Krummacher, Gottfried Daniel - Die evangelische Lehre von der Heiligung (3)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die evangelische Lehre von der Heiligung (3)

Dritte Predigt (gehalten am 21. August 1831)

Die wahre Freude am Herrn macht zugleich sehr demütig; davon finden wir in der Geschichte Davids einen rührenden Beweis. Die Bundeslade wurde nämlich abgeholt, um in der Stadt Davids, d. i. Zion, aufgestellt zu werden. Der König freute sich so sehr darüber, daß er sich nicht halten konnte, sondern mit aller Macht tanzte er vor dem Herrn her, wobei er wie ein Priester gekleidet war. Wer so wie David zu tanzen versteht, der lasse sich nicht stören; den andern aber raten wir, daß sie Davids Verhalten unangetastet lassen und es nicht zum Deckmantel ihrer Greuel mißbrauchen. Die Königin sah ihren Gemahl und höhnte seiner, weil er die königliche Majestät zu sehr bei Seite gesetzt habe, und tat das mit spitzen Worten. Sie berührte aber gleichsam eine Harfe und entlockte ihr absichtslos einen der herrlichsten Baßtöne. David bewies, daß er eben so demütig als erfreut sei, indem er antwortete: „Ich will noch geringer werden“ (2. Sam. 6,22). Ich will noch geringer werden, und der Herr soll allein als groß erkannt und als allein groß immer mehr erkannt werden. Ich will immer weniger, der Herr aber soll immer mehr Ruhm haben. Ich will immer weniger wissen, damit er mir sein Geheimnis desto völliger offenbare, immer weniger wissen, wo aus noch ein, daß er mein Hort sei, immer weniger können, damit Christi Kraft sich an mir offenbare, und er meine Stärke sei, immer weniger von mir und immer mehr von ihm halten. Ich bin mir bei weitem noch nicht gering genug. Ich will noch geringer und geringer werden, bis ich gar nichts, und der Herr alles in mir geworden. Und am Ende seines Lebens gestand er: „All mein Heil und Thun ist, daß nichts wächst“ (2. Sam. 23,5). Die Wege zum Ziele waren aber nicht immer Freude, sondern auch mitunter großes Herzeleid, wie nicht weniger bei Paulus.

Es ist aber so. Wir sind ungemein gering, elend und gar nichts. Aber wir erkennen es nur so nicht, und die meisten halten von sich selbst (2. Tim. 3,2). Nicht also. Wir sollen gering und immer geringer werden in unsern Augen, damit wir, wie David sagt, zu Ehren kommen, denn Gott tröstet die Geringen und erhebt sie aus dem Staube (Ps. 113,7).

Wie sehr er das tue, davon ist die heilige Taufe Bild und Pfand. Von derselben gedenken wir unter des Herrn gnädigem Beistand und Segen heute zu reden.

Zwar haben wir der Taufe in unsern vorigen Vorträgen und namentlich in dem letzten wohl beiläufig gedacht; jedoch glauben wir, daß es zweckmäßig sein dürfte, dieses Sakrament ausführlicher zu betrachten, und sind gesonnen, das heute zu tun. Das äußerliche Zeichen in der Taufe, die Weise ihrer Bedienung und ihre versiegelnde Kraft sind die drei Stücke, die wir näher erwägen.

I.

Das äußerliche Zeichen in der Taufe ist bekanntlich reines, unvermengtes Wasser. Und wovon ist das ein Zeichen? Vom Blute und vom Geiste Jesu. Unter dem Blute Christi wird nicht sein materielles, körperliches Blut verstanden, sondern sein blutiger Gehorsam und Opfer am Kreuz. „Ohne Blutvergießen geschieht einmal keine Vergebung“ (Hebr. 9,22). Aber nicht jedes Blut ist zur Erwerbung der Vergebung der Sünden tauglich. Unter dem Alten Testament wurde es stromweise vergossen, brachte aber nur eine äußerliche Reinigung zuwege und tilgte nur fingierte, erdichtete Sünden. Das Blut Jesu Christi aber, der sich selbst ohne allen Wandel Gott geopfert hat durch den ewigen Geist, reinigt wirklich unsere Gewissen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott (Hebr. 9,13.14). Es ist das Blut des Sohnes Gottes und macht rein von Sünden (1. Joh. 1,7).

