Hahn, Johann Michael - 2. Betrachtung

Hahn, Johann Michael - 2. Betrachtung

Von der rechten Buße und Sinnesänderung.

Text: Jak. 4,7-10, Lied: II, 239. I,87

Liebe Christen, merkt es recht, wenn Jakobus sagt: „So seid nun Gott untertänig!“ Achtet auf seinen Wink und Willen, ruhet in demselben, und widerstrebet nicht seinem Licht! Dagegen widerstehet mit gläubigem, demütigem Eindringen in Gott und sein Licht, mit kindlichem, herzlichem Gebet dem Satan, dem Teufel, dem Verhinderer und Feind des Lichtreichs Jesu! Dann werdet ihr mit Seele und Sinn, mit ganzem Herzensverlangen aus aller Finsternis ausgehen und mit der lautersten Lichtsbegierde in Gott eindringen. Geschieht das, so flieht der Teufel von euch, und Gott, zu dem ihr euch nahet, kehrt sich als Geist und Liebe zu euch. Ihr werdet im Geist mit ihm zusammenfließen und ein Geist mit ihm werden.

Kann eine Seele gedeihen, wenn sie nicht aus dem Geräusch der Eitelkeit ausgeht? Wer Gott nicht lauter, rein und allein als Licht und Leben verlangt und gerne je bälder je lieber aus aller Finsternis ausgeht, der kann nicht in Gott eindringen, kann also unmöglich genesen. Warum fragen doch manche Herzen so oft, was schuld sei, daß es in ihrem Christentum nicht recht gehen wolle, warum sie nicht auch geistlicher und göttlicher gesinnt werden, wie sie doch gerne möchten? Sie sollten darauf kommen, daß bei ihrem geteilten Herzen und ihrem boshaften, zweiseelischen Wesen ein rechtes Wachstum am innern Menschen nicht möglich sei. Es kann bei ihnen nicht recht gehen, weil Gott selbst ihr Widerstand ist; er handelt ihnen überall entgegen, damit sie doch klug werden möchten. Hilft das aber auch nichts, und läßt er es ihnen endlich im Zeitlichen gelingen, dann sind sie erst übel daran; denn jetzt wird ihnen vermutlich das irdische Glück zum Strick werden.

Darum, liebe Freunde, verstehet doch Jakobus auch recht! Er will in seinem ganzen Brief nichts andres sagen als: Suchet Gott und sein Licht lauter und ganz, so werdet ihr im Leiden geduldig und im Blick auf jene Welt, den euch, so ihr treu seid, die göttliche Weisheit nicht versagen wird, auch zum Verleugnen willig sein. Werdet ihr euch aber betören lassen und allerlei Nebenabsichten hegen, so werdet ihr zwischen zwei Stühlen niedersitzen und nichts erlangen. Mit unlautern Tinkturen und Geistern fließt Gott nicht zusammen. Auch kann er es nicht dulden, wenn Seelen aus zeitlichen Absichten sich in allerlei Umtriebe einlassen. Daher heißt es in Vers 8: „Reiniget die Hände, ihr Sünder“, von allen Unsauberkeiten fleischlicher Art und unlautrer Geschäfte! Treibet im Gewerbfleiß nichts dem Lichte Zuwiderlaufendes; es greife ja keine Hand eines Lichtskindes nach verbotenen Dingen und lasse sich auch nicht nach solchen gelüsten! Trachtet nicht nur danach, keine gesetzwidrigen, wirklichen Verbrechen zu begehen, sondern bestrebet euch, durch die Kraft und Gnade Gottes von allem Erbübel frei zu werden! Hütet euch vor Geistes- und Fleischesbefleckungen, und „machet eure Herzen keusch, ihr Wankelmütigen“ und doppelherzigen Seelen! Das Herz ist die Quelle aller Verdorbenheit; hier ist das Verderben aufzusuchen. Wer es da nicht angreift und sich nicht von innen heraus kurieren läßt, der wird gewiß nicht gedeihen. Aber Herzenskeuschheit ist eine Wirkung des heiligen Geistes. Diese erlangt nur der, welcher Gott und seine Weisheit und Herrlichkeit ganz und stets rein und allein sucht.

Nur keine Gleichgültigkeit, wo noch so viel Verderben im Herzen wütet, wo noch allerlei Weltliebe, Kreaturenliebe, Sünden- und Finsternisliebe wechselweise sich u fühlen geben. Nicht Gleichgültigkeit, nicht eitle Fröhlichkeit und Munterkeit, wie es heutzutage vielfach der Fall ist, soll herrschen. Jakobus sagt in Vers 9: Habt wegen dieses Herzensverderbens Bedenklichkeit und Sorge, „seid elend und traget leid!“ Wie gefahrvoll ist doch der Lebensgang durch diese versuchungsvolle Welt! Wer je noch betrogen und hintergangen wird, der fühle sich wie einer, der ins Elend verwiesen ist, und trage großes Herzeleid. Er weine bei dem so großen Jammer und der vielen Not. Ja, „euer Lachen verkehre sich in Weinen“, und eure elende Weltfreude, die ihr bei leichtsinnigen Gesellschaften habt, in Traurigkeit über euren bejammernswerten Zustand! Das heißt erst wahre Sinnesänderung; dies heißt rechte Buße.

