Nielsen, Fredrik Kristian - Die Waldenser in Italien - II.

Nielsen, Fredrik Kristian - Die Waldenser in Italien - II.

Als die Waldenser von Luthers Kampf gegen die Irrlehre der römischen Kirche hörten, und wie nachdrücklich er die Autorität der heiligen Schrift geltend machte, sandten sie zu ihm einen ihrer Prediger (Barbas). Später knüpften sie festere und bleibendere Verbindungen mit den Reformatoren zu Straßburg an. Im September 1532 hatten Farel und ein anderer der Schweizer Reformatoren mit Abgeordneten der Waldenser eine Zusammenkunft im Angrognatal. Die Frucht der hier geführten Unterredungen war die Bildung der evangelischen Waldenserkirche. Unter dem Einflusse des Geistes der Reformation eigneten sich die Waldenser über ihre Lehren und Grundsätze größere Klarheit an, und in Folge dessen ward der Bruch mit Rom ein unheilbarer. Ein schönes Zeugnis der Dankbarkeit, welche sie gegen die französischen Reformatoren fühlten, ist die französische Bibelübersetzung geworden, welche sie drucken ließen. Schon auf jener Synode im Angrognatal beschlossen die „armen Italiener und Franzosen“ - denn auch die Waldenser in der Provence und im Dauphiné hatten Vertreter ihrer Gemeinden dorthin gesandt an Stelle der alten provenzalischen Überlegung eine neue und bessere in französischer Sprache treten zu lassen. Der Beschluss wurde ausgeführt; und Calvins Vetter, Robert Olivetan, vollendete im Jahre 1535 eine französische Bibelübersetzung, deren Druck für 1500 Louisdor hergestellt wurde, - ein Kostenaufwand, den die armen Waldenser herbeigeschafft hatten. Obgleich diese Übersetzung an vielen Mängeln litt, ist sie dennoch, in einer oft revidierten und modifizierten Gestalt, lange Zeit die eigentliche Kirchenbibel der französischen Reformierten geblieben. In demselben Jahr, in dem die Bibelübersetzung ans Licht trat, erbauten die Waldenser ihren ersten „Tempel“, nämlich in St. Lorenzo im Angrognatal, unfern des Ortes, an welchem sie den Worten Farels gehorcht hatten. Innerhalb der nächsten 20 Jahre konnte man in den Waldenser Tälern sieben Kirchen zählen. Seit dieser Zeit ist die französische Sprache bei den Gottesdiensten in Gebrauch gekommen, während das Italienische, namentlich in allem, was das bürgerliche Leben betrifft, als zweite Sprache daneben gilt. Was aber dem Französischen eine so hervorragende Bedeutung gegeben hat, ist teils der persönliche Einfluss der französischen Reformatoren, teils die französische Bibel, teils endlich der Umstand, dass die Geistlichen der Gemeinden in der französischen Schweiz ihre Ausbildung zu bekommen pflegten.

Indessen sollte jene brüderliche Verständigung, welche im Angrognatal gewonnen war, für die Waldenser verhängnisvoll werden. Denn infolge derselben wurden sie den Protestanten an die Seite gestellt, so dass sie sowohl in Frankreich als in Italien das Los derselben, namentlich die blutigen Verfolgungen, die über die Protestanten ergingen, teilen mussten. Die Alpentäler Piemonts gingen im 16. Jahrhundert, während der zwischen dem Hause Habsburg und Frankreich geführten Kriege, beständig von Hand in Hand; und manche der Machthaber, unter denen die friedlichen Talbewohner seufzen mussten, waren in hohem Grade grausame Herren. Unglaubliches hatten sie in dem Zeitraume vom 16. bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu leiden; aber das Martyrium bildete auch hier glaubensstarke und zeugenmutige Helden.

