Luther, Martin - Ein Sermon vom ehelichen Stand

Luther, Martin - Ein Sermon vom ehelichen Stand

Vorrede

Es ist ein Sermon vom ehlichen Stand ausgegangen unter meinem Namen, das mir viel lieber nit geschehen wäre. Dann wiewohl ich mir bewußt, daß ich von der Materi geprediget, so ist es doch nit in die Federn bracht, als wohl gleich wäre. Darum ich verursacht, denselben zu ändern und, so viel mir muglich, zu bessern. Bitt ein iglich frumm Mensch, wollt den ersten ausgangen Sermon lassen untergehn und zunichte werden. Auch so jemand mein Prediget fahen will, mäßig sich seiner Eile und laß mich auch zu meiner Wort Ausbreitung raten. Es ist ein groß Unterscheid, etwas mit lebendiger Stimme oder mit toter Schrift an Tag zu bringen.

Ein Sermon von dem ehlichen Stand, verändert und korrigiert durch D. Martinum Luther, Augustiner zu Wittemberg

Zum ersten.

Do Gott Adam geschaffen hätt und alle Tiere fur ihn bracht, unter welchen Adam nit befand, das ihm eben und gleich gesellig wäre zum ehelichen Stand, do sprach Gott: Es ist nit gut, daß Adam allein ist. Ich will ihm ein Gehulfen machen, die ihm zur Hand sein soll, und sandt ein tiefen Schlaf in Adam und nahm eine Rippe von ihm und schloß das Fleisch wieder zu. Und bauet aus derselben Rippen, die er von Adam genommen hatte, ein Weib und bracht sie zu Adam. Da sprach Adam: Das ist ein Bein von meinen Beinen und ein Fleisch von meinem Fleisch. Sie soll heißen eine Mannine, dann sie von ihrem Mann genommen ist. Darum wird ein Mann Vater und Mutter lassen und seinem Weib anhangen, und sollen zwei in einem Fleisch sein.

Das alls seind Gottes Wort, in welchen beschrieben ist, wo Mann und Weib herkummen, wie sie zusammengeben seind und wozu ein Weib geschaffen und was vor Liebe sein soll im ehelichen Leben.

Zum andern.

Wann Gott selb nit gibt ein Weib oder Mann, dann geht es zu, wie es mag. Dann das ist hie angezeigt, daß Adam kein ehelich Gemahel fand, aber sobald Gott Evam geschaffen hätt und zu ihm bracht, da empfand er eine rechte eheliche Liebe zu ihr und erkennet, daß sie sein ehelich Gemahel wäre. Also sollt man lehren, die do zum ehelichen Stand sich geben wolllen, daß sie mit rechtem Ernst Gott bitten um ein ehelich Gemahel. Dann auch der weise Mann sagt, daß Guter und Haus mugen die Elteren ihren Kindern versehn, aber ein Weib wird allein von Gott geben, nach dem ein iglicher wirdig ist, gleich wie Eva allein von Gott Adam geben ist. Und wiewohl die leichtfertige Jugen aus ubriger Lust des Fleischs in diesen Sachen schwünd fähret, so ist es doch ein groß Ding vor Gott. Dann nit umsunst der allmächtig Gott allein dem Menschen fur allen Tieren mit sulchem Ratschlag und Bedenken seinen ehelichen Stand einsetzt. Den andern Tieren spricht er schlechts: Wachset und mehret euch, und steht nit geschrieben, daß er das Weib zu dem Mann bringt. Drum auch kein Ehe da ist. Aber Adam, dem macht er ein einigs, sunderlichs Weib von ihm selbs, bringt sie zu ihm, gibt sie ihm, und Adam verwilligt und nimmt sie an, und das ist dann ein Ehe.

Zum dritten ist ein Weib geschaffen, dem Mann zu einem geselligen Hulfen in allen Dingen, besondern, Kinder zu bringen. Und das ist noch blieben, allein daß es mit böser Lust nach dem Fall vermischt ist. Und itzt die Begierde des Manns zum Weib und wiederum nit lauter ist, dann nit allein Gesellschaft und Kinder, dazu es allein eingesetzt ist, sondern auch die böse Lust sehr stark gesucht wird.

