Harms, Claus - Beim Begräbnisse meiner lieben Frau Magdalena geb. Jürgens.

Harms, Claus - Beim Begräbnisse meiner lieben Frau Magdalena geb. Jürgens.

Nachdem manches Wort von ihr und als zu ihr ist gesprochen worden an ihrem Sterbebett und auch an dem Sarge, darin sie hier liegt, soll denn jetzt geredet werden in einen weiteren Kreis hinein. Es redet, der das Amt nicht hat, nach einer freundlichen Ueberlassung, der den Beruf jedoch hat, wie ihn Keiner, schon weil er von der Gestorbenen so viel weiß, wie Keiner. Es hat einmal jemand in seinem Ausschreiben wegen einer Kindtaufe sich ausgedrückt: „Kommt und helfet mir mein Kind taufen„ (Luther). So hätte ich bei meiner Einladung an Euch, Geehrte, Geachtete, Geliebte, mich ausdrücken können: Kommt und helfet mir meine Ehefrau begraben. Zwar sind Taufe und Begräbniß zwei sehr verschiedene Handlungen; doch sind diese beiden nicht verschieden in dem Maaß, als der Doppelblick nach Außen und nach Innen abzumessen scheint. Ihr wisset wol, Mehrere unter Euch wissen es, daß die Christen des Alterthums den Tod eines Christen die Geburt desselben zu nennen pflegten. Wie nah' legt sich auch wirklich diese Vorstellung gläubigen Gemüthern, so daß diese Redeweise den Namen einer Redefigur in der That nicht anzunehmen braucht. Denn der Tod eines Gläubigen ist eine Geburt nach der baaren Wirklichkeit. Daher können wir denn unsere Todesfeier auch wol mit einer Tauffeier zusammenstellen. Allein was den Ausdruck „Helfen“ betrifft, hat derselbe auch allerdings seinen Ort bei der Taufe eines Kindes, so hat derselbe doch seinen Ort weit mehr bei dem Begräbniß einer Ehefrau. Und worin lasse ich denn Eure Hülfe bestehen, meine theuern Freunde? Ihr seid willig zu helfen und erwartet von meinem Wort, wie ich es hier am Sarge ausspreche, daß Euch mit demselbigen eine nähere Anleitung, mir zu helfen, gegeben werde. Weiß ich doch selber, nicht wahr? am besten darum, wo mir Hülfe nöthig sei. Wolan, so höret mich freundlichst darüber.

Wollet zuerst hören, — Euer Anhören meines Worts und was Eure Theilnahme hineinleget, darin lasse Ich Eure Hülfe bestehen, — höret zuerst, was ich verloren habe, heiß' es verloren in diesem Theil meiner Aeußerung. Andere Mann« haben auch ihre Frauen verloren, ihrer stehen selbst hier mehr als Einer, ja nach einer Aufzählung ist ihre Zahl keine geringe, welchen auch ihre Gestorbene viel gewesen ist, wie meine mir, und haben sie eben so sehr geliebet, wie ich die meine. Doch derer finden sich wol nur Wenige in der Welt, die in einer eben so langen, weit über die Ehe hinausreichenden Lebens- und Liebensgemeinschaft mit ihrer Gestorbenen gestanden sind. Ach, unser Lieben hat ja die Dauer unseres Lebens, fast unseres ganzen Lebens! sagt, seufzt der 71 Jahre alte, vor acht Tagen Widwer gewordene Ehemann. Und was sie mir alles gewesen ist während unserer 43jährigen Ehe als Ehefrau, als unserer Kinder Mutter — setze ich hinzu, als unserer Enkel Großmutter, als Hausfrau und, — nein, ich schweige es nicht — und ob an's Ende gestellt, stelle ich's doch hoch,— als Pastorin - für dies alles hat auch eine längere Rede keinen Raum. Vor Manchem würde sich die Rede, einer Sinnpflanze gleich, zuthun, wenn auch das käme. Mutter, — so nannte ich sie ja immer — wie Du mich Vater nanntest, und ich spreche durch die Bretter, zwischen welchen Du liegst, denn man kann auch durch Bretter sprechen unschwer, gleichwie man selbst durch die Erde sprechen und sehen kann, unter welcher Du bald sein wirst, - Mutter, bleibe denn Solches auch in dem engeren Kreise unserer Nächsten und Nahen, gelegentlich nur und gesprächsweise mitgetheilt. Und daß Gott Dich eben in dieser Zeit von mir genommen hat, das nennt wol jedermann ein Hartes; fast zu derselbigen Zeit das Gesicht verlieren, das Amt aufgeben, und nun auch am Sarge der treuen Lebensgefährtin stehen müssen, das ist doch wol, zu einem und zu dem andern noch dieses dritte, alles fast gleichzeitig — das ist wol zu nennen, wie ich es genennet habe. Nennet Ihr, l. Fr., es eben so — und daß Ihr's thut und stehet mit dieser Eurer Theilnahme hier, dasselbige ist diejenige Hülfe, die gemeint war in dem Wort: „Helfet mir meine Frau begraben.„ Ein Gleiches werdet Ihr gewähren den hier Gegenwärtigen beiden Kindern und Schwiegerkindern und deren Kindlein, die auch verloren haben, wie ich verloren habe, jedes nach seinem Theil und nach seinem Maaß.

