Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan – Kades (Fortsetzung.)
Zweiunddreißigste Lagerstätte: Wüste Zin, das ist Kades.
Einundfünfzigste Predigt.
Text: 4. Buch Mosis 20, 2-13.
Das ist die zweite Begebenheit zu Kades, dem übel berüchtigten Kades, wo es vor 38 Jahren auch so übel hergegangen war, als die Kundschafter zurückkamen.
Wir sind noch immer zu Kades, d. i. Heiligkeit und wo können wir besser sein? Aber ach! es ist ein dringender Mangel entstanden, nämlich an Wasser. Es ist ein gänzlicher Mangel, er ist unersetzlich, er ist verderblich. Bis jetzt folgte ihnen noch immer der Bach aus dem Felsen Horeb, den Moses vor 39 Jahren schlug, und versah sie hinlänglich mit köstlichem Wasser. Nun aber, versiegte er, und das setzte sie in die äußerste Not und schrecklichste Todesgefahr. Nicht durch natürliche Ursachen quoll dies Wasser, nicht aus natürlichen Ursachen versiegte es. Gott ließ es fließen, er hielte es auch zurück. Was beabsichtigte denn der Herr wohl dabei, und was beabsichtigt er noch immer, wenn er einen Mangel, ein Ungemach entstehen lässt? Es war hier zwar ein leiblicher Mangel, derselbe aber ein Bild eines geistlichen, denn jener. Fels, der mitfolgte, war Christus, das Wasser seiner Gnadengaben. Gott beabsichtigt unsere Demütigung. Hier sehen wir, was wir verdienen, nämlich aller auch der geringsten Kreatur, auch des Wassers beraubt zu werden, um bei lebendigem Leibe zu verschmachten. Hier sehen wir, was wir ohne Gott und sein Wohlwollen sind und haben. Hätten wir Christum nicht, so wären wir, wie in einer wasserleeren Wüste, wo uns nichts zu hoffen wäre, als der schrecklichste Tod. Fehlt uns sein Zufluss: so vertrocknet unser Saft, wie wenn es im Sommer dürre wird, Sela. Hier merken wir unsre Ohnmacht. Können wir auch Wasser machen? wiewohl es freilich Leute gegeben hat, die sogar Gold haben machen wollen können wir regnen, können wir die Sonne scheinen lassen, oder ein einziges Haar schwarz oder weiß machen? können es alle Potentaten auf Erden? So wird unser so tief gewurzeltes Selbstvertrauen wenigstens angefochten. Hier lässt den Arzt seine Kunst im Stich, dort den Kaufmann seine Kombinationen, da den General seine Taktik, wie den Ackermann seine Wetterkunde. Alle Menschen wiegen weniger als nichts. Die Sicherheit der Menschen wird erschüttert, wenn ansteckende Seuchen hereinbrechen, jede Schutzwehr zerstören und Leiche an Leiche reihen wenn zürnende Wasserfluten daher rauschen, Feuersbrünste verheeren. Durch diese und andere größere und geringere Umkehrung will Gott es uns bedeuten, dass er's eigentlich allein ist. Die Kinder Israel hatten diese 38 Jahre aus dem mitfolgenden Bach getrunken; ohne sich weiter über die Wohltat zu besinnen, die sie genossen, meinten sie es müsste so sein und könne nicht anders. Nun wurde es aber mit einmal anders. Und so ungewiss ist außer Gott alles, Er beabsichtigt durch Herbeiführung von allerlei Mangel und Ungemach uns zu veranlassen, dass wir durch Glauben und Gebet unsre Zuflucht zu ihm nehmen, und uns zu ihm bekehren.
Wehe, wenn es also geht, wie geschrieben steht: du schlägst sie, aber sie fühlen es nicht, du züchtigst sie, aber sie bessern sich nicht. Sie haben ein Angesicht, das ist härter wie ein Fels und wollen sich nicht bekehren. Wohl aber, wenn es heißt: kommt, wir wollen zum Herrn. Er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. Hos. 6. dann werden wir darauf acht haben und fleißig sein, dass wir den Herrn erkennen. Und sodann lässt der Herr oft Not entstehen, damit seine Hilfe desto herrlicher, unser Dank desto inniger, unser Herz desto fröhlicher und unser Vertrauen desto kräftiger werde. Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost, denn der Herr kann auch größere Dinge tun!
