Grotius, Hugo - An einen Ungenannten

Grotius, Hugo - An einen Ungenannten

Im Jahr 1640.

Einst wird der Tag (des Friedens) erscheinen, dessen Morgenröthe sich setzt schon erblicken läßt. Denn von beiden Partheien fangen viele Männer, große, gelehrte, fromme, an, zu erkennen, welch eine große Sünde es ist, von dieser Seite offenbare Fehler nicht zu verbessern, von jener aber neue Dogmen zu schmieden und die alten zu lästern, die nichts als eines guten Erklärers bedürfen. Diesen schönsten Entschluß (für die Wahrheit zu leben) bitte ich in deinem Gebete Gott zu empfehlen.

Nicht durch eine Trennung von der einen, allgemeinen Kirche hätte man Heil und Rettung suchen, sondern man hätte in ihrem Schooße den Samen mit frommen Herzen streuen, sich selbst so gut, als es Menschen zu werden möglich ist, machen, und im Uebrigen mit kindlicher Ergebung die Entwickelung des guten Samens Gott überlassen sollen. Solche Verbesserungen sind dem Geist des Christenthums und der Sitte der alten Zeit gemäß. In diesem Sinne erachte ich es für das Heil der Menschheit, und darum für meine Pflicht, den ungeheuern Spalt wieder auszufüllen, und, soviel an mir ist, dafür zu leben und zu wirken. Soll man keinen Baum pflanzen, von welchem man keine Früchte erwartet? soll man nicht für die Enkel leben? Wie könnte ich den Rest meines Lebens besser anwenden, als dazu, die Sache der Religion zu fördern!

Sowie der Zorn, was er ergreift, zum Pfeil macht, so wollen viele, von Partheisucht verblendet, daß alles wahr scheinen soll, was der Parthei der Gegner nach ihrer Meinung schadet. Wenn ich hier eine neue und von den andern getrennte Versammlung errichten wollte, so könnte ich das wohl; aber ich sehe, daß die, welche uns neue Kirchen errichtet haben, zwar ihrer Meinung gefolgt sind, aber nicht, daß sie in der Pietät eben viel gefördert, und daß Trennungen aus Trennungen entstehen.

Ich halte mich daher an die Väter der ersten Jahrhunderte der christlichen Kirche, welche dem Quelle nahe waren, und die, noch nicht durch Partheisucht verblendet und von wildem Secteneifer getrieben mit einstimmiger Liebe Aller, die das Object kannten, den ursprünglichsten Worten des Christenthums eine Bedeutung gegeben hatten, und wage nimmer zu zweifeln an dem, was diese als wahrhaft christlich aufgestellt, was von allgemeinen Concilien für wahrhaft christlich erklärt war. Ja nur diese Meinung der alten Kirche halte ich für den möglichen Wiedervereinigungspunkt aller neuen Secten der Christenheit, und traue keiner die Anmaßung zu, ihre Lehre für wahrer zu halten, als die der Gemeinen, die von den Schülern der Jünger Jesu und ihren Schülern gestiftet und gelehrt waren. Deßwegen geht mein Streben dahin, das Bild des christlichen Alterthums aufzustellen, damit an dem Altare desselben sich die Christen aller Kirchen versammeln, und, ihrer Parthei vergessend, brüderlich die Hand reichen, und ewige Liebe und ewigen Frieden und ewige Eintracht schwören mögen).

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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