Zum vierten unterscheidt er die Lieb: daß Manns und Weibs Lieb ist oder sein soll die allergroßt und lauterste Lieb vor allen Lieben. Dann er spricht: Vater und Mutter wird der Mann lassen und hangen an seinem Weib, und wiederum das Weib auch, wie wir dann fur Augen täglich sehen. Nun seind dreierlei Liebe: falsche, naturliche, eheliche. Falsche Liebe, die such das Ihre, wie man Geld, Gut, Ehre und Weiber außer der Ehe liebet wider Gottes Gebot. Naturliche Liebe ist zwischen Vater und Kind, Bruder und Schwester, Frund und Schwäger und dergleichen. Aber uber die alle geht die eheliche Liebe, das ist ein Brautliebe, die brinnet wie das Feuer und sucht nicht mehr dann das eheliche Gemahl. Die spricht: Ich will nit das deine, ich will weber Gold noch Silber, weder dies noch das, ich will dich selb haben, ich wills ganz oder nichts haben. Alle andere Liebe suchen etwas anders, denn den sie liebet, diese allein will den Gliebten eigen selb ganz haben. Und wenn Adam nit gefallen wäre, so wäre es das lieblichste Ding gewesen, Braut und Bräutigam. Aber nu ist die Liebe auch nit rein, dann wiewohl ein ehlich Gemahl das ander haben will, so sucht doch auch ein iglich seine Lust an dem andern, und das fälscht diese Liebe. Derhalben ist der ehlich Stand nu nicht mehr rein und ohn Sund, und die fleischliche Anfechtung so groß und wütend worden, daß der ehlich Stand nu hinfurder gleich ein Spital der Siechen ist, auf daß sie nit in schwerer Sund fallen. Dann eher Adam fiel, war es leicht, Jungfrauschaft und Keuschheit zu halten, das nu wenig muglich und ahn sundere Gottes Gnaden unmuglich ist. Darum haben auch weder Christus noch die Aposteln Keuschheit gebieten wollen und doch dieselben geraten und einem iglichen heimgeben, sich selb zu prufen: mag er sich nit halten, daß er ehlich werde, mag er aber von Gottes Gnaden sich enthalten, ist besser die Keuschheit.

Also haben die Doctores drei Guter und Nutz erfunden im ehlichen Stand, durch welche die sundlich Lust, die mit unterläuft, wiedererstattet und nit verdammlich wurde.

Zum ersten, daß ein Sakrament ist. Ein Sakrament aber heißt ein heiliges Zeichen, das do bedeut etwas anders geistlich, heilig, himmelisch und ewig Ding, gleich wie das Wasser der Taufe. Wann das der Priester über das Kind geußt, bedeut die heilige, gottlich und ewige Gnade, die doneben wird gossen in die Seele und Leib desselben Kinds und reiniget aus die Erbsunde, daß do Gottes Reich inne sei, welche Ding unaussprechliche Guter sein und gar viel unmeßlich großer dann das Wasser, das dieselben bedeutet. Also ist auch der eheliche Stand ein Sakrament, ein äußerlichs heiligs Zeichen des allergroßten, heiligesten, wirdigesten, edlesten Dings, das noch nie gewesen oder werden mag, das ist: die Vereinung gottlicher und menschlicher Natur in Christo. Dann der heilig Apostel Paulus sagt: Wie der Mann und Weib, vereinigt im ehelchen Stand, seind zwei in einem Fleisch, also ist Gott und die Menschheit ein Christus, Christus auch und die Christenheit ein Leib, das ist vorwahr (spricht er) ein groß Sakrament; das ist: der eheliche Stand bedeut vorwahr große Ding. Ist das nit groß Ding, daß Gott Mensch ist, daß Gott sich dem Menschen eigen gibt und will sein, gleich wie der Mann sich dem Weib gibt und sein ist? So aber Gott unser ist, so ist auch alle Ding unser.

