Möhrlen, Christoph - Geschichte der Waldenser - Zeugnisse, welche sich in den Schriften der Waldenser selbst finden.

Möhrlen, Christoph - Geschichte der Waldenser - Zeugnisse, welche sich in den Schriften der Waldenser selbst finden.

Man kennt ungefähr zwölf bis dreizehn verschiedene symbolische Schriften oder Glaubensbekenntnisse der Waldenser, die schon vor der Reformation vorhanden gewesen sind. Leger führt eines ihrer ältesten Glaubensbekenntnisse an, das bis zum Jahr 1120 hinauf datiert wird, und wovon das Original in den Bibliotheken von Genf und Cambridge sich befindet. Wir führen aus demselben einige Stellen an:

„Wir glauben fest den ganzen Inhalt der zwölf Artikel, des Symbols, das apostolische genannt, und achten alles für Ketzerei, was sich von demselben entfernt.“

„Wir glauben an Gott, Vater, Sohn und heiligen Geist.“

„Wir kennen als kanonische Schrift, die Bücher des heiligen Bibelbuchs an.“ (Es sind dies dieselben, welche die jetzige protestantische Kirche als solche annimmt.)

„Diese Bücher offenbaren uns einen allmächtigen, allweisen und allgütigen Gott, welcher kraft seiner Güte Alles, was da ist, erschaffen hat. Er hat den Adam nach seinem Bild und nach seiner Ähnlichkeit erschaffen; aber durch des Teufels Neid und durch Adams Ungehorsam, ist die Sünde in die Welt gekommen, und wir sind Sünder in Adam und durch Adam.“

„Christus ist unseren Vätern verheißen worden, welche das Gesetz empfangen haben, damit sie vermittelst desselben ihre Sünden, ihre Ungerechtigkeit und ihre Untüchtigkeit erkennen, und damit sie die Ankunft Christi wünschen, der für ihre Sünde genug getan, und das Gesetz durch sich selbst erfüllt hat.“

„Christus ist unser Leben, unser Friede, unsere Gerechtigkeit, unser Hirt, unser Fürsprecher, unser Opfer, unser Hoherpriester, der gestorben ist für das Heil aller seiner Gläubigen, und auferstanden um ihrer Rechtfertigung willen. Wir glauben, dass es nach diesem Leben nur zwei Orte gibt, einen für die Seligen, und diesen nennen wir Paradies, den anderen für die Verdammten, und diesen nennen wir Hölle. Wir verwerfen durchaus das Fegefeuer als eine wider alle Wahrheit erdichtete Träumerei des Antichrists.“

„Wir erkennen keine anderen Sakramente an, als die Taufe und das heilige Abendmahl.“

„Wir sollen die weltliche Obrigkeit ehren, durch unsere Untertänigkeit, unseren Gehorsam, durch unsere Willfährigkeit und durch Bezahlung der Abgaben.“

Flacius Illyricus gab mit mehreren gelehrten und frommen, lutherischen Theologen eine Kirchengeschichte, die magdeburgischen Centurien heraus, aus welchen wir folgende Bruchstücke mitteilen, die dem Glaubensbekenntnis der Waldenser entnommen sind:

„In Glaubenssachen gehört das höchste Schiedsrichteramt der heiligen Schrift an, welches die alleinige Richtschnur unsers Urteils ist: Alles, was nicht mit ihr zusammenstimmt, muss verworfen werden. Die Beschlüsse der Väter und der Kirchenversammlungen dürfen nur da angenommen werden, wo sie mit dem Wort Gottes übereinstimmen.“

„Das Fegfeuer ist eine Erfindung der Menschen, denn die, welche glauben, gehen ins ewige Leben, und welche nicht glauben, in die ewige Verdammnis ein.“

„Die römische Kirche ist Babylon, die Hure. Das ist die Kirche Christi, welche die reine Lehre des Heilandes annimmt, seinen Geboten gehorsam ist, wo sie auch wohnen mag.“

Die schon angeführte heilsame Lehre (La Nobla leyçon), ein Gedicht in waldensischem Dialekt, ist noch älter, als obige Bekenntnisse. Folgender Auszug wird uns eine Vorstellung des einfachen Inhalts desselben geben;

