Melanchthon, Philipp - Von der Gewalt und Oberkeit des Papsts, durch die Gelehrten zusammengezogen zu Schmalkalden

Melanchthon, Philipp - Von der Gewalt und Oberkeit des Papsts, durch die Gelehrten zusammengezogen zu Schmalkalden

Anno 1537

Philipp Melanchthon

Der Papst rühmet sich zum ersten, daß er aus göttlichen Rechten der Oberste sei über alle andere Bischöfe und Pfarrherrn in der ganzen Christenheit. Zum andern, daß er aus göttlichem Rechten habe beide Schwert, das ist, daß er möge König setzen und entsetzen [absetzen], weltliche Reich ordnen etc.. Zum dritten sagt er, daß man solches bei Verlust der ewigen Seligkeit zu glauben schuldig sei. Und dies sind die Ursachen, daß der Papst sich nennet und rühmet, er sei der Statthalter Christi auf Erden. Diese drei Artikel halten und erkennen wir, daß sie falsch, ungöttlich, tyrannisch und der christlichen Kirchen ganz schädlich sind. Auf daß nun unser Grund und Meinung deste [darüber] daß möge verstanden werden, wollen wir zum ersten anzeigen, was es heiße, daß der Papst über die ganzen christlichen Kirchen gemeiner Bischof und, wie sie es nennen, oecumenicus episcopus sei, das ist, von welchem alle Bischöfe und Pfarrherrn durch die ganze Welt sollen ordiniert und bestätigt werden, daß er allein Recht und Macht habe, alle Bischöfe und Pfarrherrn zu wählen, ordnen, bestätigen und entsetzen. Neben dem maßet er sich auch dies an, daß er Macht habe, allerlei Gesetz zu machen von Gottesdienst, Änderung der Sakrament und der Lehre, und will, daß man seine Statuta und Satzungen andern Artikeln des christlichen Glaubens und der heiligen Schrift soll gleich halten, als die ohne Sünde nicht mögen nachgelassen werden; denn er will solch Gewalt auf das göttlich Recht und heilige Schrift gründen, ja er will, daß man es der heiligen Schrift und den Geboten Gottes soll vorziehen. Und das noch ärger ist, setzet er noch das hinzu, solches alles soll und müsse man glauben bei Verlust der ewigen Seligkeit.

Darum wollen wir zum ersten aus dem heiligen Evangelium anzeigen, daß der Papst gar keiner Obrigkeit über andere Bischöfe und Seelsorger aus göttlichem Recht sich möge anmaßen.

1. Lucae am 22, verbeut [verbietet] Christus mit klaren, hellen Worten, daß kein Apostel einige Oberkeit [Herrschaft] über die andern haben soll; dann eben dies war die Frag unter den Jüngern, als Christus von seinem Leiden ihnen gesagt hätt', daß sie disputierten untereinander, wer unter ihnen Herr sein und Christum nach seinem Absterben verwesen [vertreten] sollt'. Aber Christus strafet solchen Irrtum der Apostel und lehret sie, es werde die Weise nicht haben, daß sie wollten Herrn sein und Oberkeit haben, sondern sie sollten zugleich [gleiche] Apostel sein und in gleichem Amt das Evangelion predigen. Darum sagt er auch: „Die weltlichen Könige herrschen, und die Gewaltigen heißet man gnädige Herrn. Ihr aber nicht also, sonder der Größte unter euch soll sein wie der Geringste und der Vornehmste wie ein Diener.“ Hier siehet man, wann man's gegeneinander hält, daß er kein Herrschaft unter den Aposteln haben will, wie solches auch wohl scheinet aus der andern Gleichnus [Gleichnis], da Christus in gleicher Disputation von der Herrschaft ein junges Kind in die Mitten stellet, auf daß er anzeige, daß, gleichwie ein Kind keiner Herrschaft begehret und sich untersähet [unterordnet], also auch die Apostel und alle, so das Wort führen sollen, nicht Oberkeit sollen suchen noch brauchen.

2. Johannis 20 sendet Christus seine Jünger zugleich zum Predigtamt ohn alle Unterschied, daß einer weder mehr noch weniger Gewalt soll haben dann der ander; dann, so sagt er, „gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Die Wort sind hell und klar, daß er ein jeden also sende, wie er ist gesendet worden. Da kann je keiner kein sonder Oberkeit oder Gewalt für und über die andern rühmen.

3. Galatern 2 zeigt der heilige Paulus klar an, daß er von Petro weder ordiniert noch konfirmiert und bestätigt sei, und erkennet Petrum in keinem Weg dafür, als hätte er von ihm müssen bestätigt werden, und in Sonderheit [besonders] streitet er dieses, daß sein Beruf auf S. Peters Gewalt gar nicht stehe noch gründet sei. Nun sollt' er je Petrum als ein Obersten erkennet [anerkannt] haben, wo Petrus anderst solch Obrigkeit von Christo hätt' empfangen, wie der Papst ohn allen Grund rühmet. Darum spricht auch Paulus, er hab' das Evangelium ein lange Zeit frei gepredigt, ehe er Petrum darum bespracht hab'. Item er spricht, „es liege ihm nichts an denen, die das Ansehen haben, welcherlei sie gewesen sind; dann Gott achtet das Ansehen der Person und Menschen nicht.“ „Mir aber haben die, die das Ansehen hätten, kein Befehl getan [keine Verpflichtung auferlegt].“ Weil nun Paulus klar zeuget, er hab' bei Petro nicht wollen ansuchen, daß er ihm zu predigen erlaubte, auch dazumal, da er am letzten sei zu ihm kommen, haben wir ein gewisse Lehre, daß das Predigtamt vom gemeinen Beruf der Apostel herkommet, und ist nicht not, daß alle dieser einigen Person Petri Beruf oder Bestätigung haben.