In dem Jahre des vom Papst verkündeten Jubiläums, 1650, als zugleich mit den Pilgerscharen reichliche Geldsummen nach Rom strömten, bekam auch die Propaganda, jene große, zur Ausbreitung und Geltendmachung der römisch-katholischen Lehre bestimmte Missionsgesellschaft - einen neuen, mächtigen Aufschwung. Schon im Jubeljahr selbst wurde ein Zweig dieser Gesellschaft nach Turin verpflanzt und erhielt, im Blick auf die Alpentäler, den speziellen Auftrag, die Ketzerei auszurotten. Die Herzogin Christine von Piemont, eine Tochter Heinrichs IV. von Frankreich, war der Kirche Roms mit besonderem Eifer ergeben, und die Propaganda zu Turin verfehlte nicht, ihren Eifer anzufachen. Damals standen die Täler unter einem fanatisch gesinnten Gouverneur, Namens Gastaldo. Dieser erließ im Anfang des Jahres 1655 im Namen der Herzogin Christine den Befehl: innerhalb dreier Tage sollten die reformierten Einwohner dreier kleiner Orte des Taldistriktes ihren bisherigen Aufenthalt verlassen und in vier andere, näher angegebene Städtchen übersiedeln. Die Waldenser gehorchten, sprachen aber zugleich die Bitte aus, dass der Befehl zurückgenommen werde. Diese Bitte wurde als Auflehnung ausgelegt und eine Heeresschar zur Ausrottung der Ketzerei in die Täler hinabgesandt. Der Anführer der Truppen gebrauchte Lug und List, um die Waldenser zu überwältigen. Er machte den Vorschlag, dass einige der waldensischen Führer behufs der Beratung eines Vergleiches zu ihm kommen möchten. So fanden sich denn am Mittwoch der Osterwoche der Prediger Léger und der tapfere Javanel, in Begleitung einiger der Ihrigen, in La Torre ein, und der arglistige Piemontese empfing sie mit scheinbarem Wohlwollen. Er erklärte, dass die friedlichen Waldenser nichts zu fürchten hätten; nur die Aufrührer solle er züchtigen. Zugleich schlug er vor: zum Beweis ihres Gehorsams möchten die Waldenser ein Regiment Fußvolk und zwei Schwadronen Kavallerie in ihre Häuser aufnehmen. Zwar durchschauten Léger und Javanel den hinterlistigen Plan; dennoch gingen sie auf das Verlangen der Piemontesen ein, um ein unwidersprechliches Zeugnis dafür abzulegen, dass sie gehorsam seien und Frieden wünschten. So nahmen denn die unglücklichen Talleute die rohe Einquartierung bei sich auf; aber am Sonnabend der nämlichen Osterwoche fingen, auf ein gegebenes Zeichen, die Soldaten an, ihre arglosen Wirte zu morden. In diesen „blutigen Ostern“ wurde La Torre in einen Aschen- und Schutthaufen verwandelt, und seine Bewohner niedergesäbelt oder geschändet. Javanel war mit einer kleinen Schar auf die Berge geflüchtet, und ungeachtet der großen Übermacht, die von allen Seiten gegen sie heranzog, gelang es ihm dennoch zu entkommen.

Das Gerücht von diesen „blutigen Ostern“ erregte in ganz Europa die tiefste Entrüstung. Der König von Schweden legte für die Waldenser eine Fürsprache ein, und selbst Ludwig XIV. machte dem Herzog von Savoyen ernste Vorstellungen; und der große Kurfürst von Brandenburg bot den Waldensern in seinem Lande eine Zuflucht an. Der edle Sänger Milton aber ließ damals folgende Flammenworte in Form eines Sonetts ausgehen:

„Avenge, o Lord, thy slaugther'd saints, whose bones
Lie scatter'd on the Alpine mountains cold,
Even them who kept thy truth so pure of old,
When all our fathers worshipp'd stocks and stones.

Forget not: in thy book record their groans
Who were thy sheep, and in their ancient fold
Slain by the bloody Piemontese that roll'd
Mother with infant down the rocks. The moans

The vales redoubled to the hills, and they
To heaven. Their martyr'd blood and ashes sow
O'er all the Italian fields, where still doth sway

The triple tyrant: that from these may grow
A hundred fold, who having learned the way,
Early may fly the Babylonian woe.“ 1)