Möchten diese Absichten nur an Allen erreicht werden. Aber das Verhalten der Kinder Israel in der Wüste ist nur gar zu allgemein, und wie beklagenswert ist es vollends, dass das Volk es nicht alleine war, dass sich so sträflich benahm. Dies Volk offenbaret seine alte Natur bei jedem neuen Anlass. Es waren nun 38 Jahre, dass es sich an einem andern Kades in der Wüste Paran so sträflich betrug, dass sie verurteilt wurden, allzumal in der Wüste zu sterben, nachdem sie vierzig Jahr darin würden herumgezogen sein, und jetzt bestätigen sie aufs neue, wie sehr sie diese Strafe verdienen. Sie sind um kein Haar besser, und wenn ihr Lager Heiligkeit heißt: so scheint es nur deswegen diesen Namen zu führen, damit das Gegenteil an ihnen selbst desto augenscheinlicher werde. Sie hadern mit Mose, der doch mit ihnen Hunger und Durst litt. Sie verwünschen den Tag wo sie Ägypten verließen. Sie preisen es hoch. Sie nennen Kades einen bösen Ort, und wissen recht umständlich zu sagen, woran es alles fehlt. Man kann hier nicht säen, keine Weinstöcke, keine Feigenbäume, keine Granatäpfel sind hier, nicht einmal Trinkwasser. Gehts nicht noch immer so? Bei natürlichen Ursachen bleibt man stehen, aber wer denkt an seine Sünde als die Veranlassung aller Übel, an Gottes Zorn und Liebe und an seine Selbstbesserung? Der sündige Mensch untersteht sich zu murren, jetzt über die Witterung, dann über sein oder der Seinigen Ungemach, murrt wohl so sehr, dass er, wie die gottlosen Leute in Kades, sich den Tod wünscht, ja sich ihn selbst gibt, um sich hintereinander weg in die Hölle zu stürzen, wohin er gehört. Sein Klagen beweist für wie gerecht und unschuldig er sich selbst achtet, so dass er wohl verwegen und gottlos genug ist, einen Gott der Unbarmherzigkeit zu beschuldigen, dem er nie was zu gefallen tut, und frech zu sagen: man sollte nicht sagen, dass Gott so unbarmherzig sein könne. Sie betrachten es als eine Schuld, dass der Allerhöchste sich nach ihnen richte, aber sich nach ihm zu richten, zu beten, Buße zu tun, das wollen sie nicht. Besonders kläglich ist es, dass die Bejahrten es sind, welche das Getümmel anrichten, sie, die auf jeden Fall nur noch Ein Jahr zu leben hatten und dann sterben mussten. Denn die ihnen gesetzten 40 Jahre waren auf Eins herum. Nur noch einen so kurzen Raum zur Buße, und noch immer Sünden gehäuft! Ach! warum beten sie nicht mit Mose: Herr, lehre uns doch bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Haben wir denn nicht einmal so viel Verstand um Verstand zu bitten. Waren die Alten so gottlos, was würden die Jungen sein! -
Und seht, wie aufgeblasen sie noch sind. Sie nennen sich die Gemeine des Herrn. Jawohl, du sagst: ich bin reich und habe gar satt, und bedarf nichts, und weißt nicht, dass du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. Gemeine des Herrn nennen sie sich, aber - Schandflecken sind sie, spricht der Herr. Wird aber nicht noch der nämliche Unfug mit dem Christen-Namen getrieben? Jeder maßt sich denselben ganz zuversichtlich an, obschon er einem Christen so ähnlich sieht, wie der Rabe einem Schwan; ja viele schämen sich selbst des Namens, sobald es mehr als ein Name sein soll, sie mögen nicht glauben, was einem Christen zu glauben, und nicht tun, was einem Christen zu tun geziemt, und wollen dennoch für gute brave Menschen gelten. O! wie ist unser Schade so verzweifelt böse und unser Schmerz so unheilbar. Aber ich dein Herr bin dein Arzt. Gebt den Menschen nur Anlass und seht - ist er nicht aus Gott geboren, wo er dann sich selbst bewahrt, dass ihn der Arge nicht antastet 1. Joh. 5, 18. so schäumt der Sanfte vor Zorn, der Ehrliche wird zum Diebe, der Gütige zum Totschläger. O! wehe uns, dass wir solche Sünder sind, wenn Jesus nicht unser Seligmacher ist. -
