Möhrlen, Christoph - Geschichte der Waldenser - Ursprung der Waldenser.

Möhrlen, Christoph - Geschichte der Waldenser - Ursprung der Waldenser.

Im 9ten Jahrhundert lebte in Turin ein frommer Bischof Namens Claudius, welcher die Lehre von der freien Gnade entschieden predigte und die Irrtümer Roms schonungslos strafte. Einige sagen nun, die Waldenser, welche ihren Ursprung bis tief in das christliche Altertum hinaufsetzen, seien schon vor Claudius vorhanden gewesen; Andere halten dafür, sie stammen von jenem gottseligen Bischof ab; wieder Andere behaupten, sie kommen von Peter Waldus her. Jedenfalls scheint es gewiss zu sein, dass sie sehr alt sind. Nehmen wir an, sie seien geistliche Nachkommen des Claudius, so schlossen sie sich wohl nach dessen Tode (840) inniger an einander an, und als das Verderben der römischen Kirche immer höher und höher stieg, als dieselbe jeden Glaubenskeim zu ersticken suchte, da trennten sie sich allmählig ganz von der öffentlichen Kirche, die sie als die babylonische Hure erkannten. Diese in Piemont lebende Gemeinde des Herrn, sandte nun wohl ihre Glaubensboten nach Frankreich herüber, und zwar schon im 10ten Jahrhundert, (auf die sich die Gläubigen daselbst fortwährend berufen) die in diesem Lande den Samen des Wortes ausstreuten. Zwar nennt die römische Kirche jene Leute Manichäer, allein das tut nichts zur Sache; die Pharisäer und Schriftgelehrten haben den Meister Beelzebub geheißen. Geschieht es ja in der protestantischen Christenheit sogar, dass Unwissende und Böswillige diejenigen, welche an die Lehre der evangelischen Kirche von Herzen glauben und diesen Glauben in der Tat beweisen, mit allerhand Schimpfnamen belegen, und ihnen Dinge andichten, die ihnen nie in den Sinn kamen. Wir haben, Gottlob, noch ein schriftliches Zeugnis dieser so genannten Ketzer, das aus dem Jahr 1100 stammt. Es hat den Titel: „La nobla leyçon“ - die edle oder heilsame Lehre, und besteht aus Versen, welche die Zeit der Abfassung angeben mit den Worten: „Elfhundert Jahre sind verflossen, und es steht das Weltende bevor.“ Der Zweck des Gedichtes ist: Erbauung der Gläubigen, Einschärfung evangelischer Heilswahrheiten, Ermahnung zum gottesfürchtigen Christenwandel und Stärkung und Trost für diejenigen, die ihr Leben um Jesu willen in den Tod geben. Wir werden später unten einen Auszug aus dem Gedichte geben1).

In der Folge nannte man Waldenser alle diejenigen, welche sich von der herrschenden Kirche getrennt hatten. Ebrard, der gegen die Waldenser schrieb, sagte von ihnen: „Einige, die sich Waldenser nennen, weil sie im Tränental sich aufhalten, machen sich zu Aposteln Christi.“ Auch die sogenannten Armen von Lyon werden Waldenser genannt. Die Waldenser, welche in jenen verborgenen Tälern wohnten, wurden später verfolgt, als diejenigen, die in Frankreich lebten; es war auch ganz natürlich; das Späherauge der römischen Kirche bemerkte diejenigen weniger, die am meisten zurückgezogen wohnten, und die Boten des Herrn, die von jenen Tälern nach Frankreich auszogen, mussten mehr Aufsehen machen, als die, welche mehr im Stillen Gott dienten. Anfangs, als die Kirche noch nicht den Grad des Verderbens erreicht hatte, wie später, blieben sie noch in derselben, machten wohl auch die äußeren Zeremonien mit; war ja Claudius selbst ein Zeuge, welcher der römischen Kirche äußerlich angehörte. Dabei aber hielten sie sich in Gemeinschaft, etwa so wie die heutigen christlichen Pietisten, zusammen, und erbauten sich gegenseitig, und suchten und fanden so, was die römische Kirche ihnen immer weniger reichte, das Brot des Lebens im Wort Gottes. Später aber sagt eine Schrift der Waldenser: „Wir gehören nicht zu euch; wir sind von eurer Kirche geschieden.“ Nun feierten sie ihren eigenen Gottesdienst, allein nicht öffentlich, sondern im Stillen; denn dazu hätte ihnen Rom keine Erlaubnis gegeben; es geschah dies aus Furcht vor den Verfolgern. Wir haben nun gesehen, dass die Waldenser schon früher vorhanden waren, ehe Peter Waldo von Lyon auftrat; indessen haben wir keine bestimmte Nachricht über sie und über ihr Entstehen. Nur so viel weiß man, dass vom 9ten Jahrhundert an bis ins 13te die Täler von Piemont Leute bewohnten, die Gott im Geist und in der Wahrheit anbeteten. „Die Ketzerei,“ sagt ein Papist, Marco-Aurelio Norenco, „konnte sich daselbst während des zehnten Jahrhunderts erhalten, und brach dann im elften öffentlich hervor.“ Nach und nach verbreitet sich das Gerücht, es seien die südlichen Täler der Alpen von einem Volk bewohnt, das die kirchlichen Gebräuche und Zeremonien verwerfe. Die Geistlichen aufgeschreckt, wissen keinen anderen Rat, als ihre Zuflucht zu dem weltlichen Arm zu nehmen. Sie rufen Fürsten und Obrigkeit auf, die friedlichen, Gott liebenden und unschuldigen Stillen im Lande zu vertilgen. Die Fürsten, die in der Regel immer mehr Billigkeit an den Tag legen, auch wenn sie das Evangelium nicht kennen, als die rachsüchtigen Bauchpfaffen, oder die fanatischen Werkheiligen, weigern sich anfangs, ihre Macht zu missbrauchen; endlich aber geben sie doch den Bitten und Drohungen der Geistlichen nach, und greifen zum Schwert. Während wir früher nur dunkle Spuren von dem Dasein und der Geschichte der Waldenser haben, so wird die Geschichte heller und bestimmter mit

1)
siehe auch waldenser-aus_der_nobla_leyczon_die_edle_unterweisung in den Waldensertexten der Glaubensstimme
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