Dieses Mal half die Teilnahme und Intervention des Auslandes; und am 18. August 1655 erhielten die Waldenser durch ein Gnadenedikt die Erlaubnis, in ihren Tälern zu bleiben, aber freilich nur gegen Zahlung einer großen Summe als Kriegskosten, welche von den Soldaten mit großer Strenge eingetrieben wurde. Dieses Gnadenedikt hatte jedoch keine Wirkung von längerer Dauer; denn als Ludwig XIV. das Edikt von Nantes, welches (von Heinrich IV. 1598 erlassen) den Protestanten Frankreichs freie Religionsübung gewährt hatte, durch einen Akt treuloser Willkür (1685) widerrief, so musste auch der junge Herzog von Savoyen diesem Beispiele folgen. Im Januar 1686 stellte er ein Edikt aus, durch welches die Abhaltung waldensischer Gottesdienste verboten wurde. Ihre „Tempel“ sollten niedergerissen, ihre Geistlichen und Lehrer des Landes verwiesen, und die Kinder der Waldenser von Priestern und Lehrern der römischen Kirche getauft und erzogen werden. Dieses wäre für das arme Volk der Täler ein tödlicher Schlag gewesen. Sie beschlossen, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Am Ostersonntag sammelte der Prediger Henri Arnauld die Waldenser bei Rocheplate um sich; und, nachdem sie sich durch das heilige Abendmahl gestärkt hatten, gingen sie mutig daran, ihre liebe Heimat und zugleich die Gewissensfreiheit gegen die savoyischen und französischen Truppen zu verteidigen. Diese riefen wieder verräterische Arglist zu Hilfe. Der Prinz von Savoyen gelobte den Waldensern völlige Straffreiheit, wenn sie die Waffen niederlegen wollten. Die Talleute gingen trotz der teuer erkauften Erfahrungen wiederum in die Falle. Da wurden denn die „blutigen Ostern“ wiederholt, und die herzlosen Soldaten schämten sich nicht, ihre Helme mit Fleischstücken verstümmelter Leichen zu schmücken. Ein französischer Offizier schrieb nachhause: „Alle Täler sind verwüstet, die Einwohner gefallen, gefangen genommen oder zu Tode gemartert.“ Die savoyischen Festungen wurden mit unglücklichen Gefangenen angefüllt, und die Katholiken siedelten sich auf dem ketzerischen, blutgetränkten Boden an. Aller Grundbesitz der Waldenser wurde zum besten der Staatskasse veräußert und die Kinder in Klöstern oder anderswo untergebracht, wo sie eine katholische Erziehung erhalten konnten. Indessen war eine „kleine heilige Schar“ so glücklich gewesen, in den Bergen standzuhalten; aber sie litten Mangel an allem. Dennoch wollte sie sich nicht ergeben, und auch das Anerbieten freier Auswanderung nur unter den Bedingungen annehmen, dass sie ihre gefangenen Landsleute mitnehmen dürften und dass die Auswanderung auf Kosten Savoyens vor sich ginge. Auf diese zwiefache Forderung ging man zuletzt ein; und am Weihnachtsabend 1686 wurden den armen Gefangenen die Pforten geöffnet. Sie sollten, ehe die Weihnachtssonne aufgehe, sich davonbegeben haben; dazu durften sie nur einen Weg einschlagen, den Weg über den Mont Cenis. Nachdem die vorderste Schar über das Gebirge hinübergezogen war, so bedurften die Nachfolgenden keiner Wegweiser: die Leichen ihrer Glaubensgenossen bedeckten die ganze Straße!

In der Schweiz sah man ihrer Ankunft entgegen. Man hielt einen Buß- und Bettag, und reichliche Liebesgaben flossen von allen Seiten zusammen, zu dem Zweck, wenigstens die erste Zeit den Verbannten zu erleichtern. Genf öffnete gastfrei seine Tore, und unter Absingung des 74. Psalmes hielten die durch Hunger und Frost entkräfteten Männer und Frauen ihren Einzug in die Stadt Calvins. Zuerst hatte man beabsichtigt, in einem der großen öffentlichen Gebäude ihnen ihren Aufenthalt anzuweisen; aber die Bürger Genfs wetteiferten, die so schändlich betrogenen und gehetzten Glaubensgenossen unter ihre Dächer aufzunehmen. Javanel lebte damals in Genf, aber alt und lebensmüde; und wie tief wurde er betrübt, als er diese 2810 abgemagerten Gestalten erblickte und bei diesem Anblicke sich sagen musste, dass dieses die Überbleibsel seien von der gesamten Bevölkerung der Täler! - Jedoch war Genf nicht die einzige Stadt, welche die Flüchtlinge aufnahm; ein Teil der letzteren fand ein Unterkommen in anderen Städten der Schweiz, und andere zogen familienweise nach Holland, Württemberg, Kurpfalz, Brandenburg und selbst nach Amerika. An den meisten Orten haben diese Waldenser nach und nach ihr Gepräge verloren; doch haben die schwäbischen Waldenser bis in dieses Jahrhundert herein ihre Eigentümlichkeit behauptet.