Die Reinigung durch das Blut Christi bezieht sich vornehmlich auf das Gewissen, welches dadurch von Anklagen, Vorwürfen, Beschuldigungen und daraus erwachsender Furcht, Unruhe und Angst, vollkommen befreit wird. Zugleich gewährt es demselben Friede, Mut, Freudigkeit, muß derhalben als ein köstlicher Trank, als eine Lebensarznei getrunken werden. Hiermit ist Christi Geist unzertrennlich verknüpft. Ohne denselben kann das Blut Christi dem Gewissen nicht zugeeignet werden, hauptsächlich aber hat er's mit dem Verstand und Willen zu tun. Den Verstand befreit er von Irrtümern und gibt ihm richtige Einsichten; den Willen aber erlöset er von der Dienstbarkeit der Sünde und flößt ihm heilige Begierden und Gesinnungen, Vertrauen und Liebe ein. Eins ist aber nie ohne das andere. Wasser und Blut sind beisammen (1. Joh. 5,6.8). Eben mit um dieser reinigenden Eigenschaften willen hat Christus das Wasser als ein Zeichen seines Blutes und Geistes in der Taufe angeordnet. Es ist wahr, die reinigende Kraft des natürlichen Wassers ist beschränkt und reicht ohne einige Zutaten allein nicht zu jeder Reinigung hin. Aber das gehört zu den Unähnlichkeiten und findet bei dem, was es in der Taufe vorstellt, nicht statt. Wasser hat auch noch andere Eigenschaften, die es zu einem ungemein treffenden Bilde des Blutes und Geistes Christi machen, z. B. die Notwendigkeit und Unentbehrlichkeit. Es hat eine erstickende Kraft, und der alte Mensch, in Christo Tod getaucht, kommt darin um. Wasser hat auch eine belebende, erfrischende, fruchtbar machende Eigenschaft, wie besonders dann bemerkbar wird, wenn es sich nach langer Dürre in einem milden Regen auf die versengten Fluren herabsenkt. Und ist jemands Saft vertrocknet, wie wenn es im Sommer dürre wird, um aus dem 32. Psalm zu reden, o wie wird das Gemüt durch Christi Blut und Geist erquickt, erfrischt, aufgeheitert und belebt, wenn ihm dies Wasser dargereicht wird, und wie fruchtbar in heiligen Gesinnungen und Werken, wie jeder weiß, der's erfahren hat! Wasser wird durchgängig, das, was es in der Taufe abbildet, immer umsonst erlangt. Es hat eine unberechenbare Kraft. Christi Kraft ist unendlich. O daß er sich bald alles untertänig mache. Die vornehmste Übereinkunft besteht aber in der reinigenden Kraft.

Was setzt also die Taufe unsererseits, was setzt sie von Seiten Gottes voraus? Unsererseits setzt die Taufe voraus, daß wir unrein sind und der Abwaschung bedürfen. Johannes der Täufer war der erste, welcher sich an das sakramentliche Waschen durch die Taufe machte. Er erklärte dadurch die ganze sich so rein dünkende jüdische Nation für unrein und selbst diejenigen, welche vor den Übrigen her rein zu sein schienen, für dermaßen unrein, daß er sie Schlangen und Ottern nannte, für dermaßen unrein, daß Wasser hier nicht zureiche, sondern Feuer und der Heilige Geist erforderlich sei, daß es dazu einer Person bedürfe, der er die Schuhe nachzutragen nicht wert sei (Mat. 3,6.7.11). So stellte die Taufe uns dar als Unreine; das sind wir schon vermöge der Erbsünde, in welcher wir geboren wurden, denn was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch (Joh. 3,6), dessen Gesinnung Feindschaft gegen Gott ist, ihm nicht gefallen kann (Röm. 8,7.8) und das Verderben nach sich zieht (Gal. 6,8). Die Ausbrüche dieses angebornen Verderbens in sündlichen Gedanken, Begierden, Worten und Werken, sind nichts als lauter Verunreinigungen Leibes und der Seele. Indem ihr eure Kindlein zur Taufe bringt, erklärt ihr sie, dem Worte Gottes gemäß, durch diese Handlung für unrein und der Abwaschung bedürftig, aber auch fähig. Wir können abgewaschen, können geheiligt und gerecht gesprochen werden (1. Kor. 6,11). Ganz andere Menschen können aus uns werden, als wir von Geburt sind. Heilige, Menschen Gottes, können wir werden, getrieben durch den heiligen Geist. Kinder, Erstlinge der Kreatur Gottes können wir werden.

