Antichrist. Fegfeuer. Heiligenanrufung.

Antichrist. Fegfeuer. Heiligenanrufung.

Der Traktat der Waldenser, der von dem Antichrist handelt, ist sehr alt, und sein Datum wird schon in das Jahr 1120 gesetzt.

„Der Antichrist“, sagt diese Schrift, ist die Falschheit selbst, er bedeckt sich und schmückt sich mit der Schrift, den Sakramenten, und mehreren anderen Dingen.“

„Der Antichrist ist jener Mensch der Sünde, der sich gegen alles, was Gott ist, erhebt, der im Tempel Gottes sitzt, und sich für Gott selbst ausgibt. Er ist zur Verführung aller derer gekommen, welche verloren gehen, und weil er in der Tat gekommen ist, so dürfen wir ihn nicht mehr erwarten, denn er ist nach Gottes Zulassung schon alt, aber er nimmt ab, und seine Macht ist vermindert. Schon tötet der Herr diesen Gottlosen durch den Geist seines Mundes. Der Antichrist maßt sich für sich und seine Handlungen, für die elende, vernünftige oder unvernünftige, tote oder lebendige Kreatur den Gottesdienst an, der nur Gott angehört.“

„Er raubt Christo sein Verdienst und die ganze Fülle der Gnade, der Rechtfertigung, der Wiedergeburt, der Sündenvergebung, der Heiligung, der Befestigung, der geistlichen Nahrung, um dieses alles seiner Autorität, einer Form von Worten, seinen eigenen Werken, den Heiligen und dem Fegfeuer beizulegen.“

„Gleichwohl hat er einige anständige Eigenschaften, die über seine Gräuel einen Schleier werfen, z. B. das äußere Bekenntnis zum Christentum, die Überlieferung, Verzeichnisse von bischöflicher Sukzession, lügenhafte Wunder, äußere Heiligkeit, gewisse Sprüche von Christo selbst, die Verwaltung der Sakramente, wortreiche Predigten gegen das Laster, das tugendhafte Leben einiger, die in Babel wirklich für Gott leben, welche jedoch der Antichrist zu verhindern sucht, alle ihre Hoffnung auf Christum zu sehen. Diese Dinge sind ein Mantel, womit der Antichrist seine Bosheit zudeckt, damit er nicht, wie ein Heide verworfen werde. Da wir diese Dinge erkannt haben, so scheiden wir uns vom Antichrist, nach der ausdrücklichen Ermahnung der heiligen Schrift. Wir vereinigen uns mit der Wahrheit Christi und mit seiner Braut, so gering sie auch scheinen mag. Der Christ hat die Pflicht, sich vom Antichrist zu trennen; denn der Herr sagt: Jes. 52. Weicht, weicht, zieht aus von dannen, und rührt kein Unreines an, geht aus von ihr, reinigt euch, die ihr des Herrn Geräte tragt; denn ihr sollt nicht mit Eilen ausziehen, noch mit Flucht wandeln, denn der Herr wird vor euch herziehen, und der Gott Israels wird euch sammeln. Und Jer. 50. flieht aus Babel, und zieht aus der Chaldäer Land.“ Folgende Stellen sind in jenem Traktat angeführt: 4 Mos. 16,21. 26. 2 Mos. 34,12. Offenb. 18,4.5. Ephes. 5,7.8. 2 Thess. 3,6.7. Matth. 10,35.36. Joh. 11,52. In diesen Stellen fanden die Waldenser eine Aufforderung, eines Teils aus Rom aus zu gehen, und die kirchliche Gemeinschaft mit demselben zu meiden; anderen Teils, sich in eine Kirche oder Gemeine des Herrn zu vereinigen. Auf das eine folgte notwendiger Weise das andere. Wer Christi Geist hat, sucht seines Gleichen, verbindet sich in einer Gemeinde mit den Gläubigen nach der Regel und Richtschnur des Wortes Gottes. War es ihre Pflicht, Rom, das sie als Babel erkannten, zu verlassen, so trieb die Ausgetretenen der Geist Gottes, der ein Geist der Gemeinschaft ist, sich unter sich enger und fester zu verbinden, und so entstanden die waldensischen Gemeinden. Es war nichts von Menschen Gemachtes, keine menschliche Kirchenfabrikation, wie manche in unseren Zeiten aus menschlichem Gutmeinen Sekten stiften; sondern ein Werk Gottes.