4. 1. Korinther 5 machet Paulus alle Kirchendiener gleich und lehret, daß die Kirchen mehr sei dann die Diener. Darum kann man mit keiner Wahrheit sagen, daß Petrus einige Oberkeit oder Gewalt für andern Apostel über die Kirchen und alle andere Kirchendiener gehabt habe; dann, so spricht er, „ es ist alles Euer, es sei Paulus oder Apollo oder Cephas“, das ist, es darf weder Petrus noch ander Diener des Worts ihnen zumessen einige Gewalt oder Oberkeit über die Kirchen. Niemand soll die Kirche beschweren mit eignen Satzungen, sondern hier soll es so heißen, daß keines Gewalt noch Ansehen mehr gelte dann das Wort Gottes. Man darf nicht Cephas Gewalt höher machen denn der andern Aposteln, wie sie dann zu der Zeit pflegten zu sagen: Cephas hält dies also, der doch der fürnehmeste Apostel ist, darum soll es Paulus und ander auch so halten. Nein, spricht Paulus, und zeuget Petro dies Hutlin ab, daß sein Ansehen und Gewalt sollt' höher sein dann der andern Apostel oder Kirchen.

5. Das Konzil zu Nicäa hat beschlossen, daß der Bischof zu Alexandria sollte bestellen die Kirchen in Orient und der Bischof zu Rom die „suburbanos“, das ist die, so zu Rom gehörten in Occident. Hier ist des römischen Bischofs Macht zum ersten gewachsen, nicht aus göttlichem, sonder menschlichen Rechten, wie es im Concilio Nicaeno ist beschlossen worden. So nun der römische Bischof nach göttlichem Rechte wär' der Oberste gewesen, hätte das Konzili zu Nicäa nit Macht gehabt, ihm solche Gewalt zu nehmen und auf den Bischof zu Alexandria zu wenden, ja alle Bischöfe in Orient sollten je und je vom Bischof zu Rom begehrt haben, daß er sie ordinieret und bestätiget hätte.

6. Item im Concilio Nicaeno ist beschlossen worden, daß ein itzliche Kirch einen Bischof für sich selbst in Beiwesen [Beisein] eines oder mehr Bischöfen, so in der Nähe wohnen, wählen sollte. Solch ist nicht allein in Orient ein lange Zeit, sondern auch in andern und lateinischen Kirchen gehalten worden, wie solches klar in Cypriano und Augustino ist ausgedruckt; dann so spricht Cyprianus epistola 4 ad Cornelium: „Darum soll man es fleißig nach dem Befehl Gottes und der Apostel Gebrauch halten, wie es dann bei uns und fast in allen Landen gehalten ward, daß zu der Gemeine, da ein Bischof zu wählen ist, andere des Orts nahent gelegne Bischöfe zusamm sollen kommen und in Gegenwart der ganzen Gemeine, die eins jeden Wandel und Leben weiß, der Bischof soll gewählet werden, wie wir dann sehen, daß es in der Wahl Sabini, unsers Mitgesellen, auch beschehen ist, daß er nach Wahl der ganzen Gemeine und Rat etlicher Bischöfe, so vorhanden gewest, zum Bischofe erwählet und die Hände ihm aufgelegt sein“ etc. Diese Weise heißet Cyprianus ein göttliche Weise und apostolischen Gebrauch und zeuget, daß es fast in allen Landen dazumal so gehalten sei. Weil nun weder die Ordination noch Confirmatio dazumal durch das größte Teil der Welt in allen Kirchen der Griechen und Lateinischen beim Bischofe zu Rom ist gesucht worden, ist es klar, daß die Kirchen dazumal solch Oberkeit und Herrschaft dem Bischofe zu Rom nicht geben hat.

7. Solch Oberkeit und Herrschaft ist auch ganz und gar unmöglich; dann wie konnte es möglich sein, daß ein Bischof sollte alle Kirchen der ganzen Christenheit versorgen oder daß die Kirchen, so fern von Rom gelegen, allein von einem alle ihr Kirchendiener konnten ordinieren lassen? Dann das ist je gewiß, daß das Reich Christi durch die ganze Welt ist ausgeteilet. So sind auch noch heutigs Tags viel christlicher Versammlung der Kirchen in Orient, welche Kirchendiener haben, so weder vom Papst noch den Seinen ordiniert noch konfirmiert sind. Weil nun solch Oberkeit, der sich der Papst wider alle Schrift anmaßet, auch ganz und gar unmöglich ist und die Kirchen in der Welt hin und wieder den Papst für ein solchen Herren weder erkennet noch brauchet haben, siehet man wohl, daß solch Oberkeit nicht von Christo eingesetzt und nicht aus göttlichen Rechten kommet.

8. Es sind vor alters viel Concilia ausgeschrieben und gehalten worden, in welchen der Bischof zu Rom nicht als der Oberste gesessen ist als zu Nicäa und an andern Orten mehr. Dasselb ist je auch ein Anzeigen, daß die Kirche dazumal den Papst für einen Oberherren über alle Kirchen und Bischöfe nicht erkennet [anerkannt] habe.

9. S. Hieronymus spricht: „Wann man will von Gewalt und Herrschaft reden, so ist je orbis mehr dann urbs“, das ist, Welt ist mehr dann die Stadt Rom. Darum „es sei der Bischof zu Rom oder Engubien, zu Konstantinopel oder Regio oder Alexandrien, so ist Würde und Amt gleich“ etc.

10. Item Gregorius schreibt zum Patriarchen zu Alexandria und verbeut ihm, er soll ihn nicht heißen den hohesten Bischof. Und in den Regesten sagt er, es sei im Concili zu Chalcedon dem Bischof zu Rom angeboten worden, er soll der oberste Bischof sein, aber er habe es nit angenommen.

11. Zum letzten, wie kann der Papst nach göttlichen Rechten über die Kirchen sein, weil doch die Wahl bei der Kirche stehet und dies mit der Zeit gar in die Gewohnheit kommen ist, daß die römischen Bischöfe von den Kaisern sind bestätigt worden.

