Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 12. Capitel.

Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 12. Capitel.

Vers 1-11.

Darum auch wir, dieweil wir solchen Haufen Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht, und lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist. Und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher, da er wohl hatte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz, und achtete der Schande nicht, und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhl Gottes. Gedenket an den, der ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich erduldet hat, daß ihr nicht in eurem Muth matt werdet, und ablasset. Denn ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde; und habt bereits vergessen des Trostes, der zu euch redet, als zu den Kindern: Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des HErrn, und verzage nicht, wenn du von Ihm gestraft wirst. Denn, welchen der HErr lieb hat, den züchtiget Er; Er stäupet aber einen jeglichen Sohn, den Er aufnimmt. So ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich euch Gott als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Barer nicht züchtiget? Seid ihr aber ohne Züchtigung, welcher sie alle sind theilhaftig geworden; so seid ihr Bastarte, und nicht Kinder. Auch so wir haben unsere leiblichen Väter zu Züchtigern gehabt, und sie gescheuet, sollen wir denn nicht vielmehr unterthan sein dem geistlichen Vater, daß wir leben? Und jene zwar haben uns gezüchtiget wenige Tage nach ihrem Dünken; dieser aber zu Nutz, auf daß mir Seine Heiligung erlangen. Alle Züchtigung aber, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber darnach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübet sind.

Im 11. Capitel des Hebräerbriefs hat uns der Apostel eine mächtige Wolke von Glaubenszeugen des alten Testaments vor die Seele geführt und hat unsern Glauben dadurch gestärkt. Nun macht er davon im 12. Capitel die Anwendung. Er will sagen: Solche Vorbilder habt ihr, solche Kämpfer waren eure Väter, wie ists nun bei euch? So laßt uns recht Acht haben auf sein Wort, daß wir erkennen, wie es mit uns stehe. Er hebt an mit den Worten: Darum auch wir, dieweil wir solchen Haufen Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht, und lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Also dieser große Haufe Zeugen soll uns treiben, durch Geduld in dem Kampf zu laufen, der uns verordnet ist. Haben unsere Väter kämpfen müssen, können wir denn ohne Kampf bleiben? Einem jeden Christen ist der Kampf verordnet. Kennst du diesen Kampf? Antwortest du: Nein, so sage ich dir: Dann bist du auch noch kein Christ. Das wahre Christenthum ist immer mit dem heißesten Kampf verbunden. Worin besteht dieser Kampf? Darin, daß wir ablegen die Sünde, die uns immer noch anklebt und träge macht. Aller Kampf gegen die Weltkinder und ihren Spott ist wahre Lumperei und Kleinigkeit hiergegen. Darum merkt es euch, der rechte Christenglaube ist unmöglich ohne diesen täglichen Kampf. Ich will dir auch noch das sagen, obgleich du wohl meinen wirst, es gereiche nicht zu deinem Trost, der Kampf wird nicht weniger und geringer je älter du im Christenthum wirst, sondern größer und starker, und erst mit dem letzten Odemzuge hört er ganz auf. Die Sünde macht uns träge, sagt der Apostel, woher kommt das? Der Christ hat zwei Herzen, ein fleischliches, das er von Vater und Mutter hat und ein geistliches, das ihm in der heiligen Taufe geschenkt ist; und diese beiden Herzen liegen immer im Kampf miteinander. Das alte Herz verlierst du nicht, so lange du auf Erden lebst, es ist auch unverbesserlich. Du hoffst immer, der Kampf soll mit der Zeit leichter werden oder ganz aufhören, aber er hört nicht eher ganz auf, als bis du im Grabe liegst. Je mächtiger der heilige Geist oder der neue Mensch in dir wird, desto stärker wird der Kampf in dir, denn er will die Sünde nicht dulden in dir. Diese Sünde nun, dagegen der neue Mensch kämpft, macht uns träge. Sie macht uns träge zu allem Guten, daher kommt in der Kirche bei den andächtigen Zuhörern das andächtige Nicken (Schlafen), als wollten sie ja, ja sagen zu dem was der Pastor predigt. Je mehr wir der Sünde dienen, desto träger werden wir und der Satan trachtet darnach, uns recht träge zu machen, denn die Trägen hat er bald überwunden. Da gilt es nun in solchem Kampf aussehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender unsers Glaubens. Er fängt den Glauben in uns an durch den heiligen Geist und vollendet ihn durch den Sieg, den Er uns in der Todesstunde schenken will. Weil Er nun solch ein gnädiger Gott ist, so können wir nicht besser thun, als auf Ihn zu schauen und zu sagen: HErr Jesu, wie sollen wir es anfangen, daß wir überwinden? Er antwortet uns durch Seinen Apostel: Christus hätte wohl mögen Freude haben, aber Er erduldete das Kreuz, und achtete der Schande nicht. So sollen wir auch nicht die irdische oder sündliche Freude suchen, da Christus die Freude des Himmels um unsertwillen hat daran gegeben. Er ertrug das Kreuz und achtete der Schande nicht; du bist Sein Nachfolger, darum sollst du dich Seines Kreuzes nicht schämen und Seine Schande gern trägen. Aber wie Er erhöhet ist zur Rechten des Vaters, so sollst auch du erhöhet werden und mit Jesu herrschen und regieren. Sagt meine Lieben, ist eine solche Krone des Kampfes