Die Schriften über die Träumerei des Fegfeuers und der Anrufung der Heiligen, sind aus derselbigen Zeit, aus welcher der Traktat über den Antichrist stammt.

Die Schrift über die Anrufung der Heiligen enthält zugleich die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben, von dem Mittleramt Christi usw. „Die Heiligen“, heißt es in derselben „werden nur selig durch Christi Mittleramt, und ihr Danklied erschallt noch jetzt auf der Erde:“ Offenb, 5,9. „O Herr! Du bist würdig zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel, denn du bist erwürget, und hast uns Gott erkauft, mit deinem Blut, aus allerlei Geschlechter und Zungen und Volk und Heiden, und hat uns unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht!“ Die Waldenser kannten nur einen Mittler, zwischen Gott und Menschen, nämlich Christum; von einer Vermittlung der Heiligen wollten sie nichts wissen.

Außer den Schimpfnamen und Lästernamen, die man ihnen beilegte, wurden noch mancherlei Verleumdungen gegen sie aufgebracht: Man gab ihnen Schuld, sie hielten die Ehe nicht heilig, sie verließen ihre Frauen, um sich mit anderen zu verbinden; sie lehren Güter- und sogar Weibergemeinschaft. Dagegen schrieben sie eine Apologie (1508) und übergaben dieselbe dem König von Böhmen Wladislaw, bei Veranlassung einer furchtbaren Verfolgung, die sich gegen sie erhoben hatte. Zur Widerlegung jener Beschuldigungen führten sie die Schrift an: 1 Kor. 7,10-12. „Das Weib scheide sich nicht von dem Mann, und der Mann scheide sich nicht von dem Weib. Jeder habe sein eigenes Weib, und jede ihren eigenen Mann. Der Mann liebe sein Weib, gleichwie Christus geliebt hat seine Gemeinde.“ Was die Gütergemeinschaft betrifft, so antworteten sie, sie sei der Art, dass es niemand verwehrt sei, ein gesetzliches Eigentum zu besitzen. Die Verleumdung, als ob sie die Eidesleistung verweigerten, wiesen sie durch Anführung der Schriftstellen Hebr. 6,16. 5 Mos. 6,13. 1 Mos. 26,28.31.54. zurück. Man beschuldigte sie ferner, auf eine lügenhafte Weise, sie rächten sich selbst. Ihre Antwort hierauf ist wiederum eine biblische: „Der Herr sagt allerdings: Hütet euch vor den Menschen; aber nirgends befiehlt er den Seinigen zu töten; im Gegenteil ermahnt er seine Jünger: „Liebt eure Feinde!“ und - als die Jünger ihn fragten: „Sollen wir Feuer vom Himmel fallen lassen 0 dass sie verzehre?“ so antwortete er ihnen: „Wisst ihr nicht, wessen Geistes Kinder ihr seid?“ und zu Petrus sprach er: „Stecke dein Schwert in die Scheide .“ „Wir sind,“ fügen sie hinzu, „die Tenne des Herrn, um gleich dem Korn gedroschen zu werden, das man von der Spreu trennt.“ Gegen die Beschuldigung, dass sie ihre Pfarrer zur körperlichen Arbeit verpflichteten, antworten sie: „Wir halten es nicht für notwendig, dass unsere Pfarrer arbeiten, um sich ihr Brot zu erwerben; sie könnten besser dem Unterricht obliegen, wenn wir im Stande wären, sie zu unterhalten; allein unsere Armut erlaubt es uns nicht.“

Welche Einfalt! welche ungeheuchelte Frömmigkeit, welcher Glaube, welche Geduld der Heiligen spricht aus allen diesen Zeugnissen. Die Waldenser waren gewisslich die Elenden in der Welt, von denen so oft der Psalmist redet. Sie waren die Sanftmütigen, die das Erdreich besitzen, das Volk Gottes, das Erbe des Herrn, das er durch sein Blut zu seinem Eigentum sich erworben hat.

Auf Felsengrunde festiglich
Stehn Gottes sel'ge Scharen,
Sie haben, treuer Heiland, dich
Und deine Gnad' erfahren.1)

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Weitere Schriften der Waldenser und über sie unter Waldenser
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