Hier werden etliche 'Sprüch wider uns geführt als Matthäi am 16.: „Du bist Petrus, und auf diesen Fels will ich bauen meine Gemeine oder Kirchen.“ Item: „Dir will ich die Schlüssel geben.“ Item: „Weide meine Schaf“ und dergleichen mehr. Weil aber dieser ganz Handel fleißig und genugsam von den Unsern zuvor ist traktieret, wollen wir dieselbige Schriften hie erholet [auf sie hingewiesen] haben und auf dies Mal kurz antworten, wie bemeldte [zitierte] Sprüch im Grund zu verstehen sind. In allen diesen Sprüchen ist Petrus ein gemeine [keine Privatperson] Person und redet nicht für sich allein, sondern für alle Apostel. Dieses beweisen die Text klar; dann Christus fragt je Petrum allein nicht, sonder spricht: „Wer sagt IHR, daß ich sei?“ Und das Christus hie zu Petro allein redet als: „Dir will ich die Schlüssel geben,“ item: „Was du binden wirdest“ etc., dasselb redet er an andern Orten zu dem ganzen Haufen, als: „Was ihr binden werdt auf Erden“ etc., item in Johanne: „Welchem ihr die Sünden vergebet“ etc. Diese Wort zeugen, daß die Schlüssel allen ingemein geben und sie alle zugleich zu predigen gesandt worden sind. Über das muß man je bekennen, daß die Schlüssel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirchen gehören und geben sind, wie dann solches mit hellen und gewissen Ursachen genugsam kann erwiesen werden: dann gleichwie die Verheißung des Evangelii gewiß und ohne Mittl [unmittelbar] der ganzen Kirchen zugehöret, [auch] also gehören die Schlüssel ohne Mittl der ganzen Kirchen, dieweil die Schlüssel nichts anders sind dann das Amt, dardurch solch Verheißung idermann, wer es begehrt, wurd mitgeteilt, wie es dann im Werk vor Augen ist, daß die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu ordinieren. Und Christus spricht bei diesen Worten: „Was ihr binden werdet“ etc. und deutet, wem er die Schlüssel geben, nämlich der Kirchen: „Wo zwen oder drei versammelt sind in meinem Namen“ etc. Item Christus giebet das hohest und setzt Gericht der Kirchen, da er spricht: „Sag's der Kirchen.“ Daraus folget nun, daß in solchen Sprüchen nicht allein Petrus, sonder der ganze Hauf der Aposteln gemeinet wurd. Darum kann man in keinen Weg aus solchen Sprüchen ein sonder [besondere] Gewalt der Oberkeit gründen, die Petrus vor andern Aposteln gehabt hab' oder haben hat sollen.

Daß aber stehet: „Und auf diesen Felsen will ich mein Kirchen bauen“, da muß man je bekennen, daß die Kirch nicht auf einigs Menschen Gewalt gebauet sei, sonder sie ist gebauet auf das Amt, welchs die Bekanntnus [Bekenntnis] führet, die Petrus tut, nämlich daß Jesus sei der Christ und Sohn Gottes. Darum redet er ihn auch an als einen Diener solches Amts, da diese Bekanntnus und Lehre ihnen geben soll, und spricht: „Auf diesen Felsen“, das ist auf diese Predigt und Predigtamt. Nun ist je das Predigtamt an kein gewiß Ort noch Person gebunden, wie der Leviten Amt im Gesetz gebunden war, sonder es ist durch die ganze Welt ausgestreuet und ist an dem Ort, da Gott seine Gaben gibt Aposteln, Propheten, Hirten, Lehrer etc. Und tut die Person garnichts zu solchem Wort und Amt, von Christo befohlen, es predige und lehre es, wer da woll', wo Herzen sind, die es glauben und sich daran halten, den widerfähret, wie sie es hören und glauben, darum daß es Christus so zu predigen befohlen und seinen Verheißungen zu glauben geheißen hat. Auf diese Weise legen solche Sprüch viel alter Lehrer aus, nicht von der Person Petri, sonder vom Amt und Bekenntnis als Origines, Ambrosius, Cyprianus, Hilarius, Beda. Also spricht Chrysostemus: „Uf diesen Felsen etc. und nicht uf Petrum; dann er hat nicht uf den Menschen, sondern uf den Glauben Petri sein Kirch gebaut, welchs ist aber der Glaube: „Du bist Christus, der Sohn Gottes, des Lebendigen.“ Hilarius: „Petro hat's der Vater offenbaret: „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes“, hierum uf diesen Fels des Bekanntnus ist die Kirch gebaut. Diese ist der Kirchen Grunde und Fundament.“

Daß nu an andern Orten stehen: „Weide meine Schafe“, item: „Peter, hast mich auch lieber denn diese?“, folget noch nicht, daß Petrus mehr Gewalt sollt' haben denn andere Apostel, sonder er heißt ihn weiden, das ist das Evangeli predigen oder die Kirchen durchs Evangeli regieren, das gehet je eben sowohl auf andere Apostel als auf Petrum.