Und das ist es eben, was die Taufe von Seiten Gottes voraussetzt. Sie setzt von seiner Seite einen Gnadenbund voraus, dessen vornehmste Artikel so lauten: „Ich will rein Wasser über euch sprengen, daß ihr rein werdet“ (Hes. 36,25). „Der Herr wird den Unflat der Tochter Zion waschen und die Blutschulden Jerusalems vertreiben von ihr“ (Jes. 4,4). „Ich will gnädig sein ihrer Missetat und ihrer Sünden nicht mehr gedenken“ (Jer. 31,34). „Ich will mein Gesetz in ihr Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben und will solche Leute aus euch machen, die in meinem Geboten wandeln, meine Rechte halten und darnach tun.“ (Hes. 36,27. Jer. 31,33). Eigentliche Forderungen kommen bei diesem Gnadenbunde nicht vor, denn dann würde es kein Gnadenbund, sondern ein Bund auf die Bedingungen der Werke sein. Kommen aber Forderungen vor, so sollen sie uns nur Anleitung geben, von dem Reichtum Gebrauch zu machen, den wir in Christo Jesu haben. Laß abwaschen deine Sünde, das ist das Ganze. Wohl nun dem, in dessen Herzen gebahnte Wege sind, wie der 84ste Psalm redet! Wohl dem, der sich in diesen Gnadenbund zu fügen und davon Gebrauch zu machen weiß, welches leicht und schwer ist, wie man's nimmt oder vielmehr wie es der Heilige Geist gibt!

II.

Die Taufe ist demnach etwas sehr lehrreiches und dabei etwas sehr tröstliches und erfreuliches, etwas demütigendes und erhebendes. Laßt uns jetzt die Weise bemerken, in welcher die Taufe geschieht, die Handlung und die dabei zu gebrauchenden Worte.

Was die Handlung anbetrifft, so wird der Täufling mit dem Wasser am obersten Teil des Hauptes besprengt. So war's in den ersten Zeiten nicht, sondern da fand eine gänzliche Untertauchung statt, die freilich weit bezeichnender ist, aber in kälteren Gegenden nicht ratsam. Was soll denn das bedeuten und abbilden? Überhaupt die Mitteilung derjenigen kostbaren Gnadengüter, wodurch Gott sein Werk in der Seele anfängt, nämlich die Vergebung der Sünden und die Wiedergeburt. Insbesondere die Gemeinschaft mit Christo, teils in seinem Tode und Begräbnis, sintemal wir durch die Taufe mit ihm begraben werden in den Tod, zur Abtuung unserer Schuld und unserer sündlichen Natur; teils in seiner Auferweckung, zu unserer Rechtfertigung und Erneuerung nach dem Ebenbild Gottes. Dies wird nun durch die Besprengung, sonderlich aber durch die Eintauchung auf eine sehr lehrreiche und treffende Weise vorgestellt. Das Wasser nutzt oder schadet uns nicht eher, als bis wir in eine Verbindung und Gemeinschaft damit gesetzt werden. Der Durstige muß es trinken, wenn sein Durst gelöscht werden, der Beschmutzte muß damit befeuchtet werden, wenn sein Schmutz weichen soll. Christus nutzt uns nicht eher, als bis wir seiner wahrhaft teilhaftig und mit ihm verbunden werden. Er will auf eine geistliche Weise von uns durch den Glauben getrunken und gegessen werden (Joh. 6,54.56.57). Eins müssen wir mit ihm gegessen werden (1. Kor. 6,17). Er ins uns, wir in ihm (Joh. 17,21.23). Er muß uns durchdringen, wie ein leinen Tuch von Wasser durchdrungen wird. Nicht ich, Christus in mir ((Gal. 2,20). Dies bildet die Eintauchung ins Wasser sehr wohl ab. Der Täufling hätte im Wasser sterben müssen; der alte Mensch wird durch Christi Kraft wirklich getötet. Er empfand unter dem Wasser eine gewisse Angst, und die Sünde wird nicht ohne Kampf, Traurigkeit und Angst abgelegt; er schien wie von allem geschieden und begraben, und Christus macht wirklich eines neuen, göttlichen und ewigen Lebens teilhaftig. Der Hervorgezogene wurde wieder bekleidet, atmete frei, trat in die menschliche Gemeinschaft zurück. Christus kleidet mit den Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit; dann freut man sich und ist fröhlich in dem Herrn (Jes. 61,10). Mit ihm tritt die Seele nun in eine beglückende Gemeinschaft. Doch handelt sich's hier nicht um bloße, wenn auch noch so lehrreiche Bilder. Es sind lauter Sachen. Dasjenige, was hier bezeichnet wird, wird auch versiegelt, wird auch wirklich geschenkt.