„Brüder, höret die heilsame Lehre:
Lasst uns wachen und fleißig dem Gebet obliegen;
Denn die Welt ist nahe ihrem Ende.
Das Laster nimmt zu, die Tugend nimmt ab;
Dies ist das Unglück, wovon die Schrift redet,
Wovon das Evangelium spricht, und welches Paulus verkündigt.
Die Schrift sagt's, und wir sollen's glauben;
Alle Menschen in der Welt werden wandeln auf zwei Wegen,
Die Frommen gehen zur Herrlichkeit, die Gottlosen in die Qual.
Wer diese Scheidung (partage) nicht glauben will,
Der lese die Schrift von Anfang an,
Da wird er finden, hat er anders Verstand,
Dass Wenige selig werden, und Viele es nicht sein werden.
Aber derjenige, welcher gute Werke tun will,
Fange damit an, Gott zu verehren;
Er flehe um den Beistand seines verherrlichten Sohnes, flehe an den Sohn der heiligen Maria,
Um den heiligen Geist, der uns den Weg zeigt.
Diese Drei sind die heilige Dreieinigkeit,
Der einige Gott, der angerufen werden soll,
Voll Allmacht, Allweisheit und Allgütigkeit.
Zu dem müssen wir oft beten, ihn anrufen,
Damit er uns stärke gegen unsere Feinde,
Die Welt, den Teufel und das Fleisch;
Und damit er uns verleihe
Weisheit und Gnade (bonté),
Um zu erkennen den Weg der Wahrheit.
Wollen wir Jesum Christum lieb haben, und seine Lehre kennen lernen,
So lasset uns wachen und der Schrift folgen,
Da werden wir finden, wenn wir sie lesen,
Dass Jesus nur verfolgt wurde, weil er Recht getan.
Viele noch in gegenwärtiger Zeit,
Obgleich von Wenigen gekannt,
Verlangen zu lehren den Weg Jesu Christi;
Allein sie werden sehr verfolgt, so dass sie nur wenig tun können;
So viel sind der falschen Christen, verblendet, durch Irrtum.
Mehr, als alle anderen die, welche Hirten (pasteurs) sind,
Misshandeln und töten die rechtschaffenen Leute,
Und lassen leben im Frieden die falschen Christen und die Betrüger.
An diesem Kennzeichen sieht man, dass sie keine guten Hirten sind.
Sie lieben die Schafe nur um des Felles willen.“

Folgende Stelle wiederholt sich öfters in diesem Gedicht:

Gibt es einen braven Mann, der Gott liebt und seinen Christus,
Der nicht will afterreden, noch schwören, noch lügen,
Noch ehebrechen, noch töten, noch stehlen,
Noch sich rächen an seinen Feinden; da sagt man gleich:
Das ist ein Waldenser, man muss ihn töten.
Man erdichtet Lügen, um ihm die Frucht seiner verdienten Arbeit zu rauben.
Allein ein solcher mag sich trösten; wer verfolget wird um der Gottesfurcht willen,
Weiß, dass ihm das Himmelreich bereitet ist.“

Die heilsame Lehre begreift einen Abriss der Kirchengeschichte bis auf die Zukunft Christi, einen Inbegriff des Evangeliums, eine Vergleichung zwischen Gesetz und Evangelium, und eine Widerlegung der Irrtümer der römischen Kirche.

Der Katechismus der alten Barben, verfasst zum Behuf des Jugendunterrichtes in den Tälern, wird ungefähr in die gleiche Zeit der heilsamen Lehre gesetzt. Er enthält im Allgemeinen die Lehren der Katechismen, die zur Zeit der Reformation verfasst worden sind. Folgendes ist ein Auszug desselben. (Perrin 3ter Thl. pag. 158.)

Frage. Was ist der Glaube?
Antwort. Der Glaube ist nach dem Apostel Hebr. 11, 1. eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und nicht zweifelt an dem, das man nicht sieht.

Fr. Wie viele Arten des Glaubens gibt es?
Antw. Zwei Arten: einen lebendigen und einen toten Glauben.

Fr. Was ist der lebendige Glaube?
Antw. Derjenige, welcher durch die Liebe tätig ist.