Der ander Artikel ist noch klärer dann der erste; dann Christus hat seinen Jüngern allein geistlich Gewalt geben, das ist, er hat ihnen befohlen, das Evangelion zu predigen, Vergebung der Sünden zu verkündigen, die Sakrament zu reichen und die Gottlosen zu bannen, ohn leiblich Gewalt durchs Wort. Und hat ihnen gar nicht befohlen, das Schwert zu fueren noch weltlich Regiment zu bestellen, einzunehmen, Könige zu setzen oder zu entsetzen; dann so spricht Christus: „Gehet hin und lehret, daß man das halte, was ich euch geboten hab'“, item: „Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich Euch.“ Nun ist es je am Tag, daß Christus nicht dazu gesandt ist, daß er das Schwert sollt' fueren, oder auf weltliche Weise regieren, wie er dann selb sagt: „Mein Reich ist nit von dieser Welt.“ Und Paulus spricht: „Wir herrschen nicht über Euren Glauben,“ item: „Unser Kriegsrüstung und Waffen sind nicht fleischlich“ etc. Daß nun Christus in seim Leiden mit Dornen gekrönet und im Purpurkleid erfur [hervor] geführet und so verspottet ist worden, ist alles ein Deutung [Symbol] gewesen, daß mit der Zeit das recht geistlich Reich sollt' verachtet und sein Evangelion unterdrückt und ein ander äußerlich Reich anstatt desselben under dem Schein geistlicher Gewalt aufgerichtet werden. Darum ist die Constitutio Bonifacii VIII. und das Kapitel „Omnes“ Distinct. 22, und dergleichen andere Spruch mehr ganz und gar falsch und gottlos, damit sie erhalten wollen, daß der Papst vermag gottlichs Rechts ein Herr sei über die Königreiche der Welt, wie dann aus solchem falschen Wahn zum ersten schreckliche Finsternus in der Kirchen und darnach greuliche Zerrüttung und Rumor in Europa erfolget sind; denn da hat man das Predigtamt fallen lassen, und ist die Lehre vom Glauben und geistlichem Reich Christi gar verloschen, und hat man des Papsts äußerlichen Wesen und Satzungen für christliche Gerechtigkeit gehalten. Darnach sind die Päpste auch zugefahrn, haben Fürstentümer und Königreiche zu sich gerissen, Könige gesetzt und entsetzt und mit unbillichem [unbilligem] Bann und Kriegen fast alle Könige in Europa geplaget, sonderlich aber die teutschen Kaiser, bisweilen darum, daß sie die Städte in welschem Land an sich brächten, bisweilen, daß sie die Bischöfe in teutschen Land ihnen undertan machten und die Bistümer selb verleihen mochten, die der Kaiser allein zu verleihen hat. Ja, das mehr ist, in der Clementina stehet also: „Wann das Kaisertum ledig stehe, so sei der Papst der rechte Erbe darzu.“ Also hat sich der Papst nicht allein weltlicher Herrschaft wider Gottes klaren Befehl unbillich underfangen, sonder hat wie ein Tyrann über alle Könige sein wollen. Wiewohl nun solches Tun der Päpste an ihm selb ganz und gar sträflich ist, so ist doch dies das Ärgst daran, daß er solchen Mutwillen und Frevel mit dem Befehl Christi decket und die Schlüssel deutet auf weltliche Herrschaft und hänget an solche ungöttliche und schändliche Opinion der Seelen Seligkeit, da er sagt: „Es sollen es die Leut bei ihrer Seelen Seligkeit also glauben, daß der Papst solche Macht hab' aus göttlichem Rechten.“ Weil nu solche greuliche Irrtum die Lehr vom Glauben und Reich Christi ganz verfinstert haben, will es sich in keinem Weg leiden, daß man darzu sollte stillschweigen; dann man siehet's im Werk vor Augen, was großer Schade der Kirchen daraus erwachsen ist.

Zum dritten, muß man auch dies wissen, obschon der Papst den Primat und Oberkeit aus göttlichem Rechte hätte, daß (dannoch niemand den Papstischen zu folgen schuldig wär', welche falsche Gottesdienst, Abgötterei und unreine Lehre wider das Evangelion erhalten wollten) man denjenigen Päpsten, so falsche Gottesdienst, Abgötterei und falsche Lehr wider das Evangelion furgeben, keinen Gehorsam schuldig ist, ja das mehr ist, man solle auch solche Päpste und solch Reich für ein Anathema [verflucht] und verfluchtes Wesen halten, wie Paulus klar sagt: „Wenn ein Engel von Himmel käme und ein anders Evangelion prediget, anderst dann wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ und in Actis [Apostelgeschichte] steht, „man solle Gott mehr gehorchen dann den Menschen“, wie die geistlichen Recht selb sagen: „Ein Papst, der ein Ketzer ist, soll man nit gehorsam sein.“ Der Hohepriester im Gesetze Mose hätte das Amt aus dem göttlichen Rechten, und gleichwohl war niemand verpflicht zum Gehorsam, wann sie wider Gottes Wort handleten, wie man siehet, daß Hieremias [Jeremia] und andere Propheten sich von den Priestern sonderten. Also sonderten sich die Apostel von Caipha und waren ihm kein Gehorsam schuldig. Nun ist es je am Tage, daß die Päpste samt ihrem Anhang gottlose Lehre und falsche Gottesdienst erhalten wollen und handhaben. So reimen sich auch alle Untugend, so in der heiligen Schrift vom Antichrist sind weisgesagt, mit des Papsts Reich und seinen Gliedern; dann Paulus, da er den Antichrist malet zun Thessalonichern, nennet er ihn einen „Widersacher Christi, der sich über alles erhebe, das Gott oder Gottesdienst heißet, also daß er sich setzet in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt für, er sei ein Gott“ etc. Hier redet Paulus von einem, der in der Kirchen regieret, und nicht von weltlichen Königen und nennet ihn einen Widerwärtigen Christi, weil er ein andere Lehre werde erdenken, und daß er sich solches alles werde anmaßen, als tät er's aus göttlichen Rechten. Nun ist am ersten dies wahr, daß der Papst in der Kirchen regiert und under dem Schein geistlicher Gewalt solch Herrschaft hat an sich bracht; dann er grundet sich auf diese Wort: „Ich will Dir die Schlüssel geben.“ Zum andern ist je des Papsts Lehre in alle Weg wider das Evangeli. Zum dritten, daß er fürgiebet, er sei Gott, ist in dreien Stücken zu merken. Zum ersten, daß er sich des anmaßet, er möge die Lehr Christi und rechte Gottesdienst, von Gott selb eingesetzt, ändern, und will sein Lehre und eigen erdichte Gottsdienst gehalten haben, als hätte sie Gott selb geboten. Zum andern, daß er sich der Gewalt anmaßet, zu binden und entbinden, nicht allein in diesem zeitlichen Leben hie, sonder auch in jenem Leben. Zum dritten, daß der Papst nicht will leiden, daß die Kirch oder sonst imands ihn richte, sonder sein Gewalt soll über alle Concilia und die ganzen Kirchen gehn. Das heißt aber, sich selb zum Gott machen, wenn man weder Kirchen noch imands Urteil leiden will. Zum letzten hat der Papst solche Irrtum und gottlos Wesen auch mit unrechter Gewalt und Morden verteidingt, daß er alle, so es nit allermaß mit ihm gehalten, hat umbbringen lassen.