Das Taufformular ist uns vom Sohne Gottes selbst gegeben und die dabei zu sprechenden Worte vorgeschrieben. „Taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mat. 28,19). Verpflichtet diese Formel den Täufling zum Bekenntnis und zur Verehrung des dreieinigen Gottes, so ermuntert sie ihn zugleich zum Vertrauen auf ihn; denn indem diese Majestät genannt wird, erteilt sie zugleich die feste Versicherung, daß jeder dieser hochgelobten Dreieinigkeit, das Ihrige gnadenvoll und kräftig zum Heil des Getauften beitragen will, beschwört das wie mit einem Eide. Welch ein Glaubensgrund! Was zweifelst du denn noch? Habt ihr nicht alle, die ihr getauft, Christum angezogen (Gal. 3,27)? Seid ihr nicht alle Gottes Kinder (Vers 26)? Warum haltet ihr euch denn nicht dafür, freuet euch und lebet? Ist nicht über euch alle der Name des dreieinigen Gottes feierlich genannt worden, seid ihr nicht ihm geweiht?

III.

Das dritte Stück, welches wir zu betrachten uns vorgenommen, besteht in der versiegelnden Kraft der Taufe. Laßt uns auch dieselbe in einer bildlichen Vergleichung erwägen. So sage ich denn: Die Taufe ist eine an Christi statt vorgenommene feierliche Handlung oder Akt, wodurch ein Mensch, ein Sünder, ohn' all sein Verdienst, aus lauter Gnaden, allein um Christi willen in den geistlichen Freiheits- und Adelstand erhoben und mit allem versehen wird, was zu einer standesgemäßen Lebensweise erfordert wird. Dieser geistliche Freiheits- und Adelstand wahrer Christen und seine Vorteile seien der erste Gegenstand unserer Betrachtung; der zweite: Wie uns die Taufe in diesen Stand erhebt; der dritte: Das standesgemäße Verhalten.