Doch gibt es glückliche Ausnahmen, wegen ihrer Seltenheit doppelt köstlich. Dieser erwünschten Ausnahmen gab es auch im israelitischen Lager. Meint ihr Josua, Caleb, Eleaser, Pinehas und wie sie alle heißen, hätten sich auch so übel betragen? das sei ferne. Auch mitten im größten und weit verbreitetsten Verfall hat Gott doch noch immer seine Häuflein. Sonst wären wir auch wie Sodom und Gomorra. Und so hat der Herr noch immer Ursache zu sagen: des Herrn Teil ist sein Volk, Jakob ist die Schnur seines Erbes. Moses und Aaron sind die beiden Sterne, welche in dieser finstern Nacht funkeln, umringt von vielen Andern geringerer Größe. Sie gehen von der Gemeine, die in diesem ihrem Betragen V. 6. wohl eine Gemeine, nicht aber Gemeine des Herrn genannt wird, wie sie sich selbst genannt hatte. Sie sondern sich ab. Sondert euch ab, wird uns geboten, ab von dem herrschenden bösen, verkehrten Sinne. Macht euch fremder Irrtümer und fremder Sünden nicht teilhaftig, und folgt nicht der Menge zum Bösen und bestände sie aus noch so ansehnlichen Personen. Zeichnet euch als Gegensätze so viel entschiedener aus. Sie eilen zur Stiftshütte, wo der Gnadenthron ist, um die Barmherzigkeit Gottes über dem sündigen Volke in Anspruch zu nehmen, dass der Zorn nicht erwache. Sie beten in tiefster Ehrfurcht, und fallen nieder auf ihr Angesicht. Denn wenn unsere Seele voll Andacht ist, so drücken dies auch die Gebärden des Körpers aus.
Sie sagen kein Wort; denn wenn die Inbrunst und die Empfindung zu groß ist, so verschlingen sie die Worte, oder lassen nur einzelne abgebrochene Äußerungen laut werden. Sie tuen Fürbitte, welches hier not tat. Sie hielten nach Ps. 106 den Riss auf, seinen Grimm abzuwenden, und es ist schlimm, wenn es beim Verfall in Lehre und Leben so geht, wie es Ezech. 22, 30 heißt: Ich suchte unter ihnen, ob Jemand sich zur Mauer machte, und wider den Riss stünde gegen mich für das Land, dass ich es nicht verderbe. Aber ich fand keinen, darum gebe ich ihnen ihren Verdienst auf ihren Kopf, spricht der Herr, Herr.
Und die Herrlichkeit des Herrn erschien ihnen. Dies war der unmittelbare Erfolg ihres ernstlichen Gebets. Denn das vermag viel. Die Herrlichkeit des Herrn war damals ein besonderes Zeichen der göttlichen Gegenwart, ein ausnehmender Glanz, welcher sich über der Stiftshütte oder in der Tür derselben zeigte. Das tat sie auch jetzt. Sie erschien. Unter dem N. T. haben wir dergleichen Symbole der göttlichen Gegenwart nicht mehr, denn da ist alles Geist und Leben. Aber der Herr teilt sich der betenden Seele zuweilen auf eine unaussprechlich stillende, heiligende und beseligende Weise mit im Geist und in der Wahrheit, und das ist köstlicher wie jenes. Der Herr redete mit Mose. Denn der die Zunge gemacht hatte, sollte der nicht reden, und der das Ohr gebildet hat, sich demselben nicht verständlich machen können? Er gibt ihm einen Befehl, durch welchen der Not abgeholfen werden soll. Nimm den Stab. Dieser war wohl nicht derjenige Stab, womit Moses das Wasser des roten Meeres und den Fels Horeb geschlagen hatte, dieser Wunderstab, welcher jetzt, außer der Hand Mosis, eine Schlange, dann wieder in seiner Hand ein Stab wurde, denn dass derselbe vor dem Herrn in der Stiftshütte sei aufbewahrt worden, ist nicht bekannt. Wohl aber wissen wir das von dem Stabe Aarons, der in einer Nacht gegrünt, geblüht und reife Mandeln getragen hatte, 4 Mose 17, wodurch er in seinem Priestertum betätigt und dazu verordnet war, die Missetat des Volkes zu tragen. Diese Sühnrute, dies Vorbild Christi nach Ebr. 9. 