Weil nun dem also ist, sollen alle Christen auf das fleißigst sich hüten, daß sie solcher gottlosen Lehr, Gotteslästerung und unbilliche Wüterei sich nit teilhaftig machen, sonder sollen vom Papst und seinen Gliedern oder Anhang als von des Antichrists Reich weichen und es verfluchen, wie Christus befohlen hat: „Hütet euch vor den falschen Propheten.“ Und Paulus gebeut [gebietet], daß man falsche Prediger meiden und als einen Greuel verfluchen soll, und 2.Kor. 6 spricht er: „Ziehet nicht am frembden Joch mit den Ungläubigen; dann was hat das Liecht für Gemeinschaft mit der Finsternus“ etc.?

Schwer ist es, daß man von soviel Landen und Leuten sich trennen und ein sonderte Lehr führen will. Aber hie stehet Gottes Befehl, daß idermann sich soll hueten und nicht mit denen einhellig sein, so unrechte Lehre fuern oder mit Wüterei zu erhalten gedenken. Darum sind unsere Gewissen deshalb wohl entschuldigt und versichert; dann man siehet je vor Augen die großen Irrtumbe [Irrtümer], so ins Papst Reich gehen, und die Schrift schreiet mit aller Macht, daß solche Irrtum des Teufels und Antichrists Lehre sei. Die Abgötterei im Missebrauch der Messen ist offenbar, welche neben dem, daß sie sonst nichts taugen, zum schändlichen Genieß [Gewinn] und Krämerei mißbrauchet sind. Die Lehre von der Buße ist vom Papst und den Seinen ganz gefälschet und verderbt worden; dann so lehren sie: Sünde wird' vergeben umb unser eigen Werk willen, und hängen dies dran: „Man sollte dannoch zweifeln, ob die Sünden vergeben sind.“ Darzu lehren sie nicht, daß umb Christus' willen die Sünde ohn' Verdienst vergeben und solch Vergebung der Sünden durch den Glauben an Christum erlanget werde. Mit solcher Lehre nehmen sie Christo sein Ehr und berauben die Gewissen des rechten und gewissen Trostes und tun ab die rechten Gottesdienst, nämblich die Übung des Glaubens, welcher mit dem Unglauben und Verzweifelung über der Verheißung des Evangelii kämpfet.

Dergleichen haben sie auch die Lehr verdunkelt von der Sünde und eigene Satzungen erdichtet, wie man alle Sünde erzählen und beichten müsse, daraus mancherlei Irrtum, auch endlich Verzweifelung gefolget ist. Darnach haben sie eigene Gnugtuung erdacht, dardurch die Wohltat und das Verdienst Christi auch verfinstert ist. Aus diesem ist das Ablaß gefolget, welchs lauter Lügen und allein umbs Gelds willen erdacht ist. Was ist denn darnach für Mißbrauch und greuliche Abgötterei aus dem Anrufen der Heiligen gefolget? Was für Schand und Laster sind kommen aus dem Verbot der Ehe? Wie ist nur das Evangelion durch die Lehre von Gelübden so verdunkelt worden? Da hat man gelehret, daß solche Gelübde sind für Gott eine Gerechtigkeit und verdienen Vergebung der Sünden, daß also das Verdienst Christi auf Menschensatzung gezogen [übertragen] und die Lehre vom Glauben ganz abgetilget ist, und haben ihre närrichten und leichtfertigen Satzungen für den rechten Gottesdienst und Vollkommenheit gerühmet und den Werken, welche Gott von einem jeden in seinem Beruf fordert und geordent hat, fürgezogen. Nun darf man's nicht dafür achten, daß solches geringe Irrtum sind; dann sie nehmen Christo seine Ehre und verdammen die Seelen, darumb soll man sie nicht ungestraft lassen hingehn. Zu diesen Irrtümern kommen nun zwo große, greuliche Sünden. Die eine, daß der Papst solche Irrtum mit unbillicher Wüterei und grausamer Tyrannei mit Gewalt verteidingt und erhalten will. Die andere, daß er der Kirchen das Urteil nimmt und will solch Religionsachen ordentlicherweise nicht richten lassen, ja er will mehr dann alle Concilia sein und die Macht haben, daß er alles, so in Concilien beschlossen, möge zerreißen und aufheben, wie bisweilen die Canones solches unverschämt heraus sagen, und haben solches die Päpste noch unverschämter getrieben, wie viel Exempel bezeugen. 9. quaestione 3. spricht der Kanon: „Niemand soll den höchsten Stuhl richten; dann den Richter richtet weder Kaiser noch die Priester, weder König noch das Volk.“ Also handelt der Papst auf beiden Seiten wie ein Tyrann, daß er solche Irrtum mit Gewalt und Wüterei verteiding und will keine Richter leiden. Und dies ander Stück tut mehr Schadens dann alle Wüterei; dann alsbald der Kirchen das rechte Urteil und Erkanntnus genommen ist, kann nicht möglich sein, daß man falscher Lehre oder unrechtem Gottesdienst konnte steurn und müssen derhalb viel Seelen verloren werden.

Darum sollen gottfürchtige Leut solche greuliche Irrtumbe des Papsts und seine Tyrannei wohl bedenken und zum ersten wissen, daß solche Irrtumbe zu fliehen und die rechten Lehr der Ehre Gottes und der Seelen Seligkeit halben anzunehmen sei. Darnach, daß man doch bedenke, wie ein greulich große Sünde es sei, solch unbilliche Wüterei des Papsts helfen fördern, da soviel frommer Christen so jämmerlich ermordt werden, welcher Blut ohn Zweifel Gott nicht wurd ungerochen [ungerächt] lassen.