Der geistliche Freiheits- und Adelstand, worin wir durch die Taufe erhoben werden, ist höchster Art. Es sind Priester, es sind Könige, diese Leute, rechte Könige (Offenb. 5,10). „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1. Petri 2,9). Ist das noch nicht genug, so sind sie Erstlinge der Kreatur Gottes (Jak. 1,18), und gehen ihrem Range nach den Engeln vor von wegen ihrer Gerechtigkeit. „Kennt ihr euch denn nicht, ihr Fürstentöchter“ (Hoh. 1,8)? Der Adel wird ursprünglich gewonnen durch herrliche Taten, die Jemand über das gemeine Volk erhoben. Und sollte es daran den getauften Personen mangeln? Keineswegs. Ihr Adel schreibt sich von den herrlichsten Großtaten ihres Ahnherrn und Stammvaters her. In ihm hat unser Fleisch Gott unendlich mehr verherrlicht als irgend eine andere Natur, darum ist es mit Preis und Ehre gekrönet und hoch erhaben. Einmal erworben wird der Adel vererbt und durch Geburt mitgeteilt, und mit derselben pflanzt sich der Glanz des Ruhmes fort auf die kommenden Geschlechter und Abkömmlinge. O, köstliche Erbschaft! „Gleichwie mir mein Vater das Reich testamentsweise vermacht hat, also vermache ich's euch auch“ (Luk. 22,29). „Wir sind nun Erben Gottes und Miterben Jesu Christi, so wir anders mitleiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden“ (Röm. 8,17). „Wie viel eurer getauft sind, die haben Christum angezogen und sind alle Gottes Kinder durch den Glauben an Jesum Christum“ (Gal. 3,26,27). Rühmte sich Paulus, ein geborner Bürger des weltberühmten Roms zu sein, die Taufe ist das Diplom, ist die von dem dreieinigen Gott unterzeichnete Urkunde unseres himmlischen Ursprungs, unseres hohen Standes. Nur durch eine Geburt erlangt jemand daran Teil, nicht durch die natürliche, sondern durch die Wiedergeburt, durch die Geburt aus Gott, durch die Geburt von oben her, wodurch ein Mensch geistlich, himmlisch, göttlich wird und Gottes wahrhaftes Kind. O wie hoch adelt diese Geburt das Menschenkind! Besonders wird beim Adel das Alter geschätzt, der hohe Stand der Gläubigen aber wurzelt in der vorweltlichen Ewigkeit, und ihr Stammbaum reicht über die Zeit hinaus, „denn er hat uns erwählet vor der Grundlegung der Welt“ (Eph. 1,4). „Wo warest du, da ich die Erde gründete, da mich die Morgensterne lobeten und jauchzten alle Kinder Gottes“ (Hiob 38,47)? „Je und je habe ich dich geliebet, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“ (Jer. 31,3).

Groß und herrlich sind die Vorteile, welche mit diesem köstlichen Stande, wozu uns die Taufe erhebt, verknüpft sind. Höret hierüber einige Schriftsprüche: „Ihr seid der Sünde tot und lebet Gott in Christo Jesu“ (Röm. 6,11). „Ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, darum wird die Sünde nicht über euch herrschen können, dieweil ihr nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade seid“ (Vers 14). „Wir sind nicht fleischlich, sondern geistlich, Gott will unser sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß sein Geist in uns wohnt“ (Röm. 8,9.11). „Gott will ins uns wohnen und in uns wandeln, und wir sollen seine Söhne und Töchter, und er, Gott mit uns, will unser Gott sein“ (3. Mos. 26,12. Jer. 31,33. Offenb. 21,3). „Alle die dich unterdrückt, die dich gelästert haben, werden niederfallen zu deinen Füßen und werden dich nennen eine Stadt des Herrn und ein Zion des Heiligen in Israel. Ich will dich zur Pracht machen ewiglich und zur Freude für und für. Friede soll dein Vorsteher und Gerechtigkeit dein Pfleger sein. Man soll keinen Frevel mehr in deinem Lande hören, oder Schaden und Verderben in deinen Grenzen, sondern deine Mauern sollen Heil und deine Tore Lob heißen. Die Sonne soll nicht mehr des Tages dir scheinen, und der Glanz des Mondes soll dir nicht leuchten; sondern der Herr wird dein ewiges Licht, und dein Gott wird dein Preis sein. eine Sonne wird nicht mehr untergehen, noch dein Mond den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben. Und dein Volk sollen lauter Gerechte sein als die der Zweig meiner Pflanzung und ein Werk meiner Hand sind zum Preise“ (Jes. 60,14.15.17,21).

