Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 26. Hier ist gut weilen.

Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 26. Hier ist gut weilen.

Hier bleiben wir eine Weile bei Abraham's Grabe. Dieses Grab ist auch ein Theil der Verheißung, und zwar einer Verheißung, dem Glauben gegeben, und war ein köstlich Theil derselben: es wird von ihr umfangen, gesegnet, gekrönet; unter ihrem Schatten blühet aus dem Tode das Leben hervor; der Glaube hoffet ja eine Grabes-Ruh, den Frieden nach dem Tode, und siehet weit über die kalte Scholle, über den Grabstein hinaus. - Sonst wird uns, Menschenkindern, nicht leicht, mit froher, lebendiger Hoffnung, des Grabes gedenken; es ist uns zu kalt, düster und enge, und „deckt mit schwarzer Hülle ein unbekanntes Land.“ -

Wer aber gewöhnet war zu glauben an den lebendigen Gott, und lebte vor Ihm, bei Ihm, mit Ihm, im Glauben, und hatte lieb ein langes Leben in dieses Gottes Gemeinschaft und Segen auf der Erde, konnte sich auch leicht an Grabes-Gedanken gewöhnen. Sie starben im Glauben, jene Erzväter, die so viel weniger wußten, als wir nun wissen; und sie starben so, wie sie im Glauben gelebt; ohne Etwas oder Vieles von jenem unbekannten Jenseits zu wissen, fuhren sie hin in Frieden, und freuten sich, zu ihrem Volke zu kommen, oder wie sie es nannten: zu ihren Vätern gesammelt zu werden: C. 25,8. 35,29. 49,29.33. 5. Mos. 32,50., denn dort, in jenem unbekannten Lande, dort war auch ihr Gott ihnen Schirm und Schild, und ihr sehr großer Lohn: 15,1. -

Wer die Liebe Gottes und das Pfand Seiner Gnade in seinem Herzen erfahren, hat ein Göttliches in sich selbst, nicht von ihm, sondern von Gott; Etwas, das mit dem Tode nicht stirbt, ein Kleinod des ewigen Lebens; sintemal Gott, jener Gott Abraham, und Isaak, und Jakob, nicht ein Gott ist der Todten, sondern der Lebendigen: Matth. 22,32. Sie warteten, im Grabe zu ihren Vätern gesammelt, - heilige, selige Schaaren, dort in ihres Gottes Ruhe gesammelt, - sie warteten mit einander, in Frieden, der himmlischen Stadt: Ebr. 11.

Wahrlich, der Tod ist jeder lebendigen Seele ein widriges Ding; eine Leiche widert uns bald, und auch die schönste, theuerste; sie wird bald, von allen Augen weg, mit Schauder entfernt. Der Todte siehet uns so starr an, und bewegt sich nicht; er ist so kalt, er fühlet nicht, und empfindet nicht; hat noch des Menschen, des Lebens Aehnlichkeit, und lebet doch nicht; ein Mensch, und kein Mensch; Einer von uns, und Keiner mehr; - das hat die Sünde gethan. Also werden sie auch mich in die Erde tragen, in die Grube, wo Wurm und Moder mein warten. Lebe wohl, du schöne Welt, und du, zu sehr geliebte Erde, lebe wohl! Nun werde ich noch wissen von dir, wie du feucht bist und kalt. -