nicht Werth? Wenn man das vor Augen hat, dann ist der Kampf nicht schwer, und will er uns doch einmal schwer werden, ein Blick nach der Krone macht uns wieder stark. Gedenket, so fährt er fort, an den, der ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich erduldet hat, daß ihr nicht matt werdet in eurem Muth, und ablasset. Denn ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde. In diesen beiden Versen wird uns ein Unterschied bemerkbar. Während der HErr Jesus gegen die Sünder kämpft, müssen die Christen gegen die Sünde kämpfen. Warum? Jesus war rein und ohne Sünde, darum brauchte Er nicht mit der Sünde zu kämpfen, sondern mit den Sündern. Wir sind über und über voll Sünde, darum ist unser Kampf gegen die inwohnende Sünde gerichtet. Bis aufs Blut nun sollen wir kämpfen gegen die Sünde, denn ein wahrer Christ möchte lieber sterben, als mit Wissen und Willen eine Sünde thun in Gedanken, Worten oder Werken; ein solcher Haß gegen die Sünde muß sich bei dem Christen finden. Was ist die Sünde? Satans Werk und Wesen. Diene ich der Sünde, so ergebe ich mich damit dem Satan. Erst dann wächst der Abscheu gegen die Sünde, wenn der Christ erkannt hat, daß die Sünde Satans Werk und Wesen ist. Und ob ich des Tages oft sündige, wie denn kein Tag dahingeht ohne Sünde, so kann ich doch am Abend, wenn ich vor meinem Gott liege und die Rechnung in Ordnung mache, sagen: Ich habe gesündigt, das ist wahr, aber Du mußt mir die Sünde vergeben, denn ich habe nicht sündigen wollen, das weißt Du. Darum schämet euch, daß ihr so bald ablassen wollt im Kampf gegen die Sünde, daß ihr nicht bis aufs Blut widerstehen wollt. Man sagt oft: Es ist gut, daß das Fleisch durch Trübsal gezüchtigt wird. Nun das mag wahr sein, aber die beste Züchtigung und Kreuzigung des Fleisches ist, wenn du dir vornimmst, ich will nur thun, was mein Gott haben will, und bist treu in der Erfüllung dieses Vorsatzes. Der Sünde absterben, das heißt nichts anders, als das Fleisch kreuzigen sammt den Lüsten und Begierden. Dabei schaue aber recht oft das Kreuz deines Heilandes an und denke daran, was Er für dich gelitten hat. Die meisten Christen bleiben auf halbem Wege stehen, es fehlt ihnen am rechten Ernst in der Heiligung. Wenn man als Christ noch der Welt und Sünde dienen und dieses und jenes mitmachen könnte, dann würde wohl das Christenthum die Lieblingsreligion aller Menschen werden. Darum gibt es so wenige Christen, weil sie bange sind, daß sie ihr Fleisch kreuzigen müssen, sammt den Lüsten und Begierden. In diesem Kampfe kommt uns der treue Gott zu Hülfe. Habe ich gestrauchelt, so kriegt Er die Peitsche her und züchtigt mich, daß ich zu den Schmarren und Wunden aus dem Kampfe mit dem Satan und der Sünde noch Striemen und Wunden kriege von der Peitsche Gottes. Warum thut das der HErr? Weil wir Seine Kinder sind. Der Apostel sagt: Ihr habt bereits vergessen des Trostes, der zu euch redet als zu den Kindern: Mein Sohn, achte nicht geringe die Züchtigung des HErrn, und verzage nicht, wenn du von Ihm gestraft wirst. Denn welchen der HErr lieb hat, den züchtigt Er. Er stäupet aber einen jeglichen Sohn, den Er aufnimmt. So ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich euch Gott als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Seid ihr aber ohne Züchtigung, welcher sie Alle sind theilhaftig geworden, so seid ihr Bastarte und nicht Kinder. Zu der Züchtigung treibt den lieben HErrn Sein treues Vaterherz, daß Er die Peitsche und 'Ruthe nimmt und uns tüchtig stäupt, wenn wir gestrauchelt haben. So lange du noch um deiner Sünde willen gezüchtigt wirst, kannst du dich deß getrösten, daß du noch Gottes Kind bist. Straft oder züchtigt dich Gott nicht mehr, dann bist du ein Bastard, An dir ist Hopfen und Malz verloren. So ists auch im Irdischen. Ich komme an einem Hause vorbei, wo Kinder spielen. Auf einmal kriegen sie sich beim Kopf und' prügeln sich ein bisschen, da springt ein Mann heraus, faßt zwei von den Kindern und züchtigt sie tüchtig, während er die andern drei laufen läßt. Warum züchtigt er nur die beiden und läßt die andern drei laufen? Weil die beiden seine Kinder sind und die fremden ihn nichts angehen. So macht es auch der HErr. Die Weltkinder können dumme Streiche über dumme Streiche machen; es scheint als sehe Gott es nicht; macht aber ein Christ dumme Streiche, so kriegt er gleich was auf die Finger. So wir nun haben unsere leiblichen Väter zu Züchtigern gehabt und haben sie gescheuet, sollen wir denn nicht vielmehr unterthan sein dem geistlichen Vater, daß wir leben? Und jene zwar haben uns gezüchtigt wenige Tage nach ihrem Dünken. Dieser aber zu Nutz, auf daß wir Seine Heiligung erlangen. Daher merke dir bei allen Schlägen, mit denen dir Gott zu Hülfe kommt bei der Bekämpfung des Satans diesen wunderschönen Spruch: Alle Züchtigung aber, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber darnach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind. Wenn dich Gott züchtigt, so will dir das vorkommen, als ob du krank bist und sollst englisches Salz oder bittere Pillen einnehmen, aber hernach siehst du ein, wie gut solche Züchtigung, solch bitteres Salz ist. Und kommst du einst in den Himmel, - Gott gebe es -, so wirst du Gott danken für alles Gute, was Er dir gegeben, aber ganz besonders für die bösen Tage, für die Züchtigung, die Er hat über dich kommen lassen. Amen.

Vers 12-17.