Wer diese Reue nicht hat und bezeugt, bei dem ist nicht viel Hoffnung auf wahre Besserung oder gründliche Bekehrung. Ein solcher kommt zu leicht dazu, an die Reinigung seiner Sünden zu glauben, so daß das, was er für Glauben hält, auch nur Meinung sein könnte. Wo nicht tief gegraben und ein fester Grund gelegt wird, da geht es viel zu oberflächlich her. Denn der Fels, auf den wir das geistliche Gebäude gründen sollen, liegt nicht so oben drauf. Man muß den ungeheuren Abgrund des Verderbens im Herzen durchwandern und durchgraben, ja wie mit Gewalt durchbrechen. Dabei geht es aber nicht an, im Jubel jauchzend einherzugehen. Solche Freude nimmt das Verderben nicht aus dem Herzen hinweg, ob es schon einige Zeit sich ruhig verhält. Der Satan lacht solcher ruhmredigen, kühnen Helden; denn er findet sie gerade so, wie er es gern hat, nämlich stolz, in sich selbst verliebt, frech und kühn. Er hat deshalb auch vor ihrem Freudengeschrei und Viktorialsingen keine Angst; denn er weiß wohl, daß es nur geistliche Luftbewegungen sind und alles im Grunde nicht so ernstlich gemeint ist, wie es klingt. Das Obenhinfahren und immer weitere Abkommen vom Herzen läßt ihm genug Hoffnung übrig, daß es ihm einst bei solchen nicht fehlen werde. Wie ist er dagegen in Sorge, wenn stille, demütige Seelen in großen Bedenklichkeiten sitzen und über ihr tiefes Herzensverderben, das sie immer bemerken, kläglich seufzen und bei jeder Gelegenheit sich bitter beklagen! Hier, denkt er, ist für mich alle Hoffnung verloren. Darum „demütiget euch vor Gott, so wird er euch erhöhen!“ Es geht mit solchen Seelen bei all ihrem in die Demut Heruntersinken stets weiter hinauf, näher hin zu Gott. Darum höret doch gerne das Klagen solch bußfertiger Seelen, wenn es nicht Gewohnheitssache oder bloße Nachäffung ist, sondern aus gründlicher Selbsterkenntnis und aus wahrem Finsternishaß kommt! Es ist viel erquicklicher zu hören als das Glaubensprahlen aller derer, die keine Sünder mehr sein wollen. O, wie tut es den angefochtenen Herzen so wohl, wenn sie hören, daß auch Leute, die sie höher als sich selbst schätzen, über Anfechtungen zu klagen haben!

Wer nun aus dem bisherigen den Sinn Gottes nicht zu erkennen vermag, der hat noch kein geistliches Erkenntnisvermögen, und sein Wandel ist nicht in der Furcht des Herrn.

Bd. II, S. 939

Mel. Mein Heiland nimmt die Sünder an.

Drum, liebe Seelen, greift es an mit allem Ernst im Lichtsverlangen, damit Gott das vollenden kann, was er aus Gnaden angefangen! Schreit immer, wenn ihr mangelhaft, schreit immerhin um Licht und Kraft! O zaudert nicht, und sagt nicht: morgen! Denn da gibt's wieder neue Sorgen. Es muß mit Ernst durchbrochen sein; drum scheut doch nicht so sehr die Pein!

Seid Gott alleine untertan, dem allerbesten Herrn und König, da er euch selig machen kann! Euch sei die ganze Welt zu wenig! Nein, es ist nicht der Mühe wert, daß je ein Herz sie nur begehrt. Das, was vergeht, - merkt, was ich singe! - Ist für ein Herz viel zu geringe; Gott füllt des Herzens Ewigkeit allein mit seiner Herrlichkeit.

Herzliebster Heiland, Jesus Christ! Du hast den Demutsweg gebahnet, den du vorangegangen bist; wir sind, dir nachzugehn, ermahnet. Ach schenk uns deinen Geist und Sinn, daß uns von dir nichts reiße hin! Ach mache uns, du liebstes Leben, dir ganz allein und recht ergeben! Hilf uns in allem Kampf und Streit, und steh mit Allmacht uns zur Seit!

Bd. II, S. 950

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