Wahrlich, es braucht jenen Glauben an den lebendigen Gott, es braucht Seine Liebe, Sein Leben, in eines Menschen Herzen, um diesen Gedanken zu tragen, um getrost auszustrecken die starren Beine, und fallen zu lassen die kalten Hände, wenn der kalte Schweiß an uns rieselt, und das Herz langsam und stockend in den letzten Zügen bricht. Und weil jener Glaube, auch im Lichte Deß, der uns geworden ist die Auferstehung und das Leben (Joh. 11, 25.26.), so leicht sich in den alltäglichen Sachen, Sorgen und Geschäften der Erden, im Taumel der Welt und des Herzens verlieret, und das Diesseits unseren Blick in das Jenseits so sehr hindert und trübet, darum ist der Tod immer noch so Vielen der König der Schrecken (Hiob 18,14.), - der Unbekannte und Unberufene, vor dem Augen und Gedanken wegeilen, und die Stunden, die Tage, das ganze Leben, fliehen. Man freuet sich nicht, - oft in hohem, beschwerlichem Alter nicht, zu seinen Vätern gesammelt zu werden; oder freut man sich nur jenes geträumten, ewigen Wiedersehens, wenn man das Herz und die Freude seines Lebens, - seinen Himmel und dieses Himmels Götzen - verloren; man weiß, man will Nichts von der Ruhe, von dem Frieden jenseits, von jenem seligen Harren auf Den, den man nicht liebte, da man Ihn nicht sah; von jenem wiederkommen zu Dem, an dessen heilige Liebe und Weise man sich nicht gewohnet hienieden, für dessen Erscheinung man kein Herz und kein Verlangen gehabt: 1 Petr. 1,8.9. Auch in Seufzern gelebet, im Schweiß seines Angesichts braun und blaß und müde geworden, klebet ein altes sündliches Fleisch diesem dürren, armen Erdenleben an; dem Armen, wie dem Reichen, darf man selten ein Wort vom Tode sagen; das Fleisch zittert davor, und sie sind Fleisch. - Hast je von Hiskia, jenem frommen Könige Israel, gehöret? Es war in der Krankheit Schwäche, in Schuld und Verstimmung eines verzagten Herzens, daß dieser Sohn Abrahams sprach: Denn die Unterwelt lobet Dich nicht; so rühmet Dich der Tod nicht; und die in die Grube fahren, warten auf Deine Wahrheit, auf Deine Treue nicht; sondern allein die da leben, loben Dich: Jes. 38. Aehnliche Stimmen in den Psalmen zeugen hie und da von solcher Traurigkeit und Angst, welche, vor dem so gewissen Ende alles Fleisches, die Guten wie die Bösen, die Gerechten wie die Ungerechten, befallen könne; sie offenbaren dem Menschen, was in seinem Herzen ist; sie warnen die Kinder des Staubes vor Allem, was ihnen das Licht des Glaubens verdunkelt, und ihre Seelen entfernet von dem lebendigen Gott und von Seiner Ewigkeit: Ps. 6,6. 30,10. 88,11.f. Sir. 17,22.23. Da es aber David im Namen und aus dem Herzen der zagenden Menschheit ausgesprochen hat: Die Todten werden den Herrn nicht loben, noch die hinunterfahren in die Stille, - spricht alsobald der Glaube, das Leben, das in ihm lebet: Aber wir wollen loben den Herrn, von nun an bis in Ewigkeit: Hallelujah! Ps. 115,17,18. f. Ps. 11,11. Aber deine Todten werden leben; Meine Leichen, sie sollen auferstehen. Wachet auf und rühmet, ihr Bewohner des Staubes; denn dein Thau ist ein Thau des grünen Feldes, und die Erde wirft ihre Todten aus: Jes. 26,19.

Ich gehe nicht leicht vom Grabe eines Gerechten weg; es ist mehr, denn die einsame Stille, mehr denn der Todten Ruhe, was mir da so wohl thut; - der Thau des grünenden Grases, der bescheidene Hügel, die stillen Blumen, das Kreuz; - und das Ende aller Eitelkeiten, das Ruhen von allen Gedanken, allen Sorgen und Schmerzen; - keine Anfechtung mehr, keine Versuchung, kein Kampf und keine Sünde; - und auf dem Steine das ewige Gottes-Wort, das diese oder jene hohen Wahrheiten der Ewigkeiten verkündigt; hier: Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn: Phil, 1,21. da: Ich lebe, und ihr sollet auch leben: Joh. 14,19. dort: Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben, von nun an; daß sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach: Offenb. 14,13. - So stille, mitten in der Welt, so unbekümmert und sicher, die Stätte der Todten; die Welt, ihre Unruhe, ihr Zorn, ihre zweideutige, unreine Liebe, so fern; ihre Eitelkeiten und Sinnlichkeiten, ihre kahlen Freuden, ihr stolzer Rausch, ihr ewiger Streit und Zank um ein Großes, ein Kleines, - die betreten sie nicht; die scheuen sich vor dieser heiligen Ruhe; - sie verstehen sie nicht; und sie haben sie doch verstanden. - Hier ist Gottes Acker, Seines Friedens Hof; ich fühle nicht des Todes Geruch; hier wehen Auferstehungs-Lüfte; hier, in dieser Erde, keimen des Himmels ewige Blüthen, einst fröhlich aufgethan, im reinen Glanz und Duft himmlischer Verklärung. - Die Liebe weinet hier ihre stillen Dankes-Thränen; der Glaube stehet über den Leichensteinen fest; das Licht wird einst durchbrechen, die Posaune wird erschallen, das Leben jauchzen; hier wird Gott, der Herr, am Tage Seiner Ernte, auf Seinem Felde, Seine Wunder thun, wenn Er die vollen reinen Aehren in Seine ewigen Scheuern einsammelt, und Seine heiligen Engel fröhlich Ihm dienen. Es wird gesäet verweslich, und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesäet in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesäet in Schwachheit, und wird auferstehen in Kraft… - Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?.. - Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat… - Weißt du durch Wen? 1. Cor. 15.

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