Sieh, um der ehr willen, daß Vermischung Manns und Weibs ein so groß Ding bedeut, muß der ehelich Stand sulchs Bedeutnis genießen, daß die böse fleischliche Lust, der niemand ohn ist, in ehlicher Pflicht nit verdammlich ist, die sonst außerhalb der Ehe allezeit todlich ist, wann sie verbracht wird. Also deckt die heilige Menschheit Gottes die Schande der fleischlichen bösen Lust. Drum sollt ein ehlich Mensch solchs Sakraments achthaben, daß man die heilige Ding ehret und sich mäßig in ehlichen Pflichten hielte, auf daß nit der fleischlichen Lust, wie die Tiere tun, unvernunftig Folge gescheh.

Zum andern, daß es ein Verbundnis ist der Treu. Das ist der Grund und ganzes Wesen der Ehe, daß sich ganz eins dem andern gibt und verspricht, Treu zu halten und kein andern einzulassen. Dieweil dann eins sich also an das ander bindet und gefangengibt, daß es dem Fleisch alle andere Weged versperret und sich an einen Bettgenossen gnugen läßt, so sieht Gott an, daß das Fleisch also gedämpft wird, daß nit kreuzwegs durch die Stadt wutet, und läßt gnädig zu, daß derselben Lust in solcher Treu etwas nachgelassen wird, auch mehr dann zur Frucht not ist, doch daß man sich mit Ernste mäßige und nit eine Mist und Saupfuhl draus mache.

Hie sollt ich sagen, waserlei Wort man brauchen sollt, wann sich zwei verloben. So hat man das Ding so tief, weit und spitzig gemacht, daß ich viel zu geringe bin, selbs das zu verstehen, und sorge, daß viel Eheleut sitzen beieinander, die wir vor unehlich halbten. Dann dieweil der ehelich Stand grundlich stehet in einem Verwilligen zueinander und Gott wunderlich ist in seinen Gerichten, will ich's ihm lassen befohlen sein. Die gemeine Wort sein diese: Ich bin dein, du bist mein, und wiewohl etlich aufs schärpfst meinen, es sei nit gnug, wann man spricht: Ich will adder wirde dich nehmen, adder anderlei Wort brauchten, so wollt ich doch lieber richten nach der Meinung, die sie zur Zeit gehabt hätten.

Item: Waann eins dem andern heimlich gelobt und darnach ein anders nimmt, offentlich oder heimlich, weiß ich noch nit, ob es alls reicht sei, daß man darvon schreibt und richtet. Das ist mein Rat, daß die Eltern ihre Kind gewehnen, daß sie sich nit schämen, von ihn zu begehren ein ehlich Gemahl und sie sich merken lassen, daß sie sie beraten wollen, auf daß sie deste baß in Hoffnung sich enthalten und beharren mugen, und wiederum die Kind nit ahn der eltern Wissen sich verloben. Dann schämest du dich nit, einen Rock adder Haus von deinen Eltern zu begehren, was narrst du dann und bittest nit um das, das viel großer ist, ein ehlich Gemahl? Also tät Samson: Der kam in ein Stadt und sah ein Jungfrau. Die gefiel ihm. Do ging er vor wieder heim und sagt zu seinem Vater und Mutter: Ich hab ein Jungfrau gesehen, die hab ich lieb. Lieber, gebt mir dieselben zum ehlichen Gemahl.

Zum dritten, daß es Frucht bringt, dann das ist das End und furnehmlich Amt der Ehe. Das ist aber nit gnug, da0 die Frucht geboren wird, und also redt man nit davon, wann man sagt, die Ehe entschuldige die Sunde, dann sulche Frucht trägt es auch den Heiden, sundern daß man die Frucht ziehe zu Gottes Dienst, Lob und Ehre und nichts anders darinne suche, das leider selten geschieht. Man sucht nur Erben adder Lust an den Kindern, Gottes Dienst bleibe, wo er kann. Auch findt man, die zur Ehe greifen und Vater adder Mutter werden, eher sie selb beten kunnten adder wissen, was Gottes Gebot sein.