Fr. Was ist der tote Glaube?
Antw. Der Glaube, welcher ohne Werke ist, ist tot, sagt der heilige Jakobus.

Fr. Wie lassen sich alle Gebote zusammen fassen?
Antw. In zwei Hauptgebote: du sollst Gott lieben über Alles, und deinen Nächsten, wie dich selbst.

Fr. Wer kann uns Kraft geben, dieselben zu erfüllen?
Antw. Der Herr, Jesus Christus, von dem der Apostel sagt: 1 Kor. Niemand kann einen anderen Grund legen, als den, der schon gelegt ist, nämlich Jesus Christus.

Fr. Wie kann der Mensch ihm nahe kommen?
Antw. Durch den Glauben; St. Petrus sagt: Siehe da, ich lege einen auserwählten, köstlichen Eckstein in Zion: wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden. Und der Herr selbst sagt: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.

Fr. Glaubst du an die heilige Kirche?
Antw. Nein, denn sie ist eine Kreatur; aber ich glaube, dass es eine solche gibt.

Fr. Was glaubst du von der heiligen Kirche?
Antw. Dass die heilige katholische (wohlverstanden! nicht die römische) Kirche alle Erwählten Gottes von Anfang der Welt bis an das Ende begreift, welche durch Gottes Gnade durch Christi Verdienst auserwählt, durch den heiligen Geist gesammelt, zum ewigen Leben verordnet sind; nur derjenige, der sie erwählt hat, kennt ihre Zahl und ihre Namen.

Fr. Was ist die Hoffnung?
Antw. Eine gewisse Erwartung der Gnade und der zukünftigen Herrlichkeit.

Fr. Was hältst du von der seligen Jungfrau Maria?
Antw. Die selige Jungfrau war und ist voll Gnade in sich; aber nicht, um sie Andern mitzuteilen; ihr Sohn allein ist voll Gnade, um sie mitzuteilen. „Aus seiner Fülle haben wir Alle genommen Gnade um Gnade.“

In der Auslegung des apostolischen Glaubensbekenntnisses führen sie unter anderm bei der Erklärung der Kirche folgende Stelle an: „Gott hat sich eine Kirche erwählt, die da sei herrlich, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder des Etwas, sondern dass sie heilig sei und unsträflich, nach den Worten des Allmächtigen: Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist; denn nichts kann ins Reich Gottes eingehen, das da dem Gräuel und der Lüge sich ergibt; sondern nur die, welche im Buch des Lebens eingeschrieben sind, wie wir in der Offenbarung Johannis lesen.“

In der Erklärung der zehn Gebote beweisen sie, dass sie das Gesetz Gottes in seinem tiefen, geistigen Sinn wohl auffassten: „Alle diejenigen,“ sagen sie, „welche das Geschöpf mehr lieb haben, als den Schöpfer, halten das erste Gebot nicht. Wem einer mehr dient, als Gott, das ist sein Gott. So sagt der heilige Chrysostomus: „Das Böse, dessen Sklave der Mensch ist, wird sein Gott.“ Was der Mensch wenig liebt, dessen Verlust erträgt er gern; was er mehr liebt, dass bewahrt und besorgt er sorgfältig.“

Samuel sprach zum Hause Israel: Wenn ihr zum Herrn von ganzem Herzen zurückkehrt, und wenn ihr aus eurer Mitte alle fremden Götter tut, so wird er euch von der Hand der Philister erretten. Darum lasst uns unsere Liebe gegen Christus beweisen, der zur Rechten Gottes ist.

Es wird uns untersagt, den Namen unsers Gottes unnütz im Munde zu führen, oder aus Gewohnheit zu schwören.

Diejenigen, welche den Sabbat der Christen halten, d. h. den Tag des Herrn heiligen wollen, müssen vier Dinge sorgfältig beobachten. 1) Sie müssen sich aller weltlichen Handarbeit enthalten. 2) Sie müssen alles Sündliche vermeiden. 3) Sie müssen nicht träge in Verrichtung guter Werke sein. 4) Sie müssen solche Dinge tun, welche die Wohlfahrt der Seele befördern.