Darum richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee; und thut gewisse Tritte mit euren Füßen, daß nicht jemand strauchele wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. Jaget nach dem Frieden gegen jedermann, und der Heiligung, ohne welche wird niemand den HErrn sehen. Und sehet darauf, daß nicht jemand Gottes Gnade versäume! daß nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse, und Unfrieden anrichte, und Viele durch dieselbe verunreiniget werden; daß nicht jemand sei ein Hurer oder ein Gottloser, wie Esau, der um einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Wisset aber, daß er hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ist; denn er fand keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Thränen suchte.

Der heilige Apostel Paulus hat im Ansang dieses Capitels gezeigt, daß kein Mensch in den Himmel eingehen kann ohne tapfern aufrichtigen Kampf und ohne viel Kreuz und Trübsal. Es gibt keinen andern Weg zur Seligkeit als den Kampfesweg, denn unsere Feinde sind groß und stark; der Satan ist über uns, die Welt ist um uns und die Sünde ist in uns. Wir müssen gezüchtigt werden, denn wir sind nicht bloß Kinder, sondern sündige Kinder, und die müssen tüchtig die Ruthe haben, wenn sie gedeihen sollen. Da es nun nicht anders geht, so fährt er fort: Darum richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee; und thut gewisse Tritte mit euren Füßen, daß nicht Jemand strauchle, wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. Da zeigt er uns ein Hauptmittel, welches wir im Kampf gebrauchen sollen, das ist das unablässige brünstige Gebet. Der Apostel ist bange, daß die Christen lau und matt werden im Kampfe und dadurch träge im Gebet, und die Gefahr ist auch groß. Darum„ nur brünstig und treu gebetet, sonst könnt ihr nicht tapfer kämpfen. Die Hände gebraucht man beim Gebet zum Falten, auf die Kniee wirft man sich, wenn man mit Gott redet. Auch in dieser Hinsicht ist die Christenheit tief gesunken. Wo findet man noch das knieende Gebet? In den Häusern findet ihr es nicht mehr. Der Eine ist W stolz zum Knieen, der Zweite zu gleichgültig, der Dritte ist bange, daß Sein schönes Zeug schmutzig wird, der Vierte fürchtet sich vor den Menschen. Ja so weit ist es schon gekommen, daß das Knieen von den Lutheranern katholisch genannt wird. Wer seine Kniee nicht zum Beten gebraucht, der kann sich auch nicht stärken zum Kampf; freilich hört man oft von klugen Menschen die Meinung, auf die äußerliche Geberde beim Beten komme es nicht an; aber das ist ein rechter Dummer-Jungens-Schnack. Der HErr Christus hat in Gethsemane auf den Knieen gelegen und der Apostel Paulus beugt seine Kniee vor dem Vater unsers HErrn Jesu Christi, David hat auf den Knieen gebetet, und nun soll es auf einmal nicht mehr nöthig sein. Wenn wir treue Beter sind, so ist davon die Folge, daß wir gewisse Tritte thun können. Bete ich treu, so ist der starke Gott in mir mächtig, muß mir dann nicht der Sieg werden? Dann habe ich solchen fröhlichen Trost und Muth, daß ich mit Luther sagen kann: Ich greife dem Satan in die Zähne und fürchte mich nicht. Hat man des HErrn Kraft, so geht man fest und sicher seinen Weg. Die Starken straucheln nicht leicht, ob auch Steine und Balken im Wege liegen, aber ein Schwacher fällt darüber. Dies Gebet, wodurch die Kraft des HErrn zu uns gezogen wird, ist's gerade, was dem Christen so nöthig ist, wie dem Kinde die Muttermilch. Soll das Kind gedeihen, soll es Kräfte gewinnen, so muß es die Muttermilch haben. Der Christ saugt durchs Gebet Gottes Kraft in sich und nur so kann er gedeihen. Ein Kind, das nicht mehr saugen kann, wird schwach und matt und fällt sichtlich ab; ein Christ, der nicht mehr betet, wird ebenfalls schwach und matt und muß zuletzt ganz abfallen vom HErrn. Daran knüpft der Apostel die weitere Ermahnung: Jaget nach dem Frieden gegen Jedermann, und der Heiligung, ohne welche wird Niemand den HErrn sehen. Auch dazu ist das Gebet unumgänglich nothwendig, nur ein Beter kann Frieden halten und der Heiligung nachjagen. Der HErr will es durchaus nicht haben, daß der Christ in Zank und Streit lebe, er soll sich lieber das Fell über die Ohren ziehen lassen, als mit andern Streit anfangen. Der Apostel macht auch gar keinen Unterschied in den Personen, mit denen wir Frieden halten sollen, er sagt: Haltet Frieden mit Jedermann, ob Feind oder Freund, Vornehm oder Gering, das ist ganz einerlei. Du sollst dem Frieden nachjagen, sollst also alle Kraft darauf verwenden, selbst Frieden zu halten, und wo du Unfrieden findest, da sollst du den Frieden wieder herstellen. Meinst du, das sei nicht möglich, da es nicht in deiner Hand stehe, daß andere Menschen keinen Streit ansingen? Nun ja, das fordert der Apostel auch nicht. Wollen andere Menschen zanken und streiten, so kannst du es ihnen nicht wehren; aber trachte vor allen Dingen nur darnach, daß du keinen Streit anfangest. Wenn dich Jemand schilt, so kannst du ihm das nicht wehren, aber halt das Maul, daß du nicht wieder scheltest, dann wird der Andere auch bald aufhören. Ein Brand Holz brennt sich bald todt, wenn nicht noch mehr Holz dazu kommt. Dieses Wort des Apostels verdammt uns alle, denn es ist Keiner unter uns, der es erfüllt hat, und wir müssen den HErrn um Vergebung der Sünden bitten und dann fortan treuer dem Frieden nachjagen, denn selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Jagst