Wollen wir einige Vorteile namentlich bezeichnen, so besitzen sie eine vollkommene Gerechtigkeit, die in jedem Gerichte besteht. Sie sind freie Leute, die der Sohn frei gemacht hat, und die also recht frei sind und niemandes als Christi Knechte (Joh. 8,36. Gal. 5,1). Von dem gemeinen Troß der Menschen sind sie wesentlich verschieden, und sie sind „die Versiegelten des Herrn auf den Tag der Erlösung“ (Eph. 1,13.14). „Tastet meine Gesalbten nicht an“ (1. Chron. 17,22). „Lasset diese gehen“ (Joh. 18,8. Ps. 105,15). Sie genießen ungemeine Ehre, wo nicht bei Menschen doch vor Gott, und sind die Heiligen und Herrlichen, an denen er all' sein Wohlgefallen hat. „Und weil du so wert geachtet bist in meinen Augen, mußt du auch herrlich sein, denn ich habe dich lieb“ (Jes. 43,4). Sie sind berufen, mit Christo, wie erniedrigt zu werden und zu sterben, so auch mit ihm zu leben und zu herrschen. Mögen sie an den weltlichen Höfen die seltensten Raritäten sein, so haben sie doch volle Hoffähigkeit im Himmel. Der große Himmelskönig würdigt sie nicht selten seiner Anreden, Besuche und Freundschaftsbezeugungen, so wie seiner Verweise, wenn ihnen das nützlich ist. sie nahen sich auf die allerzutraulichste Weise durch Christum zu Gott als ihrem lieben Vater, und es ist ihnen oft selbst ein Wunder, was sie alles sagen dürfen und was für Antworten sie bekommen. „Die Zunahungen Gottes sind mein Gut“ (Ps. 73,28), ruft Asaph aus, und sie mit ihm. Sie, diese Heiligen und Herrlichen besitzen eine seltene Macht. Obschon sie nichts vermögen, vermögen sie doch alles durch den, der sie mächtig macht, Christus (Phil. 4,13). Denn alle Dinge sind möglich den, der glaubt (Mk. 9,23). Alles, was sie bitten in ihrem Gebet, so sie's glauben, soll's ihnen werden (Mark. 11,24); ja sie haben Macht, größere Dinge zu tun. als Jesus, doch keins, als nur durch ihn (Joh. 14,12 und Joh. 15,5). Ihr Gebet ist von großem Gewicht (Jak. 5,16), sei es für oder wider etwas, und Hiobs Freunde irrten nicht, wenn sie behaupteten, durch die Fürbitte eines Gerechten werde mancher gestürzt, mancher erhoben (Hiob 22,29,30). Was sollen wir von ihrem Reichtum sagen, da sie zwar nichts und doch alles haben (2. Kor. 6,10), denn sie haben Teil an Christo und also auch an seinem unausforschlichen Reichtum. Sie haben Gold in Menge und dazu echtes, das mit Feuer durchläutert ist (1. Petri 1,7), und den Brand der Welt zu seiner Zeit aushalten wird. An diese Sanftmütigen kommt zuletzt die Reihe, das Erdreich zu besitzen, indem den Gottlosen alles genommen wird (Mat. 5,5). Die Pracht, die sie innerlich und äußerlich umgibt, ist so groß, daß sie als mit der Sonne bekleidet vorgestellt und auserwählt genannt werden wie die Sonne (Hoh. 6,9), gleich welcher sie leuchten sollen in ihres Vaters Reich (Dan. 12,3). Das ist ihr Schloß, ihre Stadt, daselbst sind sie eingebürgert. Da ist ihre Heimat und ihr Wandel, von dannen sie auch erwarten ihres Herrn und Heilandes Jesu Christi (Phil. 3,20). Jedoch sind sie noch geborne Kriegsleute, Streiter Jesu Christi (2. Tim. 2,3), gerüstet mit dem ganzen Harnisch Gottes, stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke (Eph. 6,10,13): Unter ihren Feinden gibt's sogar Löwen (1. Pet. 5,8). Sie müssen überwinden und überwinden wirklich und weit um deswillen, der sie geliebet und sich selbst für sie dahingegeben hat (Röm. 8,37).

Das ist eine matte, flüchtige und mangelhafte Andeutung des herrlichen Standes, worin das Evangelium durch Gottes Gnade versetzt, und wovon die Taufe Pfand und Siegel ist, wie es uns in lebendiger Erfahrung und seligem Innewerden bestätigt werden kann und soll. Von Natur haftet wegen der Sünde eine Ehrlosigkeit, eine Infamie, ein Fluch auf uns, die uns von Gott, seiner Gemeine und seinem Hause scheiden. Die Taufe ist das Diplom und die rechtskräftige Urkunde, in der himmlischen Kanzlei verfaßt und dem Glauben lesbar, daß sie durch Christi Blut und Geist weggeschafft, und ihnen in Christo der erhabene, heilige und selige Stand verliehen sei, wovon wir einige Andeutungen vernommen haben. O, mit welchem evangelischen Nachdruck spricht sich unser Bekenntnisbüchlein darüber aus, wenn es so unvergleichlich sagt: „Daß ich durch die heilige Taufe meines Anteils an dem einigen Opfer Christi am Kreuz also erinnert und versichert werde, daß ich so gewiß mit seinem Blut und Geist von allen meinen Sünden gewaschen sei, als ich mit dem Taufwasser benetzt bin.“ Es entgehe unserer Andacht hierbei doch vor allen Dingen nicht, daß es heißt, nicht gewaschen werde, sondern sei, gewaschen sei. Dem natürlichen Verstande ist es zwar geläufigere, es von der Zukunft zu verstehen, der evangelische Unterweiser aber sieht auf das, was wirklich schon geschenkt ist, wenn es gleich nach und nach ausgeliefert wird.

