einen Sünder verschmäht, welcher ihn um Gnade bittet. Wie würde der Maler zu Werk gehen? Er müsste das Antlitz des Herrn bedecken, denn jenes liebliche Angesicht könnte nicht unfreundlich aussehen. Er müsste die Wundmale aus den Händen und die Nägelmale aus den Füßen weglassen, denn diese könnten keinen Sünder verstoßen. Es ist kein Teil von Jesu Leib oder Seele, der dargestellt werden könnte, als wenn er einen verlorenen Sünder verstieße; seine ganze Natur würde sich dagegen auflehnen, so abgebildet zu werden. O, wenn ihr ihn nur kenntet, wie einige von uns ihn kennen, so würdet ihr in seine Arme fliegen. Ihr würdet mit dem Patriarchen von Uz ausrufen: „Ob er mich auch tötete, wollte ich ihm doch vertrauen.“

Es ist meine Pflicht, hinzuzufügen, dass in dieser Verzweiflung sehr viel sündiger Unglaube sich findet, und von allen Sünden ist dieser die verdammenswerteste. Es läuft darauf hinaus, dass Jesus spricht: „Ich kann erretten,“ und der Sünder spricht: „Du kannst nicht erretten,“ und so Christum zum Lügner macht. Gott spricht: „Jesus kann bis zum Äußersten erretten,“ und der Sünder leugnet das rundweg. Nun, wenn der Sünder Gott zum Lügner macht, was kann er erwarten? Wenn der Herr kommt, die Lebendigen und die Toten zu richten, was wird der Lohn der Ungläubigen sein? Gott behüte uns davor! Möge der übereilte Ausspruch zurückgenommen werden, und wir nicht länger sagen: „Ich bin verstoßen vor deinen Augen.

III. Drittens und in der Kürze wollen wir einen flehentlichen Schrei betrachten.

Als David fürchtete von Gott verstoßen zu sein, war er weise genug, zu weinen1). Er nennt das Gebet Weinen, und das ist ein sehr bedeutsames Wort. Weinen ist die Sprache des Schmerzes; der Schmerz kann sich nicht mit Buchstaben, Silben und Worten aufhalten, er nimmt seinen eignen Weg und äußert sich in einer sehr ergreifenden und durchbohrenden Weise. Weinen ist eine Erleichterung für Leidende. Rote Augen lindern oft den Schmerz brechender Herzen. Dem Wahnsinn ward vorgebeugt dadurch, dass die Seele sich Luft machte. Das Gebet ist das sicherste und gesegnetste Mittel, sich Luft zu machen. Im Gebet läuft das Herz über, wie die Augen beim Weinen. Beten ist eine ebenso einfache Sache wie Weinen. Nimm nicht jenes Buch zur Hand: Bischöfe und andere Gebete-Macher können gute Gebete für Leute schreiben, die kein besonderes Leid haben, aber wenn du wirklich nötig hast zu beten, so werden keine fertigen Gebete für dich passen. Man hörte nie von einer Form für das Weinen. Ich erinnere mich nie, eine Form des Weinens für eine Frau, die ihren Mann verloren, gesehen zu haben, oder eine Form, wie das Kind weinen soll, wenn es hungrig ist oder wenn es im Dunkeln zu Bett gebracht wird. Männer und Frauen und Kinder weinen, wenn sie in Not sind, ohne ein Buch; und wenn ein Mann wirklich nach dem Heiland verlangt, so bedarf er keiner Gebete in Büchern. Sprich niemals: O, ich kann nicht beten! Mein lieber Freund, kannst du weinen? Du wünschst, errettet zu werden; sage dem Herrn das. Wenn du es nicht in Worten sagen kannst, sage es mit deinen Tränen, deinem Ächzen, deinem Seufzen, deinem Schluchzen.

Beten ist wie das Weinen eine natürliche Äußerung, und eine, die bei jeder Gelegenheit stattfinden kann. Sobald ein Kind in Not ist, kann es weinen ohne sein bestes Kleid anzuziehen; und wir können das auch ohne Summar2) und Talar. Kein Kind braucht in Latein und Griechisch unterrichtet zu werden, um zu wissen wie es weinen soll, ebenso wenig ist Gelehrsamkeit zu einem erhörlichen Gebet nötig. Gott lehrt alle seine Kleinen beten, sobald sie geboren sind; sie brauchen nur ihre Sünden zu bekennen und ihre Wünsche vor ihn zu bringen, so beten sie wirklich. Niemals ist ein Kind in einem so schlimmen Zustand, dass es nicht weinen kann. Es sagt nie: Mutter, es ist so dunkel, ich kann nicht sehen, zu weinen; nein, nein, das Kind weint im Dunkeln. Und bist du im Dunkeln, und in furchtbaren Zweifeln und Leiden? Dann weine nur, mein lieber Freund, weine und schreie nur; dein Vater wird dich hören und befreien.