du dem Frieden nicht mehr nach, so bist du Gottes Kind nicht mehr, und bist du Gottes Kind nicht mehr, so bist du ein Kind des Teufels. Alle, die dem Frieden nicht nachjagen, die ihren tollen bösen Kopf nicht beugen wollen, sind Kinder des Satans. Aber wir sollen auch der Heiligung nachjagen. Hasset das Arge, hanget dem Guten an, das ist die Heiligung. Dazu werden wir durch Gottes Wort getrieben, denn es steht geschrieben: Nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in allem eurem Wandel. Der wahre Christ muß das Gute lieben und das Böse hassen. Paulus sagt Röm. 6, daß die Christen ihre Glieder nicht hergeben dürfen zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern zu Waffen der Heiligfeit. Wenn 'das nun so nothwendig ist, so sehet euch einmal um in der Christenheit, wie sieht es da aus? Die Christen lassen es sachte angehen, sie kalbern mit ihrem Fleisch herum, als ob es ein köstlich Ding ist. Hier ist dein Urtheil gesprochen, du kannst den HErrn nicht schauen am jüngsten Tage. Aber ist denn die Heiligung so nöthig zur Seligkeit? Ich meinte, wir würden aus Gnaden selig? Aber wer sagt denn das, daß du durch die Heiligung selig werden sollst? Du wirst nicht durch die Heiligung selig, aber auch nicht ohne die Heiligung. Wo keine Heiligung ist, da ist auch kein Glaube, und wo kein Glaube ist, da ist auch nicht die Gnade. Nicht durch die Heiligung werden wir selig, sondern durch den Glauben, aber die Heiligung ist die Folge des Glaubens. Darum darfst du es mit keiner Sünde gering nehmen, darfst auch die kleinste nicht bei dir dulden, mußt lieber Hals und Kopf missen wollen, als mit Wissen und Willen eine Sünde thun. Wer zum Glauben an den HErrn Jesum gekommen ist, der kann der Sünde nicht mehr dienen. Der Apostel fährt nun fort: Und sehet darauf, daß nicht Jemand Gottes Gnade versäume. Jetzt ist die Gnadenzeit, wo Gottes Wort gepredigt und Gottes Sakrament verwaltet wird. In dieser Gnadenzeit nimm an die Gnade, die dir durch Gottes Wort und Sakrament angeboten wird. Thust du das nicht, so ist es schlimm mit dir bestellt. Du wächst nicht bloß auf als eine bittere Wurzel, sondern du vergiftest auch noch andere Menschen. Alle, die sich nicht bekehren, die Gottes Wort und Sakrament verachten, sind solche bittere Wurzeln, die sich und andern ein Gift sind und, Diele verunreinigen. Wohnen solche Menschen in einer Gemeine, so bleibt für alle rechtschaffenen Gemeindeglieder nichts anders übrig, als solche mit ganzem Ernst zu meiden, denn sie verderben alle, die mit ihnen in Berührung kommen. Wäre daher ein solcher giftiger Baum in unserer Gemeine, so müßten sich von dem alle treuen Christen abwenden und höchstens nur in äußerlicher Geschäftsverbindung mit ihm stehen, kein Knecht und keine Magd müßten zu dem in den Dienst gehen, damit die giftige Wurzel allein stehen bliebe und dann, wenn es sein sollte, allein in die Hölle führe. Denn wer möchte gern sich und die Seinen vergiften lassen? Das ist auch zugleich das einzige Mittel, welches man anwenden kann, um sie noch zu reiten. Wenn man's nicht so macht, so denken diese Giftbäume, sie seien ebenso gut, als die aufrichtigen Christen, und es fällt ihnen gar nicht ein, sich in Reue und Buße zum HErrn zu wenden, Wie aber das Versäumen der Gnade Gottes solche üble Folgen haben tonne, davon gibt nun der Apostel ein Beispiel. Er sagt: Daß nicht Jemand sei ein Hurer oder ein Gottloser, wie Esau, der um Einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Wisset aber, daß er hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ist; denn er fand keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Thränen suchte. Aus diesen Worten ruft uns der Apostel zu: Hüte dich, daß du die Gnade Gottes nicht versäumest. Esau hat denselben Unterricht aus Gottes Wort im Hause seines Vaters gehabt, wie Jakob; aber-statt sich zu bekehren, hat er Alles in den Wind geschlagen. Der Apostel nennt ihn einen Hurer, nicht weil er im gewöhnlichen Sinne des Worts Hurerei getrieben habe, sondern weil er sich zwei Weiber genommen, die eine von den Hethitern und die andere eine Tochter Ismaels; denn Vielweiberei ist Hurerei vor Gottes Augen. Aber der Apostel nennt ihn auch einen Gottlosen, weil er sein Erstgeburtsrecht um einer irdischen Speise willen verkauft hat. Denn wer Gottes Gnadengaben um ein Linsengericht verkaufen kann, der wird doch wohl mit Recht ein Gottloser genannt. Nicht bloß die Mörder, Diebe, Räuber rc. sind Gottlose, sondern Alle, denen Gott und Sein Wort gleichgültig ist. Wer Gottes Gnade verachtet, der ist ein Gottloser, mag er auch äußerlich noch so ehrbar sein. Was war davon die Folge für Esau? Er hat das Erstgeburtsrecht verloren, es ist Jakob gegeben und Jakob wurde gesegnet von seinem Vater Isaak. Als nun Esau merkte, wie Jakob schon gesegnet sei, da fing er an zu schreien: Mein Vater, hast du denn nur einen Segen? Segne mich doch auch. Aber die Antwort lautete: Dein Bruder ist gesegnet und wird gesegnet bleiben. Den Segen, den er vergeudet hatte, bekam er nicht. Die Gnade vergeuden, dazu haben wir die Macht, aber die Gnade wieder zu erlangen, dazu haben wir die Macht nicht. Hast du die Gnade vergeudet, so liegt die Gefahr nahe, daß du sie nicht wiederbekommst. Denke an Esau, für den das Erstgeburtsrecht unwiederbringlich verloren war, daß dir nicht die ewige Seligkeit unwiederbringlich verloren gehe. Amen.