Allein unsere gemachte Zusammenstellung der Tauft und der Todesfeier, wo bleibet die vor einer so geführten Rede? — Nein wahrlich, sie weichet nicht. Denn unsere Kinder so wenig wie ich sind in unserer Traurigkeit ohne Freude, und unsere Freude ist keine im Augenblick gewandelte, gekehrte Traurigkeit. Unter dem Namen des Trostes ist die Freude bei uns gewesen schon als es mit ihr zum Sterben ging — zum Sterben ging, es ist gegangen, daß wir es sahen, daß sie es sah, zur Bereitung auf beiden Seiten. So ist sie gegangen keinen kurzen Weg, wie Ihr auch wisset. Dank sei Allen gesagt, deren Theilnahme sie begleitet hat, und besonders der Einen hier, für deren anhaltende freundliche Handreichung. jetzt bedarf sie keiner mehr, nachdem des Herrn Hand die Bande der Schmerzen gelöset hat und ihre befreite Seele aufgenommen ist zum sanften Ende, von Jesu zu Jesu. Du in ihren gesunden Tagen fleißig ihr Gebet und während ihrer Krankheit bei Tag und Nacht angerufener Jesus hast durch die Schmerzen und Beklemmungen, wie ein Kind, das geboren wird, ihre Seele lassen eintreten in das Leben, in das wahre, in ein neues, in ein höheres, in das vollkommene Leben, da nach dem Psalmwort Freude die Fülle und liebliches Wesen ist immer und ewiglich. Denn nach dem Worte, das auf ihren Sarg gelegt worden, Röm. 14: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn, — ist sie des Herrn und jetzt bei dem Herrn. Dieses ist eins von ihren zuletzt gesprochenen Worten. Zu welchem ich noch ein anderes gebe: Meinen Jesum lass' ich nicht, er wird auch von mir nicht lassen. Mein Gott, ich bitt' durch Christi Blut, mach' es mit meinem Ende gut. Ich aber spreche zu diesem Wort aus 143: Gott, Du wogst mein Glück, Du wogst mein Leid, und was Du schickst ist Seligkeit.

Theilt diese Freude über sie mit uns, mit mir, das nenne ich Eure Hülfe, zu welcher ich Euch hergebeten habe. Ihr thut es, ich danke Euch. Ihr Dortsein ist die Freude, da sie auch, will's Gott, den Einen ihr vor Jahres Zeit Vorangegangenen bald nach ihrem Eintreten wird wiedergefunden haben und mit ihm Hand in Hand ihren Nachgelassenen entgegentreten wird, wenn wir einer nach dem andern in jenes Leben hinein geboren werden— ich wol der erste. Wolan, zur Stunde, wenn der Herr es will. Es ist ein viel gesprochenes Wort in unseren Hausandachten aus einem Morgengesange: Unser Kranz zerreiße nie — gebe ich den Vers ganz, Samml. 5,7: „Herr, hier bet' ich mit den Meinen, die mir Deine Huld verlieh. Zähl' sie alle zu den Deinen! Unser Kranz zerreiße nie! Täglich knüpfe Deine Hand fest und fester unser Band, bis wir einst, o Vater, oben Hand in Hand Dich ewig loben.“ — Der Schluß des Vater» unsers sei auch der Schluß meiner Rede: — Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Nun wol auf, wol an zum letzten Gang!