Nun das Weinen ist keineswegs ein Ton, der angenehm zu hören ist; es ist keine Melodie darin, ausgenommen vermutlich für das Ohr der Mutter in dem Weinen eines ganz kleinen Kindes. Weinen ist eine Art Musik, bei der man froh ist, wenn sie zu Ende geht, und doch werden unsre armseligen Gebete, die für das Ohr Gottes Misstöne sein müssen, weil er ihre Mängel wahrnimmt, von ihm beachtet. Obwohl das Weinen ein unangenehmer Ton ist, so ist es doch sehr mächtig. Wenn ihr auf der Straße ginget und ein armes Kind weinen sähet oder hörtet, so würde das viel mehr Eindruck auf euch machen, als die lange Rede des vorgeblichen Handwerkers, der seine Not mit vielen Worten den Vorübergehenden darlegt. Ein armes Kind, das im Winter und im Dunkeln unter euren Fenstern im Schnee weinte, würde euer Mitleid erregen und Hilfe von euch erlangen. Selbst, wenn es aus fremdem Lande wäre und kein Wort eurer Sprache verstände, würdet ihr doch sein Flehen fühlen. Die Beredsamkeit des Weinens ist überwältigend, das Mitleid erkennt die Macht desselben an und leiht seinen Beistand. Es ist eine Saite in der menschlichen Natur, welche bei dem Weinen eines Kindes anklingt, und es ist etwas in der göttlichen Natur, das ebenso durch das Gebet berührt wird. Der Herr lässt keinen jungen Raben vergeblich schreien, und viel weniger wird er Menschen, die nach seinem Bilde gemacht sind, gestatten, in der Bitterkeit ihres Herzens zu ihm zu schreien und ihn für ihre Bitten taub zu finden.

Nach unserm Text war dieser Schrei an den Herrn gerichtet. David dachte, der Herr hätte ihn verstoßen, aber er schrie nicht zu irgend einem andern; er fühlte, wenn Gott ihm nicht hilft, so könnte es niemand anders. Zu wem oder wohin sollte ich gehen, wenn ich mich von dir wendete? Es ist wichtig, zu beachten, dass er zum Herrn schrie, obwohl er meinte, es gäbe keine Hoffnung mehr für ihn. „Ich bin von deinen Augen verstoßen,“ sagte er, dennoch schreit er zu Gott. Ach, Seele, wenn du in Verzweiflung bist, so entschließe dich dennoch, dein Herz vor Gott auszuschütten. Fürchtest du, dass er dich abweisen wird? Fahre fort zu schreien. Ist er lange zornig mit dir gewesen? Fahre fort zu schreien. Hat er bisher dein Gebet nicht erhört? Fahre fort zu schreien. Denkst du, dass er dich ganz und gar verworfen hat? Fahre dennoch fort zu schreien. Hast du gesagt: „Der Herr hat verstoßen ewig und wird keine Gnade mehr erzeigen?“ Fahre trotzdem fort zu schreien. Denn David fühlte in seiner Seele, dass er von Gottes Augen verstoßen sei und fuhr dessen ungeachtet fort zu schreien. Tue dies, armes Herz; ja, je trauriger du bist, desto mehr schreie; denn wenn die Mutter eines kleinen Kindes sagte: „Nun, gehe weg, ich will dich nie wieder lieb haben, ich will dich vor die Tür sehen, du sollst nicht mehr mein Kind sein,“ was würde das Kind tun? Würde es sagen: „Deshalb will ich nicht mehr schreien?“ O nein, es würde sich das kleine Herz ausweinen, und je mehr es die strengen Worte der Mutter glaubte, desto mehr würde es schreien. O, verzweifelnde Seele, je mehr du verzweifelst, desto mehr bete, so wird es gut mit dir werden.

Der Psalmist schrie zu einem Gott, von dem er ungläubige Gedanken hegte. Du, armer Trauernder, glaubst nicht, wie du glauben solltest; dein Glaube, wenn du welchen hast, gleicht einem Funken, der in dem rauchenden Dochte glimmt; doch fahre fort zu beten! Ich war im Begriff zu sagen, wenn dein Glaube tot scheint, rufe: „Herr, lass mich glauben. Ich bin ein armer, toter, verlorener Sünder, aber habe Mitleid mit meinem Elend.“ Das ist gutes Schreien, und Gutes wird daraus kommen.