Vers 18-24.

Denn ihr seid nicht gekommen zu dem Berge, den man anrühren konnte, und mit Feuer brannte; noch zu dem Dunkel und Finsterniß und Ungewitter; noch zu dem Hall der Posaune, und zur Stimme der Worte, welcher sich weigerten, die sie hörten, daß ihnen das Wort ja nicht gesagt würde. (Denn sie mochten es nicht ertragen, was da gesagt ward. Und wenn ein Thier den Berg anrührte, sollte es gesteiniget oder mit einem Geschoß erschossen werden. Und also erschrecklich war das Gesicht, daß Moses sprach: Ich bin erschrocken, und zittere.) Sondern ihr seid gekommen zu dem Berge Zion, und zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem, und zu der Menge vieler tausend Engel. Und zu der Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über Alle, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten! und zu dem Mittler des neuen Testaments Jesu, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet, denn Abels.

Der heilige Apostel hat, wie wir das letzte Mal gehört haben, die Christen aufgefordert, treu zu sein im Kampf und unermüdet im Gebet; aber er hat sie auch gewarnt durch Esaus Beispiel, sie möchten Gottes Gnadengaben nicht vergeuden und nicht verscherzen. Diese Ermahnung schärft nun der heilige Apostel in unserm heutigen Text, indem er vergleicht die Herrlichkeit des Christenstandes mit dem, was Gott den Kindern des alten Bundes gegeben hat. Aus diesem Vergleich folgt der Schluß, hat Gott den Christen tausendmal mehr gegeben als den Juden, so müssen die Christen auch tausendmal dankbarer sein und mit allem Ernste darnach trachten, daß sie das ewige Erbe erlangen. Vor Christo gab es nichts Herrlicheres als die Offenbarung Gottes an die Juden, aber dieselbe wird tausendmal übertroffen durch die Herrlichkeit des neuen Testaments. Der Apostel sagt: Ihr seid nicht gekommen zu dem Berge, den man anrühren konnte, und mit Feuer brannte; noch zu dem Dunkel und Finsterniß, und Ungewitter; noch zu dem Hall der Posaune, und zur Stimme der Worte, welcher sich weigerten, die sie hörten, daß ihnen das Wort ja nicht gesagt würde. Denn sie mochten es nicht ertragen, was da gesagt ward. Und wenn ein Thier den Berg anrührte, sollte es gesteinigt oder mit einem Geschoß erschossen werden. Und also erschrecklich war das Gesicht, daß Moses sprach: Ich bin erschrocken und zittere. Ihr sehet leicht ein, daß der Apostel da hinweiset auf die herrliche Offenbarung Gottes auf Sinai, wo Er das Gesetz gab. Gott ist selbst herab gekommen auf die Spitze des Berges Sinai und hat selbst mit Seinem Volke gesprochen. Es ist also das Gesetz der zehn Gebote recht eigentlich Gottes Offenbarung, nicht von Mose, sondern unmittelbar aus Gottes Munde ist sie gekommen, denn 2., Mose 25 heißt es: Gott der HErr redete alle diese Worte. Denkt euch einmal die ganze Sache, das ganze Volk Israel mit Weib und Kind, etwa drei bis vier Millionen Seelen, liegt am Fuß des Berges Sinai; der ganze Berg wird bedeckt mit Dunkel und Ungewitter, Blitz und Donner kommen, der Berg bebt, man, hört Posaunenschall der Engel, und nun erschallt die Stimme, die da spricht: Ich bin der HErr, dein Gott rc. So gewaltig ist dies Gesicht, so herrlich diese Offenbarung, daß der ganze Berg mit Schranken umgeben wird und der Befehl kommt, daß wer diese Schranken überschreite, mit einem Geschoß erschossen werden solle. Als das Volk nun die Stimme hörte, da sprachen sie zu Mose: Rede du für uns mit Gott, wir möchten sonst sterben, und flohen. Ja, so erschrecklich war Alles, daß Moses sagte: Ich bin erschrocken und zittere. Das sind Worte, die nicht in den fünf Büchern Mose stehen; aber daraus sehet ihr, daß der heilige Geist durch den Apostel redet, denn der hat es ihm gesagt. Wenn ihr die zehn Gebote betrachtet, so müßt ihr sagen, daß sie herrlich sind, denn sie zeigen die Reinheit und Heiligkeit des göttlichen Willens. Aber sie sind auch schrecklich, da kein Mensch zu finden ist auf der weiten Welt, der sie nicht übertreten hat. Darum ist es eine entsetzliche Herrlichkeit, denn hinter jedem Gebote steht geschrieben: Verflucht ist, wer dies Gebot übertreten hat. Da nun Keiner zu finden ist, der die Gebote gehalten hat, so spricht das Gesetz über Alle den Fluch aus. Was heißt denn das, von Gott verflucht sein? Das heißt: Die ewige Verdammniß ist dein Theil. Herrlich ist diese Offenbarung ihrem Wesen nach, aber schrecklich ist ihre Wirkung für einen fündigen Menschen. Und nun schaue in das neue Testament hinein, da muß dein Herz wunderbar getröstet werden. Der Apostel fährt fort: Sondern ihr seid gekommen zu dem Berge Zion, und zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem, und zu der Menge vieler tausend Engel; und zu der Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über