O, herrlicher Stand, den die Taufe uns zuweiset, so wir's anders annehmen können. Welchen Reichtum, welche Hoheit, welchen Adel erteilt diese an sich so unansehnliche Handlung, so wir anders ihr Geheimnis verstehen. „so wir denn nun im Geiste leben, so lasset uns auch im Geiste wandeln“ (Gal. 5,25)! Wisset ihr denn nicht, daß alle, die wir in Jesum Christum getauft sind, die sind in seinen Tod getauft„ (Röm. 6,3)? „Haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid, aber Gott lebet in Christo Jesu“ (Vers 11). „Regieret euch der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz“ (Gal. 5,28). „Wandelt im Geiste, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen“ (Gal. 5,16).

O, selige Wissenschaft und Kunst, seinem Stande gemäß zu leben, und wie vieles faßt das in sich“ Es geziemt sich für solche Leute wie wir sind, die im Bunde mit dem dreieinigen Gott stehen, und im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind, stets mit aufrichtigem Haupte einherzugehen; es geziemt sich für uns, die wir einst mit ihm über alle Kreaturen herrschen und selbst die Engel richten sollen (1. Kor. 6,3), hier mit freiem, fröhlichen Gewissen wider die Sünde, den Teufel und unser eigen Fleisch und Blut zu streiten und ohne alle Furcht vor Gottes Angesicht zu wandeln als die lieben Kinder. Solche Heiligen und Herrlichen, wie wir sind, und wie uns unsere Taufe deklariert hat, tun keine schmählichen Dienste und sind viel zu hoch geadelt, als daß sie ihre Glieder, die doch nicht ihre, sondern Christi Glieder sind, nehmen und Waffen der Ungerechtigkeit daraus machen, sich zu Sklaven der Welt, der Sünde, ja des Teufels darstellen sollten. Niemand unterstehe sich, uns unsere niedere Herkunft vorzurücken, denn wir sind von oben her (Joh. 17,16), oder uns wegen Schulden zu mahnen, denn wir sind reich, oder wegen unserer Sünden zu schelten, denn wir sind abgewaschen, wir sind geheiligt, wir sind gerecht gesprochen durch den Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes (1. Kor. 6,11). Für solche Leute ziemen sich die reinsten Sitten und der reinste Anstand, als Kinder, welche das Ebenbild ihres Vaters an sich tragen. Sie legen auch täglich den alten Menschen ab und erneuern sich in dem Geist ihres Gemüts und ziehen den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph. 4,22-24).

O, versteht die herrlichen Vorrechte, Gerechtsame und Ziemlichkeiten eurer Taufe und lernt euch derselben in allen Stücken je länger, je gemäßer zu benehmen, und werdet zu dem Ende mit Feuer getauft und mit dem heiligen Geist! Denn wofern ihr euch nicht von Christo waschen laßt, habt ihr, eurer Taufe ungeachtet, keinen Teil an ihm und werdet mit derselben verdammt werden (Joh. 13,8).

„Ergreif' und tauf' du unsere Herzen
Mit deines Geistes Feuerkraft,
Bis daß sie, kostet es auch Schmerzen
Nach deinem Bild uns neu erschafft!
Laß uns dich und uns selbst erkennen,
Daß wir nicht ins Verderben rennen,
Von eitler Lüste Tyrannei
Mach' mächtig unsre Seelen frei!“

Amen.

Quelle: Krummacher, G. D. - Gesammelte Ähren

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