IV. Das ist mein letzter Punkt: Die erfreuliche Folge.

Diese arme Seele fuhr in Verzweiflung fort zu schreien, und der Herr erhörte sie. „Du hörtest meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie.“ Dieser Segen ging über die Verheißung hinaus. Die Verheißung ist, dass Gott gläubiges Gebet hören will, aber der Herr geht in seiner Gnade über seine Verheißungen hinaus; selbst wenn die Ungläubigen schreien, gibt er ihnen Glauben und rettet ihre Seelen. Es gleicht dem Gott, dessen Name Liebe ist, auf das Schreien der Elenden zu hören! Wir sind wie Kinder, die in einem Walde verirrt sind, ganz zerkratzt von den Dornen, müde vom Umherirren und nahe daran, vor Kälte und Hunger zu sterben; alles, was wir tun können, ist schreien, und wird Gott uns im Dunkeln sterben lassen? O, glaubt es nicht, lasst nicht den Teufel euch das glauben machen, dass Gott euer Schreien hören und doch nicht zu eurer Hilfe kommen wird. Ich will niemals von Gott glauben, was ich von einem Menschen nicht glauben würde. Ich kann ihm nicht solche Unehre antun. Schreie nur aus der Verzweiflung deiner Seele heraus, und die unendliche Güte des Herrn wird ihn zwingen, zu dir zu kommen. Er hat dich gelehrt zu schreien, und er wird sicher dein Gebet erhören.

Da David sagt, dass Gott ihn gehört hätte, solltest du ermutigt werden, denn der, welcher einen gehört hat, wird einen andern hören. Lass mich dir eins sagen: Du, arme, verzweifelnde Seele, kannst Christo mehr Ehre bringen, als irgend eine andre. Bist du der schwärzeste Sünder, der je gelebt? Bist du gerade der eine, von dem es am unwahrscheinlichsten ist, dass er errettet wird? O, wie glänzend kann dann Christi Gnade in dir triumphieren! Es wäre keine Ehre für ihn, jene Sünder zu waschen, an denen nur ein paar blasse Flecken sind, falls es solche gäbe; aber, du ganz und gar befleckter, unreiner Sünder, dein Waschen und Reinigen wird ihm unsterblichen Ruhm bringen! Die Engel stimmen ihre Harfen zu neuen Liedern, wenn ein ungewöhnlicher Sünder bekehrt wird. Du kannst nicht glauben, sagst du, dass deine Errettung möglich sei. O, dass du sie für möglich hieltest! O, dass du nun zum Fuß des Kreuzes kämest und sprächest: Lieber Heiland, du hast nie eine solche Seele gerettet, wie ich bin! Heute sollst du größeren Ruhm haben, als du je zuvor gehabt hast, denn ich werfe mich zu deinen Füßen und glaube, dass du mich, sogar mich), retten willst, denn du hast gesagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Siehst du nicht, dass gerade deine Schlechtigkeit dir eine herrliche Gelegenheit gibt, Christum zu ehren durch größeren Glauben, als andere Menschen, und indem du ihm Anlass gibst, eine herrlichere Gnadentat zu tun, als er deiner Meinung nach je zuvor getan hat? Ich hoffe, sehr dringlich im Gebete zu Gott dem heiligen Geiste zu sein, dass er gerade solche wie dich unter die Macht der Gnade bringe.

An eine Wahrheit gedenke und nimm sie mit dir hinweg. Wenn du im Dunkeln bist, so ist das einzige Licht für dich die Sonne der Gerechtigkeit. Wenn du verloren bist, so ist die einzige Hilfe für dich in Jesu, dem Herrn. Wenn du den Heiland sehen willst, wo sein Licht am hellsten und sein Heil am klarsten ist, so denke an sein Kreuz. Sieh jene teuren Hände und Füße und die blutende Seite; diese Wunden sind Fenster der Hoffnung für die Gefangenen der Verzweiflung. Es ist keine Hoffnung für dich, wer immer du sein magst, außer in Jesu. Blicke auf sein mit Dornen gekröntes Haupt und sein Antlitz, das entstellter ist, als das irgend eines andern! Blicke auf seinen abgezehrten Körper und auf den Speerstich in seiner Seite. Blicke auf ihn in seiner Todesangst, wo Schmach und Hohn ihn umgeben! Schaue, bis du ihn rufen hörst: Es ist vollbracht!“ ehe er den Geist aufgibt; und ich bitte dich, glaube, dass es vollbracht ist, so dass es nichts für dich zu tun gibt, da alles schon getan ist. Alles, was nötig ist, dich vor Gott angenehm zu machen, ist völlig getan, und es ist nichts für dich zu tun, als anzunehmen, was Christus vollendet hat. Webe keine Gewänder mehr, hier ist das Kleid! Fülle keine Zisternen mehr, hier ist die Quelle! Lege keine Grundlage mehr, hier ist der köstliche Eckstein! Kommt, ihr Verzweifelnden! Der Herr helfe euch, zu kommen und Frieden zu dieser Stunde zu finden durch Jesum Christum, euren Herrn. Amen.

1)
Im Englischen heißt das hier gebrauchte Wort „cry“ sowohl schreien, als weinen. A. d. Üb.
2)
Der Unterhabit (alter Name: Summar) ist ein eng geschnittener Talar nach Art einer Soutane, vorn durchgeknöpft mit 17 bezogenen Knöpfen, die symbolisch an die 10 Gebote und die sieben Bitten des Vaterunsers erinnern.
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