4 sollte Moses aus der Stiftshütte nehmen. Warum das? Ei, warum das! Darum, weil es Gott so gefiel. Wer wird denn immer warum? fragen, oder wenn er's tut, eine Antwort erwarten, zumal da er vermutlich viel zu dumm ist, sie nur verstehen zu können. Nun, diese Rute oder Stab Aarons bildete ab, wie Christus sich in Kraft seines Priestertums für sein Volk zur Mauer macht, und in den Riss tritt gegen Gott, und der Ursprung alles Segens ist; dass uns unser Verdienst nicht auf unsern Kopf gegeben wird, wo wir statt Wasser Feuer bekommen würden. Ist aber hiermit dein Warum? beantwortet, warum den Stab? warum lieber nicht, um den üblen Geruch zu verhüten, den Moses damit macht. Dein Fragen führt dich an eine Tiefe, in welche du wohl ohne schwindlig zu werden nicht hinabblicken kannst. Frage also lieber nicht; sei ein Kind; fürchte dich. Wag' dich nicht vor, sondern ziehe dich zurück und sprich: ja Vater, denn also ist es wohlgefällig gewesen vor dir.
Versammle die ganze Gemeine, dass sie es sehe, wie sich das ganze Volk später um das Kreuz sammelte, welches stets der Mittelpunkt der Gemeine Gottes ist, die ihre Glaubensaugen darauf richtet, um von da aus gesegnet zu werden. Rede mit dem Fels, nicht mit dem Volke. Vor 38 Jahren war ihm befohlen worden, den Fels zu schlagen, jetzt aber sollte er bloß ihn anreden. In dieser verschiedenen Handelsweise liegt ohne Zweifel ein Geheimnis, was für eins aber weiß ich nicht anzugeben. Der Fels war Christus. Warum und wie er geschlagen wurde, wissen wir; dass es nicht wiederholt zu werden brauchte, ist uns bekannt; dass er jetzt jedem Durstigen sein lebendiges Wasser gibt, der ihn in gläubigem Gebet deshalb anredet, ist uns ebenfalls bekannt, was es aber bedeutet, dass er zum zweiten mal wider Gottes Wille geschlagen wurde, und doch wieder viel Wasser gibt, kann ich nicht deuten, ich weiß es nicht. So viel ist gewiss, Gott ist frei, und bindet sich nicht an einerlei Weise, wir aber sind an seine Weise gebunden, und es ist uns nicht erlaubt, nach unserm Gutdünken davon abzuweichen. Tun wirs dennoch, so haben wir nur Schaden davon. Gott ist auch an kein Mittel gebunden, sondern kann jetzt dies, dann ein anderes, oder auch gar keins brauchen, oder Mittel anwenden, welche den beabsichtigten Zweck eher zu vereiteln als zu befördern scheinen. Ein Mittel letzterer Art war vor allen der Tod Jesu, welcher menschlichem Bedünken nach, den ganzen Zweck seines Kommens in die Welt aufhob, da er ihn doch erfüllte. Hier sollte Moses dem Volke dadurch Wasser verschaffen, dass er einen Felsen anredete. Zweckloseres, ja an sich ungereimteres wäre ja nicht zu ersinnen gewesen, wenn Gott selbst es nicht also befohlen. Ohne dies würde Moses sich eher zu Tode gesprochen, gerufen und geschrien haben, ehe der Fels mit einem Strom Wassers geantwortet hätte. Indessen wären unsere Sinne nicht durch Gewohnheit so befangen und abgestumpft, wollten wir überall wie in einigen Stücken den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung einsehen, würden wir's dann nicht auch sehr ungereimt finden, wenn wir den Ackermann seinen Samen ins feuchte Land werfen sähen, wenn wir Jemand einen struppigen Knorren von Weinstock pflegen sähen, um davon Wein zu bekommen? Wir dünken uns sehr klug, wissen aber doch im Grunde äußerst wenig oder nichts, wie wir gewahr werden könnten, wenn wir etwas tiefer forschten, und nicht meistens an der Oberfläche kleben blieben. Es gibt auch ein sehr gelehrtes, ich weiß es nicht.