Alle, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten; und zu dem Mittler des neuen Testaments Jesu, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet, denn Abels Blut. Da findet ihr in Allem, was der Apostel herzählt, gar nichts Schreckliches, nur Gnadenreiches, eins noch lieblicher als das andere. Ihr seid gekommen zu dem Berge Zion. Damit ist die Kirche neuen Testaments gemeint, davon das alte Zion ein Vorbild war. Diese christliche Kirche hat nichts denn Lieblichkeit, denn es wird darin gepredigt, daß Jesus Christus gekommen ist, die Sünder selig zu machen. Ja, es wird die Vergebung der Sünden dargereicht und mitgetheilt durch Wort und Sakrament. Wenn da ein Mensch ist, den das Gesetz zerschlagen hat, der sich als einen Uebertreter des Gesetzes bekennt und Gottes Fluch fühlt, und der Mensch suchet und findet nun Vergebung der Sünden in der Kirche durch Christum, so wird er leicht und fröhlich, denn seine ganze Last ist ihm abgenommen. So herrlich nun auch das untere Stockwerk der Kirche, die streitende Kirche ist, noch herrlicher ist das obere, die triumphierende Kirche, darum sagt der Apostel: Ihr seid gekommen zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem. Die streitende Kirche soll in die triumphierende verwandelt werden. Am jüngsten Tage schafft Jesus die neue Erde, nachdem die alte Erde mit Feuer verbrannt ist, und auf der neuen Erde wird dann die triumphierende Kirche sein, die unser aller Heimath ist. Wir sind gekommen zu der Menge vieler tausend Engel, denn auf der neuen Erde wohnt nicht bloß der HErr Jesus und die vollendeten Gerechten, sondern auch die vielen tausend Engel. Sagt, ist das nicht eine auserwählte Gesellschaft dort auf der neuen Erde? Wir sehen den HErrn Jesum, reden mit Ihm und hören Seine Stimme, können Seine Hände und Füße umfassen. Dazu finden wir alle die Frommen, die von Adam an bis zum jüngsten Tage gelebt haben; kein Gottloser ist dort mehr, denn die sind in den Feuerpfuhl geworfen. Das ist das selige Erbe der Christen. Wahrlich, jener fromme Mann hat Recht, wenn er sagt: Wenn man die Herrlichkeit der Christen recht bedenkt, so kann man sich jeden Augenblick um Christi willen rädern lassen. Der Apostel nennt ferner die Gemeine der Erstgebornen. Das sind die, die durch eine besondere Bevorzugung gleich bei ihrem Abschied von der Erde in den Himmel gedrungen sind, wie z. B. Henoch, Moses, Elias und alle die, die bei Christi Auferstehung aus den Gräbern hervorgegangen sind. Diese genießen jetzt schon die vollkommene Seligkeit. Der Apostel setzt hinzu: Die Geister der vollkommenen Gerechten. Der Unterschied zwischen diesen und den Vorhergenannten ist, daß die Erstgebornen schon nach Seele und Leib selig sind, während der Leib der vollkommenen Gerechten noch im Grabe ruht und wartet auf den fröhlichen Auferstehungstag, ihre Seele aber bei Jesu im Paradiese ist. Sie sind auch selig, denn Jesus besucht sie im Paradiese; kein Teufel, keine Sünde, kein böser Mensch kann sie quälen; aber ihr Leib nimmt noch nicht Theil an der Seligkeit. Dazu gehören alle Gläubigen des neuen und alten Testaments, deren Leib noch im Grabe ist. Erst am jüngsten Tage wird die selige Seele wieder mit dem verklärten Leibe vereinigt, und dann gehen sie mit Jesu auf die neue Erde. Wir sind gekommen zu dem Mittler des neuen Testaments, Jesu. O, wie viel herrlicher ist der als der Mittler des alten Testaments, Moses. Moses war ein Mensch, dazu ein Sünder, er durfte nicht mit in das Land Kanaan. Jesus ist wahrer Gott und ohne Sünde, Er ist in den Himmel eingegangen. Er ist der Mittler des neuen Testaments, denn Er hat Sein Blut für uns vergossen, und dies Blut redet besser als Abels Blut. Jesu Blut ist Gottes Blut. Es schreiet: Gnade, Gnade, Barmherzigkeit, Barmherzigkeit! während Abels Blut Rache, Rache! schrie. Zu dem Blute seid ihr gekommen, von dem unser Gesang sagt: Dein Blut, der edle Saft, hat solche Stärk und Kraft, daß auch ein Tröpflein kleine die ganze Welt kann reine und aus des Teufels Rachen frei, los und ledig machen. Dieses Blut ist der Balsam aus Gilead, die einzige Arzenei wider alle Sünde. Darum heißt es bei jedem armen Sünder, der selig werden will: Glaube an den HErrn Jesum, so wirst du selig; denn das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht dich rein von aller Sünde. So ist nichts als Gnade und Barmherzigkeit die Botschaft des neuen Testaments. Sagt, sind wir nicht tausendmal höher begnadigt als die Kinder des alten Bundes? Aber bedenkt es auch, was soll aus uns werden, wenn wir das Evangelium von uns stoßen? Wer das thut, für den bleibt nichts anders übrig, als was er sich selbst erwählt hat, der Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel ewiglich brennt. Amen.

Vers 25-29.