Indessen konnte das „Israel der Alpen“, welches in der Schweiz als Fremdling lebte, der Wohnstätten seiner Väter nicht vergessen, und der vorhin genannte Henri Arnauld entwarf einen Plan zur Rückkehr. Zuvörderst beriet er sich mit dem alten Javanel; demnächst trat er in eine Verhandlung mit dem Prinzen Wilhelm von Oranien, in dessen Heere er vormals als Hauptmann gedient hatte. Nachdem beide seinen Plan gutgeheißen hatten, setzte er ihn ins Werk. Um Johannis des Jahres 1689 versammelten sich die waldensischen Männer in der Nähe eines Städtchens an der nördlichen Küste des Genfer Sees; und nach gehaltenem gemeinsamen Gebet ließen sie sich in 15 Booten über den See hinübersetzen. Als Arnauld beim Morgengrauen über seine Begleiter Musterung hielt, zählte er 900 Männer, welche er in 19 Kompanien teilte; und so zogen sie getrost vorwärts. Der Weg führte sie unter unsäglichen Mühseligkeiten über den Mont-Blanc und andere Berge; dazu traten ihnen wiederholt französische Streifcorps entgegen. Man darf sich daher nicht wundern, dass, als sie endlich ihre heimatlichen Täler erreicht hatten, die Schar bis auf 700 zusammengeschmolzen war. Jetzt galt es aber, die gewonnene Stellung zu behaupten. Wieder wälzten sich neue Heerscharen den Talleuten entgegen; und es wäre mit der kleinen Schar, welche in einer Bergschlucht eingeschlossen war, aus gewesen, wenn sich nicht auch dieses Mal ein rettender Nebel auf die ganze Gegend herabgesenkt hätte. Unter dem Schutze dieses Nebels zogen sie sich zurück, höher auf die Berge hinauf, wohin ihre Verfolger nicht den Weg finden konnten. Auch dieses Mal bot Savoyen ihnen Frieden und Sicherheit; aber sie durften ihren Feinden nicht aufs bloße Wort glauben, sondern wollten zuverlässige Zeugnisse dafür haben, dass es dieses Mal Ernst sei. Und es war wirklich Ernst. Savoyen hatte nämlich mit Frankreich und der französischen Politik gebrochen, und der Herzog wünschte überdies, sein Heer durch diese mutigen Waldenser zu verstärken. Diese vergaßen des alten Zwistes und leisteten den Savoyarden tüchtigen Beistand bei der Verjagung der Franzosen. Arnauld ward im piemontesischen Heere Obrist; und seine Glaubensgenossen erhielten eine weiße Fahne mit blauen Sternen und der Inschrift: „Missbrauchte Geduld schlägt um in Raserei.“

Als der Krieg zu Ende war, holten die Waldenser ihre Frauen und Kinder nach. Auch hatte die evangelische Predigt in den Tälern wieder freien Lauf; aber es warteten ihrer neue Drangsale und Leiden. Ludwig XIV. wusste nämlich den Herzog von Savoyen aufs neue in sein Garn zu locken, und der zwischen Frankreich und Savoyen abgeschlossene Friede enthielt mehrere Punkte, die unheildrohend für das Völklein der Waldenser waren. Bei Todesstrafe wurde den Bewohnern des Tales Lucerna an der französischen Grenze verboten, irgendeinen Verkehr mit Untertanen Ludwigs XIV. zu unterhalten: denn die Ketzerei könne leicht anstecken. Weiter wurde allen geborenen Franzosen die ihnen etwa erteilte Erlaubnis, in den Tälern zu wohnen, für die Zukunft wieder entzogen, sowie auch neue Niederlassungen solchen unbedingt verwehrt wurden; sodann sollte „für ewige Zeiten“ aus zweien der Täler, die Frankreich an Piemont abgetreten hatte (Perosa und Pragela), der reformierte Gottesdienst ausgeschlossen sein. Das waren Bedingungen, die für unsere Waldenser sehr niederschlagend waren. Sie hatten gehofft, das Licht des Evangeliums über das Land, in welchem Valdez geboren war, ausbreiten zu können, und diese Hoffnung wurde mit einem Schlage vernichtet. Noch schlimmer war aber der Umstand, dass infolge des erwähnten Übereinkommens viele ihrer Glaubensbrüder die Täler verlassen mussten. Endlich, was für den Augenblick die traurigste Wirkung war, mussten sie von ihren 13 Seelsorgern sieben verlieren, sei es, weil diese geborene Franzosen waren, oder weil sie in den genannten beiden Tälern ihren Wohnsitz hatten. Diese sieben Ausgewiesenen begaben sich zunächst nach Genf, wo sie indes nicht lange blieben. Wilhelm von Oranien, damals (seit 1689) König von England, bemühte sich, Arnauld für England zu gewinnen, indem er ihm im englischen Heere ein Regiment anbot. Aber so bereitwillig er für seine heimischen Täler gekämpft hatte, widerstand es ihm doch, für Fremde das Schwert zu ziehen. Er folgte also lieber seinen Glaubensgenossen nach Württemberg. Hier ist er am 8. September 1721 gestorben. Er liegt begraben in Schönenberg bei Mühlacker, und zwar in der Kirche unterhalb der Kanzel, und eine lateinische Inschrift meldet heute noch, wo der Staub des kühnen Waldensers gebettet worden ist.