Die Erklärung der zehn Gebote schließt mit folgenden Worten: „Die erste Gnade des Heils ist die Erkenntnis der Sünde. Lasst uns daher unsere Fehler erkennen, uns vertrauensvoll dem Gnadenthron nahen, und Gott unsere Sünden bekennen, denn er ist getreu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt, uns von aller Untugend reinigt, und uns zu dem Leben seiner Gnade führt. Amen.“

Die alten Waldenser hatten ein gemeinsames Sündenbekenntnis, in welchem sich der Sünder in folgenden Ausdrücken zu Gott wandte:

„Ich kann, o Herr, mich nicht entschuldigen! du hast mir gezeigt, was gut und bös ist. Es war mir bewusst, deine Macht, deine Weisheit, deine Gerechtigkeit, deine Güte. Alles Böse, das ich demnach getan habe, kommt allein von meiner Bosheit. Herr! vergib mir, denn ich habe dich verschmäht durch meinen großen Unglauben. Ich habe dem Hochmut Gehör gegeben, und die Demut verlassen: vergibst du mir nicht, so bin ich verloren, so tief ist die Lust in meinem Herzen gewurzelt. Ich liebe den Geis, ich hasche nach Lob, ich habe wenig Liebe zu denen, die mich durch ihre Güte sich verbunden haben. Wenn du mir nicht vergibst, so bin ich verloren. Der Zorn herrscht in meinem Herzen, und der Neid nagt an mir; ich habe keine Liebe. Ich bin träg das Gute, und behend Böses zu tun usw. Ich habe dir, o Herr, nicht gedankt für das Gute, das du mir getan hast durch deine Liebe. Herr, vergib mir!

Ich habe zu sehr meinem Leibe und meinem Willen gefrönt durch manche eitle Gedanken und böse Wünsche, an denen ich Gefallen fand. Erbarme dich meiner, und schenke mir Demut! Mein Ohr lieh ich der Verleumdung, aber dein Gesetz zu hören, langweilte mich. Herr, vergib mir, und schenke mir ein solch Vertrauen am Tage des Gerichts, dass ich weder den Teufel, noch sonst etwas fürchte; nimm mich auf zu deiner heiligen Rechten! Amen.“

Die Waldenser waren sehr fleißig im Krankenbesuch; die Kranken wurden ermuntert, auf Jesum, das Muster der Geduld zu sehen, der für uns litt und starb; sich auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit zu verlassen, ihm Leib und Seele anzubefehlen; endlich nur das Heil bei Christo zu suchen, und seine Verheißungen zu erwägen, die er denen gibt, die ihn aufrichtig anrufen.

Die Waldenser hatten ferner eine sehr strenge Kirchenzucht, welche in allen ihren Gemeinen beobachtet wurde. Die brüderliche Bestrafung erfolgte nach der Regel unsers Herrn, wie er sie Matth. 18,15-18. ausspricht und nach dem Ausspruche Gal. 6,1. Was offenbare Sünden anbetraf, so wurde nach dem apostolischen Befehl verfahren: „Wer öffentlich sündigt, den strafe vor allen, auf dass sich auch die Andern fürchten.“ Der offenbare Sünder, sagt die Disziplin der Waldenser, muss gestraft werden, was der Apostel selbst bestätigt: 1 Kor. 5. „Ich zwar, als der ich mit dem Leibe nicht da bin, doch mit dem Geist gegenwärtig, habe schon als gegenwärtig beschlossen über den, der solches also getan hat, in dem Namen unsers Herrn Jesu Christi, in eurer Versammlung mit meinem Geist, und mit der Kraft unsers Herrn Jesu Christi, ihn zu übergeben dem Satan, zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig werde am Tag des Herrn Jesu. So jemand ist, der sich lässt einen Bruder nennen und ist ein Hurer, oder ein Geiziger, oder ein Abgöttischer oder ein Lästerer, oder ein Trunkenbold, oder ein Räuber; mit demselben sollt ihr auch nicht essen. Tut von euch hinaus, wer da bös ist.“

In Bezug auf weltliche Vergnügungen waren sie sehr streng. Die waldensische Disziplin nannte die Schenke eine Quelle von Sünden, eine Satansschule, und den Tanz eine Prozession des Teufels. „So viel Schritte einer beim Tanze tut“, sagt sie, „so viel Sprünge tut er in die Hölle.“

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