Sehet zu, daß ihr euch deß nicht weigert, der da redet. Denn so jene nicht entflohen sind, die sich weigerten, da Er auf Erden redete, viel weniger wir, so wir uns deß weigern, der vom Himmel redet. Welches Stimme zu der Zeit die Erde bewegte. Nun aber verheißt Er, und spricht: Noch einmal will Ich bewegen, nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel. Aber solches, noch einmal, zeigt an, daß das Bewegliche soll verändert werden, als das gemacht ist, auf daß da bleibe das Unbewegliche. Darum, dieweil wir empfangen ein unbewegliches Reich, haben wir Gnade, durch welche wir sollen Gott dienen, Ihm zu gefallen, mit Zucht und Furcht. Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.

Der heilige Apostel hat in dem Vorhergehenden eine Vergleichung angestellt zwischen der Gnade, die im alten Bunde den Menschen gegeben ist, und zwischen der Gnade, die im neuen Bunde uns von Gott zu Theil geworden ist, Und hat dabei gezeigt, wie die Gnade im neuen Bunde tausendmal größer sei als die Gnade im alten Bunde. Nachdem er das gethan hat, knüpft er daran die nun folgende Ermahnung und Warnung. Er sagt: Sehet zu, daß ihr euch deß nicht weigert, der da redet. Denn so jene nicht entflohen sind, die sich weigerten, da Er auf Erden redete, vielweniger wir, so wir uns deß weigern, der vom Himmel redet. Er will sagen: Da ihr im neuen Bunde eine solche Herrlichkeit habt, so weigert euch deß nicht, der da redet, d. h. seid eurem Gott nicht ungehorsam, weigert euch nicht, Sein Wort anzunehmen. Den alten Bund hat Gott gegeben durch einen Mann, der selbst von der Erde war, wie alle andern Menschen, durch Mose. Aber Gott hat ihn durch Mose gegeben, Moses ist das Werkzeug gewesen, und sehet, wie fest Gott darauf gehalten hat, daß die nicht ohne Strafe geblieben sind, die ungehorsam waren. Eine jede Uebertretung hat ihren bestimmten Lohn empfangen. Leset im alten Testamente, wie schwer Gott die strafte, die Seine Gebote übertraten. Ein israelitischer Mann sammelte am Sabbath Holz. Moses fragte den HErrn, was er mit dem Mann machen sollte, und Gott antwortete: Der Mann soll gesteinigt werden von der Gemeine. Davon heißt es in einem Gesange: Sollten diese Steine nicht noch heute schrei'n, da jetzt Groß und Kleine Gottes Stadt entweihn? Oder Gott hatte Jericho in die Hände der Israeliten gegeben mit der Weisung, daß alles Gold und Silber, was erbeutet würde, zu Gottes Ehre verwendet werden sollte. Da ließ es sich Achan gelüsten, davon etwas Gold und Silber sammt einem babylonischen Mantel für sich zu behalten, und zwar mit Vorwissen seines Weibes und seiner Kinder. Die Sache kam vor Gottes Gericht, und das Urtheil lautete: Sie sollen gesteinigt und dann mit Feuer verbrannt werden. Auf solche Weise hat Gott den Israeliten das dritte und siebente Gebot eingeschärft. Und, um noch Eins anzuführen, sechshunderttausend Israeliten zogen aus Egypten, um das Land Kanaan einzunehmen, wenn sie Gottes gehorsame Kinder wären. Wie viele Israeliten sind hinein gekommen in Kanaan? Nur Zwei, Josua und Caleb, die Andern haben in der Wüste sterben müssen, weil sie dem HErrn ungehorsam waren. Jede Uebertretung hat ihren gerechten Lohn empfangen. Daraus macht der Apostel den Schluß: Wie viel weniger werden wir entfliehen, wenn wir ungehorsam sind. Uns ist die Offenbarung Gottes nicht durch den menschlichen Mittler Moses geworden, sondern durch den Mittler, der selbst Gott ist, Jesus Christus. Sind die, die dem menschlichen Mittler nicht gehorsam waren, nicht entflohen, wie viel weniger können wir entfliehen, wenn wir dem HErrn Jesu nicht gehorsam sind. Wenn die nicht entflohen sind, die Mose ins Angesicht geschlagen haben durch Ungehorsam, wie viel weniger werden die entfliehen, die den HErrn Jesum ins Angesicht schlagen. Fragt ihr, wo sehe ich die Erfüllung dieser Drohung? Ich sehe Sabbathschänder Sonntag für Sonntag, ich sehe Hurer und Ehebrecher, ich sehe Diebe und Betrüger, wer straft sie? Gilt diese Drohung noch? Darauf soll die Antwort beim letzten Verse dieses Textes gegeben werden. Jetzt wollen wir erst weitergehen. Der Apostel sagt: Welches Stimme zu der Zeit die Erde bewegte. Derselbe Gott, der in Christo auf Erden erschienen ist, derselbe Gott, der Moses zum Mittler des alten Bundes gemacht hat, derselbe Gott hat die Erde bewegt. Gott der Sohn ist vom Himmel herabgekommen auf Sinai und hat zu dem Volke Israel gesprochen: Ich bin der HErr, dein Gott. Er hat die Erde bewegt, denn die Erde bebte von dem Schall und von dem Ungewitter. Damals bewegte Seine Stimme die Erde, und das ist derselbe Gott, der hernach Mensch geworden ist und der zu uns redet als Einer, der vom Himmel gekommen ist. So ists auch verheißen, sagt der Apostel, und weiset uns hin auf die Weissagung des Propheten Haggai 2, 7: Noch einmal will Ich bewegen, nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel. Bei der Gesetzgebung bewegte Seine Stimme die Erde zum ersten Mai. Nun will Er noch einmal die Erde bewegen und auch den Himmel, und das ist erfüllt worden durch den, der gekommen ist als aller Heiden Trost. Jehovah ist Mensch geworden, durch diese Menschwerdung