Der Weg ist kurz, die Ruh' ist lang;
Gott führet ein, Gott führet aus,
Zum Bleiben ist nicht diese« Haus.

An ihrem Grabe.

Also auch hier reden? Soll ich das Herz abermals auf den Rost der Rede legen, damit das Herz noch mehr Schmerz fühle? Warum soll es nicht heißen: das Herz unter die Wolke der Rede stellen, aus welcher Kühlung und Erquickung träuft? Ich rede ebenfalls hier nach einer freundlichen Ueberlassung, weiß auch, daß es ihr recht wäre, wenn sie wüßte, daß ich auch an ihrem Grabe redete. Gehe das Wort denn auch hier aus in den weiter gewordenen Kreis, in die größer gewordene Gemeinschaft und werd' in derselben vernommen aus der früheren Rede dieses, daß ich gesagt habe: Heiset mir meine Frau begraben, theilt meinen Schmerz und meine Freude. Dort ist es gethan, werd' es hier auch von Mehreren gethan, Ihr Alle, vor denen Ich hier stehe, die ihr zum großen Theil auch wisset, was diese Todte mir gewesen ist und auch Andern; so werth gehalten ist sie von Andern, wie ich von ihnen, und wol noch mehr. Geht Alle in meine Trauer ein. Ich stehe hier in der dritten traurigen Erlebung; die eine ist meines Gesichtes Verdunkelung, die andere ist meines Amtes Niederlegung, die dritte, — was wir hier vor uns sehen. Aber es sollte mir nicht nur in der Trauer geholfen werden durch Mittrauer, sondern auch in der Freude durch Mitfreude. Es ist in der Wahrheit gesprochen, ich stehe hier froh, denn ich weiß, durch welche Leiden sie gegangen, in welche Freuden sie eingegangen, dahin ich, Herr, leite mich! auch werde vielleicht gehen über ein Kleines. — Doch zu dem Worte hin, wie es hier üblich ist, dem dreifachen. Die ersten zwei waren nicht ohne Grauen zu sprechen, wenn nicht das das dritte darauf folgete: Mensch, du bist Erde — und sollst zur Erde werden — und von der Erde wieder auferstehen. Weiter der Wunsch und dessen Grund: Gott der Vater, der dich erschaffen hat, Gott der Sohn, der dich erlöset hat, Gott der heilige Geist, der dich geheiligt hat, gebe dem Gebein in der Erde eine stille Ruh', und am Tage des Auferstehens ein frohes Wiedervereinen mit der vorauf gegangenen verklärten Seele. Lasset uns darauf beten: Vater unser u. s. w. — Die Versammlung halte noch ein zwischen Vaterunser und Segen Geschobenes genehm, das von mir noch sein Aussprechen fordert. Das ist denn die Stelle, wo auch mein Leib ruhen wird ihr zur Seite; hier werden wir neben einander ruhen, so Gott will! — Das ist die gewählte Stelle am Steige zwischen Stadt- und Landkirchhof, hier ist also unser Grab. Es wird nicht, das weiß ich, unbesucht bleiben, um ihretwillen und um meinetwillen wird noch Mancher hier herantreten, hierher blicken, mit sachtem Wort hier stehen, unser gedenken, der so und die so. — Nun, theure Todte, schlummr' in Ruh', wir geh'n nach unsern Hütten zu, und machen zu der Ewigkeit mit Furcht und Freude uns bereit. Bereit, — wir werden wol abbrechen in dem Werk unserer Bereitung, noch nicht fertig, noch nicht zu Ende damit an unserem Ende, getrosten wir uns der Barmherzigkeit, beten wir uns fertig, beten wir oft: Der Du für unsere Seelen wachst, sie zu Dir ziehst und selig machst, hilf uns mit gläubigem Vertrau'n auf Dich, o Du Vollender, schau'n.

Der Segen

Quelle:

Dr. Claus Harms
gewesenen Predigers in Kiel
Lebensbeschreibung
verfasset
von ihm selber
Kiel,
Akademische Buchhandlung
1851

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