Fürnehmlich aber sollen König und Fürsten als fürnehme Gelieder der Kirchen helfen und schauen, daß allerlei Irrtum weggetan und die Gewissen recht underrichtet werden, wie dann Gott zu solchem Amt die Könige und Fürsten sonderlich vermahnet am 2. Psalm: „Ihr Könige, laßt Euch weisen und Ihr Richter auf Erden, laßt Euch züchtigen“; dann dies soll bei den Königen und großen Herren die fürnehmbste Sorg sein, daß sie Gottes Ehr fleißig fürdern [fördern]. Darum wär' es je unbillich, wenn sie ihr Macht und Gewalt dahin wollten wenden, daß solch greuliche Abgötterei und ander unzähliche Laster erhalten und die frommen Christen so jämmerlich erwürgt [ermordet] wurden.

Und im Fall, daß der Papst gleich ein Concilion halten wollt', wie kann der Kirchen wider solche Stücke geholfen werden, so der Papst nicht leiden will, daß man etwas wider ihn schließe oder andere, dann ihm zuvor durch schreckliche Eidespflicht, auch Gottes Wort unausgenommen, zugetan, in Kirchensachen richten sollen? Weil aber die Urteile in Concilien der Kirchen und nicht des Papsts Urteil sind, will es je den Königen und Fürsten gebühren, daß sie dem Papst solchen Mutwillen nicht einräumen, sondern schaffen, daß der Kirchen die Macht zu richten nicht genommen und alles nach der heiligen Schrift und Wort Gottes urteilet werde. Und gleichwie die Christen alle andere Irrtum des Papsts zu strafen schuldig sind, also sind sie auch schuldig, den Papst selbst zu strafen, wann er fliehen oder wehren will das rechte Urteil und wahre Erkanntnus der Kirchen.

Darum obschon der Papst aus göttlichen Rechten den Primat oder Oberkeit hätte, soll man ihm dannoch keinen Gehorsam leisten, weil er falsche Gottesdienst und ein andere Lehre wider das Evangelion erhalten will, ja man soll sich aus Not wider ihn als den rechten Antichrist setzen.

Man siehet's je am Tag, was des Papsts Irrtum und wie groß sie sind. So siehet man auch die Wüterei, welche er wider die frommen Christen furnimmpt. So stehet Gottes Befehl und Wort da, daß wir Abgötterei, falsche Lehr und unbilliche Wüterei fliehen sollen. Darum hat ein ider frommer Christ wichtige, nötige und helle [klare] Ursachen gnug, daß er dem Papst nicht Gehorsam lei9ste. Und sind solche nötige Ursachen allen Christen ein großer Trost wider allerlei Schmach und Schand, die sie uns auflegen, daß wir Ärgernis geben, Zertrennung und Uneinigkeit anrichten etc.

Die es aber mit dem Papst halten und seine Lehr und falsche Gottesdienst verteidingen, die beflecken sich mit Abgötterei und gotteslästerlicher Lehre und laden auf sich alles Blut der frommen Christen, die der Papst und die Seinen verfolgen, die verhindern auch Gottes Ehr und der Kirchen Seligkeit, weil sie solch Irrtum und Laster vor aller Welt und allen Nachkommen zu Schaden verteidingen.

Von der Bischöfe Gewalt und Jurisdiktion

In unser Konfession und Apologie haben wir ingemein [im allgemeinen] erzählet, was von Kirchengewalt zu sagen gewest ist; dann das Evangeli gebeutet denen, so den Kirchen sollen furstehen, daß sie das Evangelion predigen, Sünde vergeben und Sacramente reichen sollen, und über das gibt es ihnen die Jurisdictio, daß man die, so in öffentlichen Lastern liegen, bannen und, die sich bessern wollen, entbinden und absolvieren soll. Nun muß es jedermann, auch unsere Widersacher, bekennen, daß diesen Befehl zugleich alle haben, die den Kirchen furstehn, sie heißen gleich Pastores oder Presbyteri oder Bischöfe. Darum spricht auch Hieronymus mit hellen Worten, daß Episcopi und Presbyteri nicht underschieden sind, sondern daß alle Pfarrherrn zugleich Bischöfe und Priester sind und allegiert [führt an] den Text Pauli ab Titum 1, da er zu Tito schreibet: „Ich ließe Dich derhalb zu Kreta, daß Du bestelltest die Städte hin und her mit Priestern“ und nennet solche ernach „Bischöfe“. „Es soll ein Bischof eins Weibs Mann sein“, so nennen sich selb Petrus und Johannes „Presbyteros“ oder „Priester“. Darnach sagt Hieronymus weiter: „Daß aber einer allein erwählet wurd, der ander under ihm habe, ist geschehen, daß man damit der Zertrennung wehret, daß nicht einer die, der ander dort ein Kirchen an sich zöge und die Gemeine also zerrissen werde; denn zu Alexandria (sagt er) von Marco, dem Evangelisten, an bis auf Esdram und Dionysium haben allezeit die Presbyteri ein aus ihnen erwählet und höher gehalten und Episcopum (einen Bischof) genennet, gleichwie ein Kriegsvolk einen zum Hauptmann erwählet, wie auch die Diakon einen aus ihnen, der geschickt dazu ist, wählen und Archidiakon nennen: dann sage mir, was tut ein Bischofe mehr dann ein iglicher Presbyter, ohne daß er ander zum Kirchenamt ordnet“ etc?

Hier lehret Hieronymus, daß solche Underschied der Bischofen und Pfarrherren allein aus menschlicher Ordnung kommen sei, wie man dann auch im Werk siehet; dann das Amt und Befehl ist gar einerlei, und hat ernach allein die Ordinatio den Underschied zwischen Bischöfen und Pfarrherrn gemacht, dann so hat man's darnach geordnet, daß ein Bischof auch in andern Kirchen Leut zum Predigtamt ordnete. Weil aber nach göttlichem Recht kein Underschiede ist zwischen Bischofen und Pastoren oder Pfarrherren, ist's je ohn Zweifel, wann ein Pfarrherr in seiner Kirchen etliche tüchtige Personen zun Kirchenämtern ordnet, daß solche Ordinatio nach göttlichen Rechten kräftig und recht ist.

