8) Das Bild eines Wiedertäufers, wie es Keßler zeichnet

Ehe wir das Bild, welches Keßler von den Wiedertäufern seiner Vaterstadt entwirft, aufstellen, mögen hier ein paar allgemeine Bemerkungen über diese Schwärmer Platz finden.

So lauter und wohlthätig auch die Bibel, diese Quelle unsrer Religion ist, so müssen wir doch bedauern, daß sie bald nachdem sie uns im 16. Jahrhundert in der Muttersprache als Führerinn wieder dargereicht worden war, - mit Schlamm und Unrath bedeckt wurde. Aus Mangel an den zu einer richtigen Bibelerklärung erforderlichen Vorkenntnissen trugen mehrere von denen welche sich von der römischen Kirche losgesagt, erst ihre sonderbaren Meinungen hinein, und fanden dann freilich darin, was sie suchten. Dabei setzten sie das Ansehen dieser heil. Schriften, oder wie sie es nannten, des äußern Wortes, so viel möglich herab, um das Ansehen des innern Wortes, und der unmittelbaren Eingebungen, deren sie sich rühmten, desto mehr zu erheben. Was jedem Narren einfiel, das erklärte er für eine Offenbahrung vom Himmel. Dabei verlieren sie sich mit ihrer Phantasie in Träume von einem tausendjährigen Reiche, und erwarten die sichtbare Ankunft Christi auf Erden, um mit ihm und unter ihm als seine Statthalter zu herrschen. Sie eiferten in der Bibelsprache der alten Propheten wider alles, was ihren Vorstellungen von diesem Reiche entgegen war. Daher konnte es nicht anders kommen, als daß sie sich aus Mangel wahrer Aufklärung, von dem einen Extrem in das andere stürzten, indem sie bei der durch die Reformation hergestellten Denk- und Gewissensfreiheit, die Meinung einer alle bürgerlich Ordnung auflösenden Unabhängigkeit damit verbanden.

Mit einer Dreistigkeit, die nur Menschen der Art eigen ist, rühmen sie sich eines von Gott unmittelbar erhaltenen inneren Lichtes, und traten, durch seine Stimme zum Predigen berufen, als Volkslehrer auf, die durch außerordentliche Wirkungen von oben zu Propheten und Aposteln ausgezeichnet wären. Dabei forderten sie den blinden Glauben an ihre Lehren als ein Recht, und fanden es gar nicht nöthig, ihre neuen Meinungen, durch welche sie sich unterschieden, durch Gründe unterstützen zu müssen, wie wir dies oben aus einem Beispiele von Grebeln dargethan haben.

Keßler, der diese schwärmerischen Köpfe täglich zu hören und zu beobachten Gelegenheit hatte, zeichnet sie und besonders ihre Lehrer mit folgenden Worten: Diese unberufenen widertäuferischen Lehrer, meistens Männer von niederer Herkunft, und ohne Schriftkenntniß, bemüheten sich immer im Eingang ihrer Predigt den Zuhörern die Worte Christi Matth. XI,25 vorzuhalten: Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast, und hast es den Unmündigen geoffenbahret.„ Damit glaubten sie ihre Niedrigkeit und Ungeschicklichkeit zu beschönigen, und versicherten zugleich nichts anders lehren und predigen zu wollen, als was ihnen der himmlische Vater eingebe und offenbahre. Durch solche Schriftstellen und in Demuth ausgesprochene Redensarten, wurden die Zuhörer gleichsam bestochen, so daß sie sie für göttliche Lehrer, und was sie redeten dafür hielten, als wenn es aus Gott geredet wäre; hingegen sahen sie die verordneten Prediger für Jüdische Schriftgelehrte und Verführer an.

Dabei suchten diese Leute durch einen scheinheiligen Wandel, und fromme Geberden zu glänzen, und bei andern zu gewinnen. Sie vermieden kostbare Kleider, und verachteten gute Speisen und Getränke, kleideten sich in grobes Tuch, verhülleten ihre Häupter mit breiten Filzhüten und schritten ganz demüthig und gebückt einher, indem sie sagten: jenes wären Wolfskleider, die die Schafe nicht tragen dürften. Sie trugen - wie es doch damals Sitte war - kein Gewehr noch Schwert oder Degen, sondern bedienten sich eines abgebrochenen Brodmessers. Sie schwuren keinen bürgerlichen Eid ab, und wenn sich einer vergieng, so wurde er aus der Gemeinschaft gestoßen, worin sie sehr streng waren, daher ein tägliches Ausstoßen unter ihnen statt fand. Im Reden und Disputiren benahmen sie sich so starrköpfig und unnachgiebig, daß sie lieber sterben als nachgeben, und von ihrem Satze abweichen wollten. Ja einer dieser Erzwiedertäufer, der obgenannte Felix Manz von Zürich, gieng sogar so weit, daß er behauptete, ihre Gemeinde sey ganz rein, unbefleckt und ohne Sünde!

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