Die Lage der zurückgebliebenen Waldenser war gleichfalls keine ruhige und gefahrlose. Die römische Kirche, vom Hofe her begünstigt, machte fortwährend Versuche, Proselyten zu gewinnen, und alte Verordnungen, die man hervorholte, gaben die Handhabe zu vielen und immer neuen Plackereien. Trotz allem dem hielten die Waldenser mit unverrückter Treue an ihrem alten Herrscherhaus fest. Als der Herzog von Savoyen sich mit Ludwig XIV. wieder veruneinigte, und als französische Truppen Turin belagerten, flüchtete der Herzog in die Waldensertäler und wohnte daselbst bei einer Familie, namens Durand. Noch in dieser Stunde zeigt man im Museum zu La Torre den Löffel und den silbernen Becher, welche der Herzog dem Durand zum Zeichen seiner Dankbarkeit verehrte.

Die Wirkungen der französischen Revolution wurden in den abgelegenen Tälern wenig gespürt; aber die Regierung Napoleons I. hatte für die Waldenser eine große Bedeutung. Als Napoleon nach Mailand ging, um sich die lombardische eiserne Krone aufs Haupt zu setzen, gewährte er einer Gesandtschaft der Waldenser Audienz und unterredete sich mit derselben eingehend. Der sieggewohnte Held hatte von Arnaulds kühnen Kriegstaten gelesen, wodurch seine Teilnahme für die Glaubensgenossen desselben geweckt war. Die Frucht davon war, dass die Waldenser unter dem Kaisertum sich in einer günstigen Lage befanden. Freilich kehrten mit seinem Fall die alten, bösen Tage wieder. Die Besoldungen ihrer Geistlichen, welche eine Zeit lang auch ihnen aus Frankreich zugeflossen waren, blieben aus. Ebenso wenig sah man ferner Waldenser in hohen bürgerlichen Stellungen, wie es unter Napoleon der Fall war, welcher einen der besten Männer aus der Zahl der Waldenser zum Unterpräfekten im Bo-Departement ernannt hatte. Betrübender aber als die in dieser Hinsicht eintretende Veränderung war es, dass in religiös-sittlicher Hinsicht Erschlaffung und Gleichgültigkeit in den Tälern die Oberhand gewann. In dem selbstzufriedenen Bewusstsein, einem Märtyrergeschlechte anzugehören, ließ man jenen lebendigen und männlichen Glauben, von welchem die mutvollen Väter getragen wurden, hinsiechen, und der Rationalismus hielt seinen Einzug in diese abgelegenen Täler.

1)
deutsche Übersetzung:
Räch‘, Herr, der Heil’gen Mord! ach, ihr Gebein,
Auf kalten Alpenfelsen liegt’s erstarrt.
Den alten Glauben hat dies Volk bewahrt,
Als unsre Väter beteten vor Holz und Stein.
Vergiss sie nicht, gedenke ihrer Plag‘! –
Ach, in der Hürd‘, von alters her bewohnt,
Erwürgte Deine Schaf‘ das Heer von Piemont,
Daß Mutter bei dem Kind zerschmettert lag.
Von Berg und Tal zu Dir der Jammer fleht!
Sä‘ auf Italia der Opfer Blut,
Wo dreifach Tyrannei noch fest besteht;
Dass komme ein Geschlecht, so groß als gut,
Ein Volk, das Deine Wege willig geht,
Das zeitig flieht vor Babels Weh und Wut.
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