Darum weil doch die verordneten Bischöfe das Evangelion verfolgen und tüchtige Personen zu ordinieren sich weigern, hat ein igliche Kirch in diesem Fall gut Fug und Recht, ihr selb Kirchendiener zu ordiniern; denn wo die Kirche ist, da ist je der Befehl, das Evangelion zu predigen. Darum müssen die Kirchen die Gewalt behalten, daß sie Kirchendiener fordern, wählen und ordiniern.

Und solche Gewalt ist ein Geschenk, welchs der Kirchen eigentlich von Gott geben und von keiner menschlicher Gewalt der Kirchen kann genommen werden, wie Paulus zeuget zun Ephesern, da er sagt: „Er ist in die Höhe gefahrn und hat Gaben geben den Menschen.“ Und under solchen Gaben, die der Kirchen eigen sind, zählet er Pfarrherrn und Lehrer und hängt daran, daß solche geben werden zu Erbauung des Leibs Christi. Darum folget, wo ein rechte Kirche ist, daß da auch die Macht sei, Kirchendiener zu wählen und ordiniern, wie dann in der Not auch ein schlechter [einfacher] Lai einen andern absolviern und sein Pfarrherr werden kann, wie S. Augustin ein Historien schreibet, daß zwene Christen in einem Schiffe beisammen gewesen, der einer den andern getaufet und darnach von ihm absolviert sei. Hieher gehören die Sprüche Christi, welche zeugen, daß die Schlüssel der ganzen Kirchen und nicht etlichen sondern Personen geben sind, wie der Text sagt: „Wo zwen oder drei in meim Namen versammelt sind, bin ich mitten under ihn“ etc.

Zum letzten wurd solches auch durch den Spruch Petri bekräftigt, da er spricht: „Ihr seid das königliche Priestertum.“ Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirchen, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muß sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und ordiniern. Solches zeuget auch der gemeine Brauch der Kirchen; dann vorzeiten wählet das Volk Pfarrherrn und Bischöfe. Darzu kam der Bischof, am selben Ort oder in der Nähe gesessen, und bestätiget den gewählten Bischof durch Auflegen der Hände, und ist darzumal die Ordinatio nichts anderst gewest dann solche Bestätigung. Darnach sind ander Zeremonien mehr dazu gekommen, wie Dionysius deren etliche erzählet. Aber dasselb Buch Dionysii ist ein neu Gedicht [Phantasterei, Erfindung] unter falschem Titel [fingiertem Verfassernamen], wie auch das Buch Clemente von einem bösen Buben gemacht ist. Darnach ist auf die Letzt auch dies hinangehängt worden, daß der Bischof gesagt hat zu den, die er weihet: „Ich gebe Dir Macht, zu opfern für die Lebendigen und die Toten.“ Aber das stehet auch im Dionysio nicht.

Hieraus siehet man, daß die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu wählen und ordinieren. Darum wenn die Bischöfe entweder Ketzer sind oder tüchtige Personen nicht wollen ordiniern, sind die Kirchen vor Gott nach göttlichem Recht schuldig, ihnen selb Pfarrherren und Kirchendiener zu ordinieren. Ob man nun dies wollte ein Unordnung oder Zertrennung heißen, soll man wissen, daß die gottlose Lehr und Tyrannei der Bischöfe daran schuldig ist; denn so gebeut Paulus, daß alle Bischöfe, so entweder selb unrecht lehren oder unrechte Lehr und falschen Gottesdienst verteidigen, für verfluchte Leut sollen gehalten werden.

Bis anher haben wir von der Ordinatio gesagt, welche allein etwa Unterschied gemacht hat zwischen Bischöfen und den Priestern, wie Hieronymus spricht. Darum ist nicht not, von den übrigen bischöflichen Ämtern viel zu disputieren, man wollte dann von der Firmelung, Glockentaufen und andern solchem Gaukelspiel reden, welchs fast allein die Bischöfe sonderlich gebraucht, aber von der Jurisdictio ist noch zu handeln.

Dies ist gewiß, daß die gemeine Jurisdictio, die, so in öffentlichen Lastern liegen, zu bannen, alle Pfarrherren haben sollen und daß die Bischöfe als Tyrannen sie zu sich gezogen und zu ihrem Genieß [Vorteil] schändlich mißbraucht haben; dann die Öffiziäl haben unleidentlichen Mutwillen damit getrieben und die Leut entweder aus Geiz oder anderm Mutwillen wohl geplaget und ohn alle vergehende rechtliche Erkanntnus gebannet. Was ist aber dies für ein Tyrannei, daß ein Offizial in einer Stadt die Macht soll haben, allein seinem Mutwillen nach ohn rechtliche Erkanntnus die Leut mit dem Bann so zu plagen und zwingen etc.? Nun haben sie solchen Zwang in allerlei Sachen brauchet und nicht allein die rechten Laster damit nit gestrafet, da der Bann auf folgen sollt', sonder auch in andern geringen Stücken, wo man nicht recht gefastet oder gefeiret hat, ohn daß sie bisweilen den Ehebruch gestrafet und dann auch oft unschuldige Leut geschmähet und infamiert haben; dann weil solch Beschuldigung sehr wichtig und schwer ist, soll je ohne rechtliche und ordentliche Erkanntnus in dem Fall niemand verdammt werden. Weil nun die Bischöfe solch Jurisdictio als Tyrannen an sich gebracht und schändlich mißbrauchet haben, darzu sonst gute Ursach sind, ihnen nicht zu gehorchen, so ist's recht, daß man diese geraubte Jurisdictio auch wieder von ihnen nehme und sie den Pfarrherrn, welchen sie aus Christi Befehl gehört, zustelle und trachte, daß sie ordentlicherweise den Leuten zu Besserung des Lebens und zu Mehrung der Ehre Gottes gebrauchet werde.