ist das neue Testament gestiftet und Himmel und Erde bewegt. Wörtlich ist diese Weissagung erfüllt. Als Jesus auf die Erde kam, da bewegte sich der Himmel; die heiligen Engel hatten keine Ruhe und keine Rast mehr im Himmel, sie mußten auf die Erde, um das Wunder zu sehen, daß Gott Mensch geworden war. Die Erde ist bewegt, denn durch Jesu Geburt ist Alles auf Erden geändert worden. Der Zweck von Jesu Geburt ist, daß auf der ganzen Erde nur Eine Religion sein soll; das Juden- und Heidenthum soll bewegt und abgeschafft werden, und Juden und Heiden sollen eingehen in die christliche Kirche. Der Kampf zwischen Christus und dem Satan, zwischen dem Reiche des Lichtes und der Finsterniß soll entbrennen, bis alle Menschen zu Jesu Füßen liegen. Dieser Kampf wird fortdauern bis zum jüngsten Tage, dann ist er zu Ende; Himmel und Erde vergehen, und der neue Himmel und die neue Erde entstehen durch Jesu allmächtiges Wort. So ist dies Wort erfüllt und wird noch immer erfüllt. Aber solches, noch einmal, zeigt an, daß das Bewegliche soll verändert werden, als das gemacht ist, auf daß da bleibe das Unbewegliche. Durch Christi Kommen soll abgeschafft werden das Bewegliche, als das gemacht ist, und geschaffen werden das Unbewegliche, das da bleibt. Eine Zeitlang soll das Juden- und Heidenthum bestehen, dann aber soll es abgeschafft werden, denn es ist beweglich; eine Zeitlang soll die Erde der Wohnplatz der Menschen sein, dann aber soll sie verbrannt werden, denn sie ist beweglich. Nachdem das bewegliche Reich abgeschafft ist, soll das unbewegliche Reich kommen, das nie veraltet. Dieses Reich ist die Kirche, die soll nie aufhören, nachdem Jesus sie gegründet hat. Wohl ändert sich ihre Erscheinung, denn hier ist sie die streitende, dort wird sie die triumphierende sein, aber ihr Wesen bleibt dasselbe. Sie behält immer denselben König, Jesus Christus, und dieselben Unterthanen, die Gläubigen. Hier war sie im Streit, dort triumphiert sie, nachdem ihr König ihr den Sieg gegeben hat. Die heilige christliche Kirche ist das unbewegliche Reich, darin wir Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit haben. Daran knüpft er die Ermahnung: Darum, dieweil wir empfangen ein unbewegliches Reich, haben wir Gnade, durch welche wir sollen Gott dienen, Ihm zu gefallen, mit Zucht und Furcht. Das können wir, denn wir haben Gnade empfangen. Wir haben dies unbewegliche Reich, denn wir sind Gottes Kinder; wir haben Gnade, darum können wir dem HErrn dienen. Merke dir, dein Dank, den du als wahrer Christ dem HErrn deinem Gott darbringen sollst, nachdem du ein Glied Seines Reiches geworden bist, besteht darin: Du mußt Ihm dienen. Wie? Mit allen Kräften deiner Seele und mit allen Gliedern deines Leibes. Das soll dein Dank sein, so wahr du an Jesum Christum bist gläubig geworden. Hast du Vergebung der Sünden empfangen, so mußt du Jesum lieben, und diese Liebe beweise dadurch, daß du Ihm dienest und Ihm zu gefallen lebest. Das muß dir einerlei sein, was Menschen von dir denken und sagen, wenn nur der HErr Sein Wohlgefallen an dir hat. Aber kannst du das denn? Du könntest es nicht, wenn du nicht Gnade empfangen hättest. Die Gnade gibt Kraft dazu. Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt. Wir haben den heiligen Geist empfangen, der heilige Geist ist wahrer Gott, und wohnt der wahre Gott in unserm Herzen, so müssen wir wohl Kraft haben, Ihm zu dienen. Wir sollen Ihm dienen mit Zucht, d. h. Ihm gehorsam sein und uns von Ihm ziehen lassen. Er zieht uns und wir müssen uns ziehen lassen, was durch Gehorsam geschieht. Alle, die sich Christen nennen und die Jesu nicht gehorsam sind, sind Lügner. Dieser Gehorsam darf uns nicht eine Last, sondern muß uns eine Lust sein. Ihm gehorsam sein aufs Wort, das müßte wunderschön sein; aber warum kommen wir so schwer dahin? Weil uns die Sünde noch immer anklebt und träge macht. Darum setzt der Apostel hinzu: Wir sollen Ihm dienen mit Furcht. Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Da wird uns die Antwort gegeben auf die vorhin gestellte Frage, warum die Menschen, die jetzt Gottes Wort übertreten, nicht mehr gleich gestraft werden, wie zur Zeit des alten Bundes. Der neue Bund ist die Offenbarung der Gnade, und diese Gnade währt für Alle bis zum jüngsten Tage. Dann kommt die Offenbarung der Gerechtigkeit. Gott will der Gnade nicht vorgreifen. Jesus sagt zu Seinen Jüngern, die Feuer vom Himmel fallen lassen wollten: Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern selig zu machen, Luc. 9. Die Zeit des neuen Testaments soll Gnadenzeit sein; es wäre ja möglich, daß ein Mensch noch im letzten Augenblick die Gnade annähme. Nur für solche Menschen, die die Gnade beharrlich von sich stoßen, gilt das Wort: Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer; oder das andere Wort: Den Verzagten aber, und Ungläubigen, und Greulichen, und Todtschlägern, und Hurern, und Zauberern, und Abgöttischen, und allen Lügnern, derer Theil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; welches ist der andere Tod. Offenb. Joh. 21, 8. Amen.

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