Aber das solln die Eheleut wissen, daß sie Gott, der Christenheit, aller Welt, ihn selbs und ihren Kindern kein besser Werk und Nutz schaffen mugen, dann daß sie ihre Kinder wohl aufziehen. Es ist nichts mit Wallfahrten gen Rom, gen Jerusalem, zu Sankt Jakob. Es ist nichts, Kirchen bauen, Messe stiften adder waser Werk genennt werden mugen, gegen diesem einigen Werk, daß die Ehlichen ihre Kinder ziehen, dann dasselb ist ihre gerichtste Straß gen Himmel. Mugen auch den Himmel nit mehr und besser erlangen dann mit diesem Werk. Es ist auch ihr eigen Werk, und wo sie sich desselben nit fleißen, so ist es gleich ein verkehret Ding, als wann Feur nit brennet, Wasser nit netzet.

Also wiederum ist die Helle nicht leichtlicher verdienet dann an seinen eigen Kindern. Mugen auch kein schädlicher Werk nit tun, dann daß sie die Kind versäumen, lassen sie fluchen, schweren, schandbar Wort und Liedlin lehren und nach ihrem Willen leben. Darzu etlich sie selb reizen mit ubrigem Schmuck und Forderung zu der Welt, daß sie nur der Welt wohl gefallen, hochsteigen und reich werden, allzeit mehr sorgen, wie sie dem Leib wann der Seelen gnugsam versehen. Es ist auch kein großer Schad der Christenheit, dann der Kinder versäumen. Dann soll man der Christenheit wieder helfen, so muß man furwahr an den Kindern anheben, wie vorzeiten geschah.

Dies dritte Stuck dunkt mich das großer und nutzlichste sein, das ahn Zweifel nit allein eheliche Pflicht, sondern auch alle andere Sund mächtig ablegen kann. Aber die falsche Naturliebe verblendet die Eltern, daß sie das Fleisch ihrer Kinder mehr achten dann die Seelen. Drum spricht der weis Mann: Wer der Ruten schonet, der hasset sein eigen Kind, wer aber sein Kind liebhat, der stäupt es vielmal. Item: Es ist in ein iglichen Kinds Herzen torliche Vornehmen; aber die Ruten mag das alles austreiben. Item Salomon: Schlägst du dein Kind mit Ruten, so wirst du sein Seel von der Helle erlosen. Derhalben ist es hoch vonnoten einem iglichen ehlichen Menschen, daß er seins Kinds Seel mehr, tiefer, fleißiger ansehe dann das Fleisch, das von ihm kommen ist, und sein Kind nit anders achte dann als einen kostlichen ewigen Schatz, der ihm von Gott befohlen sei zu bewahren, daß ihn der Teufel, die Welt und das Fleisch nit stehlen und umbringen. Dann er wird von ihm gefordert werden am Tod und Jungsten Tag mit gar scharfer Rechnung. Dann wo meinst du, daß herkummen wir das schrecklich Heulen und Klagen der, die do rufen werden: O selig sein die Leibe, die nit Kinder geboren haben, und Bruste, die nit gesäugt haben? Ahn Zweifel darum, daß sie ihre Kind nit wieder zu Gott gebracht haben, von dem sie sie zu behalten empfangen haben.

O wahrlich, ein edler, großer, seliger Stand der ehelich Stand, so er recht gehalten wird! O wahrlich, ein elender, erschrecklicher, fährlicher Stand der ehlich Stand, so er nit recht gehalten wird! Und wer diese Ding bedächt, dem wurde der Kutzel des Fleisches wohl vergehen und vielleicht so schier nach dem junfraulichen Stand als nach dem ehlichen Stand greifen. Die Jugend achtet es geringe, folgt nur den Begierden, aber Gott wird es gar groß achten und folgen dem Rechten.

Endlich: Willst du alle dein Sund wohl büßen und den höchsten Ablaß hie und dort erlangen, seliglich sterben und dein Geschlecht auch zeitlich weit und ferne strecken, so schau nur mit allem Ernst auf dies dritte Stucke, die Kinder wohl zu ziehen. Kannst du es nit, bitt und such ander Leut, die es kunnen, und laß dich kein Geld, Kost, Mühe und Arbeit dauren, dann das sein die Kirchen, Altar, Testament, Vigilien und Seelmessen, die du hinter dir lässest, die dir auch leuchten werden im Sterben und wo du hinkummest.

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