Darnach ist ein Jurisdictio in den Sachen, welche nach päpstlichem Recht in das forum ecclesiasticum oder Kirchengericht gehören, wie sonderlich die Ehesachen sind. Solche Jurisdictio haben die Bischöfe auch nur aus menschlicher Ordnung an sich bracht, die dannoch nit sehr alt ist, wie man ex Codice und Novellis Justiani siehet, daß die Ehesachen dazumal gar von weltlicher Oberkeit gehandelt sind, und ist weltliche Oberkeit schuldig, die Ehesachen zu richten, besonder so die Bischöfe unrecht richten oder nachlässig sind, wie auch die Canones zeugen. Darum ist man auch solcher Jurisdictio halber den Bischöfen keinen Gehorsam schuldig, und dieweil sie etliche unbilliche Satzung von Ehesachen gemacht und in Gerichten, die sie besitzen, brauchen, ist weltliche Oberkeit auch dieser Ursache halber schuldig, solche Gerichte anders zu bestellen; dann je das Verbot von der Ehe zwischen Gevattern unrecht ist. So ist dies auch unrecht, daß, wo zwei geschieden werden, der unschuldig Teil nit wiederum heiraten soll.

Item daß insgemein alle Heirat, so heimlich und mit Betrug ohn der Eltern Vorwissen und Bewilligung geschehen, gelten und kräftig sein sollen. Item so ist das Verbot von der Priesterehe auch unrecht. Desgleichen sind in ihren Satzungen andere Stücke mehr, damit die Gewissen verwirrt und beschwert sind worden, die ohne Not ist hie alle zu erzählen.

Und ist an dem genug, daß man weiß, daß in Ehesachen viel unrechts und unbillichs Ding vom Papst ist geboten worden, daraus weltlich Oberkeit Ursach genug hat, solche Gerichte für sich selbst anders zu bestellen.

Weil dann nun die Bischöfe, so dem Papst sind zugetan, gottlose Lehr und falsche Gottesdienste mit Gewalt verteidigen und fromme Prediger nicht ordinieren wollen, sondern helfen dem Papst, dieselben ermorden und darüber den Pfarrern die Jurisdictio entzogen und allein wie Tyrannen zu ihrem Nutz sie gebrauchet haben, zum letzten, weil sie auch in Ehesachen so unbillich und unrecht handeln, haben die Kirchen großer und notwendiger Ursache genug, daß sie solche nicht als Bischöfe erkennen sollen. Sie aber, die Bischöfe sollen denken, daß ihre Güter und Einkommen gestiftet sind als Almosen, daß sie der Kirchen dienen und ihr Amt desto stattlicher ausrichten mögen, wie die Regula heißt: „Beneficium datur propter officium“. Darum können sie solch Almosen mit gutem Gewissen nicht gebrauchen und berauben damit die Kirche, welche solcher Güter darf zu Unterhaltung der Kirchendi9ener und gelehrten Leute aufzuziehen und etliche Arme zu versorgen und sonderlich zu Bestellung der Ehegerichte; dann da tragen sich so mancherlei und seltsame Fälle zu, daß es wohl eines eigenen Gerichts bedarf, solches aber kann ohne Hilfe derselbigen Güter nicht bestellt werden. S. Peter spricht: „Es werden die falschen Bischöfe der Kirchengüter und Almosen zu ihrem Wollust brauchen und das Amt verlassen.“ Dieweil nun der Heilige Geist denselbigen dabei schrecklich droht, sollen die Bischöfe wissen, daß sie auch für diesen Raub Gott müssen Rechenschaft geben.

Die Concordia und Bewilligung der Prediger, so in dem Schmalkaldischen Konvent gewesen sind

Aus Befehl der durchläuchtigsten Fürsten, Stände und Städte, so die Lehre des Evangelions bekennen, haben wir wiederum verlesen die Artikel der Konfession, Kaiserlicher Majestät im Reichstag zu Augsburg überantwortet, und bekennen aus Gottes Gnade alle Prediger, die in diesem Schmalkaldischen Konvent gewesen, einhellig, daß sie nach Inhalt der Artikel der Konfession und Apologia halten und in ihren Kirchen lehren, sie bekennen und den Artikel von dem Primat des Papsts und seiner Gewalt, auch von der Gewalt und Jurisdiktion der Bischöfe, welcher hier in dem Konvent zu Schmalkalden überantwortet ist, annehmen, darum sie auch ihre Namen unterschrieben haben.

Ego Joannes Bugenhagius, Pomeranus D. subscribo articulis Confessionis Augustanae, Apologiae et articulo de papatu Schmalcadiae principibus oblato
Et ego Urbanus Rhegius D., ecclesiarum in ducatu Luneburgensi Superintendens, subscribo
Nicolaus Amsdorff Magdeburgensis subscribsit
Georgius Spalatinus Albenburgensis subscribsit
Andreas Osiander subscribo
M. Vitus Diethrich Noribergensis subscribit
Stephanus Agricola, Ecclisastes Curiensis, manu propria subscribsit
Joannes Draconites Marpurgensis subscribsit
Chunradus Figenbotz se subscribit per omnia
Martinus Bucerus
Erhardus Schnepffius subscribo
Paulus Rhodius, Concionator in Stettin
Gerardus Oemcken, ecclesiae Mindensis Minister
Brixius Norhanus, Susatiensis Concionator
Simon Schneeweiss, Parochus in Crailsheim
Rursum ego Poomeranus subscribo nomine Magistri Joannis Brencii, quemadmodum mihi mandavit
Philippus Melanthon subscribit manu propria
Antonius Corvinus subscribit tam suo quam Adami a Fulda nomine manu propria
Johannes Schlachinhauffen subscribit manu propria
Georgius Heltus Forhemius
Michael Caelius Contionator Mansfeldensis
Petrus Geltnerus, Contionator ecclesiae Franckenfurdiensis
Dionysius Melander subscribsit
Paulus Fagius Argentinensis
Wendalinus Faber, Parochus Seburgae in Mansfeldia
Conradus Öttinger, Phoroensis, Ulrichi ducis Wirtembergensis Contionator
Bonficius Wolfhart, verbi Minister ecclesiae Augustanae
Joannes Fontanus, inferioris Hessiae Superintendens, subscribsit
Friderichus Myconius, pro se et Justo Menio, subscribsit
Ambrosius Blaurerus

Quelle:Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche

Leichte sprachliche Überarbeitung und Anmerkungen durch Andreas Janssen

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