Dies war der Auftrag: rede mit dem Felsen, und die Zusage: der wird sein Wasser geben. Das versprach Gott selbst, dies sollte der Erfolg seiner seltsamen Predigt sein, und weil Gott es sagte, war es schon zu glauben, was es sonst nicht gewesen sein würde, und so schrie auch der Prophet Ezechiel getrost die Totenbeine an; ihr Totenbeine hört des Herrn Wort!
So folgsam erscheint auch Moses, dieser Knecht, welcher im ganzen Hause Gottes ist treu befunden worden. Er nimmt den Stab aus der Stiftshütte. Er versammelte das Volk mit Hilfe Aarons vor den Fels …. hier möchte ich wohl abbrechen, und dem Vorbilde Sems und Japhet folgend rückwärts gehend, eine Decke über den in seiner Trunkenheit unziemlich daliegenden Vater werfen, und die Augen abwenden. Auf jeden Fall sei Hams Spott ferne von uns, damit sein Fluch uns nicht treffe. Geschieht das vom grünen Holz, was wird's am dürren werden? Ergreifen Helden, der Schlachten gewohnt, die Flucht, was werden die Neulinge machen! Stürzen Eichenbäume, wehe dann dem zerstoßenen Rohr. Doch, wenn gleich weigerlich, wir müssen dazu übergehen, auch diesen herrlichen Mond in seiner Verfinsterung zu sehen. Im Innern fängt sie an. Dieser große Mann, dessen Glauben Ebr. 11 viermal als exemplarisch gepriesen wird, fängt an zu zweifeln, ob er Wasser aus den Felsen, und zwar durch ein solches widersinniges Mittel herausbringen werde, tritt also hier nicht in Abrahams Fußstapfen, welcher nicht zweifelte, sondern achtete Gott für treu, dass, was er gesagt, das könne er auch tun. Auch ward der sonst so sanftmütige, und wenn das Volk sich versündigte, so gebeugte Mann jetzt auf dasselbe unwillig, wozu er nur allzu große Ursache hatte. Immer und immer wollte es den Irrweg. Wer mag ein solch stetiges Triefen erleiden! Aber ach! über seinem Unwillen versteht er's selbst. Er redet. Aber nicht zu dem gehör- und gefühllosen Felsen, sondern zum Volke, dem er jetzt nichts zu sagen hatte. Hört, spricht er, ihr Ungehorsamen. Wohl hat er Recht, sie also zu schelten. Aber indem du dies tust, hüte dich, dass du nicht das Nämliche, oder noch Schlimmeres übst, als du an andern tadelst. Hört, sprichst du. Ach hörtest du lieber selber und predigtest doch nicht andern, indem du selbst verwerflich wirst. Du regst Anderer Aufmerksamkeit auf. O! wärst du lieber ein unbeachteter Mann. Er tut eine sehr böse Frage: werden wir euch auch Wasser bringen aus diesen Felsen, sagt er; in seinem Sinne denkt er Nein, wir werden es nicht. Er zeigt hier Misstrauen gegen die Macht, gegen die Güte, gegen das Wort Gottes, er tut das, ein Mann von solchem Ansehen und Einfluss, er tut es öffentlich, vor allem Volk und geht demselben mit einem sehr bösen Beispiel vor. Denn achtet er's hier für vernünftig, nicht zu glauben, sondern zu zweifeln, was sollen die übrigen denken. O! wehe der Welt um der Ärgernisse willen, sonderlich, wenn sie von Personen ausgehen, welche ein grade entgegengesetztes Exempel geben sollten, und bisher gegeben haben! das sollte man ja mit blutigen Tränen beweinen. Welch' ein Zorn Gottes, wenn dergleichen zugelassen wird.
Jetzt hebt er seine Hand auf, schlägt den Felsen, schlägt ihn zweimal, und siehe, es strömt eine Menge Wassers heraus, und alles trinkt, Menschen und Vieh. So wurden denn Moses und Aaron für ihren öffentlich bewiesenen Unglauben auch öffentlich vor allem Volke beschämt und gedemütigt. Vor allem Volke mussten sie sich schämen, und das bisher genossene Ansehen nahm um ein Bedeutendes ab. Auch diese so großen Männer waren nichts, als was Gott sie durch seine Gnade wollte sein lassen, und so lange er sie darin erhielt. Ihre Herrlichkeit war nicht die Frucht ihrer eigenen Betriebsamkeit, sondern des Geistes. Wer sie ehrte wegen ihrer vortrefflichen Eigenschaften, tat wohl, wenn er bei ihnen nicht stehen blieb, sondern sich bis zum Ursprung alles Guten selbst erhebt, und den Vater im Himmel für die guten Werke preist, die er sieht.
Diese beiden großen Männer, Moses und Aaron, kamen aber nicht wohlfeil davon ab. Als Kriegsleute Gottes hatten sie ihre Pflicht nicht erfüllt. Sie hatten keine Tapferkeit bewiesen, wie sie sollten. Sie hatten ihren angewiesenen Posten durch eine schimpfliche Flucht verlassen, und dem Feinde den Rücken statt der Brust gewiesen. Wenn auch alle gewichen wären sie doch nicht. Sie hätten stehen sollen. Wenn alle Leute gesagt hätten ihr bringt uns kein Wasser aus dem Felsen: so hätten sie das Gegenteil beweisen und sagen sollen: das tun wir doch. Sie hätten den Namen des Herrn heiligen sollen vor allem Volk. Gut angefangen hatten sie - aber was kann das helfen, wenn man nicht beharrt. Wer heilig ist, der sei immerhin heilig. Gebetet hatten sie, ja, nun hätten sie auch glauben sollen. Weil sie einen solchen Haufen von Zeugen um sich hatten, so hätten sie ablegen sollen die Sünde, die uns immer anklebt und träge macht, und laufen durch Geduld in den Kampf, der uns verordnet ist. Weil sie das alles nicht getan: so wurden sie vor ein Kriegsgericht gestellt, und beide zum Tode verurteilt. Aaron starb schon gleich an der nächst folgenden Lager-Stätte zu Hor. Moses kam noch bis an den Jordan, aber nicht hindurch, und starb auf dem Berge Nebo. Er tat mehrmals eine demütige Abbitte und Einspruch, besonders dringend trug er sie in der Nähe Kanaans dem Herrn vor, da er nach 5. Mose 3, 23. betete und sprach: ach Herr, Herr, du hast angehoben zu zeigen deinem Knecht deine Herrlichkeit, und deine starke Hand, denn wo ist ein Gott, der es deinen Werken könnte nachtun und deiner Macht. Lass mich gehen und sehen das gute Land jenseits des Jordans. Aber er bekam eine abschlägige Antwort. Lass genug sein hieß es zu ihm - rede mir nicht mehr davon. Und so war's ab. Was aber 1500 Jahre später auf Tabor geschah, ist uns bekannt. Moses wiederholte es mehrmals: der Herr war über mich erzürnt um euretwillen, weil er euch so lieb hatte, darum musste es mir so gehen.
Moses konnte Niemand in Kanaan führen, ja sich selbst nicht einmal, das war einem Andern, dem Josua, dem Sohne Marias vorbehalten. Der war's auch eigentlich, auf den der Herr erzürnt war, um unsertwillen. Und weil er uns so lieb hatte, gab er seinen eigenen Sohn dahin, dass wir durch ihn leben möchten.
Was wollen wir denn schließlich sagen? das wollen wir sagen: geschieht das am grünen Holz, was will's am dürren werden. Herr, so du willst Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen? Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben, wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm. Wenn Jemand das Gesetz Mosis bricht, der muss sterben ohne Barmherzigkeit, wieviel ärgere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt. Der Gerechte aber wird seines Glaubens leben. An denen aber, die da weichen, wird meine Seele keinen Gefallen haben. Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden; sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten. Amen.